Vorwort zu Band 1


  1. Wörterbuch ist die alphabetische verzeichnung der ...
  2. Was ist eines wörterbuchs zweck?
  3. Bisher sind begrif und bedeutung eines wörterbuchs ...
  4. Wir haben gesehen, welche einschränkung dem raume nach ...
  5. Welche vorgänger haben wir und was ist von ihnen schon geleistet worden?
  6. Fremde wörter
  7. Eigennamen
  8. Sprache der hirten, jäger, vogelsteller, fischer
  9. Anstöszige wörter
  10. Umfang der quellen
  11. Belege
  12. Terminologie
  13. Definitionen
  14. Bildungstriebe
  15. Partikeln
  16. Worterklärung
  17. Wortforschung
  18. Sitten und bräuche
  19. Schreibung und druck
  20. Rechtschreibung
  21. Betonung
  22. Vertheilung
  23. Beistand
  24. Schlusz
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    Auch wissenschaftliche unternehmungen, denen es noth thut tiefe wurzel zu schlagen und weit zu greifen, hängen von äuszeren anlässen ab. allgemein bekannt ist, dasz im jahr 1837 könig Ernst August von Hannover die durch seinen vorgänger gegebne, im lande zu recht beständige und beschworne verfassung eigenmächtig umstürzte, und dasz mit wenigen andern, die ihren eid nicht wollten fahren lassen (denn wozu sind eide, wenn sie unwahr sein und nicht gehalten werden sollen?), ich und mein bruder unserer ämter entsetzt wurden. in dieser zugleich drückenden und erhebenden lage, da den geächteten die öffentliche meinung schützend zur seite trat, geschah uns von der weidmannschen buchhandlung der antrag, unsere unfreiwillige musze auszufüllen und ein neues, groszes wörterbuch der deutschen sprache abzufassen. unmusze, und die freiwilligste war genug da, sie wäre nimmer ausgegangen, was frommte ihrer mehr und im überschwank zu bereiten? beinahe hiesz es alte warm gepflegte arbeiten aus dem nest stoszen, eine neue ungewohnte und mit jenen, aller nahen verwandtschaft zum trotz unverträgliche, ihren fittich heftiger schlagende darin aufnehmen. auf deutsche sprache von jeher standen alle unsere bestrebungen, den gedanken ihren unermessenen wortvorrat selbst einzutragen hatten wir doch nie gehegt, und schon der mühsamen zurüstungen sich zu unterfangen konnte den für die ausdauer unentbehrlichen mut auf die probe stellen. aber im vorschlag lag auch etwas unwiderstehliches, das sich gleich geltend machte und zum voraus allen schwierigkeiten, den vor augen schwebenden, wie solchen, die sich erst, wenn hand angelegt werden sollte, erzeigen würden und die es vorauszuschauen unmöglich ist, die spitze bot. wir erwogen und erwogen, ein unabsehbares, von keinem noch angelegtes, geschweige vollbrachtes werk öfnete allenthalben die fernsten aussichten. es gab weder ein deutsches wörterbuch, noch einer andern neueren sprache in dem umfassenden, ausgedehnten sinn, den wir ahnten, welchem gerade jetzt mehr als irgend wann mit treu aufgewandten kräften folge geleistet, mit reger theilnahme entgegen gekommen werden könnte. seine ungeheure wucht sollte nun auf vier schultern fallen: das schien sie zwar zu
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erleichtern und vertheilen, indem ihm aber auch zwei häupter erwuchsen, die nothwendige einheit wo nicht des entwurfs, doch der ausführung zu gefährden. dies bedenken dennoch hielt keinen stich gegen die stete gemeinschaft, in der wir von kindesbeinen an gelebt hatten, die wie bisher auch für die zukunft unsere geschicke zu bestimmen und zu sichern befugt war. eingedenk des uralten spruchs, dasz ein bruder dem andern wie die hand der hand helfe, übernahmen wir williges und beherztes entschlusses, ohne langes fackeln, das dargereichte geschäft, zu dessen gunsten auch alle übrigen gründe den ausschlag gegeben hatten. auf welche weise wir uns beide in es finden und einrichten, soll hernach unverhalten bleiben.
    Jahre sind, nachdem durch die gnade des königs von Preuszen wir hier in Berlin schirm und freiheit für unsere forschungen erlangt haben, verflossen, bevor angehoben werden konnte, und schon ist jenes öffentliche ereignis vor andern noch viel stärker erschütternden, deren vorspiel es gleichsam abgab, in den hintergrund gewichen. mag das werk, dessen beginn auf des geliebten vaterlandes altar wir nun darbringen, einst vollführt gegründetere zuversicht erwecken, dasz es im andenken der nachwelt haften und nicht schwinden werde, so ist uns damit alles leid vergolten.
    Längst entbehrt unsere sprache ihren dualis, dessen ich mich hier immer bedienen müste, und den pluralis fortzuführen fällt mir zu lästig. ich will das viele, was ich alles zu sagen habe, und von dem auch meine eigensten, innersten empfindungen beschwichtigt oder angefochten werden, frischweg in meinem namen aussprechen; leicht wird, sobald er künftig das wort ergreift und seine weichere feder ansetzt, Wilhelm meinen ersten bericht bestätigen und ergänzen. Hingegeben einer unablässigen arbeit, die mich je genauer ich sie kennen lerne, mit stärkerem behagen erfüllt, warum sollte ich bergen, dasz ich meinestheils entschieden sie von mir gewiesen hätte, wenn unangetastet ich an der Göttinger stelle geblieben wäre? im vorgerückten alter fühle ich, dasz die faden meiner übrigen angefangnen oder mit mir umgetragnen bücher, die ich jetzt noch in der hand halte, darüber abbrechen. wie wenn tagelang feine, dichte flocken vom himmel nieder fallen,
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bald die ganze gegend in unermeszlichem schnee zugedeckt liegt, werde ich von der masse aus allen ecken und ritzen auf mich andringender wörter gleichsam eingeschneit. zuweilen möchte ich mich erheben und alles wieder abschütteln, aber die rechte besinnung bleibt dann nicht aus. es gälte doch für thorheit, geringeren preisen obschon sehnsüchtig nachzuhängen und den groszen ertrag auszer acht zu lassen.
    Und was, wenn dieser weit mehr in der ergriffenen sache selbst als in meiner befähigung geborgene gewinn erfolgen kann, verschlägt es, dasz heimliche pfade, die ich steigen wollte, nun unberührt bleiben, andere beweise, die zu demselben ziel führen sollten, fehlen? sie durften, aber sie müssen nicht hinzutreten. ich hatte eingesehen, dasz die grundlage der menschlichen sprachwerkzeuge, die uns anerschaffenen bedingungen der sprache unter den geheimnisvollen gesetzen stehen, die uns die naturwissenschaft überall unwandelbar zeigt. zugleich aber, dasz in der sprache noch ein wärmeres und veränderliches element walte, das ihrer findung, aneignung, fortpflanzung und vervollkommnung unter den menschengeschlechtern, das sie der geschichte überweist und aus ihrem schosz die ganze manigfaltigkeit der literatur hervorgehn läszt. jenen verhalt der sprache zu den naturlauten auf zahllosen stufen hat vorzugsweise die grammatik, die flut oder ebbe ihrer zeitlichen erscheinungen zumal das wörterbuch darzustellen, welchem wie der geschichte die urkunden, die reichsten sammlungen des sprachvorrats unentbehrlich werden.
    Über eines solchen werkes antritt musz, wenn es gedeihen soll, in der höhe ein heilbringendes gestirn schweben. ich erkannte es im einklang zweier zeichen, die sonst einander abstehen, hier aber von demselben inneren grunde getrieben sich genähert hatten, in dem aufschwung einer deutschen philologie und in der empfänglichkeit des volks für seine muttersprache, wie sie beide bewegt wurden durch erstarkte liebe zum vaterland und untilgbare begierde nach seiner festeren einigung. was haben wir denn gemeinsames als unsere sprache und literatur?
    Wer nun unsere alte sprache erforscht und mit beobachtender seele bald der vorzüge gewahr wird, die sie gegenüber der heutigen auszeichnen, sieht anfangs sich unvermerkt zu allen denkmälern der vorzeit hingezogen und von denen der gegenwart abgewandt. je weiter aufwärts er klimmen kann, desto schöner und vollkommner dünkt ihn die leibliche gestalt der sprache, je näher ihrer jetzigen fassung er tritt, desto weher thut ihm jene macht und gewandtheit der form in abnahme und verfall zu finden. mit solcher lauterkeit und vollendung der äuszeren beschaffenheit der sprache wächst und steigt auch die zu gewinnende ausbeute, weil das durchsichtigere mehr ergibt als das schon getrübte und verworrene. sogar wenn ich bücher des sechzehnten ja siebzehnten jahrhunderts durchlas, kam mir die sprache, aller damaligen verwilderung und roheit unerachtet, in manchen ihrer züge noch beneidenswerth und vermögender vor als unsere heutige. welchen abstand aber auch von ihnen stellte die edle, freie natur der mittelhochdeutschen dichtungen dar, denen angestrengteste mühe zu widmen unvergleichlichen lohn
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abwirft. doch nicht einmal aus ihrer fülle schienen alle grammatischen entdeckungen von gewicht müssen hergeleitet zu werden, sondern aus sparsam flieszenden fast versiegenden althochdeutschen und gothischen quellen, die uns unserer zunge älteste und gefügeste regel kund thaten. es gab stunden, wo für abhanden gekommne theile des Ulfilas ich die gesamte poesie der besten zeit des dreizehnten jahrhunderts mit freuden ausgeliefert haben würde. den leuchtenden gesetzen der ältesten sprache nachspürend verzichtet man lange zeit auf die abgeblichenen der von heute.
    Allein auch sie weisz schon ihren anspruch zu erheben und verborgene anziehungskräfte auf uns auszuüben. nicht nur ist der neue grund und boden viel breiter und fester als der oft ganz schmale, lockere und eingeengte alte, darum aber mit sichererem fusze zu betreten, sondern jener einbusze der form gegenüber steht auch eine geistigere ausbildung und durcharbeitung. was dem alterthum doch meistens gebrach bestimmtheit und leichtigkeit der gedanken, ist in weit gröszerem masze der jetzigen zu eigen geworden, und musz auf die länge aller lebendigen sinnlichkeit des ausdrucks überwiegen. sie bietet also einen ohne alles verhältnis gröszern, in sich selbst zusammenhängenden und ausgeglichenen reichthum dar, der schwere verluste, die sie erlitten hat, vergessen macht, während die vorzüge der alten sprache oft nur an einzelnen plätzen, abgebrochen und abgerissen, statt im ganzen wirksam erscheinen. bei allen durch die zeit hervorgebrachten verschiedenheiten waltet im groszen dennoch eine beträchtliche durchblickende gemeinschaft zwischen alter und neuer sprache, die in allen ihren wendungen und sprüngen zu belauschen überraschende freude macht. wenn auf zahllose stellen unserer gegenwart licht aus der vergangenheit fällt, so gelingt umgedreht es auch hin und wieder im dunkel liegende flecken und gipfel der alten sprache eben mit der neuen zu erhellen. manches im alterthum vorragende beruht ganz auf sich selbst und läszt auszerhalb seiner schranke sich weiter nicht verfolgen; die ungleich gröszere masse des heutigen sprachschatzes wird durch überflieszende belege lehrreich begründet. wahr ist, die alte sprache leistet der grammatik bessere dienste, aber für auffassung der wortbedeutungen wird die neue offenbar wichtiger. die gothische formlehre, wo wir sie nur anrühren, trägt zehnfach mehr frucht als die neuhochdeutsche, doch die magerkeit eines gothischen oder selbst althochdeutschen glossars gegen das mittelhochdeutsche springt ins auge, wie könnte das mittelhochdeutsche sich messen mit einem neuhochdeutschen wörterbuch?
    Hier also kehrt sich die betrachtung zu gunsten des übernommenen werkes, das auf dem geebneten grunde historischer sprachforschung ruhend eine weit vollere und lebendigere samlung aller deutschen wörter veranstalten soll, als sie noch stattgefunden hat. ein deutsches wörterbuch mislang bisher aus dem doppelten grunde, dasz es weder den gelehrten noch dem volk ein genügen that.
    Die wiederanfachung der classischen literatur im fünfzehnten und sechzehnten jahrhundert hatte den abstand der einheimischen, wissenschaftlich unausgebildeten
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sprache von der griechischen und lateinischen sehr fühlbar gemacht und nun begann die kluft zwischen ihnen und jener desto schroffer vorzutreten. unsre eigne muttersprache, welche doch seit jene classischen zungen aus dem leben verschwunden waren, vor allen europäischen ehmals zuerst sich geregt und eignes lebens fähig erzeigt hatte, muste bald nur für eine dienende handlangerin, für die brücke gelten, über welche man aus dem schlamm heimischer barbarei ans gestade jener beiden, vielmehr die hebräische, heilig gehaltne hinzugerechnet, der drei einzig vollkommnen sprachen schreite; die beschaffenheit einer rein menschlichen, uns unmittelbarst nahe liegenden wundervollen gabe zu erwägen, fiel lange gar niemand ein. man war weder gewohnt noch darauf eingerichtet, hinter dem, was seiner natur nach feine und tiefe regel haben musz, sie auch wirklich zu suchen, und schleppte für den oberflächlichsten gebrauch fortwährend sich mit mageren leeren behelfen, die der sprache selbst keinen nutzen, nur empfindlichen schaden zufügten. die classischen sprachen waren gelehrt und zünftig, die deutsche wurde nicht in die lehre genommen und in keine zunft gelassen.
    Unvergessen sein sollen die namen Goldast, Schilter, Scherz, Bodmer, welche mit erfolg auf rettung und herausgabe altdeutscher quellen dachten, die namen Dasypodius, Maaler, Henisch, Frisch, denen samlung der deutschen wörter innig am herzen lag. alle, ohne ausnahme, weisen nach Süddeutschland, wo vor alters hochdeutsche sprache und poesie erwachsen war, wo die meisten handschriften aufbewahrt lagen und die fortlebende volksmundart stärker als anderswo an das alterthum gemahnte und dessen verständnis förderte. gleichwol traten die bemühungen dieser männer nicht so weit vor, dasz ihnen selbst schon gelungen wäre, sich eine geläufige kunde der frühern grammatik zu erwerben, durch deren darstellung allein den nur unbefriedigend bekannt gemachten quellen hätte können eingang verschaft und das verhältnis der heutigen zur alten sprache festgesetzt werden.
    Was im verschiedensten sinn Leibnitz, Lessing, Klopstock, Adelung, Voss, sämtlich dem norden Deutschlands angehörig, zum heil der deutschen sprache gewollt und geleistet haben, wird jederzeit hochgeachtet bleiben, konnte diese aber immer nicht im auge der classischen philologen als voll erscheinen lassen, und es war vergeblich das zu empfehlen, dessen ebenbürtigkeit der schule erst auf überzeugendere weise dargethan werden muste. niemals blieb einer der rechten wege, die dahin führten, nur von ferne eingeschlagen. sollte man es glauben, das im gesamten alterthum unserer sprache durch die untiefen der vorzeit wie ein fels ragende hauptwerk, auf dessen grund jeder bau zu errichten war, Holländern, Engländern, Schweden überlassen, wurde vor dem neunzehnten jahrhundert niemals in Deutschland gedruckt und zugänglich gemacht. durch Knittel s entdeckung auf Ulfilas geführt, dachte Lessing (11, 297) nur dem mageren theologischen gewinn, nicht dem groszen sprachlichen nach: diesen hellen, scharfen geist lenkte seine vorliebe für fabel und spruch nur zu wenigen altdeutschen dichtern zweiten oder dritten rangs; hätte er die besten je gelesen,
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er würde auch mittel gefunden haben für sie zu gewinnen. von Klopstock, den das alterthum und die schöne unsrer sprache entzündete, der ihre grammatische eigenheit fein herausfühlte, und in Kopenhagen leicht hätte an die nordische lautere quelle näher treten können, von ihm wäre gut gethan gewesen, sich doch mit dem wollautreichen Otfried und einigermaszen mit den minnesängern vertraut zu machen; schlimmer ist, dasz er in altsächsischer zunge, aus stellen die ihm Hickes darreichte, nur ganz dilettantische kenntnisse zu ziehen verstand und doch zur schau legt. auch der ihm nacheifernde, in der versbildung bald überlegne Voss gibt, bei gröszerer belesenheit, namentlich in seiner schrift von der zeitmessung höchst unzureichende einsicht in die altdeutsche sprache wie dichtkunst kund. darin zur seite tritt beiden der ihnen sonst überall entgegenstehende nüchterne Adelung , dem nur gedichte von Hagedorn, Gellert, Weisze gefielen, unter den ältern höchstens noch die von Opitz und dessen anhang eine halbe autorität, alle seiner jüngeren zeitgenossen zuwider waren; wie hätte er über sich gewonnen, die vermeinte roheit des mittelalters mit ernsten blicken anzusehen? ihm genügte fast an dem aller poesie baaren Teuerdank und an einzelnen aus Bodmers samlung erlesenen anführungen oder an denen, die schon Frisch und Schilter reichten. leichter als die der alten dichtkunst wäre ihm wol noch die anerkennung einer alten sprachregel gefallen, von welcher er keine ahnung hatte, und die doch vielen irrthümern und verstöszen seines wörterbuchs abzuhelfen allein vermocht hätte. dem verleugnen der altdeutschen poesie ein unbeabsichtigtes ende machte, dasz es der neuen gelang ihren thron prächtig aufzuschlagen. Göthes und Schillers hohe verdienste um unsere sprache strahlen so glänzend, dasz ihre gelegentlich etwa dargegebne abneigung vor einigen dichtungen des mittelalters, deren gehalt dabei weniger in betracht gekommen sein kann, als zufällige umstände, gar nicht angeschlagen werden darf.
    Nachdem diese groszen dichter vor dem ganzen volk mit immer steigendem erfolg, was deutsche sprachgewalt sei und meine, bewährt hatten und durch feindliche unterjochung in den wehevollen anfängen dieses jahrhunderts allen gemütern eingeprägt war, an diesem kleinod unsrer sprache stolzer festzuhalten; fand sich das bewustsein eines auch in ihr seit frühster zeit waltenden grundgesetzes so erleichtert, dasz es nichts als der einfachsten mittel bedurfte, um es auf einmal zur anschauung zu bringen. diese willfährig aufgenommene erkenntnis traf aber glücklicherweise zusammen mit einer vom sanskrit her erregten vergleichenden sprachwissenschaft, welche keiner sie nah oder fern berührenden spracheigenthümlichkeit aus dem wege gehend vor allen andern auch der einheimischen das gebührende recht widerfahren zu lassen geneigt sein muste, in welcher noch mehr als eine saite zu den volleren klängen jener ehrwürdigen sprachmutter anschlug. So hat sich unter mancherlei gunst und abgunst allmälich eine deutsche philologie in bedeutenderem umfang als je vorher gebildet, deren selbständige ergebnisse vielfache frucht tragen, unabhängigen werth behaupten und fortdauernde theilnahme in anspruch nehmen können. früherhin liesz alles und jedes,
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was von den denkmälern unseres alterthums mühsam gedruckt erschienen war, in ein paar folianten und quartanten sich beisammen haben; jetzt stehn in den bibliotheken ganze gefache von altdeutschen büchern erfüllt und die verleger zagen nicht mehr vor dieser literatur. wie viel noch übrig bleibe zu thun, ein rühmlicher eifer regt sich alle lücken zu ergänzen und ungenügende durch bessere ausgaben zu verdrängen. nicht länger verschlossen liegen die quellen unserer sprache und ihre bäche und ströme dürfen oft bis auf die stelle zurückgeführt werden, wo sie zum erstenmal vorgebrochen sind; fortan aber kann eine deutsche grammatik, ein deutsches wörterbuch, die sich dieser forschungen und aller daraus erwachsenen fordernisse entäuszern, weder gelten noch irgend ersprieszlichen dienst leisten.
    Von an der oberfläche klebenden, nicht tiefer eingehenden arbeiten beginnt heutzutage auch die ernstere stimmung des volks sich loszusagen. aufgelegt zum betrieb der naturwissenschaften, die den verstand beschäftigen und mit einfachen mitteln, wenn sie recht verwendet werden, das nützlichste ausrichten, wird ihm auch sonst das unnütze und schlechte verleidet; wozu ihm noch immer handbücher und auszüge unseres gewaltigen sprachhortes und alten erbes vorlegen?, die statt dafür einzunehmen davon ableiten und nichts als schalen absud seiner kraft und fülle bieten, aus dem keine nahrung und sättigung zu gewinnen steht, als sei der unmittelbare zutritt verschlagen und die eigne anschau verdeckt. Seit den befreiungskriegen ist in allen edlen schichten der nation anhaltende und unvergehende sehnsucht entsprungen nach den gütern, die Deutschland einigen und nicht trennen, die uns allein den stempel voller eigenheit aufzudrücken und zu wahren im stande sind. der groszen zahl von zeitgenossen, vor deren wachem auge die nächsten dreiszig jahre darauf sich entrollten, bleibt unvergessen, wie hoch in ihnen die hofnungen giengen, wie stolz und rein die gedanken waren; wenn nach dem gewitter von 1848 rückschläge lang und schwerfällig die luft durchziehen, können sprache und geschichte am herlichsten ihre unerschöpfliche macht der beruhigung gewähren. auch die kräfte der unendlichen natur zu ergründen stillt und erhebt, doch ist nicht der mensch selbst ihre edelste hervorbringung, sind nicht die blüten seines geistes das höchste ziel? seiner dichter und schriftsteller, nicht allein der heutigen auch der früher dagewesenen will das volk nun besser als vorher theilhaft werden und sie mit genieszen können; es ist recht, dasz durch die wieder aufgethanen schleuszen die flut des alterthums, so weit sie reiche, bis hin an die gegenwart spüle. zur forschung über den verhalt der alten, verschollenen sprache fühlen wenige sich berufen, in der menge aber waltet das bedürfnis, der trieb, die neugier, den gesamten umfang und alle mittel unsrer lebendigen, nicht der zerlegten und aufgelösten sprache kennen zu lernen. die grammatik ihrer natur nach ist für gelehrte, ziel und bestimmung des allen leuten dienenden wörterbuchs, wie hernach noch entfaltet werden soll, sind neben einer gelehrten und begeisterten grundlage nothwendig auch im edelsten sinne practisch.
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  Durch warme theilnahme des volks allein ist die erscheinung dieses deutschen wörterbuchs möglich und sicher geworden, das also im auffallenden gegensatz steht zu den wörterbüchern anderer landessprachen, die von gelehrten gesellschaften ausgegangen auf öffentliche kosten an das licht getreten sind, wie es in Frankreich, Spanien, Dänemark geschah; heute befaszt zu Stockholm die vitterhets academie sich mit einem schwedischen. ein solcher verein der mitarbeiter ist nach verschiedenheit der völker anders zu beurtheilen: wo durch verfeinerung des geselligen lebens die sprache überall bestimmt war gleich der französischen, konnte sie fast nur auf diesem wege ihren weltton finden und niedersetzen; das dictionnaire de l'académie hat ihn zum wenigsten für eine reihe von geschlechtern angegeben, später einmal wird man seinen unerträglichen zwang brechen, dem wahren begrif eines wörterbuchs stand es von anfang an fremd. anderwärts verschwinden aber die vortheile einer gesellschaftlichen bearbeitung vor den hemmungen und gebrechen, die sie heranführt: mitten aus dem fleisz und der einigkeit können vorwände der trägheit und des zwistes entspringen. zunächst läge nun, alle eigentliche last und bürde der arbeit in eines oder weniger hände zu geben, die dazu den wahren beruf in sich tragen. dann aber könnte sie ebenwol unabhängig auszerhalb dem kreise der gesellschaft sich entwickeln, diese nur den aufwand der geldmittel ganz oder zum theil bestreiten und so läszt sich allerdings die mitwirkung eines gelehrten verbands an dem wörterbuch, dessen spitze er vertretend schützte, förderlich denken. Doch in Deutschland haben bei dem geringen ansehen, dessen, wie vorhin gesagt wurde, die eigne sprache genosz, unsere vorwaltend classische und orientalische philologie, naturwissenschaft und geschichte hegenden academien niemals weder dem entwurf eines neuen, noch der hut und unterstützung eines in arbeit begriffenen deutschen wörterbuchs ihre aufmerksamkeit zugewandt. von Dasypodius und Pictorius an bis auf Adelung und Campe herunter sind alle unsere wörterbücher überhaupt ohne irgend eine öffentliche anregung oder beisteuer gedruckt worden und, was röthe in die wangen jagt, die herausgabe der einheimischen sprachdenkmäler hat, einzelne ruhmwürdige ausnahmen abgerechnet, meistens nur mit ärmlichen mitteln, durch halb unwillige verleger, fast ohne lohn für die herausgeber bewerkstelligt werden müssen. Wie vaterländisch gewesen wäre sie insgesamt in groszartigen schutz zu nehmen und ihnen vollständige bekanntmachung im angesicht des volks. angedeihen zu lassen, dem es nicht entgehen kann, welche pflege dafür ausländischem alterthum und fremden sprachen unter uns zu theil geworden ist.
    Ich wollte auch den wust und unflat unsrer schimpflichen die gliedmaszen der sprache ungefüg verhüllenden und entstellenden schreibweise ausfegen, ja dasz ich dafür den rechten augenblick gekommen wähnte, war einer der hauptgründe mich zur übernahme des wörterbuchs zu bestimmen, dessen ganze ordnung fast an jeder stelle durch das beibehalten der unter uns hergebrachten orthographie sichtbar gestört und getrübt werden muste. es ist nichts kleines, sondern etwas groszes und in vielen dingen nützes seine sprache
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richtig zu schreiben. das deutsche volk hängt aber so zäh und unberaten an dem verhärteten schlimmen misbrauch, dasz es eher lebendige und wirksame rechte, als von seinen untaugenden buchstaben das geringste fahren liesze, unmittelbar mit dem ersten eindruck, den ein neu auftretendes wörterbuch hervor zu bringen im stande wäre, mit dem einflusz, den es allmälich üben könnte, schien es am schicklichsten zugleich die längst reife neuerung, vielmehr zurückführung der schreibregel auf ihre alte einfachheit zu verbinden; in der bewegung der zeit selbst hätte diese abkehr und wendung von dem bloszen schlendrian der letzten, nicht der früheren jahrhunderte minderes aufsehen erregt und sich unvermerkt den beifall oder die gewöhnung der menge gewonnen. Als aber sonst überall in die jüngst verlassenen gleise zurück geschoben wurde, leuchtete ein dasz es nun unmöglich gewesen wäre hier in die ältesten wieder einzulenken; was geschehen konnte, war eine nur theilweise zu versuchende abhülfe und linderung des hervorstechendsten übels. welche wahl im einzelnen zu treffen sei, welche mittel einzuschlagen ratsam, darüber muste nothwendig die ansicht hin und her schwanken und diese unschlüssigkeit ist es eben, die in den letzten jahren längeren aufschub des wörterbuchs verursachte: rechtfertigung aber der unabweisbar gebliebnen, jedermann ins auge fallenden abweichungen von dem seitherigen schreibgebrauch wird nachher folgen.

    Dies alles vorausgesandt kann in die einzeln sich erhebenden betrachtungen eingeschritten werden.
     1. Wörterbuch ist die alphabetische verzeichnung der wörter einer sprache. sein begrif gründet wesentliche und durchdringende gegensätze zwischen alter und neuer zeit.
    Den ausdruck wörterbuch kannte das siebzehnte jahrhundert noch nicht, Stieler weisz nichts davon, zuerst meines wissens verwendet ihn Kramer (1719) nach dem nnl. woordenboek, Steinbach und Frisch behielten und führten ihn allgemein ein; von uns gelangte er zu Schweden und Dänen, die doch ordbok, ordbog sagen, das isländische orðabôk enthält wie wörterbuch den gen. pl. und gemeint ist auch ein buch der wörter, kein wortbuch. schöner ist das ohne zusammensetzung gebildete slavische slovar, slovnik, den Südslaven rjetschnik, von slovo, rjetsch wort, und warum hätte nicht auch ahd. wortâri, mhd. wortære sich sagen lassen, wie es hiesz ehirâri, eherære spicarium für einen sehr analogen begrif? das gr. ῥηματικόν (nemlich βιβλίον) entspräche dem heutigen sinn, wurde aber von den alten nicht so gebraucht.
    Griechen und Römer hatten keine vorstellung von einem wörterbuch, und die in ihren sprachen später üblichen benennungen lexicon, glossarium, dictionarium, vocabularium meinen anderes. das λεξικόν (βιβλίον) von λέξις, das dictionarium von dictio stellt redensarten, ausdrücke zusammen, das γλωσσάριον deutet alte, verdunkelte wörter, enthält glossen, das vocabular will nur wenige wörter geben, wie sie für schüler oder zu anderm behuf gesammelt wurden. richtig nennen z. b. Ducange und Oberlin ihre werke glossare, die französischen academiker ihre getroffene auswahl
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dictionnaire; doch einzelne einem herausgegebnen schriftsteller angehängte register sollten nicht wörterbücher heiszen. gelangen einmal die Franzosen zu einem vollständigen wörterbuch ihrer sprache, so werden sie ihm wol einen andern namen beilegen als den eines dictionnaire oder lexique. häufig hat man auch den umfassenden begrif angemessen durch den titel von thesaurus, tesoro, trésor, sprachschatz, oder durch beifügung eines adj. (totius latinitatis lexicon) eingeholt.
    Den alten selbst fiel gar nicht ein, alle und jede wörter ihrer sprache, geschweige der ihrer barbarischen nachbarn zu sammeln, es reizte sie blosz einzelne schichten oder wortreihen erklärend zu mustern, gewisse grammatische bildungsgesetze in ihnen zu verfolgen, oder dunkle, vergessene ausdrücke aufzuhellen. ihre etymologie, zuweilen sinnreich oder gelehrt, war meistentheils regellos und unwissenschaftlich. weder hätte das stärkste gedächtnis alle ausdrücke, die bei den Griechen ohnehin einer unendlichen fortbildung offenstanden, fassen und bereit halten, noch wenn dies durch die anstrengung mehrerer zusammen allmälich zu erreichen gewesen wäre, damit ein denkbarer zweck erfüllt werden können. was sollte die angehäufte wortmasse, die niemand zu lesen begehrte, und nur schwierige, kostspielige abschriften in umlauf zu bringen vermochten? Griechen wie Römer ahnten noch nichts von sprachvergleichung und spürten lust dazu in keiner ader, sonst würden auf diesem felde die wunderbarsten entdeckungen ihnen offen gestanden haben.
    Dies geändert, wie alle wissenschaften umgestaltet hat erst die grosze erfindung der druckerei, deren folgen auch noch heute, gleich denen der dampfkraft, unberechenbar erscheinen. wie der uralte fund der schrift zuerst den menschen in stand setzte, den geistigsten gebrauch von seiner hand zu machen, ihm die macht verlieh, seine gedanken zu versenden und der nachwelt zu überliefern; hat die vervielfältigung der schrift im druck diese macht verzehnfacht. ohne diese entdeckung wären unmittelbar darauf schon die wiedererweckung der classischen literatur und die reformation unmöglich gewesen, wenn unternommen, nicht gediehen. Seitdem schriften gedruckt und aller enden gelesen werden, sind wörterbücher entsprungen und der sprachwissenschaft ganz neue bahnen gesprengt worden, nicht auf einmal, sondern nach und nach, anfangs zufällig, dann im bewusteren fortschritt: man gewahrte endlich was die volle aufstellung der sprachen bedeute und wirken könne. durch die philologische richtung der heutigen missionare und die geregelte mittheilbarkeit ihrer samlungen wird das sprachstudium dereinst solche stärke erlangen, dasz es oft den abgang und verlust geschichtlicher denkmale mit dem reichthum und der schärfe seiner combination zu ersetzen vermag: vorgeschmack davon haben wir schon im kleinen. Bei dieser neuen philologie stehen aber alle zungen des erdbodens in demselben recht, und verachtet werden darf keine, ganz wie ins wörterbuch alle wörter gehören und gleich berechtigt darin sind. streben nach umfassender samlung und behandlung ist also für ein wörterbuch das erste erfordernis und die allseitigkeit seines gebrauchs dadurch bedingt. denn was die presse von sich gibt, will sie allen ohne ausnahme
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bestimmt haben, was allen dienen soll und kann, darf nichts ausschlieszen noch dahinten lassen.
    Nicht minder nothwendig ist dem wörterbuch die alphabetische ordnung und sowol die möglichkeit des vollen eintrags und der abfassung als die sicherheit und schnelle des gebrauchs hängen davon ab. wer reiche beiträge einschalten will, musz die stelle wohin vor augen haben und nicht unschlüssig herum zu suchen, ob das wort schon da sei oder fehle: die biene weisz genau die zelle, zu welcher sie honig einträgt. es würde die arbeit in den wörtern aufheben oder lähmen, wenn man den platz nicht kennt, aus dem sie zu holen sind. schon ihren eingeschränkten samlungen pflegten die alten diese alphabetfolge zum grunde zu legen und wer sie heute nicht handhabt, sondern aufhebt und stört, hat sich an der philologie versündigt.
    Zwar einzelne alphabete sind verschieden eingerichtet und lassen nicht von ihrem gewohnten gang. das sanskrit folgt einer aus seiner fülle und lauterkeit hervorgehenden natürlichen anordnung der buchstaben, die aber auf unvollkommner entfaltete sprachen schwer anzuwenden ist, in europäischen wörterbüchern eher verwirrung als licht bringt. an die abweichung der griechischen und hebräischen alphabete vom lateinischen, welche doch alle drei auf demselben boden entsprossen sind, gewöhnen wir uns von jugend; es ist aber kein bedürfnis den gedächtnissen auch die eigenheit des runischen und gothischen aufzubürden, dasz sie ihnen jeden augenblick gegenwärtig sei. werden danach nicht nur die anlaute, sondern auch die inlaute geordnet, so musz man zeit verschwenden oder läuft bei raschem aufschlage gefahr ab zu irren und zu übersehen. jedermann weisz es, wie viel beschwer in slavischen wörterbüchern die manigfaltigkeit einiger bezeichnungen auch für die alphabetische folge macht, wie lästig bei dem scandinavischen å ä ö ihr schwankendes einstellen oder verweisen an den schlusz wird. Nesselmann und Ettmüller haben den gebrauch ihrer littauischen und angelsächsischen wörterbücher durch annahme grammatischer lautreihen, die ihnen selbst geläufig, andern aber unbequem sind, äuszerst erschwert. die deutsche sprache kann bevor ihre orthographie gereinigt wird, das wörterbuch nicht befriedigend einrichten und ein mangel des gegenwärtigen bleiben musz es, dasz diesem gebrechen noch nicht abgeholfen werden durfte.
    Verderblicher den zwecken und absichten des wörterbuchs entgegen wirkt aber keine unter allen ordnungen, als die nach wurzeln, denen unmittelbar das abgeleitete und zusammengesetzte wort angeschlossen zu werden pflegt; selbst beim entwurf kleiner glossare und wortregister wird dem kitzel nicht widerstanden, alsogleich zu systematisieren und der grammatik was ihr gehört vorweg zu nehmen. der etymologie auch im wörterbuch nachzuhängen ist natürlich und unvermeidlich, da sie aber in fortschreitender bewegung begriffen die kunde der wurzeln allenthalben erweitert und ermäszigt, darf die folge der wörter nicht durch sie getrübt werden, jeder etymologischen auskunft auf dem fusze hätten sonst abänderungen einzutreten und in den wörterbüchern wäre kein wort mehr seines platzes sicher. ein so willkommnes, verdienstvolles werk wie Benecke s mittelhochdeutsches
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wörterbuch kann in dieser hinsicht verfehlt heiszen: sein urheber hielt es mit der würde unserer sprache für unvereinbar anders zu verfahren, durch vorschieben sei es der wahren oder vermeinten wurzel rückt er den ausdruck, welchem nachgefragt wird, aus des aufschlagenden auge. Nesselmann und Ettmüller, auszer der gerügten lautordnung, versetzen die einzelnen wörter dazu noch nach wurzeln. man kann, sobald andere wörterbücher bestehn, mit nutzen auch wurzelforschungen alphabetisch anordnen und besonders herausgeben, wie wir Miklosich verschiedne bücher, radices und ein lexicon verdanken oder Rosen die sanskritwurzeln eigens zusammenstellte. alphabetische folge allein, möchte man sagen, sichert den einzelnen wörtern ihre vorläufige unabhängigkeit und neutralität, die nicht vor abschlusz auszerhalb des wörterbuchs zu vollbringender untersuchungen preisgegeben werden soll.
     2. Was ist eines wörterbuchs zweck? nach seiner umfassenden allgemeinheit kann ihm nur ein groszes, weites ziel gesteckt sein.
    Es soll ein heiligthum der sprache gründen, ihren ganzen schatz bewahren, allen zu ihm den eingang offen halten. das niedergelegte gut wächst wie die wabe und wird ein hehres denkmal des volks, dessen vergangenheit und gegenwart in ihm sich verknüpfen.
    Die sprache ist allen bekannt und ein geheimnis. wie sie den gelehrten mächtig anzieht, hat sie auch der menge natürliche lust und neigung eingepflanzt. 'wie heiszt doch das wort, dessen ich mich nicht mehr recht erinnern kann?' 'der mann führt ein seltsames wort im munde, was mag es eigentlich sagen wollen?' 'zu dem ausdruck musz noch es bessere beispiele geben, lasz uns nachschlagen.'
    Diese neigung kommt dem verständnis auf halbem wege entgegen. das wörterbuch braucht gar nicht nach platter deutlichkeit zu ringen und kann sich ruhig alles üblichen geräths bedienen, dessen die wissenschaft so wenig als das handwerk entbehrt und der leser bringt das geschick dazu mit oder erwirbt sichs ohne mühe. fragst du den schuster, den becker um etwas, er antwortet dir auch mit seinen wörtern und es bedarf wenig oder keiner deutung.
    Auch ist gar keine noth, dasz allen alles verständlich, dasz jedem jedes wort erklärt sei, er gehe an dem unverstandnen vorüber und wird es das nächstemal vielleicht fassen. nenne man ein gutes buch, dessen verständnis leicht wäre und nicht einen unergründlichen hintergrund hätte. das wörterbuch insgemein führt so schweren stof mit sich, dasz die gelehrtesten bei manchem verstummen oder noch nicht rechten bescheid wissen. auf zahllosen stufen dürfen auch die andern leser bei seite lassen, was ihres vermögens nicht ist, in ihren gesichtskreis nicht fällt oder was selbst sie abstöszt. leser jedes standes und alters sollen auf den unabsehbaren strecken der sprache nach bienenweise nur in die kräuter und blumen sich niederlassen, zu denen ihr hang sie führt und die ihnen behagen.
    Einen haufen bücher mit übelerfundenen titeln gibt es, die hausieren gehn und das bunteste und unverdaulichste gemisch des manigfalten wissens feil tragen. fände bei den leuten die einfache kost der heimischen
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sprache eingang, so könnte das wörterbuch zum hausbedarf, und mit verlangen, oft mit andacht gelesen werden. warum sollte sich nicht der vater ein paar wörter ausheben und sie abends mit den knaben durchgehend zugleich ihre sprachgabe prüfen und die eigne anfrischen? die mutter würde gern zuhören. frauen, mit ihrem gesunden mutterwitz und im gedächtnis gute sprüche bewahrend, tragen oft wahre begierde ihr unverdorbnes sprachgefühl zu üben, vor die kisten und kasten zu treten, aus denen wie gefaltete leinwand lautere wörter ihnen entgegen quellen: ein wort, ein reim führt dann auf andere und sie kehren öfter zurück und heben den deckel von neuem. man darf nur nicht die fesselnde gewalt eines nachhaltigen füllhorns, wie man das wörterbuch zu nennen pflegt, und den dienst, den es thut vergleichen mit dem ärmlichen eines dürren handlexicons, das ein paarmal im jahr aus dem staub unter der bank hervor gelangt wird, um den streit zu schlichten, welche von zwei schlechten schreibungen den vorzug verdiene oder die steife verdeutschung eines geläufigen fremden ausdrucks aufzutreiben.
    Wer mag berechnen, welchen nutzen das wörterbuch dadurch stiftet, dasz es unvermerkt gegenüber denen, die sich mit fremden sprachen brüsten, eine lebhaftere empfindung für den werth, häufig die überlegenheit der eigenen einflöszt, und die vorlage anschaulicher beispiele, ganz abgesehn von dem, was sie beweisen sollen, liebe zu der einheimischen literatur stärker weckt. im hohen alterthum half dem gedächtnis das hersagen gebundner lieder und bewahrte damit zugleich auch die sprache. bei völkern, die keine oder eine dürftige literatur erzeugten, musten sprachformen, wörter und ausdrucksweisen aus mangel an wiederholung in vergessenheit sinken; den verfall reichgewesener sprachen in arme mundarten lehrt ein solcher abgang lebendiger übung begreifen. den glanz der alten sprachen haben dichtkunst und werke des geistes empor getragen und erhalten; wesentlich scheinen die wörterbücher auf gesicherte dauer der neueren sprachen einzuwirken, ein grund mehr ihnen vorschub zu leisten. schützen sie nicht alle wörter, so halten sie doch die mehrzahl aufrecht; wenige leser eines wörterbuchs werden in abrede stellen, wie viel einzelnes sie ihm zu danken haben. die lebendigste überlieferung erfolgt freilich von munde zu munde und nach verschiedenheit der landschaften ist ein menschenschlag rühriger und sprachgewandter als der andere. durch ausgestreuten samen können aber auch verödete fluren wieder urbar werden.
    Sprachforschung wird durch jedwede den denkmälern zugewandte aufmerksamkeit und sorgfalt gefördert und ergeht sich auf unermeszlichem felde, es scheint sogar, je mehr sie sich alle ihre mittel selbst bereite und zutrage, dasz sie desto eigenthümlicher auftreten möge. doch unverhältnismäszig den gröszten beistand gewährt ihr das wörterbuch, von dem an genau bestimmter stelle alle wörter in so geordnetem überblick dargeboten werden, wie ihn jener noch unbeholfne fleisz, und sei es der unermüdlichste, nimmer zu wege bringt. das wörterbuch gleicht einem gerüsteten schlagfertigen heer, mit welchem wunder ausgerichtet werden und wogegen die ausgesuchteste streitkraft im ein-
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zelnen nichts vermag. ich habe dies an meinem beispiel selbst erfahren, als ich die alte grammatik noch ohne beistand eines wörterbuchs aufzubauen trachtete und gewahre jetzt bei voller und alphabetischer ausarbeitung der neuen sprache, wie allein durch festgehaltnen schritt und regelmäszigen gang die abgelegensten stellen erreicht und besetzt werden, an denen sonst vorüber gegangen würde. einem uhrwerke gleich läszt sich das wörterbuch für den gebrauch des gemeinen mannes nur mit derselben genauigkeit einrichten, die auch der astronom begehrt, und wenn es überhaupt nutzen soll, gibt es kein anderes als ein wissenschaftliches.
     3. Bisher sind begrif und bedeutung eines wörterbuchs in so allgemeiner weise erwogen worden, dasz die ergebnisse auf alle sprachen anwendbar scheinen; jetzt soll die frage aufgeworfen werden nach einem deutschen wörterbuch.
    Sein gebiet und umfang folgen aus dem der deutschen sprache selbst. obwol nun mit dieser benennung treffend alle stammverwandten, auf unsere þiuda bezüglichen und ihr angehörigen sprachen ausgezeichnet werden können, schicklicher als mit dem uns aus der fremde her zugegangnen namen der germanischen (wie denn auch der eingeführte ausdruck indogermanische sprachen vollends unpassend erscheint); so pflegt dennoch die vorstellung sich zu verengen. man scheidet von der deutschen sprache zuvorderst sowol den alten gothischen stamm aus, als den nordischen oder scandinavischen, so dasz gleichwol die friesische, niederländische, altsächsische und angelsächsische noch der deutschen sprache in engerm sinn zufallen, wie denn auch Friesen, Niederländer und selbst Engländer bis auf heute ein deutsches element sich beilegen. im engsten sinn aber schränkt sich der name auf die politisch vereint gebliebnen Deutschen ein, wie sie den Franzosen Allemands heiszen, was nicht mehr auf Niederländer oder Engländer erstreckbar ist. dem zuerst von den Römern aufgebrachten unterschied einer Germania superior und inferior entspricht nur einigermaszen die sonderung in Hochdeutsche und Niederdeutsche, welchen beiden auf die ehrenvolle benennung der Deutschen gleicher anspruch zusteht.
    Zwischen hochdeutscher und niederdeutscher sprache macht einen wesentlichen unterschied die lautverschiebung, dergestalt dasz in diesem bezug die niederdeutsche allen vorhin ausgeschlossenen zungen beitritt, die hochdeutsche von jeder derselben absteht. ganz wie die Gothen, Scandinaven, Friesen, Sachsen gegenüber den uns ferner liegenden dennoch urverwandten sprachen die lautreihe ihrer stummen consonanten verschoben, gerade so verschieben nochmals gegenüber diesen andern Deutschen die Hochdeutschen. die niederdeutsche mundart, in vielen andern hinsichten der hochdeutschen sehr nahe tretend, entfernt auffallend sich von ihr durch diese lautverschiebung und bleibt dem älteren gleise treu, aus welchem die hochdeutsche, sicher doch nicht ohne zureichenden grund gewichen war, da das zweite lautverschieben dem ersten vollkommen analog erfolgte und durch es ein tiefer, innerer sprachtrieb erst seine befriedigung empfieng. weil nun aber um vieler zusammentreffender ursachen willen
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eben dieser character der zweiten verschiebung, d. h. der hochdeutsche unter uns in literatur wie dichtkunst der herschende, tonangebende ward, gebührt ihm in vorwaltendem sinn der name des deutschen, und wenn heutzutage im gegensatz zu französischer, italienischer, englischer von deutscher sprache die rede ist, kann darunter nicht mehr die niederdeutsche mundart verstanden werden.
    Diese jetzt allgeläufigen, für unsere grammatik entscheidenden verhältnisse hindern, wie jedermann einsieht, niederdeutsche wörter in ein deutsches wörterbuch aufzunehmen; sie würden sich eher in ein niederländisches, englisches oder gar dänisches fügen. deep läszt sich nicht stellen neben tief, dal, dag nicht neben thal, tag und to, tunge nicht neben zu, zunge; ebenso abweichend von einander sind, wenn auch die anlaute treffen, die in- und auslaute: gripen greifen, maken machen, meten messen, up auf, slaap schlaf, ik ich, rik reich, dat das, bet bis, kort kurz. wo sich die stummen anlaute begegnen, ist auf der einen oder andern seite der organismus verletzt, z. b. in deef dieb das niederdeutsche d aus th entsprungen, wie engl. thief lehrt, oder in breit breed unser b an die stelle von p getreten. nicht weniger weichen auch die vocale in den meisten fällen ab. unausführbar wäre, alle diese wörter an der hochdeutschen stelle, oder an verschiednen doppelt einzutragen, der hochdeutsche grund würde ganz davon gestört und getrübt werden und wie sollte man es mit solchen ausdrücken halten, die der niederdeutschen mundart ausschlieszlich eigen, unsrer hochdeutschen fremd geblieben sind? Aus allem diesem hüte man sich ein ungünstiges urtheil über die niederdeutsche sprache oder ihre lautverhältnisse zu ziehen, die nicht selten reiner und dem höhern alterthum gemäszer sind, als die hochdeutschen. dasz sie dem dichter sich immer noch nicht versage, haben mehrfache versuche, so eben noch Groths quikborn dargethan. Sie bedarf eines eignen, selbständigen wörterbuchs, wie es ein ausgezeichneter kenner niederdeutscher mundarten, Kosegarten zu Greifswald verheiszen und bereitet hat, für welches Köne in Münster, Woeste in Iserlohn wichtige beiträge liefern könnten. überhaupt aber ist die ganze art und weise dieser sprache doch nur idiotisch, den rang oder die wirkung einer lebendigen schriftsprache darf sie nicht mehr ansprechen, seit das hochdeutsche überall in ihre heimat vorgedrungen und auch mit der gegenwärtigen bildung des niederdeutschen volks unzertrennlich schon verwachsen ist. Eine andere richtung gewonnen hätte offenbar das niederdeutsche, wenn es mit dem unmittelbar angrenzenden niederländischen näher zusammen gegangen wäre, was auch diesem zu groszem vortheil ausgeschlagen sein würde. eine solchergestalt vom nordmeer an durch ganz Niederland erstreckte, am Niederrhein, an Weser und Elbe herschende, längs der ostseeküste bis nach Livland reichende fast gleichartig beschaffene sprache hätte dann der hochdeutschen das gegengewicht halten und die grundlage einer bedeutsamen literatur abgeben können, die sich jetzt nur in den Niederlanden wahrhaft erzeugt und verfeinert hat. es versteht sich beinahe von selbst, dasz das deutsche wörterbuch unter allen auszerhalb seinem gebiet liegenden
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sprachen zu allernächst auf diese niederländische sein augenmerk richten muste, die bereits im mittelalter dem mittelhochdeutsch zur seite tritt und bis auf heute manche uns vorenthalten gebliebne gunst erfahren hat, auch in einzelnen lauteigenheiten, zumal des vocalismus von dem übrigen niederdeutsch abgeht und sich hochdeutscher weise nähert.
    Deutsch ist demnach nichts als hochdeutsch, wie es von frühster zeit an vorzugsweise zur seite der überrheinischen Franken sich hervorthat unter den Alamannen (was den uns dort zu theil gewordnen allgemeinen namen erklärt und rechtfertigt), unter den Baiern, Thüringen, Hessen, so wie den diesseitigen Franken, und insgemein das merkmal der zweiten lautverschiebung an sich trägt. bei dem worte hochdeutsch selbst sollen nähere stellen über sein erstes vorkommen und den sinn, den man mit einem 'höher reden und schreiben' des deutschen verband, mitgetheilt werden. die gesamte althochdeutsche und mittelhochdeutsche dichtung und sprache ist wesentlich alemannisch (hier gleichviel mit schwäbisch), bairisch und fränkisch, welche drei nationen im reich vorangehen und erst allmälich, mit noch sichtbarem sträuben, die später bekehrten Sachsen zur theilnahme lassen, was nicht einmal durch die ruhmvolle zeit der sächsischen könige ausgeglichen wurde. Wie nun bei den Niederdeutschen die sächsische, westfälische und engrische mundart und noch manch andrer bestandtheil unterschieden werden musz; sticht auch unter den Hochdeutschen die schwäbische von der bairischöstreichischen, rheinfränkischen und hessischthüringischen ab, doch so, dasz die denkmäler der letzteren gegenüber den schwäbischbairischen nur arm erscheinen und erst seit dem dreizehnten jahrhundert sich zu erzeigen beginnen. nur musz man sich enthalten für diesen zwar noch hochdeutschen, aber einzelne übergänge zu dem anstoszenden sächsischen kundgebenden dialect die benennung mitteldeutsch zu verwenden, da sie sich mit dem mittelhochdeutsch verwirrt, und gar kein bedürfnis obwaltet, die hinreichenden örtlichen namen noch als ein oberdeutsch, süddeutsch, westdeutsch oder mitteldeutsch zu bezeichnen. wichtigste eigenheit dieses dialects, der sich aus Hessen und Thüringen, so viel gewiesen worden ist, durch Meiszen, Schlesien und die Lausitz in die an der ostsee bis nach Preuszen geschriebne sprache (denn die volkssprache ist dort niederdeutsch) fortzieht, tritt hervor an einer nachtheiligen verengung der reinhochdeutschen diphthonge, welche sich dem niederdeutschen lautsystem nähert. Da nun Luther, dessen geistige handhabung der deutschen sprache so mächtigen einflusz gewann, aus Thüringen gebürtig war, und seit der reformation die kraft der deutschen bildung aus Östreich und Baiern (weniger aus Schwaben und dem südwesten) weg, nach der mitte und dem norden Deutschlands zog, so erklärt sich hierdurch nicht nur die unmöglichkeit für die niederdeutsche mundart, sich als geistige schriftsprache zu behaupten, sondern auch das herabsinken der bairischöstreichischen zum roh werdenden volksdialect, während die schwäbischschweizerische natur sich ungleich länger in poesie und literatur aufrecht erhielt. offenbar auch stimmt jene weichheit der thüringischen mundart und die abwesenheit
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reinhochdeutscher diphthonge aus ihr zu den meisten eigenheiten der lutherischen sprache, die darum auch in Norddeutschland leichteren eingang fand. Will man weiter gehn, so kann zugestanden werden, dasz manche verfeinerung des hochdeutschen damit zusammenhängt, dasz Obersachsen wiege und hauptsitz der reformation war, und hat Adelung grund den meisznischen dialect zu erheben, so musz er hierin gesucht werden. bemerkenswerth lautet schon eine stelle in Conrad Gesners vorrede zu Pictorius: sunt qui tractui circa Lipsiam elegantioris sermonis, quo Lutherus etiam libros suos condiderit, primas deferant; die allgemeine roheit des 17 jh. hat durchweg in ganz Deutschland gute spracheigenheiten verwischt und ausgetilgt. damals übten blosz die schlesischen dichter und Fleming, zuletzt auch Christian Weise einen besseren einflusz, woran unmittelbar im folgenden jh. Gellert und Rabener sich schlieszen; ein weit tieferer und zu gröszerem heil ist hernach, mit völliger wiederaufhebung des obersächsischen tons, von Lessing und Klopstock, dann aber von Wieland , Schiller und Göthe ausgegangen. kein einziger schriftsteller in Östreich und Baiern hat in diesen beiden jahrhunderten bedeutung, denn wer wollte Balde (dazu einen gebornen Elsäszer) oder Megerle anschlagen?
    Fürs deutsche wörterbuch behauptet die kenntnis aller hochdeutschen volksmundarten hohen werth, und ich musz sogleich zum lobe der Baiern hinzusetzen, dasz kein andrer unsrer stämme ein wörterbuch aufzuweisen hat, das dem von Schmeller irgend gleichkäme, so meisterhaft ist hier die sprache selbst und ihr lebendiger zusammenhang mit sitten und bräuchen dargestellt, und doch hat der letzte band bedauerliche kürzung erfahren, weil der verleger bedenken trug das volle werk fertig zu drucken; möge jetzt von des verfassers hinterlassenschaft, worunter sich auch zur zweiten ausgabe des wörterbuchs der reichste stof ausgearbeitet findet, nichts vorenthalten werden. Stalders schweizerisches idioticon würde eine trefliche arbeit heiszen, wäre nicht die von Schmeller ihr nachgefolgt, mit dessen gelehrsamkeit und sprachtalent der Luzerner sich eben so wenig messen darf, als an reichthum und gehalt die bairische volkssprache mit der schweizerischen. diese ist mehr als bloszer dialect, wie es schon aus der freiheit des volks sich begreifen läszt; noch nie hat sie sich des rechtes begeben selbständig aufzutreten und in die schriftsprache einzuflieszen, die freilich aus dem übrigen Deutschland mächtiger zu ihr vordringt. von jeher sind aus der Schweiz wirksame bücher hervor gegangen, denen ein theil ihres reizes schwände, wenn die leisere oder stärkere zuthat aus der heimischen sprache fehlte; einem lebenden schriftsteller, bei dem sie entschieden vorwaltet, Jeremias Gotthelf (Bitzius ) kommen an sprachgewalt und eindruck in der lesewelt heute wenig andre gleich. in den folgenden bänden des wörterbuchs wird man ihn öfter zugezogen finden und es ist zu wünschen, dasz seine kräftige ausdrucksweise dadurch weitere verbreitung erlange. auch der elsäszischen, alemannischen oder schwäbischen volkssprache, wie vorzüglich Hebel dargethan hat, steht des lieblichen und wolgefälligen noch viel zu gebot. von allen diesen volksmundarten
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kann jedoch nicht unmittelbar, das heiszt ohne ausgleichung ihres abstandes im laut, mit dem oft auch ein theil ihrer anmut vergeht, erborgt werden.
     4. Wir haben gesehen, welche einschränkung dem raume nach der begrif eines deutschen wörterbuchs erleidet; fragt es sich, wie ihm in der zeit seine grenze zu stecken sei?
    Die hochdeutsche sprache zerfällt in drei perioden. zur althochdeutschen rechnen wir ihre frühsten denkmäler ungefähr vom siebenten bis zum eilften jahrhundert, zur mittelhochdeutschen die vom zwölften bis in die mitte des funfzehnten; es ist nothwendig beide untereinander wie von dem neuhochdeutschen zu sondern, weil die formen der althochdeutschen sprache voller und edler als die der mittelhochdeutschen sind, diese aber an reinheit die unsrigen weit übertreffen. blosz der übergang vom alt- zum mittelhochdeutschen kann hin und wieder schwanken und zweifelhaft sein. durch Schades entdeckungen lernen wir jetzt viele strophische gedichte kennen, deren einiger erste abfassung vielleicht noch über das zwölfte jahrhundert hinaus in das eilfte zu setzen ist; jedenfalls füllt sich, wie schon aus andern gründen zu entnehmen war, die im eilften bisher angenommene leere allmälich aus. Dasz bald nach 1450 mit erfindung der druckerei eine neue welt in den wissenschaften anhebt, bedarf keiner ausführung. erst mit dem jahr 1500, oder noch etwas später mit Luther s auftritt den nhd. zeitraum anzuheben ist unzulässig, und schriftsteller wie Steinhöwel, Albrecht von Eib, Niclas von Wile, ja KEISERSBERG, Pauli und Brant, die doch schon ganz seine farbe tragen, würden ihm damit entzogen. seit LUTHER steigt nur die fülle und freiere behandlung der literatur.
    Auf ahd. ja auf gothische sprache muste im wörterbuch oft zurück gegangen werden, um der ältesten und vollendetesten gestalt eines ausdrucks habhaft zu werden. noch häufiger ist, und meist wegen lebendigkeit der redensarten, mhd. beispielen raum gegönnt worden, manchen leser könnte ihrer allzuviel bedünken. vielleicht wären weniger stellen angezogen worden, wenn allenthalben schon das mhd. wörterbuch vorgelegen hätte; gegenwärtig, da noch dessen gröszerer theil abgeht, in der ungewisheit ob es einen treffenden beleg, wie er mir zu gebot stand, bringen werde oder nicht, zog ich vor ihn einzurücken. in der folge sollen die mhd. anführungen eher sich mindern als mehren; bei der anordnung des beneckischen wörterbuchs bekommt man viele wörter nicht zu sehen, bevor die reihe ihren stamm treffen wird, und an weiter hinaus schiebenden verweisungen ist kein mangel. die die letzten buchstaben ausarbeiten, werden ihre last bekommen. wie noth mhd. beispiele thun, sah zuweilen schon Adelung, ahd. gibt er selten, gothische nie.
    Die hauptsache aber ist, den umfang des nhd. ganzen zeitraums so viel als möglich zu erschöpfen und dadurch nicht allein das verständnis der einzelnen ausdrücke zu ergründen, sondern auch die liebe zu den vergesznen schriftstellern dieser zeit wieder anzufachen. das allerverkehrteste wäre, den blick vom alterthum abzuwenden und das deutsche wörterbuch selbstgenügsam auf die kurze spanne der gegenwart anzuweisen, als könnte irgend eine zeit aus sich allein begriffen werden und
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des veralteten, auszer brauch gesetzten entraten. Schon Göthe erfordert nicht selten einen unterschied zwischen seiner früheren und späteren ausdrucksweise und bedient sich im laufe seines langen reichen lebens allmälich anderer formen und wörter, man sehe z. b. begonnte und begann sp. 1297, es wird aber fortgesetzter aufmerksamkeit bedürfen, um solche wahrnehmungen sicher zu stellen, sp. 5 führte Luthers adeler unmittelbar zu der annahme, dasz auch Göthe nur adler gesagt habe, augenblicklich entgieng mir, dasz im spätern Faust dennoch vorkommt:

sie dünkt dich wol sie sei ein aar.    41, 40,

und warum sollte in den neueren gedichten dies wort nicht öfter wiederkehren? aar ist das schönere, ältere, adler das zusammengesetzte, unserm heutigen sprachgebrauch klingt aber adler einfach und natürlich, aar gesucht und gelehrt. den meisten lesern würde nicht eingefallen sein daran zu denken, dasz uns eins dieser wörter geläufig sei, das andere nicht. noch häufiger als bei Göthe zeigen sich bei Wieland wörter, die von jüngeren schriftstellern kaum oder nirgend verwandt werden. wie viel mehr ist aus der sprache der schlesischen dichter, oder Fischarts heute ausgestorben.
    Jede sprache steht nicht nur in ihrem nächsten kreis, es sind auch noch fernere und ausgedehntere um sie gezogen, deren einflusse sie sich nicht ganz entziehen darf, deren bewustsein sie nicht völlig verloren hat, wenn es schon dunkler und schwächer geworden ist, wie dem gedächtnis die abgelegensten dinge urplötzlich wieder gegenwärtig werden. wollte man dem sprachvermögen sein recht nehmen zurück zu greifen, und nach bedeutsamen, durch ihr alterthum feierlich gewordnen wörtern zu langen, so wäre das die unerträglichste beschränkung. eine sprache die auszer ihrem baren vorrat, der in umlauf ist, keine sparpfennige und seltne münzen aufzuweisen hätte, wäre armgeschaffen; diese schätze hervorzuziehen ist das amt des wörterbuchs.
    Seit uns die dichtungen des mittelalters wieder heimisch geworden sind und hinter ihrem rücken wir noch eine nachzuckende althochdeutsche poesie liegen wissen, sind zugleich auch auf einmal alle folgenden jahrhunderte günstiger angesehn, weil die genaue kunde einer frühen zeit auch in der späteren keine lücken leidet. Gellert und Hagedorn verstehn wir nicht ohne Canitz und Günther, diese nicht ohne Opitz und Fleming, soll die gröszere kraft des sechzehnten jahrhunderts für uns verloren sein? Luthers noch heute in der bibel fortlebende sprache würde nur unvollständig erkannt, wenn sie aus dem zusammenhang ihrer eignen zeit gerissen wäre. kein deutsches wörterbuch dürfte Fischart , Luther ; HANS Sachs, Keisersberg von sich ausschlieszen, darum gehören ihm auch die zeitgenossen dieser männer an, und vermöchte es nicht eine solche forderung zu erfüllen, so bliebe es ohne saft und gehalt.
     5. Welche vorgänger haben wir und was ist von ihnen schon geleistet worden?
    Die vorzeit, wie vorhin gezeigt ist, kannte keine wörterbücher, und eine menge althochdeutscher glossen, die in lateinischen handschriften über die zeilen gesetzt oder auch besonders zusammengetragen wurden,
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sollten nur der lateinischen sprache, gar nicht der deutschen einen dienst leisten. es sind nichts als kleine glossare, vocabulare und nomenclatoren, meist nach den lateinischen wörtern alphabetisch und ungenau, zuweilen auch nach unterscheidung der gegenstände geordnet, wie z. b. der von Wackernagel bekannt gemachte vocabularius optimus aus dem 14 jh. alle für den sprachforscher, sofern sie der ahd. und mhd. periode angehören, mehr oder minder werthvoll, liegen auszer unserm unmittelbaren bereich; es gibt ihrer aber auch mehrere, die der zweiten hälfte des funfzehnten jh. und noch dem beginn des 16 anheim fallen, denen die erleichterte verbreitung durch den druck zu statten kam. von ihnen ist jedoch, aus nahe liegenden gründen, mehr ein zufälliger als vollständiger gebrauch gemacht worden. sämtlich ungemein und selten, stehen sie nur zerstreut in groszen büchersamlungen und sind bei ihrer unbeholfenheit schwer zu gebrauchen. in den alphabetisch eingerichteten läszt sich nach dem barbarischen latein nicht leicht aufschlagen und man musz damit beginnen, jedes derselben von anfang bis zu ende durchzulesen, um zu erfahren, was sie enthalten. das sind aber vorwiegend lauter gewöhnliche, sonsther bekannte wörter, deren mundart und verhalt erst sorgfältiger ermittelung bedürfen. ich leugne nicht, dasz im einzelnen manche ausbeute aus ihnen zu gewinnen sein wird. Lorenz Diefenbach, der bereits eins dieser bücher nach einer handschrift von 1470 herausgegeben hat, will sich das verdienst erwerben, alle übrigen zu untersuchen, zu ordnen und in genauer vollständigkeit dem publicum vorzulegen. vorläufig findet man mangelhafte verzeichnisse ihrer ausgaben in Clignetts vorrede zum teutonista s. LXXXVII-LXXXIX und bei Ebert unter vocabularius.
    Den funken eines deutschen wörterbuchs zündete der, welcher unter diesen vocabularien auf den nahe liegenden gedanken gerieth, statt nach den lateinischen nun auch nach den deutschen wörtern alphabetisch zu ordnen, und Diefenbach wird uns sagen, wer der erste gewesen ist; kaum geschah es bereits in handschriften, die dem druck noch nicht bestimmt waren, und anfangs wird dem lateinischdeutschen glossar nur ein deutschlateinisches register angehängt worden sein. Panzer in den zusätzen seiner annalen führt unter 111. 112. 113 einen vocabularius incipiens teutonicum ante latinum in drei ausgaben ohne druckjahr an; ein vocabularium teutonico-latinum erschien zu Hagenau 1487, aber vorher schon 1475 zu Cöln Gerts van der Schüren teutonista oder duitschlender in niederrheinischclevischer mundart, eine reiche und einsichtige auswahl deutscher wörter, die noch heute groszen nutzen leistet und der deutschen sprache ihren alphabetischen auftritt sicherte.
    Das erste namhafte hochdeutsche wörterbuch rührt von einem Straszburger, doch aus der Schweiz abstammenden arzt Petrus Dasypodius (was Hase oder Häslein sein wird, bei ihm selbst steht geschrieben 114b hasz, häszlin, 347d haas dasypus) und führt den titel dictionarium latinogermanicum, dessen dritte ausgabe Argentorati per Wendelinum Rihelium 1537 in 489 octavblättern mir vorliegt und später noch oft aufgelegt wurde. die beiden ersten drucke 1535 (superiore
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anno) und 1536 müssen sich schnell vergriffen haben. das dictionarium germanicolatinum, in usum et gratiam germanicae pubis summa diligentia concinnatum beginnt erst mit bl. 295, ist aber enger gedruckt als der vorausgehende lateinische theil, und man thut wol, immer beide zusammen zu halten, da ihre fassung abweicht. beide theile lassen am schlusz noch besondere, gleichfalls alphabetisch geordnete, recht brauchbare sachverzeichnisse, nach art der alten vocab. rerum folgen, in der vierten ausgabe trat ein verzeichnis der rechtsausdrücke hinzu. obwol nun diese ganze arbeit noch den character eines schulbuchs an sich trägt, ist sie doch frisch aus der elsäszischen mundart, wie der teutonista aus der niederrheinischen geschöpft, und ihr deutschlateinischer theil prägte die nothwendigkeit alphabetischer wortsamlungen unserer sprache aufs anschaulichste ein.
    Unmittelbar auf dem fusz des Dasypodius folgte ein, es scheint ganz aus ihm entnommnes, nur ärmeres, sonst aber dieselben verdeutschungen enthaltendes dictionarium latinogermanicum des Joannes Serranus , Norimb. 1539.
    Joannes Frisius, ein Zürcher, hatte nach Rob. STEPHANUS dict. latinogallicum ein latinogermanicum ausgearbeitet, das Tiguri 1541, dann 1556, beidemal in einem starken folianten herauskam, und weil ihm der deutsche index mangelt, den deutschen wörterbüchern nicht kann beigezählt werden. das fühlbare bedürfnis eines solchen trieb den Josua Maaler oder Pictorius an, auf Gesners rath, das werk umzugieszen und deutsch zu verfassen: die teütsch spraach. alle wörter, namen und arten zu reden in hochteütscher spraach, dem ABC nach ordenlich gestellt und mit gutem latein ganz fleiszig und eigenlich vertolmetscht, dergleichen biszhär nie gesähen, durch JOSUA Maaler burger zu Zürich. Tiguri 1561. 536 blätter in grosz 80. ein reich ausgestatteter schatz von wörtern und redensarten, aus der lebenden Schweizersprache hervorgegangen, in der that das erste wahrhafte deutsche wörterbuch, das die trockenheit des teutonista und Dasypodius verlassend ein muster aufstellte, wie man in allen landstrichen unsere sprache hätte verzeichnen sollen; schlimmes zeichen war, dasz keine weiteren auflagen erfolgten.
    Georg Henisch: teutsche sprach und weisheit, thesaurus linguae et sapientiae germanicae. pars prima. Augsburg 1616. 1875 seiten in folio, nur den buchst. G zu ende führend, so dasz mindestens noch zwei ähnliche bände hätten hinzu kommen müssen, deren erscheinen ohne zweifel der ausbruch des dreiszigjährigen kriegs hinderte. das überaus fleiszige und lehrreiche werk ist nach einem tüchtigen, allzu überladenen entwurf gearbeitet und erleichtert auch durch ein beigegebnes, sich schon auf alle buchstaben des alphabets ausdehnendes register den aufschlag der oft in einem meer von beispielen und redensarten schwimmenden wörter. was deutsche arbeitskraft vermöge, geht auch aus diesem schätzbaren werk unwiderleglich hervor.
    Just. Georg Schottelius ausführliche arbeit von der teutschen haubtsprache. Braunschweig 1663 stellt von s. 1277-1450 ein nützliches verzeichnis der deutschen stammwörter auf.
    Der deutschen sprache stammbaum und fortwachs
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oder teutscher sprachschatz durch unermüdeten fleisz in vielen jahren gesamlet von dem Spaten. Nürnberg 1691. 2672 spalten in 40, auszer einem unpaginierten, noch 874 spalten oder 437 seiten enthaltenden register. der Spate oder Serotinus (vgl. sp. 2163) war Caspar von Stieler, ein geborner Erfurter, und seine mühsame arbeit konnte bei vielen gebrechen, woran sie leidet, keine heilsame wirkung hervorbringen. sie ist zwar alphabetisch, aber nach stämmen eingerichtet, denen sogar die sinnverwandten, buchstäblich ganz fremden wörter angereiht sind, z. b. hinter alt folgen ur und natur; dabei werden die falschesten etymologien geschmacklos geltend gemacht, und einzelne triebe der ableitung oder zusammensetzung unerlaubt, ohne dasz ihnen wirkliche, lebendige wörter unterliegen, gehandhabt. Reichards hist. der deutschen sprachkunst, Hamb. 1747 s. 306 wirft dem Stieler vor, viele neugebackene und seltsame wörter entweder aus eigner erfindung oder aus den schriften der fruchtbringenden gesellschaft hingesetzt zu haben. oft aber erscheint dieser tadel auch unbegründet und genauere bekanntschaft mit unsern sprachquellen rechtfertigt das aufgestellte, im ersten anblick verdächtige wort. die beispiele sind nicht reichlich genug und zu trocken gegeben, die bedeutungen unentwickelt gelassen. gleichwol musz das sorgsame, von reger vaterlandsliebe getragne werk beachtet werden und jenes strengalphabetische vollständige register bietet 60000 wörter in so erleichterter übersicht dar, wie sie sonst nirgend vorhanden ist. auch hat es durch die auffassung des thüringischen dialects noch besondere wichtigkeit.
    Christoph Ernst Steinbachs vollständiges deutsches wörterbuch vel lexicon germanicolatinum. Breslau 1734 in zwei octavbänden von 1086 und 1134 seiten, gewährt manches löbliche und brauchbare, mit reichen zumal aus der schlesischen sprache entnommnen belegen, von den dichtern sind Günther und Hofmannswaldau häufiger als OPITZ und Lohenstein eingetragen. die ordnung ist alphabetisch, doch nach stämmen.
    Johann Leonhard FRISCH (gebürtig aus Sulzbach in Baiern) teutschlateinisches wörterbuch, nebst einem register der lateinischen wörter (wodurch sich also das frühere verhältnis umdreht), Berlin 1741 in zwei quartanten von 680 und 489 enggedruckten seiten, kann das erste gelehrte deutsche wörterbuch heiszen, da es nicht wie die vorhergehenden, aus der mundart einer bestimmten gegend gesammelt und wiederum nachgeschrieben ist, sondern mit weiter umsicht ferner liegende urkunden, chroniken und gedichte zu rathe zieht und gründliche, besonnene wortableitungen aufstellt. es enthält einen wahren schatz von früher unbeachteten und auch später nur aus ihm zu entnehmenden nachrichten, weshalb es nicht veraltete und noch heute häufiger gebraucht und nachgesehn werden musz als die folgenden, ihm an fülle des stofs überlegenen werke.
    Versuch eines vollständigen grammatischkritischen wörterbuches der hochdeutschen mundart mit beständiger vergleichung der oberdeutschen. erster theil Leipzig 1774, zweiter 1775, dritter 1777, vierter 1780, fünfter 1786, der name des verfassers, Johann Christoph Adelung, steht nicht einmal auf den titeln,
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nur am schlusse der vorrede. die zweite ausgabe lautet: grammatisch kritisches wörterbuch der hochdeutschen sprache u. s. w. von JOHANN Christoph Adelung theil 1-4. Leipzig 1793-1801, fünften oder supplementbandes erstes heft, Berlin 1818, nach des verfassers tode erschienen und nicht weiter fortgesetzt. werthlos ist ein zu Prag 1821 anonym heraus gekommner anhang.
    Nach Gottscheds tode (1766), der kurz vorher noch unbefriedigende proben eines umfassenden deutschen wörterbuchs hatte ausgehen lassen, wurde Adelung dafür gewonnen und arbeitete in der nächsten zeit daran unermüdlich. man darf annehmen, dasz es die ganzen siebziger jahre hindurch seine volle kraft erforderte; die zweite in den neunzigern erscheinende ausgabe kostete hernach geringern aufwand. sie steht sogar wegen mancher durch andere zusätze unaufgewognen auslassungen hinter der ersten, und in der sprachforschung gilt nicht weiter zu schreiten sondern still zu stehn fast einem rückschritt gleich.
    Die erste ausgabe nannte der bescheidne, unendlicher mühe sich bewuste mann einen versuch. es ist nicht zu verkennen, ein so durchgearbeitetes und beharrlich ausgeführtes werk über die deutsche sprache war noch nicht vorhanden und konnte des günstigsten eindrucks nicht verfehlen. seine stärke lag in dem bei aller enthaltsamkeit durch grosze ordnung reich aufgespeicherten, jede vorausgegangne samlung übertreffenden wortvorrat, dann in ruhiger, umsichtiger, mit wolgewählten beispielen ausgestatteter, obschon breiter entfaltung der bedeutungen. alles trägt das gepräge einer ungestörten, gleichmäszigen arbeit, die bald so hoch stieg als sie steigen konnte, und auf die der phantasie gar kein einflusz gestattet war.
    Die vorher nur in Stielers register sichtbare, von Steinbach und Frisch wieder aufgeopferte strengalphabetische folge blieb nun gehandhabt und liesz alle ihre vortheile gewahren; doch das erste gebot eines wörterbuchs, die unparteiische zulassung und pflege aller ausdrücke muste einer falschen ansicht weichen, die Adelung von der natur unserer schriftsprache gefaszt hatte. nur ein in Obersachsen verfeinertes hochdeutsch, gleichsam die hofsprache der gelehrsamkeit, meinte er, dürfe den ton anstimmen, und wenn es auch keinen einzigen classischen schriftsteller dafür gebe: denn selbst Gellert, der reinste den wir aufweisen können, habe seine meisznische provinzialismen. aus dem erhabnen sinke die sprache in das edle, aus dem edlen in das trauliche, dann aber in das niedrige und pöbelhafte herab; das pöbelhafte liege tief unter dem horizont des sprachforschers, der das niedrige nur dem komischen zu gefallen beachte: dessen habe in der ersten hitze das wörterbuch noch zu viel aufgenommen. das wörterbuch sei auch kein glossar und müsse sparsam thun mit veralteten wörtern, manches von Opitz oder Logau werde blosz zur warnung beigebracht, und Luthers bibelsprache, die sich erst allmälich der oberdeutschen härte entwunden habe, stehe der reinhochdeutschen übersetzung von MICHAELIS nach.
    Wie sticht von solchen grundsätzen die dem ersten bande des wörterbuchs angehängte preisschrift Fuldas ab, der allenthalben frische blicke in den bau und die geschichte unserer sprache wirft, dem der pöbel ein
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archiv des alterthums ist. wie muste aber die dauernde unempfänglichkeit Adelungs für den von ihm voll erlebten aufschwung deutscher poesie dichterisch gestimmten zuwider sein, die es mit ansahen, dasz er auch die zweite ausgabe seines wörterbuchs nicht zu bereichern verstand aus dem was alle begeisterte. den lange verhaltnen tadel sprach endlich Voss treffend und bitter aus, dennoch ungerecht, weil ihm die anerkennung dessen abgieng, was in engem, freiwillig gestecktem befang mit reichem, allen nützendem ertrag geerntet worden war. in der literatur des 16. 17 jh. war Voss bewanderter als Adelung , für die ältere sprache läszt beider kunde das meiste zu wünschen übrig, und übel angebracht scheint die rüge, aus der für den rügenden fast eine höhere entspringen mag. um ein beispiel des schadens anzuführen, den diese unkunde nach sich zieht, Adelung wuste nicht im nhd. e das mhd. ë und e, im nhd. ei nicht das mhd. î und ei zu unterscheiden, bei wörtern also wie bescheren oder schwellen, wie schleifen und bescheinen sah er niemals auf den grund, und dieser mangel zieht durchs ganze buch. das ist nur éin gebrechen und an ähnlichen schlimmeren leidet es oft genug, es durfte doch noch manchen windstosz an sich vorüber streichen lassen, bevor es zu boden gesunken wäre; es wird auch in zukunft noch lange zeit aufrecht stehn bleiben und von den forschenden zu rath gezogen werden.
    Bald nach beendigung der zweiten ausgabe Adelungs, und auf lang gepflogne vorarbeiten erschien Joachim Heinrich Campes wörterbuch der deutschen sprache, Braunschweig 1807-1811 in fünf quartanten. ein schwerfälliges, tief unter dem seines vorgängers stehendes werk, hervorgerufen durch die begierde die bei Adelung fehlenden, jetzt in der alphabetischen anordnung leicht erkennbaren wörter nachzutragen und einem unverständigen purismus huldigend alle fremden wörter aus der sprache zu tilgen. bei Adelung war alles aus einem gusz und reiflich erwogen, hier griffen neben Campe selbst noch zwei mitarbeiter verschiedner art und befähigung ein und strebten in aller hast ein wörterbuch anzuschwellen, das der gelehrsamkeit entraten konnte, da alle etymologien als unnütze spreu verworfen wurden, und die 'in jeder minute kreiszende und gebärende sprache' dem haschenden, nicht dem stillemsigen samlerfleisz unablässigen vorschub that. am schlusz des fünften bandes, als nachgezählt wurde, fand sich, dasz Adelungs zweite vermehrte ausgabe nur 55181 artikel, das neue werk 141277 enthalte, wozu sich eine unabsehbare reihe von nachträgen erwarten liesz, weil dem überschlag zufolge (vorr. zu band 1 seite IX) 'jede ostermesse in ihren büchern sicher ein paar tausend wörter bringe, die in den vollständigsten wörterbüchern fehlen'. ein glück, dasz diese nachträge nie erschienen sind, durch das hauptwerk schon stand die überschwemmung hoch genug.
    In wahrheit auf die frage nach dem zuwachs musz man antworten, dasz manche der von Adelung versäumten wörter nachgeholt sind und in dem von allen seiten heran geführten schutt einzelne gute körner stecken können, für deren alphabetische aufstellung gedankt werden darf; doch ist weder die ältere noch
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die neuste literatur planmäszig und genau eingetragen, häufige durckfehler entstellen die meisten auszüge. die vortretende masse besteht aber in nichts als zusammensetzungen, und wiederum meistens uneigentlichen, deren die art und weise unserer sprache zahllose reihen bilden läszt. blieben die einem folgenden wort sich anhängenden partikeln und genitive los und frei, wie sie die ältere syntax betrachtet, an dem platz, den sie in der rede einnehmen; so hätte das wörterbuch ihrer nur bei den einfachen wörtern zu gedenken anlasz, nicht aber composita anzusetzen, zu denen sie der sprachgebrauch allmälich verknöchert. man kann den gen. herzens oder leibes, und so fast jeden andern, einer unzahl von substantiven oder adjectiven voraussenden, mit welchen sie nun zusammengesetzt erscheinen, während in gleicher lage das lateinische cordis und corporis stets unangeheftet bleibt; die aufzählung solcher zusammensetzungen im wörterbuch zeugt von keinem reichthum unserer sprache, blosz von einem zwang, der ihrer syntax angethan wird. für die partikeln stellt sich die sache etwas anders; unleugbar wäre der willkür thür und thor eröfnet, wenn es verstattet sein sollte, dasz alle und jede den einfachen wörtern in allen denkbaren bezügen vorträten: die sprache würde dann einem unnatürlichen baum gleichen, an dem sich alle äste, zweige und blätter nach jeder seite hin entwickelt hätten. mit der analogie ist der sprachforschung ein weitreichendes gesetz verliehen, doch in den ausnahmen und abweichungen von ihr bergen sich wiederum regeln, denen man gerecht werden soll. die partikel auf z. b. vermögen wir vor jedes einen lauten schall ausdrückende verbum in dem sinn zu setzen, dasz dadurch ein wecken aus dem schlafe bezeichnet werden soll: aufbellen aufbimmeln aufblasen aufdonnern aufgeigen aufläuten aufposaunen aufschreien aufsingen auftrommeln auftrompeten auftuten und so weiter; es wird hinreichen einzelne derselben im wörterbuch mit guten beispielen, die sich darbieten, anzugeben und der erschöpfenden durchführung zu entsagen. denn auch hier macht sich ein recht des sprachgebrauchs geltend, der eine solche bedeutung weislich meidet, wenn bereits eine andere mit derselben partikel geläufig ist, wie aufgeigen gewöhnlich ausdrückt hergeigen, folglich für aufwecken mit der geige nur da gesagt werden kann, wo es ein bestimmter zusammenhang gestattet. ebensowenig misbrauchen läszt sich das privative aus, wie sp. 821 angemerkt ist, und dieselbe vorsicht musz für alle andern partikeln angewandt werden. Ich behaupte nicht, dasz die verfasser des campischen wörterbuchs alle möglichen partikelcomposita hinstellen wollten, was zu den unausführbarsten, fruchtlosesten dingen würde gehört haben; allein es genügt ihnen für viele derselben entweder der baren analogie zu folgen oder einen beleg vorzuschützen, der den lebendigen ursprung der zusammensetzung zu bezeugen unfähig ist. um die vorläufig unnütze aufführung von ausdrücken wie abnäseln, abnecken, abnicken u. s. w., die seinen raum einnehmen, wird das wörterbuch niemand neiden: nicht alle scheinen unzulässig, doch sie fallen verdrieszlich, solange ihnen die rechte beglaubigung abgeht und ein groszer theil derselben erregt zweifel. Hinzugenommen, dasz Campe auszer dieser sucht der
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vervielfachung und übertreibung aller ableitungs und zusammensetzungstriebe der deutschen sprache einem unleidlichen purismus huldigt, von dem sogleich mehr gesagt werden soll, dasz er dagegen versäumt hat die in unserer literatur zunächst liegenden und gebotenen ergänzungen des adelungischen werkes gebührend aufzubringen, so wird man sich schwer dazu verstehen, das seinige für wahrhaft brauchbar und unsere sprache fördernd zu erklären. die den wörtern vorgesetzten unpractischen zeichen verdienen sicher keine nachahmung und tragen nur dazu bei, die leblosigkeit, an der das buch ohnehin leidet, noch zu mehren.
    Der übrigen seit Adelungs zeit erschienenen deutschen wörterbücher, handwörterbücher, gesamtwörterbücher von Moritz , Heinsius, Heyse, Kaltschmidt und wie sie weiter heiszen, ausführlich zu erwähnen ist keine noth. sie sind verschiedner art und anlage, in wolmeinender absicht unternommen und theilweise mit geschick bearbeitet; allein ich trage bedenken, ob irgend ein einziges unter ihnen der sprache selbst wahren und dauerhaften dienst geleistet habe. sie gehen darauf aus und halten für bedürfnis, die bisherige errungenschaft immer umzuschreiben, auszuziehen und abzukürzen, statt sie zu erhöhen und zu steigern. den eingang zum schacht finden sie nicht oder lassen ihn versanden. eine weile brach zu liegen hätte dem groszen wortacker besser gethan, als dasz, während die pflüger ausblieben, viele füsze auf seiner oberfläche sich tummelten und sie fest traten.
     6. Fremde wörter.
    Alle sprachen, solange sie gesund sind, haben einen naturtrieb, das fremde von sich abzuhalten und wo sein eindrang erfolgte, es wieder auszustoszen, wenigstens mit den heimischen elementen auszugleichen. keine sprache war aller entfaltungen der laute mächtig und den beiseite liegenden weicht sie aus, weil sie sich dadurch gestört empfindet. dem Hochdeutschen ist zuwider statt laub und liebe zu vernehmen loof und leeve, aber der Niederdeutsche hat gegen jene formen ein ähnliches gefühl. was schon von den lauten, gilt noch mehr von den worten.
    Fällt von ungefähr ein fremdes wort in den brunnen einer sprache, so wird es solange darin umgetrieben, bis es ihre farbe annimmt und seiner fremden art zum trotze wie ein heimisches aussieht. das zeigt sich vorzugsweise an einer menge von ortsnamen, aber auch an andern wörtern: abenteuer, armbrust, eichhorn klingen vollkommen deutsch, obgleich sie nicht das geringste mit den vorstellungen abend theuer arm brust eiche horn zu schaffen haben. es liegt nichts daran was sie zu bedeuten scheinen, jeder weisz was sie wirklich ausdrücken und unsere klänge werden nicht von ihnen getrübt. auch echtdeutsche aber dunkel gewordne ausdrücke müssen sich gefallen lassen auf ähnliche weise deutlicher, wenn schon sinnlos zu werden, wie aus moltwurf, seit man es misverstand, maulwurf gemacht wurde.
    Durch das christenthum, die lateinische gelehrsamkeit und den nachbarlichen verkehr drangen fremde wörter haufenweise vor. für einige gab es gute ja kühne verdeutschungen, wie taufe, sünde, hölle, ostern. weit mehrere wurden beibehalten und zugestutzt, z. b.
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engel, teufel, priester, altar, pfeiler, kreuz, natur, körper, fenster; aus pyrethrum ward bertram, aus peregrinus pilgrim oder pilgram, aus podagra podagram. die assimilation war dann am stärksten, wenn ihnen auch unsere eigenthümliche flexion zu theil wurde, z. b. den wörtern schreiben und preisen der ablaut schrieb, pries.
    Zur annahme fremder wörter bewog unser alterthum nicht nur ihr fester zusammenhang mit der überlieferung der kirche und schule, neben einer ins auge fallenden übereinkunft der urverwandten, sondern auch ihre zier und beholfenheit, oder träge versäumnis sich in der eignen sprache nach einem ihnen entsprechenden ausdruck umzusehen.
    Allmälich begann jener widerwille gegen den fremden laut sich abzustumpfen und in ein pedantisches beibehalten seiner vollen aussprache umzudrehen; auf diesem standpunct sank das gefühl für die eigne sprache noch mehr und den fremden wörtern wurde der zutritt ohne noth erleichtert: man suchte nun eine ehre darin, das heimische aufzugeben und das fremde an dessen stelle zu setzen.
    Es ist pflicht der sprachforschung und zumal eines deutschen wörterbuchs dem maszlosen und unberechtigten vordrang des fremden widerstand zu leisten und einen unterschied fest zu halten zwischen zwei ganz von einander abstehenden gattungen ausländischer wörter, wenn auch ihre grenze hin und wieder sich verläuft.
    Unmöglich wäre die ausschlieszung aller solcher, die im boden unsrer sprache längst wurzel gefaszt und aus ihr neue sprossen getrieben haben, sie sind durch vielfache ableitung und zusammensetzung mit der deutschen rede so verwachsen, dasz wir ihrer nicht entbehren können. dahin gehören z. b. die namen aller aus der fremde in das land geführten thiere und gewächse, für die es kein deutsches wort gibt, wer würde der benennung rose, röschen, viole, veilchen entsagen? dahin fallen die seit tausend jahren deutsch gewordnen ausdrücke wie fenster, kammer, tempel, pforte, schule, kaiser, meister, arzt, deren einheimischer name, wenn er vorhanden war, verschollen oder durch den fremden näher bestimmt ist. meistentheils, obgleich nicht durchgehends, wird für fremde substantiva die bildung von diminutiven oder die zusammensetzung mit lich (minder die ableitung auf isch) merkmal ihrer zulässigkeit und einbürgerung, so z. b. musten appetit und das sehr gut gebildete appetitlich (franz. appétissant) stehn bleiben, dem nichts anderes genau entspräche (denn das ahd. lustlîh ist veraltet) und schon Münster und Fischart verwenden sie beide unbedenklich: auch fehlen sie nicht bei Adelung, wol aber bei Campe (der noch lüstlich hat).
    Dagegen enthält das deutsche wörterbuch sich einer menge anderer aus der griechischen, lateinischen, französischen sprache oder sonsther entlehnten ausdrücke, deren gebrauch unter uns überhand genommen hat oder gestattet wurde, ohne dasz sie für eingetretne in unsere sprache gelten können. sie haben wol versucht sich einzunisten und eine stelle zu besetzen, die noch offen stand, oder aus der sie schon ein heimisches wort verjagten; doch ist ihnen ungelungen eigentlich sich anzubauen. ihr aufenthalt scheint in vielen fällen gleichsam
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ein vorübergehender und man wird, sobald einmal das natürliche wort den gebührenden raum gewonnen hat, sie gar nicht vermissen. solche fremde ausdrücke kommen uns zwar täglich in den mund, gehn aber die deutsche rede nichts an, insofern sie andere, gleichgute bereits besitzt oder die in ihnen enthaltnen vorstellungen nicht zu bezeichnen anstrebt, für welchen zweck sollte sie z. b. die grosze zahl ausländischer in gärten oder treibhäuser aufgenommner blumennamen wieder geben? man beläszt es beim lateinischen kunstwort. andere rücken uns freilich näher, das leben verwendet fremde wörter in wissenschaft und schule, im krieg und frieden, im gemeinen umgang so viele, dasz man sich oft nur mit ihnen leicht verständlich macht und ohne sie befahren musz misverstanden zu werden. Wie der stolz auf unsre eigne sprache, der oft noch schlummert, einmal heller wacht und die bekanntschaft mit allen mitteln wächst, welche sie selbst uns darreicht, um noch bezeichnendere und uns angemessenere ausdrücke zu gewinnen, wird auch die anwendung der fremden weichen und beschränkt werden. so hat die unzahl der verba auf ieren, mit denen alsobald jeder französische infinitiv deutsch werden kann und die im vorigen jahrhundert allenthalben unsere rede verunzierten, sich auf viel wenigere zurück geführt und dasz alle schwänden, wäre auch nicht zu wünschen. Man darf überhaupt nicht vergessen, dasz es keineswegs die mitte des volks ist, die das fremde in unsere sprache heran schwemmte, vielmehr dasz es ihr zugeführt wurde durch die dem ausländischen brauch huldigenden fürstenhöfe, durch den steifen und undeutschen stil der behörden, kanzleien und gerichte, so wie durch das bestreben aller wissenschaften ihre kunstausdrücke den fremden zu bequemen oder diesen den rang vor jedem eignen wort zu lassen.
    Dieser ausländerei und sprachmengung soll das wörterbuch keinen vorschub, sondern will ihr allen redlichen abbruch thun, geflissentlich aber auch die abwege meiden, auf welche von unberufenen sprachreinigern gelenkt worden ist. ohne an der schönheit und fülle unserer sprache selbst wahre freude zu empfinden, strebt dieser ärgerliche purismus das fremde, wo er seiner nur gewahren kann, feindlich zu verfolgen und zu tilgen, mit plumpem hammerschlag schmiedet er seine untauglichen waffen. das was, ihm völlig unbewust, die sprache längst schon hatte, oder was sie zum gröszten theil noch nicht einmal in sich aufzunehmen begehrt, will er ihr im umgewandten kleide gewaltsam anziehen und einverleiben, vor lauter bäumen sieht er den wald nicht. ohne sonderliche mühe lassen sich werthlose und ungeweihte zusammensetzungen schweiszen, deren begrif dem leichten und ungezwungnen ausdruck, den sie wiedergeben sollen, kaum auf halben weg nahe kommt, und die doch immer das doppelte von buchstaben oder silben dafür aufwenden müssen. Campe will lehrbote für apostel, spangenhaken für agraffe, als ob nicht das einfache bote und spange ausreichten; maskerade verdeutscht er durch larventanz, da doch larve selbst fremd, tanz die dem ausland wieder abgewonnene form eines heimischen wortes ist, das schlimmste wäre, dasz in maschera und maske gleichfalls ein deutsches wort, wie es allen anschein
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hat, versteckt läge. es klingt, aber ist nicht deutsch, wenn man für oper singeschauspiel, für façade antlitzseite (wie nahe gelegen hätte wieder das einfache stirne) empfehlen hört.
     7. Eigennamen.
    Man hat übel vermerkt und getadelt, dasz dies wörterbuch die deutschen eigennamen übergehe. kein tadel könnte von geringerer sachkunde zeugen, ich musz aber, wenn ich mich auf den gegenstand einlasse, die örtlichen namen von den persönlichen unterscheiden.
    Namen der länder, städte, flecken, dörfer, höfe, ströme, flüsse, bäche, berge, thäler, gründe, hügel, felder und wälder gibt es eine grosze menge, und da die samlung tiefer hätte eindringen müssen, als es die zu gebot stehenden geographischen wörterbücher thun, so würde daraus ein beträchtlicher anwachs des stofs hervorgegangen sein. sicher hat die kentnis und deutung solcher namen auch für die übrige sprache auszerordentlichen werth, wenn ihnen nicht eine hauptschwierigkeit im wege stünde. diese ortsnamen sind zu verschiednen zeiten entsprungen und manche von ihnen reichen über die einwanderung des deutschen volks in unsre gegenden hinaus; fragt es sich nach keltischen und römischen überbleibseln auf deutschem gebiet, so stehn sie am ersten in den örtlichen benennungen vorzuweisen. noch mehr, in den meisten deutschen landstrichen haben die volksstämme nach verschiedenheit der zeit gewechselt, die weichenden oder verdrängten aber wiederum den einzelnen örtern die eigenheit ihrer mundart aufgedrückt. hieraus flieszt, dasz die aufzählung der ortsnamen mit gröszerm erfolg einem mhd. oder ahd. wörterbuch zu überweisen sein würde, als einem nhd., unter dessen wörtern ihre wenn gleich vielfach erneuerten bildungen ein fremdartiges ansehen haben müsten. ist aber künftig einmal, am besten in einem besonderen werk, ihre genaue untersuchung gediehen und vorgeschritten, so wird das nhd. wörterbuch erheblicheren gewinn daraus zu ziehen im stande sein, als er in einzelnen fällen jetzt schon gezogen werden könnte.
    An dem was wir heute vornamen der leute nennen, ist die nhd. sprache auszerordentlich arm. was hätte geholfen, funfzig oder hundert deutsche namen, einen traurigen rest des unendlichen reichthums unsrer vorzeit hier zu verzeichnen? den fremden und ausländischen, grösztentheils biblischen, deren zahl sich ungefähr ebenso hoch belaufen mag, wäre der eingang verschlossen geblieben. von den deutschen selbst gilt aber wieder die eben für die ortsnamen gemachte bemerkung, auch unsere personennamen sind aus verschiednen stämmen her erwachsen und verbreitet worden und z. b. Siegfried an andrer stelle als Gustav entsprungen, Conrad an andrer als Ferdinand; ihre prüfung fällt auszerhalb des engen kreises eines nhd. wörterbuchs. obwol jünger als jene am boden selbst haftenden ortsnamen, weichen sie dennoch sehr weit in die vorzeit zurück. das alterthum zählte sie nicht zu hunderten, sondern zu vielen tausenden, deren blosze samlung, wenn sie alle formen und verschiedenheiten umfassen soll, mehr als einen band forderte und erst aus ihrer vollständigkeit wahrhaft belebt werden würde: sie wird in einer eignen samlung einmal ungeahntes
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licht auf alle theile und zeiten unserer sprache spreiten. ins wörterbuch gehören blosz einige hypokoristische formen wie Benz, Kunz, Heinz, Götz u. a., die näher auf die eigenthümlichkeit der heutigen sprache einflieszen. alles übrige war abzulehnen geboten.
    Die späteren zunamen oder geschlechtsnamen endlich, insofern sie aus gangbaren wörtern, substantiven oder adjectiven gebildet werden, sind wenig lehrreich; sehr viele bestehen aber aus ortsnamen, vor welchen der sprachgebrauch den persönlichen bezug wegliesz, z. b. Vogelweide, Keisersberg, Werder, Diefenbach bezeichnen den von der Vogelweide, vom Keisersberg, von dem Werder, vom Diefenbach. das letzte beispiel läszt erkennen, wie schwer es fallen würde, solche aus allen mundarten abstammenden namen in ein nhd. wörterbuch einzutragen, welchem nur Tiefenbach gemäsz wäre, ein niederdeutsches Depenbeke fremd. Diefenbach aber stimmt zu Otfrieds sprache, der diaf oder diof schrieb, im passional steht tief. es tritt also reiche manigfaltigkeit der formen ein, auf die sorgfältig acht zu geben ist.
     8. Sprache der hirten, jäger, vogelsteller, fischer u. s. w.
    Ich bin eifrig allen wörtern der ältesten stände des volks nach gegangen, in der sicher begründeten meinung, dasz sie für geschichte der sprache und sitte die ergibigste ausbeute gewähren. das meiste aus dem hirtenleben der vorzeit musz auf den alpen der Schweiz und Tirols so wie auf den steirischen zu suchen sein, Stalder und Schmeller enthalten schätzbare, doch nicht genügende nachrichten; wer mir noch andere zuwenden wollte, würde mich zu lebhaftem danke verpflichten. auch alle redensarten des weidmanns, falkners und voglers ziehen an durch frische und natürlichkeit (vgl. anfallen, anfliegen, antreten, auftreiben, bestätigen), sie reichen gleichfalls in hohes alterthum (vgl. neu für schnee) und verlangen aufmerksamste rücksicht; ärmer scheint die sprache des fischers, der etwas von der stummheit der thiere angenommen hat, denen er nachstellt. desto lebendiger musz das schifferleben sein, doch die nhd. mundart bietet nur einen kleinen vorrat von wörtern aus seinem kreis an hand, aus Niederdeutschland und den Niederlanden sind allmälich fast alle wörter der schiffart entliehen worden, statt deren unsere frühere zeit manche abweichende, eigene besessen haben wird. gleich andern niederdeutschen ausdrücken durften aber auch die meisten seemännischen keinen eingang ins wörterbuch finden, und Bobrik wird einsehen, dasz mir sein nautisches wörterbuch und Nemnichs samlungen wenig oder nichts halfen; in Kosegartens schickt sich dieser vorrat schon besser. Was mir von hülfsmitteln für die sprache der winzer, die ich gern genau erforscht hätte, zu gebot stand, erleichterte die darauf gewandte arbeit nicht; zu beklagen ist, dasz auch die bergmannssprache, die schon seit Georg Agricola und Mathesius reiches material darbietet, noch unerschöpfend und ohne gelehrte erläuterung, deren sie bedürfte, zusammengestellt ist. Besser gesorgt wurde für die eigenthümlichen wörter der bienenzucht und des gartenbaus, wie der feldbestellung insgemein, die sich weniger absondern und der allgemeinen kunde unentzogen sind, was auch von den
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handwerkern gilt, auf deren sprache schon Adelung fleiszig geachtet hat. Der kochbücher und arzneibücher gibt es von früher zeit an viele und darunter für die sprachforschung sehr reichhaltige und diensame. die bunt gemischte, doch manche deutsche bestandtheile in sich haltende rotwelsche sprache oder die der bettler, diebe und gauner hat man vielfach und in neuer zeit am genügendsten gesammelt; der des alten kriegswesens wäre eine besondere untersuchung zu wünschen, sie schlieszt sich in manchem an den alten ritterstand, aber auch an die jäger an.
    In unsern gelehrten ständen, als solchen wohnt heute keine eigenthümliche übung und ausbildung deutscher sprache mehr. die geistliche beredsamkeit steht ganz unter dem gesetz des allgemeinen fortschritts der sprache überhaupt und hat sich selbst in sprüchen und gesängen ihrer alten kraft meistens entäuszert; doch dauert unter geistlichen der protestantischen wie katholischen kirche eine löbliche neigung auf die volkssprache zu achten und sie zu sammeln. bei den rechtsgelehrten sind fast alle spuren einer noch bis ins 15 und 16 jh. lebendigen, zuletzt in den formularen und rhetoriken niedergelegten überlieferung der alten, reichen gerichtssprache getilgt; die gegenwärtige rechtssprache erscheint ungesund und saftlos, mit römischer terminologie hart überladen.
    Lange zeit hindurch hatte kein andrer stand dem anbau der deutschen sprache stärker angehangen als die ärzte, sei es, dasz die heimische benennung der krankheiten oder der heilmittel, voraus aller kräuter und thiere sie dazu anregte; angenehm fällt es auf, wie seit erfindung der druckerei hauptsächlich ärzte der verdeutschung fremder bücher oblagen (man denke an Steinhöwel , Wirsung u. a. m.), wie Conrad Gesner auf das deutsche drang und Paracelsus des deutschen mächtig war; die verfasser unserer ältesten wörterbücher waren ärzte oder naturforscher, Dasypodius, Henisch , Steinbach und Frisch. Ettner , ein Augsburger arzt, führt in seinen beleibten schriften mitten in die zwar steif und geschmacklos gewordne, doch noch mancher alten wörter mächtige sprache des 17 jh. fast am getreusten ein. heute wie sonst könnten ärzte durch ihren regen verkehr mit menschen aller art, von denen sie die natürlichsten dinge hören, den umfang der sprache genau erkunden und an der einfachen darstellung des Hippokrates sich ein muster nehmen, wie man krankheiten für die kunst und zugleich das leben lehrreich erzählen müsse; doch weisz ich kein beispiel eines sprachforschers unter ihnen seit den letzten hundert jahren. die durchgedrungen lateinischgriechischen kunstwörter hindern sie noch auf dem einheimischen felde sich zu bewegen und verleiden es ihnen. nur die chemie kauderwelscht in latein und deutsch, aber in Liebigs munde wird sie sprachgewaltig. Den philosophen, welche sich des innigen zusammenhangs der vorstellungen mit den worten bewust sind, liegt es nahe in das geheimnis der sprache einzusenken; doch wächst ihnen die gewandtheit mehr von innen und haftet zu sehr in der besonderheit ihrer eignen natur, als dasz sie des hergebrachten sprachgebrauchs eingedenk blieben, von dem sie unbedenklich und oft wieder abweichen. auf ihn unter allen scheint Kant
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die meiste rücksicht zu nehmen, dessen lebendige ausdrucksweise darum, insofern sie dem gebiet der deutschen sprache anheim fällt, das wörterbuch aufzufassen nicht unterlassen hat.
     9. Anstöszige wörter.
    Die sprache überhaupt in eine erhabne, edle, trauliche, niedrige und pöbelhafte zu unterscheiden taugt nicht, und Adelung hat damit vielen wörtern falsche gewichte angehängt. wie oft verleugnet er den beruf eines sprachforschers mit der wiederholten äuszerung: 'diese wörter sind so niedrig, dasz sie kaum angeführt zu werden verdienen' und wie mengt er alle diese arten untereinander. seine definition von liebchen lautet z. b. 'ein nur noch in den niedrigen sprecharten übliches wort eine geliebte person zu bezeichnen, welche man auszer der ehe liebet'. der mann soll also aufhören seine frau liebchen zu heiszen. klang ihm denn nicht Hagedorns

mein liebchen gieng mit mir ins feld

in den ohren nach? das steht in einem bauernlied, und Göthes

ich wollt ich wär treu,
mein liebchen stets neu

hatte sie kaum erreicht. doch mädchen, das er unter magd verweist, gilt ihm für den traulichen ausdruck, mägdlein für den edlen. wer weisz, welches trauliche wort ihm nicht gemein, welches gemeine ihm nicht niedrig erschienen wäre, und nehmen nicht auch edle wörter wie mensch und mannsbild heute niedrigen sinn an?
    Mich hat die unmittelbare anwendung der standesverhältnisse, wie sie im altdeutschen recht wahrgenommen werden, auf die sprache eine einfache trilogie gelehrt. der freie mann steht in der mitte, aus welcher auf der einen seite der edle sich erhebt, auf der andern der unfreie herab sinkt. nicht anders steigt aus der das volle masz des natürlichen redevermögens darstellenden freien sprache einerseits die edle, andrerseits die unfreie. das edle nennen wir auch das höhere, erhabne, feine; das unfreie auch das niedrige (bas langage), platte, gemeine, bäurische, grobe, derbe. die natürliche sprache hat in sich die anlage zu beiden, dem feinen wie dem groben: aus der edlen sprache ist der grobe, aus der groben der edle bestandtheil entfernt; das grobe, derbe wird leicht unrein und schmutzig (sordidum, turpe), das feine geziert und zimpferlich (ornatum, molle), oder auch schlüpfrig (lubricum) erscheinen. wir sahen, wie in der zusammensetzung bauer und bastart auf jede abart und das schlechte angewandt werden. des ausdrucks pöbelhaft (plebejum) im sinne von bäurisch sollte man sich enthalten, seit das volk (populus) und das volksmäszige als merkmal des freien erkannt worden ist.
    Die natur hat dem menschen geboten das geschäft der zeugung so wie der entleerung vor andern zu bergen und die es verrichtenden theile zu hüllen; was diese innere zucht und scheu verletzt, heiszt unzüchtig (obscoenum, wahrscheinlich von coenum, also inquinatum, spurcum). was man aber vor den augen der menge meidet, wird man auch ihrem ohr ersparen und nicht aussprechen.
    Das verbot ist jedoch kein absolutes, vielmehr da jene verrichtungen selbst natürlich, ja unerläszlich sind (naturalia non sunt turpia), müssen sie nicht nur insgeheim
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genannt, sondern dürfen unter umständen auch öffentlich ausgesprochen werden.
    Und hier tritt jener unterschied zwischen gezierter und derber sprache ein. die derbe ist geneigt sich das nennen unzüchtiger dinge häufig zu gestatten und kein blatt vor den mund zu nehmen, die feine strebt ihm und allem, was darauf nahen oder fernen bezug hat, auszuweichen oder es verdeckend hervorzuheben. dabei kommen nun alle stufen und richtungen der sitte und des fortschritts der völker in anschlag. die freie natur der griechischen sprache und poesie getraute sich kühn auch in das derbe element zu greifen; der römischen war eine engere schranke gesetzt, lesenswerth ist ein brief Ciceros (famil. 9, 22). wie steht die unleugbare, man könnte sagen keusche derbheit der deutschen literatur des ganzen sechzehnten jahrhunderts ab von der französischen schlüpfrigkeit, von der zimpferlichen art unserer heutigen feinen welt, die sich z. b. scheut ausdrücke wie durchfall oder durchlauf in den mund zu nehmen und dafür das fremde diarrhöe lernt, unter welchem der Grieche genau verstand, was jene deutschen wörter besagen. ein langer sprachgebrauch konnte hinter manchen französischen ausdrücken sogar die derbste grundlage vergessen machen, z. b. reculer, culbuter, culotte; das ehrliche, uralte wort hose (franz. chausse) unaussprechlich zu finden ist überaus albern.
    Soll das wörterbuch die unzüchtigen wörter in sich aufnehmen oder sie weglassen? jene handbücher, die nur fetzen von der sprache geben, können oder müssen sich ohne zaudern für den ausstosz entscheiden, der ihnen selbst den schein eines verdienstes bereiten mag. man würde sie verantwortlich machen dafür, dasz sie durch aufnahme dessen, was gleich so vielem andern wegbleiben durfte, es absichtlich ausgezeichnet hätten.
    Das wörterbuch, will es seines namens werth sein, ist nicht da um wörter zu verschweigen, sondern um sie vorzubringen. es unterdrückt kein ungefälliges wörtchen, keine einzige wirklich in der sprache lebende form, geschweige reihen von benennungen, die seit uralter zeit bestanden haben, fortbestehn und dem was in der natur vorhanden ist nothwendig beigelegt werden. so wenig man andere natürliche dinge, die uns oft beschwerlich fallen, auszutilgen vermöchte, darf man solche ausdrücke wegschaffen.
    Keiner würde daran denken, aus einem griechischen oder lateinischen wörterbuch, das den ganzen sprachschatz befaszt, sie zu entfernen und bei Heinrich Stephanus, bei Forcellini mangelt kein obscoenes wort, dessen man in den quellen habhaft wurde. Wie in andern strecken des sprachgebiets bricht auch auf dieser die entschiedenste urverwandtschaft vor, es ist auch hier gemeingut fast aller einschlagenden völker (vgl. sp. 1560 und skr. mih, lat. mejere, mingere mit ags. mîgan, wozu goth. maihstus, nhd. mist, ags. meox, engl. mixen). der sprachvergleichung überhaupt wie der volleren kenntnis des zusammenhangs aller deutschen mundarten untereinander entgienge also durch unerlaubte beschränkung dieses wortvorrats, dessen gelehrte behandlung ohnehin den eindruck seiner unanständigkeit mindert. ein erzürnter leser söhnt mit dem
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anstöszigen worte sich leichter aus, sobald er das entsprechende lateinische oder griechische daneben findet. nicht selten auch weicht der üble sinn des seinem ursprung näher geführten ausdrucks und eine edle bedeutung erzeigt sich als die frühere.
    Um so unerläszlicher ist es im deutschen wörterbuch auch aller dieser wörter sich zu versichern, da sie aus den quellen unserer alten sprache geschöpft und von männern gebraucht sind, die noch mit festeren nerven begabt als die jetzt redenden vor einem kecken, derben wort nicht zurück bebten, wenn es galt dem was sie sagen wollten stärke zu verleihen. es ist wahr, ihre ganze zeit huldigte einer zwanglosen, rohen, ungezierten sprache, die unserm gefühl nach allzuoft sich an dem schmutzigen weidete; doch wie verstanden es schon Keisersberg , Luther, vor allen Fischart, in dem eine griechische ader flosz, das übermasz zu bändigen; wo es ihnen aber gelegen war, hielten sie nicht hinterm berge. auch noch Göthe hat es wol gefühlt, dasz ein unzarter ausdruck, da wo er hin gehört nicht erspart sein könne. es gibt kein wort in der sprache, das nicht irgendwo das beste wäre und an seiner rechten stelle. an sich sind alle wörter rein und unschuldig, sie gewannen erst dadurch zweideutigkeit, dasz sie der sprachgebrauch halb von der seite ansieht und verdreht. es wäre oft auch unmöglich spott, witz, zorn, verachtung, schelte und fluch anders laut werden zu lassen, als in einem kühnen wort, das unaufhaltsam über die zunge fährt, und ein groszes entgienge der fülle und wechselnden färbung der komischen kraft, wenn sie nicht frei nach allen seiten greifen dürfte. Aristophanes hat es gethan, und seine wörter stehn in den glossaren.
    Das wörterbuch ist kein sittenbuch, sondern ein wissenschaftliches, allen zwecken gerechtes unternehmen. selbst in der bibel gebricht es nicht an wörtern, die bei der feinen gesellschaft verpönt sind. wer an nackten bildseulen ein ärgernis nimmt oder an den nichts auslassenden wachspraeparaten der anatomie, gehe auch in diesem sal den misfälligen wörtern vorüber und betrachte die weit überwiegende mehrzahl der andern.
     10. Umfang der quellen.
    Es ist gesagt worden, dasz das wörterbuch sich über die gesamte hochdeutsche schriftsprache von der mitte des funfzehnten jahrhunderts an bis auf heute, mit ausnahme der eigennamen, und wie sich von selbst versteht des gröszten theils der unter uns umlaufenden fremdwörter erstrecken solle. die menge der in vier jahrhunderten geschriebnen und gedruckten bücher ist aber unermeszlich und offenbar kann der aufgestellte grundsatz nur zu erkennen geben, dasz keinem der zutritt abgeschnitten werde, denn die unmöglichkeit alle oder nur die meisten, seit dem beginn dieser arbeit, wirklich vorzuführen liegt am tage.
    Nirgend sind alle diese werke vollständig verzeichnet, nicht einmal den geübtesten kennern bekannt, noch weniger irgendwo zusammen aufbewahrt. nicht nur aus den beiden ersten, auch aus den letzten jahrhunderten werden viele auf reich ausgestatteten bibliotheken gar nicht angetroffen. unsere eigne ganz beschränkte samlung hat gleichwol den unvermeidlichen einflusz üben müssen, dasz die von ihr selbst dargebotnen, längst gebrauchten und vertrauten ausgaben
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den besseren vorgezogen wurden, die anderswo zu erlangen gewesen wären. es hat uns also verhältnismäszig nur ein kleiner theil der ausgedehnten deutschen literatur und manchmal in unvollkommner ausgabe zugestanden.
    Alle genutzten und zugezognen werke sind in einem beigefügten verzeichnis angegeben, das bedürfnis scheint und dessen mittheilung nicht aufgeschoben werden konnte, obgleich fortwährend andere schriften von neuem hinzutreten. ob diese in den folgenden bänden jedesmal nachzutragen oder nach beendigung des ganzen wörterbuchs einem umfassenden hauptverzeichnisse einzuverleiben sind, läszt sich gegenwärtig noch nicht bestimmen. das jetzt gelieferte wird vorläufig ausreichen, ist aber dem werke nachtheilig, weil, so viel darin enthalten sein mag, die groszen lücken unverdeckt hervortreten. es war kein ausweg.
    Aus manchen der gebrauchten bücher sind aber nur wenige, aus einigen sogar einzelne stellen entnommen worden, wie sie sich zufällig oder auch bei absichtlichem nachschlagen darboten. Wie hätte die ganze anzahl der verzeichneten werke vollständig können gelesen, ausgezogen und eingetragen werden? der dem wörterbuch gesteckte raum wäre unabsehlich erweitert und ausgedehnt worden.
    Das unthunliche sollte aber auch von anfang an nicht gethan, sondern der beabsichtigten vollständigkeit in ganz anderm sinne nachgestrebt werden. sie kann nicht in einer lästigen und störenden häufung der stellen, nur in der genausten ermittelung aller einzelnen wörter begründet sein, denen unkarge, doch gewählte beweise hinzutreten, wo sie reich flieszen, aber die dürftigsten angedeihen müssen, wo keine bessere zu erlangen sind. die fülle der reichen und herschenden wörter soll beleuchtet, die unscheinbarkeit der armen und vergessenen unverachtet bleiben.
    Es kam darauf an in jedem jahrhundert die mächtigsten und gewaltigsten zeugen der sprache zu erfassen und wenigstens ihre gröszten werke in das wörterbuch einzutragen. Keisersberg , Luther , Hans Sachs, Fischart, Göthe waren noch in keinem einzigen nur einigermaszen, geschweige reichlich ausgezogen worden. sie sind auch jetzo unerschöpft, doch der weg ist gebahnt und gezeigt. für Keisersberg, dessen zahlreiche schriften selten und von verschiednen herausgebern bekannt gemacht worden sind, so dasz auch noch deren verfahren manche unsicherheit mit sich führt, bleibt das meiste zu thun übrig. Luthers bibel lag unter allen quellen am zugänglichsten und Bindseils eben erschienene, leider unvollendete ausgabe, war der feststellung des textes günstig; doch hat sie die lesarten der vor 1545 erschienenen drucke für die sprache ungenügend mitgetheilt; Luthers übrige schriften hatten in den wörterbüchern fast gar keine berücksichtigung gefunden. Hans Sachs war immer nur wenig zu rathe gezogen und bietet noch reiche nachlesen dar. Fischarts beide für seine sprachbegabung wichtigsten werke, Gargantua und der bienenkorb wurden fleiszig gebraucht; wo Fischart reime dichtet, ist seinem geist eine fessel angelegt und nur in prosa schwingt er ungehemmt die flügel. den vollen gebrauch von Göthes schriften sicherten glücklicher weise die sorgfältigsten
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vorkehrungen, und besser ist, dasz aus andern vieles als aus ihm weniges abgehe.
    Die gewalt der poesie, die in jeder sprache das meiste vermag, sollte das wörterbuch vor augen stellen, und wo man es aufschlage zeigt es deutliche und abgesetzte verse. das ist nicht gleichgültig, sondern wesentlich und musz ihm leser gewinnen. denn schon die unterbrechung der prosastellen durch gedichte, die alles verdeutlichen und wie der mond aus den wolken treten, ist ein unberechenbarer vortheil. auch das wiederfinden des früher nachgeschlagnen wird dadurch mehr als man denken sollte erleichtert. Schon Adelung und Campe verkannten die nothwendigkeit dieser einrichtung nicht, zogen aber nicht genug gedichte aus. Linde und Jungmann in ihren musterhaft fleiszigen und reichhaltigen polnischen und böhmischen wörterbüchern erschweren der poesie den eintritt und lassen sie wie prosa abdrucken. Was der raum einbüszt, wird durch die anschaulichkeit zehnfach ersetzt.
    Nahe lag der gedanke, gleich beim beginn der arbeit, für die durchsicht der quellen und anfertigung der auszüge hülfe zu suchen: von seiten der verlagshandlung wurde nichts unterlassen, um sie genugsam herbeizuschaffen und der entspringende beträchtliche kostenaufwand bereitwillig gedeckt. auf diesem wege sind sehr schätzbare und in der that unentbehrliche samlungen zu stande gekommen, die gleichwol, ungeachtet dasz ein genauer plan des verfahrens entworfen war und zum grunde gelegt wurde, nach beschaffenheit der schriftsteller und nach der ausziehenden anstelligkeit oder neigung von sehr verschiednem werthe sein musten. einige auszüge lieszen fast nichts zu wünschen übrig, andere machten gröszere oder geringere nachhülfe nöthig. manche säumten überlang oder blieben gar aus; wer sich mit den weitläuftigen und verwickelten geschäften eines wörterbuchs befaszt hat, dem braucht nicht erst gesagt zu werden, wie schwer es hält in solchen fällen nachzuholen und den gerissenen faden wieder anzuknüpfen.
     11. Belege.
    Wörter verlangen beispiele, die beispiele gewähr, ohne welche ihre beste kraft verloren gienge. wie könnten stellen (loci) heiszen, deren stelle ungenannt bliebe? der name ihres urhebers reicht nicht aus, sie müssen aufgeschlagen werden können; aus der leichtigkeit dieses nachschlagens entspringt ein groszer reiz, denn wie genau auch die belege ausgehoben seien, der leser hat nicht selten das bedürfnis sie in ihrem vollständigeren zusammenhang einzusehen: indem er weiter vordringt, findet er dicht neben den beigebrachten ausdrücken noch etwas anderes, unmitgetheilt gebliebenes, wodurch ihm das verständnis vollends erschlossen wird. auch in der classischen philologie ist es hergebracht die quelle anzuführen, aus der entnommen wurde. unbelegte citate sind unordentlich zusammengerafte, unbeglaubigte, unbeeidete zeugen.
    Freilich bei dem besten willen konnten nicht alle belegstellen aufgebracht werden und es laufen einige anführungen mit unter, denen die bewährung abgeht. entweder hatte der ausziehende ein citat versäumt, oder es war abhanden gekommen, oder muste einer ausgabe, die augenblicklich nicht zu gebot stand, entnommen werden.
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  In einer ganzen reihe von büchern hat auch die anführung ihre eigne schwierigkeit, nemlich in den meisten des sechzehnten jahrhunderts, und kein anderes macht sich dem gebrauch so unbequem. um diese zeit verschwiegen die verfasser häufig ihre namen oder legten sich falsche bei, wählten lange, fast unanführbare titel, viele werke wurden von fremder hand überarbeitet, abgekürzt oder erweitert, ohne dasz man für nöthig hielt davon die geringste rechenschaft abzulegen. zu dieser freiheit und unsicherheit stimmt vollkommen, dasz man bald die blätter, bald die seiten der gedruckten bücher zählte, ja sie gänzlich ungezählt liesz. in solchem fall bleibt nichts anders übrig, als sich an die den einzelnen bogen unten aufgedruckten buchstaben zu halten und daraus eine lästige, wenn das werk in mehrere alphabete ausläuft, oft unsichere angabe zu gewinnen, denn das zählen der bogen nach blättern und seiten veranlaszt schreibfehler und druckfehler.
    Nicht weniger störung bereitet dem leser die seltenheit der älteren werke und die vervielfachung der ausgaben bei neueren. die classiker pflegt man nach buch und capitel, dichter nach gezählten versen anzuführen und auch für andere bücher, namentlich die bibel erwächst durch die hergebrachte zählung sicherheit der citate. in den neueren werken lassen sich nur längere und bezifferte gedichte wie der Messias leicht citieren, nicht aber Hermann und Dorothea, und schauspiele nach dem act und auftritt anzuführen wird für ein wörterbuch, das kurzer citate bedarf, sowie zum nachschlagen bei der länge vieler auftritte unbequem und unsicher. man kommt also nothwendig darauf zurück nach band und seite zu citieren. ist die zusammenfassende ausgabe aller schriften, wie bei Schiller in éinen band gedrängt, so erleichtert dies dem wörterbuch den eintrag, erschwert aber wegen des engen drucks dem leser das aufschlagen. darum war Göthes dreibändige ausgabe hier abzulehnen, und vortheilhaft, die sechzigbändige, unter allen die verbreiteteste zu gebrauchen. es scheint aber überhaupt bedürfnis, dasz künftige gesamtausgaben der werke unserer ersten dichter durch verweisungen am rand oder in beizufügenden registern bedacht darauf nehmen darzulegen, wie sie sich zu den früheren, wenigstens zu den wichtigen stellen.
    Hin und wieder wird man der belege zu viel angebracht meinen, namentlich aus Luther und Göthe. doch jenes einflusz auf die sprache, Göthes macht über sie müssen reich und anschaulich vorgeführt werden und selbst in wiederkehrenden redensarten entfaltet jede wendung des ausdrucks eignen reiz. unter ahnungsvoll, unter bethätigen und sonst noch lag es daran, den wachsthum und die befestigung göthischer lieblingswörter recht zu zeigen. warum hätten auch die gerade zu gebot stehenden beispiele unnütz beiseite gethan und der stelle entzogen werden sollen, wo sie den meisten eindruck machen und man sie künftig einmal zuerst aufsucht? im ganzen sind dieser scheinbaren überladungen doch nur wenige. Bei einer menge von wörtern geschah die häufung mit allem bedacht, um keinen zweifel über ihre ausbreitung zu lassen, so wie umgekehrt aus der belege seltenheit die unbeliebtheit eines ausdrucks folgt und dadurch vorbedeutet ist. denn die belegstellen sollen nicht allein an und für sich selbst
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durch die anziehungskraft ihres inhalts gefallen, sondern indem sie alle falten der bedeutung eines wortes blicken und überschauen lassen, seine ganze geschichte vortragen. selbst aus den steifsten schriften, wie Hahns reichshistorie oder aus Werders ungelenker übersetzung Ariosts, konnten die anführungen nicht unterbleiben, weil kaum etwas anderes die unbeholfenheit der deutschen rede und die pedanterei der sie im 17 und noch zu eingang des 18 jh. verfallen war, so sichtbar vor augen gestellt hätte.
    Alle belege aber, wie es beinahe unnöthig zu sagen ist, drücken durch ihren inhalt lediglich die ansicht des schriftstellers aus, von dem sie stammen. sie wollen zumal in glaubenssachen, deren sie aus dem zeitalter der reformation eine grosze menge anrühren, nichts dogmatisch aufstellen, alles nur geschichtlich erläutern. dasz dabei die protestantische färbung vorherscht folgt aus der überlegenheit der protestantischen poesie und sprachbildung; es ist doch nirgend versäumt worden aus katholischen werken, so viel man ihrer habhaft werden konnte, allen gewinn zu ziehen, welchen sie darboten. die aus Luthers schriften entnommnen äuszerungen über den ablaszkram geben unmöglich gegründeten anstosz, da den greuel des misbrauchs, der damit getrieben wurde, auch die katholische kirche selbst eingestanden hat.
     12. Terminologie.
    Bei den philologen haben sich längst lateinische kunstwörter eingeführt, die sogar in üblicher abkürzung von jedermann verstanden werden und an denen ohne nachtheil niemand ändert. wozu in deutschen oder slavischen wörterbüchern einheimische ausdrücke an ihre stelle setzen? diese würden nicht nur Deutschen und Slaven undeutlich sein, sondern auch die verbreitung der werke in das ausland hindern. der Däne Rask hatte in seinen schriften dergleichen unbeholfne grammatische benennungen massenweise aufgebracht, und mehrere Isländer sind wieder mit abweichenden nachgefolgt; es gilt davon was oben über die unalphabetischen lautsysteme gesagt wurde: kein gedächtnis mag sie sich einprägen, sie spuken nur in den büchern, die sich selbst durch die nutzlose neuerung schaden zubereiteten. obgleich der purismus sich immer zuerst auf die verdeutschung dieser ausdrücke warf, konnte er doch mit seinen vierschrötigen zusammensetzungen nie etwas ausrichten und die hergebrachten benennungen kehrten jedesmal an ihre stelle zurück; selbst Campe ist genöthigt sie fast durchweg fortbestehn zu lassen.
    Mit den buchstaben m. f. n. werden die drei geschlechter auf das einfachste bezeichnet, besser als durch vorangestellten artikel, der den anlaut der wörter versteckt, ihnen nachfolgend und eingeklammert ein steifes ansehn gewinnt. Niederländer, Schweden, deren artikel die beiden ersten geschlechter nicht unterscheidet, müssen ohnehin dieser bezeichnung entsagen und die wünschenswerthe gleichförmigkeit eines grammatischen brauchs geht alsbald verloren. zugleich heben die drei buchstaben jedesmal auch die substantiveigenschaft an sich hervor, da das adjectiv, aller geschlechter fähig, unbezeichnet bleibt. verschiedenheiten der declination im wörterbuch anzugeben scheint
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unnöthig; jede merkenswerthe abweichung von der regel wird besonders angezeigt oder erhellt aus den beispielen.
    Die verbalnatur ist in unserer sprache durch den ausgang auf en von selbst bezeichnet, denn wo ihn das subst. zuweilen hat, dienen jene drei buchstaben diesem wieder als merkmal. ein activum, passivum, medium braucht, oder vielmehr vermag nicht geschieden zu werden, da unsere sprache die beiden letzten formen gar nicht besitzt. genauer als active und neutrale bedeutung scheint es aber einander transitive und intransitive entgegen zu setzen, welcher beider zusammen unsere meisten verba befähigt sind, und es kommt darauf an sie in der abhandlung von einander zu halten. das transitivum zielend, das intransitivum ziellos zu heiszen hat kein geschick. nnl. sagt man für jenes bedrijvend und für dieses onzijdig d. i. unseitig, unparteiisch, was dem neutrum des nomens gleichkommt, doch den intransitiven sinn des verbums gar nicht andeutet: ein gehender kann sich rechts oder links wenden, und schlägt damit nothwendig eine seite ein. nach dem nnl. vorgang wurde von einigen versucht das sogenannt regelmäszige verbum als ein gleichflieszendes (gelijkvloeijend), das unregelmäszige als ein ungleichflieszendes (ongelijkvloeijend) darzustellen; da jedoch die ablaute gerade den gleichsten flusz und die älteste regel der flexion kundgeben, scheinen diese benennungen auf das übelste gewählt. ihrer wichtigkeit halben habe ich den ablauten in der alphabetischen ordnung immer eine eigne stelle bewahrt, wodurch sie am sichtbarsten vortreten, und alles andere ergibt sich aus den beispielen.
    Es schien heilsam dem nom. sg. des schwachen masc. seinen vocalischen ausgang, der ihm im organismus unsrer sprache zusteht, soweit es noch thunlich war, zu sichern. die nhd. sprache hat die unart, in manchen wörtern (z. b. heide rabe waffe wolke) das auslautende n zu tilgen, jenem nom. aber ungebührlich zu verleihen, und damit den gleichen schritt, der zwischen den drei geschlechtern so wie zwischen subst. und adj. stattfinden musz, zu zerstören. die falschen nominative balken bogen daumen u. s. w. sind zwar heute, auch bei den besten schriftstellern eingerissen; doch herscht noch in andern wörtern die organische gestalt name haufe same u. s. w. vor, und auch der gen. balkens bogens daumens kann nicht entscheiden, da und ob schon namens haufens samens gesagt wird. besser wäre die mhd. form name gen. namen beibehalten worden, wie noch bote gen. boten gilt und im adj. der gute, des guten flectiert wird. die nähere ausführung gehört in die grammatik, das wörterbuch konnte nichts thun, als durch seine aufstellung die althergebrachte wortform in ehren zu erhalten.
     13. Definitionen.
    Schwerer wird es sein, die beifügung lateinischer, den wortbegrif erklärender ausdrücke zu rechtfertigen, so groszen vorschub ihnen schon die nothwendigkeit der lateinischen terminologie thut. was die eine empfiehlt musz auch die andere empfehlen. man könnte darin eine tadelhafte rückkehr zum gebrauch von Stieler, Steinbach und Frisch sehen, den wahrscheinlich schon Gottsched verlassen hätte, wie ihm Adelung und alle
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späteren entsagten. fast alle wörterbücher der übrigen sprachen, die heute erscheinen, meiden die angabe des lateinischen worts, doch z. b. Boiste setzt es den französischen ausdrücken noch oft hinzu. man hält jede sprache des lateinischen schulzwangs für entbunden und setzt einen gewissen stolz darin, sie nur mit ihren eignen mitteln zu erklären. eingenommen für ihre muttersprache waren gewis die verfasser der crusca, sie hatten aber nicht das geringste bedenken, dem italienischen wort das lateinische zum geleit und zur stütze zu geben. wie wir ein gothisches oder althochdeutsches wort durch ein neuhochdeutsches auslegen, versteht es sich fast ungesagt, dasz jedes wort nicht mit sich selbst, sondern besser mit andern wörtern gedeutet werde.
    Was wird durch ablehnung einer hülfe, die uns die bekannteste und sicherste aller sprachen darreicht, erlangt? man bürdet sich die umständlichsten und unnützesten sacherklärungen auf.
    Wenn ich zu dem worte tisch das lat. mensa setze, so ist vorläufig genug gethan und was weiter zu sagen ist, ergibt die folgende abhandlung. statt dessen wird definiert: ein erhöhtes blatt, vor dem man steht oder sitzt, um allerhand geschäfte darauf vorzunehmen; oder auch: eine auf füszen erhobne oder ruhende scheibe, vor der oder wobei man verschiedne verrichtungen vornimmt. freilich in τράπεζα für τετράπεζα liegt nichts als die vorstellung der vierfüszigkeit, wie sie auch dem stul oder jedem andern ursprünglich auf diese zahl von beinen eingerichteten gerät zukommt.
    Die definition von nase lautet: der vorstehende und erhöhte theil des menschlichen oder thierischen angesichts unmittelbar über dem mund, der sitz und das werkzeug des geruchsinnes. die von hand: das gliedmasz der menschen zum greifen und halten. das wäre kurz und gut, also weitläuftiger: der äuszerste theil des arms am menschlichen leib von dem ende des ellenbogenbeins bis zu den fingerspitzen, mit einschlusz derselben. diese erklärungen gehören ebensowol in die physiologie als die der lilie, dasz sie eine pflanze mit glockenförmiger blume und unter die gewächse mit sechs staubfäden und einem staubwege zu rechnen sei, der botanik anheim fallen musz und aus ihr herbeigeholt wird. von solchem geschlepp langweiliger definitionen, das seit Adelung durch die deutschen wörterbücher zieht, hatten Frisch oder Stieler keine ahnung und waren seiner durch den gebrauch der lateinischen wörter von selbst überhoben.
    Es ist gar nicht damit behauptet, dasz der sprachforscher des einzelnen, was in der erklärung enthalten ist, überall entbehren könne; er wird es, gleich allen andern merkmalen, die der gegenstand an sich trägt, hervor holen, sobald bedarf entspringt und die entwickelung einer bedeutung daran geknüpft werden soll. in den meisten fällen erscheint aber überflüssig hinter jedem wort, dessen begrif durch das lateinische auf einmal gegeben ist, noch die ganze reihe seiner eigenschaften folgen zu lassen.
    Von den hinzugefügten lateinischen ausdrücken ist gar nicht zu verlangen, dasz sie dem deutschen nach jeder richtung hin entsprechen sollen, was bei dem abstand aller sprachen von einander unmöglich wäre. sie
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haben gleichsam nur in den mittelpunct des worts, auf die stelle der hauptbedeutung zu leiten, von welcher dann frei und unbefangen nach allen richtungen hin umzuschauen ist. so wenig jene definition alle wesentlichen und zufälligen merkmale an der sache hervorzuheben vermochte, noch minder will das latein die erklärung des worts erschöpfen, dies kann am besten in der nachfolgenden deutschen erläuterung geschehen.
    Auch wird man nicht die verständlichkeit aller lateinischen gebrauchten ausdrücke für alle leser des wörterbuchs verlangen; die ihrer unkundig sind, hüpfen mit leichtem fusze daran vorbei und finden sich dennoch zurecht, wie sie vorübergehn, wenn sie auf ein wort gestoszen sind, dessen gehalt sie gar nicht anzieht. ich stelle mir vor, dasz sinnigen frauen das lesen im wörterbuch durch die eingestreuten lateinischen so wenig gestört oder gar verleidet wird, als sie ein zeitungsblatt ungelesen lassen wegen der juristischen, militärischen, diplomatischen kunstwörter, die darin stehn. jeder leser bringt eine menge verständnisse mit sich, die ihm den zutritt zu den wörtern leicht machen; ihn auf allen schritten zu geleiten, kann nicht die absicht eines wissenschaftlichen werkes sein, das zugleich höhere zwecke verfolgt. die befähigung zu dem wörterbuch wird sich durch den gebrauch von selbst mehren. als man die sprachfertigkeit einer aufgeweckten Französin nach der grammatischen regel meistern wollte, versetzte sie behend: mais, je suis la grammaire en personne; so kann, wer seine natürliche sprachgabe und sprachfülle in sich trägt und voraus setzt, ungeirrt von lateinischen kunstwörtern, in diesem buche rathes sich erholen.
    Nicht zu verachten ist auch, dasz durch den gebrauch der fremden sprache die erklärung der unzüchtigen wörter löblich verdeckt und dem allgemeinen verständnis gewissermaszen entzogen wird.
     14. Bildungstriebe.
    So wenig irgend eine sprache in sich alle laute entfalten oder die entfalteten unverändert bewahren kann, sind ihr auch lange nicht alle formen zuständig und manche, die sie ehdem besasz, im verlauf der zeit wieder verloren gegangen. durch das ausscheiden verschiedner mundarten aus dem groszen kreis ihrer alten urgemeinschaft, treten die einzelnen sprachen in besondere, neugebildete kreise, von welchen die eigenheit der übrigen ausgeschlossen sein mag und so erklärt sich die manigfaltigkeit des aus einer quelle entflossenen. in jeder sprache stellt sich ein abhanden gekommnes gleichgewicht immer von neuem her.
    Dies ihr geschichtlich errungnes besitzthum, wie reich oder arm es sei, steht einer blosz als möglich gedachten, ersonnenen aber unwirklichen ausdehnung aller ihrer bildungsmittel entgegen. dort sind alle regungen und triebe der sprache natürlich und ungezwungen, hier würden sie gezerrt und verrenkt erscheinen.
    Wer wollte unsrer sprache einen diphthong zufügen, der nie ihr eigen war? wer ihr ein ablautendes verbum andichten, das sie nie besasz? es kommen seltne beispiele vor, doch nur solche, die ein volksgebrauch halb unbewust einführte. Leichter scheint es zwar, gangbare ableitungen zu vervielfachen oder die wörter in unversuchten verknüpfungen aneinander treten zu lassen;
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aber auch da sträubt sich der sprachgebrauch, wenn es ohne ursache und von ungeweihter hand geschehn war. die blosze möglichkeit des worts ist noch kein beweis seiner gültigkeit und schicklichkeit.
    Man sollte meinen, dasz sich z. b. von jedem verbum ein männliches substantiv auf er zeugen, aus diesem wiederum ein weibliches auf erin bilden liesze, und es scheint kaum nöthig solche ableitungen überall anzuführen. doch ergibt sich, dasz hin und wieder sie gar nicht im brauche sind, zumal von einfachen verben, während sie von zusammengesetzten leichter entspringen. niemand sagt der faller, lasser, heiszer von fallen, lassen, heiszen, wol aber wird gebildet der erblasser, verheiszer; halter und haushalter, stabhalter, falter und zweifalter, nachtfalter, thuer und verthuer sind neben einander üblich; doch dem verwalter von verwalten steht das einfache walter von walten nicht zur seite: einem dichter würde nicht abgeschnitten sein, in feierlicher rede gott als den walter und herscher zu bezeichnen. gleich ungewöhnlich ist der rater, allgemein bekannt der berater von beraten, der verräter von verraten. offenbar ist das zusammengesetzte verbum unsinnlicher als das einfache, und aus diesem die ableitung auf er etwas schwerer als aus jenem. wie wenig angelegen es der sprache sei, alle wörter über einen kamm zu scheren, folgt auch aus dem schwanken und der unschlüssigkeit des umlauts in solchen substantiven, denn wir sagen fänger, gänger, schläfer, gräber, bläser, schläger, jäger, kläger, wärter, wäscher, mörder, käufer u. s. w., hingegen hasser, prasser, laufer, maurer, rufer, antworter, und manche ausdrücke schwanken, da sowol aderlässer als aderlasser und neben verräter berater, neben haushälter haushalter vorkommt. der umlaut scheint hier meistens ältere bildungen, der unumlaut neuere anzuzeigen. in unserm bauer stecken zwei verschiedne bildungen, sowol bûr, zu welchem es sich verhält wie mauer zu mûr, als bûari. alle diese unterschiede hat vielmehr die grammatik zu erörtern, als dasz sie das wörterbuch in sich aufnehmen, besprechen und anschaulich machen könnte.
    Die zusammensetzungsfähigkeit unserer sprache, wie schon oben bei gelegenheit des campischen wörterbuchs gesagt wurde, ist so unermeszlich, dasz sich lange nicht alle hergebrachten, geschweige alle möglichen wortbildungen anführen lassen. nach dem ersten oder zweiten theil jeder zusammensetzung sind immer reihen von analogien denkbar, die es überflüssig sein würde im wörterbuch jedesmal auch auszufüllen. die manigfaltigkeit der kleider ist in den zusammensetzungen badekleid feiertagskleid hochzeitkleid hofkleid morgenkleid nachtkleid sommerkleid sonntagskleid trauerkleid werkeltagskleid winterkleid ausgedrückt, sicher unerschöpft; sollen alle hier gebrauchten ersten wörter nun auch mit dem zweiten worte anzug, tracht und gewand, oder mit rock, kittel und ähnlichen benennungen verknüpft und eingetragen werden? mit unzähligen part. praet. starker wie schwacher form läszt sich das in einfacher gestalt ausgestorbne subst. heit verbinden: gelegenheit abgelegenheit überlegenheit verlegenheit verstiegenheit verschlossenheit abgeschlossenheit gedrungenheit gedunsenheit aufgedunsenheit belebtheit beliebtheit verkehrtheit, wer könnte alle aufzählen? bei der uneigentlichen composition,
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besonders mit angeschobnem genitiv müsten die möglichkeiten der verknüpfung beinahe endlos werden, so gut ich sage adlersauge adlersfeder adlersfusz adlerskralle adlersschweif, kann auch falkenauge falkenfeder u. s. w. gebildet und die bildung noch auf viele andere vögel forterstreckt werden. unsere sprache sollte gleich der lateinischen und griechischen dieser art von zusammensetzungen ganz entraten und adlers auge, adlers feder schreiben, wie auch früher geschah. bei zusammensetzungen mit mehr als zwei wörtern (gramm. 2, 924 ff.) ist vollends die denkbare vervielfachung unabsehlich; manche derselben sind allgemein eingeführt z. b. obstbaumzucht, haselnuszkern, bierwirtschaft, nordostwind, spottwolfeil, andere nur in schriften versucht worden, wie vollblutabstammung, wiesenlandniederung, backsteineinförmigkeit nordamericanischer städte: mäszig verwandt können solche wörter wirksam und nachdrücklich sein, ihre häufung würde unerträglich fallen.
    Das allein richtige verfahren für das wörterbuch wird sein, dasz es allen gangbaren und geläufigen, an sich auch günstigen und treffenden bildungen dieser art, unbekümmert um die wilde und rohe analogie der übrigen, einlasz gewähre; wofür sich noch kein bedürfnis im sprachgebrauch erhob, alles das darf von ihm unberücksichtigt bleiben. insgemein aber hat es vielmehr den ableitungen als den zusammensetzungen, vielmehr den einfachen wörtern als den abgeleiteten nachzustreben, und dieses grundcanons hintansetzung ist es, die unsre deutschen wörterbücher bei dem schein ihres reichthums bisher noch so arm gelassen hat. jedes einfache wort wiegt an gehalt funfzig ableitungen und jede ableitung zehn zusammensetzungen auf.
     15. Partikeln.
    Eigne rücksicht fordert der antritt der partikeln vor andere wörter. wenn überhaupt alle wörter ursprünglich innere bedeutung hatten, die sich in der folge ausdehnte und verdünnte, so scheint es, musz man zugeben, dasz in den partikeln sie am meisten verdunkelt liegt, diese unter allen einfachen wörtern in der sprache die abgezogensten, mithin auch die zujüngst gebildeten sind. setzen wir einmal das verbum als wurzel und lassen unmittelbar aus ihm ein particip, aus dem particip ein adjectiv, aus dem adjectiv das substantiv erwachsen; so wird den partikeln vorwaltend nominale geltung einzuräumen, diese aber am entschiedensten im adverb und in der praeposition ausgeprägt sein. erkaltet auch die praeposition, büszt sie ihre rectionskraft ein, so bleibt eine blosze adverbialpartikel als leblosester bestandtheil der sprache zurück. das wäre zwar der regelmäszigste verlauf, ist aber gewis nicht der einzige, da wir oft das verbum ohne allen umweg in die bildung des substantivs oder auch adverbs vorschreiten sehn und jene blosze partikel wieder regierend, d. h. zur praeposition erhoben werden kann. diese sätze zu begründen und näher auszuführen liegt uns hier nicht ob, wo es nur auf den verhalt der praeposition zur adverbialpartikel abgesehn ist.
    Dasz die praepositionale partikel voller, die adverbiale leerer sei, leuchtet schon aus der verschiedentlich gekürzten gestalt der letzten ein. bei und vor wiegen noch mehr und liegen ihrem ursprung etwas
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näher als be und ver, doch können auch bei und vor bloszes adv. sein und mit andern wörtern verbunden werden, gerade wie die schwed. praep. at, die sich von der conjunction att unterscheidet, in die zusammensetzung tritt.
    Ich habe gesucht nachzuweisen, dasz unsern zusammensetzungen der verba mit adverbialpartikeln groszentheils wirkliche praepositionen zum grunde lagen, hinter welchen der sprachgebrauch ein subst. oder pronomen ausfallen liesz. absteigen scheint hervorgegangen aus einem lebendigeren ab dem rosse, ab dem wagen steigen, anbeiszen aus einem an das brot, an den apfel beiszen. nicht anders bedeutete ausschliefen, auskriechen aus dem ei schliefen, aus der schale kriechen, übersehn über einen hinaus sehn, zutreten zu einem hintreten. Opitz sagt 1, 161

schawt dann den pfawen zu, siht wie die stolzen hanen
die hüner ubergehn

d. i. über die hüner gehen, sie treten; unser heutiges einen anfechten wurde mhd. häufig ausgedrückt an einen vehten, z. b.

der wurm an in vaht.   krone 13490;

merkenswerth werden in folgender stelle der adverbiale und praepositionale ausdruck hintereinander angewandt: greif die von Limpurg an und sie wider an in. Limb. chron. §. 9. eben weil der ausdruck mit der praeposition vollständiger ist, scheint er auch älter als der mit dem adv., wobei man sich oft erst das subst. oder pron. hinzuzudenken hat. durch dessen unterbleiben ist freilich die zusammensetzung freier und vielseitiger, für alle substantiva gerecht geworden.
    Unsere sprache hat die eigenheit, dasz die meisten solcher mit dem verbum verbundnen partikeln in gewisser lage der rede trennbar werden und nachtreten: im unbestimmten und bedingten ausdruck stehn sie voran, im bestimmten, unmittelbaren nach. gibt dieser nachtritt nicht zu erkennen, dasz in der freistehenden partikel die praepositionskraft länger waltete? beim zuruf steig ab! oder wenn es heiszt ich steige ab, ergänzt sich die vorstellung des erwarteten subst. leicht, nicht aber inmitten des zusammengesetzten wortes absteigen. diese, und schon mhd. ahd. freie und wechselnde wortstellung tritt hier als zeuge auf für den eingeschlagnen weg. im latein, wo die partikel bei jeder wendung der rede ihre feste lage behauptet, läszt sich die wahrnehmung nicht machen, fast auch nicht in der goth. und ags. sprache, die gleichfalls feste partikelcomposition haben. doch sind ein paar goth. ausnahmen (bei inn, iup und ut, also entschiednen adv.) gramm. 2, 899 angeführt, und das ags. onlaedan, utfindan dreht sich heute um in engl. lead on, find out.
    In unsern heutigen redensarten: lege mir das kleid an, gürte mir das schwert an, hindert der persönliche dat. den bezug auf ein praepositionales an; die alte sprache sagte aber mit doppeltem acc. lege mich das kleid an, gürte mich das schwert an, und dann läszt sich leicht. zurückkommen auf lege das kleid an mich, gürte das schwert an mich.
    Transitiv macht die partikelzusammensetzung nicht gerade das verbum, sondern besteht auch in intransitiven fort, z. b. anbeiszen ist eben so wol als das einfache beiszen beider bedeutungen, der intransitiven wie
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transitiven fähig. wo aber, wie oft der fall ist, transitive eintritt, wird das beim einfachen intransitiv stehende, von der praep. abhängende subst. nunmehr vom transitiven verbum abhängig: insofern läszt sich annehmen, dasz diese zusammensetzung der transitivbedeutung günstig sei (vgl. z. b. sp. 518). obenhin angesehn ist es gleichviel zu sagen an den apfel beiszen oder den apfel anbeiszen, an einen stoszen oder einen anstoszen. allein der transitive ausdruck ist einfacher und beide können auch im sinn von einander abweichen. vergleichbar läge etwa das lat. movere e cardine und emovere cardine, wo doch beide verba transitiv sind.
    Lange nicht bei allen partikelzusammensetzungen ist ein zurückgehn auf die praep. thunlich, namentlich bei denen mit auf und aus, welche ursprünglich gar keine praepositionen waren, auch in der composition oft noch reinadverbiale bedeutung zur schau tragen. so liegt in den oben sp. XXV besprochenen aufdonnern, aufschreien ein deutliches aus dem schlaf empor, in die höhe fahren machen. den wein austrinken will nicht sagen aus dem glase trinken, sondern vollends heraus trinken, wie es auch heiszt das glas austrinken; der gegensatz ist antrinken, anessen, anheben zu trinken oder zu essen.
    Wie im griechischen ist auch im deutschen die freiheit der partikelzusammensetzung unermeszlich, und wenn irgendwo mag hier der analogie ein groszer spielraum offen stehn. heiszt es andonnern, anregnen, anschneien, warum soll nicht gesagt werden können anblitzen, anleuchten, anglänzen u. s. w.? grundsatz war auch für solche bildungen immer erst genügenden beleg abzuwarten, es ist aber nicht zu leugnen, dasz ihrer viele entgangen und in diesen reihen manche ergänzungen nachzutragen sein werden. auszittern hat auch Gotthelf (eh die teller ausgezittert. erz. 1, 199), er sagt auch austobacken.
     16. Worterklärung.
    Hinter allen abgezognen bedeutungen des worts liegt eine sinnliche und anschauliche auf dem grund, die bei seiner findung die erste und ursprüngliche war. es ist sein leiblicher bestandtheil, oft geistig überdeckt, erstreckt und verflüchtigt, alle worterklärung, wenn sie gedeihen soll, musz ihn ermitteln und entfalten.
    Aufzusuchen ist er vor allem in dem einfachen verbum und wiederum zuerst in dem starken. das schwache verbum ist nothwendig ein abgeleitetes und jede ableitung bringt den urgehalt des worts in veränderte lage, jedes hinzutretende andere wort, auch wenn die starke form fortbesteht, fügt seiner bedeutung hinzu. das starke verbum ist zugleich ein hauptsitz des intransitivbegriffes: liegen jacere, legen ponere; sitzen sedere, setzen collocare. essen aber, wie edere, trinken wie bibere hat beides intransitiven und transitiven sinn, doch ätzen ist essen machen, tränken trinken machen. greifen und treten drücken die einfachste, natürlichste bewegung der hand und des fuszes aus, bald intransitiv, bald transitiv. essen und trinken meinen immer ein zu sich nehmen, doch braucht nicht nothwendig an den mund gedacht zu werden, auch die erde trinkt den regen, der gram iszt das herz; ätzen weicht aus in den sinn des beizens, das von beiszen stammt. greifen und treten sind kaum ohne hände und füsze denkbar, zum letzten mittel greifen, zur ehe greifen
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bezeichnen ursprünglich ein erfassen leiblicher hülfe, ein ergreifen der braut; ans licht treten heiszt hervor treten und erscheinen.
    Wie viel stärker und schneller ändert sich die sinnliche bedeutung, wenn auch noch von ihr ausgegangen wurde, durch den vortritt von partikeln. besitzen wird possidere, betreten deprehendere, antreten suscipere, belegen contegere, sternere, begreifen tractare, comprehendere, anlegen admovere, adhibere, anliegen curae esse, flagitare, auslegen explanare u. s. w.
    Es ist klar, aus dem sinnlichen gehalt des wortes ergeben sich bei seiner anwendung sittliche und geistige bezüge oder vorstellungen, denen allmälich die fülle seiner abgezogenen bedeutungen entnommen wird. der umgedrehte fall, dasz aus den manigfachen begriffen tractare, adhibere, explanare die benennung des sinnlichen entsprungen sei, läszt sich nicht annehmen.
    Diese sinnlichen bedeutungen anzugeben und voranzustellen ist in dem ganzen wörterbuch gestrebt worden, es war aber unmöglich überall den bezeichneten weg einzuschlagen, da es manche einfache und selbst starke verba gibt, deren sinnlicher gehalt nicht mehr deutlich vorliegt und schon in ihnen beimischungen empfangen hat, dann aber auch eine beträchtliche zahl von wörtern in der sprache vorhanden ist, zu welchen das verbum mangelt, d. h. erst durch tiefere forschung gefunden werden kann. so verbergen uns z. b. die verba sein und wesen den sinnlichen grund, auf dem sie ruhen, und es ist schwer ihn auch bei geben oder finden sicher darzulegen. war geben ein legen in die hand oder vielleicht ein gieszen ins gefäsz? war finden ein ersehen oder erkennen oder nur ein hinzukommen? lesen mehr ein sammeln oder ein sondern? welches verbum, also welcher sinn darf aber gesucht werden in substantiven kind oder sohn, tochter? ihre bedeutung ist allbekannt, doch nichts als eine abgezogne, den begriffen, die sie ausdrücken, beigelegte. noch schwerer hält es zu wissen, welche vorstellung ursprünglich hinter sünde oder glaube, hinter frei oder dumm und zahllosen andern lag; am allerdunkelsten bleiben die partikeln. hier kann die worterklärung immer nur ganz kleine strecken des wegs zurücklegen und musz sich auf der oberfläche halten.
    Der worterklärung, wie sie auch beschaffen sei, kann kein wörterbuch entbehren; es ist vorhin schon gesagt worden, dasz wir sie in den seltensten fällen durch definition, in den meisten durch ein lateinisches wort mit einem schlag zu treffen gesucht haben. sie ist nur die erste ernte auf dem gebiet der sprache, wo der halm an dem boden abgeschnitten wird, tiefer dringen musz die wortforschung und auch die wurzel ausziehen.
    Beim beginn des werks schien noch steif und raumverschwendung, die verschiedenheit der bedeutungen in beigefügten zahlen hervorzuheben, wodurch auch hin und wieder die fugen des zusammenhangs versteckt werden könnten. bald aber stellte sich heraus, dasz kein gröszerer artikel solcher zahlen entbehren durfte und dasz auch die kleineren dabei mehr gewönnen als verlören. es ist daher in dieser hinsicht mehr gleichförmigkeit eingetreten, die man nur in den ersten lieferungen zuweilen vermissen wird.
     17. Wortforschung.
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  Etymologie ist das salz oder die würze des wörterbuchs, ohne deren zuthat seine speise noch ungeschmack bliebe: man mag auch manches gern roh genieszen und lieber als versalzen.
    Diese kunst steht übel in ruf, weil es nah lag sie früh, schon im bloszen wortspiel, zu versuchen und zu misbrauchen. ihre regeln hat sie lange nur geahnt und ist derselben unbewust geblieben; immer werden neue hinzu erfunden.
    Man kann ein wort aus sich selbst und seinem unmittelbaren kreise verständigen, aber auch die nahen geschlechter und reihen zuziehen, von da wurde zu den umliegenden mundarten und sprachen vorgeschritten. sobald sich ein zusammenhang mehrerer sprachen wahrnehmen und endlich überschauen liesz, entsprang mit vorher ungekannten gesetzen und ergebnissen sprachvergleichung, wie oben gesagt wurde, wissenschaftlich begründet erst durch die druckerei und die wörterbücher.
    Die deutsche sprache hängt in einer kette, die sie mit den meisten europäischen verbindet, dann aber zurück nach Asien leitet und gerades wegs bis auf das sanskrit, das zend und das persische reicht. hieraus geht eine fülle von erscheinungen und verhältnissen hervor, die sich bald einigen lassen, bald als eigenheiten einzelner sprachen von einander gehalten werden müssen. auch sind nicht wenige glieder der groszen kette ausgefallen und verloren, so dasz manche übergänge nur sprungweise zu bewerkstelligen sind. jede sprache besitzt in sich eine natürliche heilkraft und der durch ihre losreiszung von andern entstandne schade verharscht und überwächst allmälich, wobei es ohne ausgleichungen und mittel nicht abgehn kann, die künftig mit unter ihre besonderheiten zählen. es kommt darauf an die grenze zu erkennen, wo ihre eigenthümlichkeit aufhört und sie wieder unter dem allgemein waltenden gesetz der übrigen sprachen steht, mit welchen sie verwandt ist.
    Die lateinische und griechische sprache legen uns einen groszen schatz classischer denkmäler vor augen, aus welchen eine fülle grammatischer regeln zu schöpfen und theilweise auf unsre eigne anzuwenden ist. nur war man gewohnt, diese regeln gebieterisch aufzustellen und ihnen alle einheimischen verhältnisse zu unterwerfen, statt solche selbst gewähren zu lassen; die aus dem studium des sanskrit erwachsne philologie ist gerechter und behandelt alle übrigen sprachen auf gleichem fusz. dennoch erwirbt ihm die lauterkeit und das hohe alter seiner quellen ein natürliches und gebührendes ansehen, vermöge dessen es berufen scheint, die unsicherheit der laute und wurzeln zu schlichten; ein gerichtshof aber wird auch die kraft der streitigen sache und ihrer gründe walten lassen, bevor er sie entwirre. wie weit immer die aussichten seien, die dem überraschten blick des sprachforschers das sanskrit eröfnet, wie zutreffend eine menge der aus ihm gewonnenen und gewinnbaren etymologien, so verbleibt doch auch jeder der urverwandten sprachen ihre eigne durchsichtigkeit, die an bestimmter stelle wirksam sein musz. die inneren, den wortbedeutungen wärmer angeschlossenen ergebnisse scheinen mir zuweilen den scharfsinnigsten vermutungen überlegen, die auf die bloszen
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lautverhältnisse und den weitgreifenden wechsel oder ausfall einzelner consonanten gegründet werden: setzt man ein R statt L, ein S statt R, ein L statt D und gestattet dem B und G, dem P und K zu tauschen, dem anlautenden K abzufallen, so ist plötzlich das aussehen eines worts verändert. bei unsern deutschen wörtern musz es recht sein vor allem zu versuchen, ob sie nicht auch innerhalb dem deutschen gebiet selbst sich erklären lassen, das zwar nur engere, der natur der sache nach oft sichrere schritte zu thun erlaubt.
    Steht uns die wurzel vieler wörter bis auf heute noch offen vor augen, warum sollte nicht auch die getrübte und verdunkelte zuerst mit unsern eignen mitteln erhellt werden können? die spinne heiszt so, weil sie spinnt und webt, die fliege, weil sie beständig vor unsern augen umfliegt, die nachtigall, weil sie nachts singt, die heuschrecke vom springen auf dem heu; band oder binde stammt von binden, boge von biegen, bote von bieten; scholle ist die im niederfall schallende erde, gleba; stiege und steg fallen zu steigen; brunne, brand, brunst zu brinnen; trieb und trift zu treiben; staub zu stieben; und so erkennen noch eine menge andrer wörter in unsrer sprache selbst lebendige wurzeln. oft wenn auch heute untergegangen, oder nicht mehr in einfacher gestalt vorhanden, sind sie mhd. oder ahd. bestimmt aufzuweisen und die zurückführung unseres gebären, geburt, bahre, barm, gebärde, bürde u. s. w. auf das alte bëran leidet nicht den mindesten zweifel, ehmals gehörten auch noch barn kind, biril tragkorb, berian ferire, goth. baris far, bêrusis parens derselben wurzel, warum sollte ihr nicht ahd. pero, unser bär überwiesen werden dürfen? möglichkeit ist da, den beweis kann nur die analogie anderer benennungen desselben thiers in fremden sprachen vollführen. eben weil das deutsche wort nichts zu schaffen hat mit ṛika, ursus, ἄρκτος und lokis, musz ihm eine abweichende vorstellung unterliegen.
    Die wurzel bëran haben wir mit den meisten urverwandten völkern gemein, viele ihrer andern wörter begegnen dem deutschen, ohne dasz uns oder ihnen die wurzel geblieben wäre. ein beispiel ist das durch alle unsere dialecte ziehende wort fisch, lat. piscis, welsch pysg, armor. pesk, ir. iasg (gen. eisg), alban. peskou, piskou, gr. ἰχϑύς, altpreusz. sucks, lett. siws, litt. źuwis, sl. rʾʾiba, ryba, offenbar für źyba, doch absteht das finn. kala, est. kalla, lapp. qwele, ungr. hal. es ist undenkbar, dasz ein solches wort entlehnt wurde, alle müssen es als eignes geführt haben. zur wurzel könnte doch das litt. źwyna schuppe = źuwyna leiten und selbst schuppe, mhd. schuope, ahd. scuopa mit dem anlaut sc, den auch squama weist, in berührung stehen. denn die schuppe ist eine auffallende eigenheit der fische, wie es auch bei Athenaeus p. 308 heiszt ἔλλοπες, διὰ τὸ εἶναι λεπιδωτοί. piscis für iscis = squamosus, welchem iasg zunächst träte, ἰχϑύς wäre für ἰσϑύς oder ἰστύς, ἰσκύς.
    Bei einem andern thiernamen, wo grosze einstimmung der sprachen herscht, läszt uns gerade die deutsche in die wurzel blicken. unserm wolf, goth. vulfs, altn. ulfr entspricht das lat. lupus = ulpus, gr. λύκος = ὔλκος, wofür doch attisch ὕλκος gesetzt worden wäre, litt. wilkas, sl. vlʾʾkʾʾ, der wolf aber ist ein räuber
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und das goth. vilvan valv bedeutet rauben, Matth. 7, 15 sind vulfôs vilvandans die λύκοι ἅρπαγες, vilva ist raptor, vulva rapina, fravulvans abreptus. nur steht dies vilvan für vilfan oder vilban, und valvjan = volvere, wie es den buchstaben nach sein sollte, kann dem sinne nach unmöglich daraus geleitet sein. hier scheint das F erweicht in V, wie umgekehrt goth. fraiv zu altn. friof erhärtet. der skr. ausdruck lautet aber vṛka, zend. vehrkô, pers. gurk, mit R statt L, dem litt. sl. wilkas, vlk zunächst tretend, auch ist ein sabinisches irpus oder hirpus aufbewahrt, das sich zu jenem ulpus verhält wie vrka zu vlk, noch ähnlicher wird das ungr. farkas, wolf. merkwürdig tritt nun auch diese, wahrscheinlich ältere gestalt in unsern sprachen lebendig vor, denn das altn. vargr, schwed. varg meint geradezu lupus, das ahd. warac latro, damnatus, das goth. gavargjan damnare, d. i. zum varg erklären. man übersehe nicht, dasz vargs auf andrer stufe der lautverschiebung steht als vulfs, diesem G hätte ein gr. X = CH zu entsprechen und vargs musz, wie auch der abweichende vocal zeigt, sich schon sehr frühe von vulfs entfernt haben. nicht weniger besitzen die sl. sprachen dasselbe vrag im sinne von feind und teufel. dem vṛka ist also beides, das goth. vargs und vulfs, das sl. vrag und vlk entsprossen.
    Wolf und fuchs berühren sich vielfach, und sonst hielt ich auch vulpes für dasselbe wort, = ulpes. doch hat es Burnouf dem zend. urup, pers. rubat hund verglichen, wiederum der wurzel lup = rup, rauben überwiesen, welcher noch sichtbarer das finn. repo fuchs, altn. refr, schw. räf, sp. raposo angehört, so dasz die verwandtschaft zwischen wolf und fuchs auf anderm wege gleichwol vorbräche. ἀλώπηξ deutet man λώπηξ = skr. lôpââ, lômaâ pilosa, was sich dem sinne von fuchs und fohe (fauhô) nähert, wenn sie mit fahs pilus, skr. pakman zusammenhängen, und vulpes liesze sich dann ausdehnen zu volupex, Ϝαλώπηξ, das ist noch unsicher, würde aber die ergibigkeit unserer sprache von neuem kundthun.
    Mich dünkt, je weiter die etymologie vorschreitet, wird sie die zahl der wurzeln nicht zu mehren, sondern zu mindern geneigt und im stande sein, sie wird mittel und wege finden, durch welche der übergang von einzelnen wurzeln zu einander erleichtert und über die geschlagne brücke hin zwischen beiden gemeinschaft gestiftet werden kann. in jeder sprache müssen dann einzelne wurzeln an umfang und reichthum auszerordentlich gewinnen.
    Eine derselben in unsrer sprache scheint mir z. b. die wurzel bauen, aus der ich mehr abzuleiten wage, als bisher geschehen ist. erwäge ich gleichwol den unleugbaren zusammenhang zwischen bauen und sein, thun und werden, wohnen und warten, so halte ich die kühnheit für an der rechten stelle. baun und baum sind sich ähnlich wie zwei wassertropfen und der gleiche vortritt des kehllauts in facere und bagms hat etwas entscheidendes; meine auslegungen von biene und biber erreichen was die plastik ihrer begriffe begehren kann, und ich sehe nicht wie man treffenderes an die stelle setzen möchte, warum soll erst auf weiten umwegen gesucht werden, was unmittelbar in unsrer nähe liegt? ich füge hier noch hinzu, dasz bibaru, bibrus, altn. bior auch reduplicativ zu erfassen wäre, gleich
[l]
ciconia cicada fifaltra, ganz wie bauan bio aus bauan baibô, facere feci aus fefac (nach dem oscischen fefacust = fecerit) entsprang. selbst auf bîa und biene würde diese erklärung anwendbar sein.
    In den praepositionen liegen noch schwere rätsel und wer die rechte witterung von ihnen hat, wird auf nominalbegriffe und leibliche substantiva stoszen. damit dasz man weisz, bei sei skr. abhi und bhi, gr. ἀμφί, ahd. umpi und pi, ist uns der eigentliche sinn und gehalt der partikel unerschlossen. mir boten sich bei = bau, aus den neuen sprachen vorerst casa und altn. hiâ dar; auch in strebt zu inn haus, nicht umgekehrt darf inn aus in gedeutet werden. unser nach gehört zu nahe, bei wohnend; unser and, ent zu andi, endi frons; unser pah tergum, ags. bäc, altn. bak gibt den schlüssel zum skr. patscha, paća a tergo, altn. â bak, alts. te baka retro, ags. on bäc, und zum lat. post, litt. pakala tergum, paskuy post, pasturas postremus, posterior, posticus, noch eine andere merkwürdige deutung flieszt aus demselben pah.
    Das durch die gesamte deutsche sprache hin bis auf heute, freilich kaum erkenntlich fortdauernde persönliche wort andbahts, ampaht, minister, servus ist von bak tergum, wie sahts von saka, sakan, sauhts von siuks, vaurhts von vaurkjan gebildet, ein so altes sinnliches wort wie bak musz viele ableitungen aus sich entfaltet haben. andbahts ist der im rücken oder an der seite zu schutz und beistand haltende diener und genosse, wie dieselbe vorstellung auch im sinnlichen begrif der ausdrücke beistand, rückenhalter, ahd. nôtigistallo, ags. eaxlgestealla und andern mehr enthalten ist. einen bestehn, angehören hiesz bei ihm stehn, um ihn stehn, auf ihn hören, ihm gehorchen. Hans Sachs II. 2, 252d

gott geb euch auf die reis gelück
und halt euch euer engel rück!

euer schutzengel geleite euch, stehe euch zur hülfe im rücken, halte hinter euch. altn. bakiarl ist rückenmann, der im rücken, hinter uns folgt, pedisequus, sowol ein diener, als ein lauernder feind, hostis a tergo infestans; bakdyr fores posticae; baka bât bedeutet dorso naviculam propellere. schon vor dem beginn unsrer zeitrechnung war ambactus den mit Germanen verkehrenden Galliern geläufig, durch sie den Römern bekannt geworden. was thut Zeusz? ohne unser andbaht zu nennen, hält er (gramm. celt. 761) zu ambactus lieber den dunkeln pflanzennamen exacon und das lat. agere, exigere, womit die vorstellung von ambactus, circumactus, was comes, servus sein soll, erzwungen wird, eher noch hätte sich Ambigatus aus Livius 5, 34 und Ambiorix herholen lassen, die er s. 7. 75 nur der partikel amb wegen anführt. von einem solchen lat. ambactus, das in keiner keltischen sprache haftet sollen alle deutschen stämme ihr eingewurzeltes und vollkommen deutbares andbaht in frühster zeit entnommen haben? man hat die skr. wurzel bhadsch dividere, petere, colere, facere zu andbaht verglichen; da sie auch coquere bedeutet, also unserm backen entspricht, würde andbahts eher einen koch oder becker als einen diener und genossen ausdrücken können. bak rücken auf bhadsch zu beziehen hindert aber jenes skr. patscha.
    Mit allem schein der wahrheit pflegt man nomen der
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skr. wurzel dschnâ noscere zu überweisen, nomen ist gnomen, merkmal, kennzeichen, weil man andere am namen erkennt. dafür sprechen auch agnomen cognomen agnosco cognosco und gnarus, ja statt des G erschiene vocalvorschlag im gr. ὄνομα, alban. emeni, ir. ainim. harte anmutung ist es doch, schon das skr. nâman aus dschnâ, ὄνομα aus γνῶναι, sl. imia aus znati, unser namô, namo aus chnâhan herzuleiten, da beiden letztern einfach die wurzel niman und imjati capere, accipere, prehendere, habere zur seite steht und seinem begriffe nach namo das empfangne, zugetheilte, angenommne ist, niman das gr. νέμειν capere, possidere, habitare. entweder müste auch niman aus dschniman entspringen oder lieber für nâman schon ein übertritt aus der wurzel dschnâ zu der von nam, das im skr. inclinare, flectere ausdrückt, behauptet werden. für solchen wechsel der form und bedeutung stehn auch sonst genug beispiele zu gebot.
    Unser habicht, ahd. hapuh, ags. hafoc, altn. haukr ist ganz das welsche hebog, ir. seabhag, welche letzteren wurzellos sind, habicht aber scheint mit haben und heben capere vereinbar, der raubvogel ergreift und hält, wie auch accipiter ab accipiendis hoc est capiendis avibus heiszen soll und mlat. acceptor und capus dafür gesagt wurde. accipitrare steht bei Gellius 19, 7 = lacerare. doch schöner deutet man den ersten theil von accipiter aus skr. âu, gr. ὠκύ, und in piter schiene patra, patatra, πτερόν, ala gelegen, ganz wie sich ἴρηξ ὠκύπτερος verbinden, von des vogels schnellem, kreisenden fluge ist auch κίρκος, vielleicht ἱέραξ geleitet, selbst in aquila könnte acui-ala enthalten sein, wie acupedius bei Festus ὀξύπους ist, Miklosich findet ebenwol im sl. jastrebʾʾ, poln. jastrzb, böhm. gestřab ein verlornes jast = âu zu rjab perdix gefügt. dem lautverhältnis nach wird âsu oder ὠκύ zu goth. êhu, ôhu, wie skr. ava, lat. equus, das schnelle pferd zu aihvu, alts. ehu, und skr. pasu, lat. pecu zu faihu, ahd. fihu, ja man möchte auch aqua, goth. ahva, ahd. aha für das schnell flieszende erklären, lautete hier nicht die skr. form ap, was auf andere vergleichungen führt. sollte in hapuh und habicht das anlautende H noch übrig sein von jenem verschollnen êhu, ôhu? dann würde die herleitung aus haben und heben verdächtig, so dunkel auch das übrige wort bliebe.
    Auf diesem wogenden meer der sprachen tauchen die wörter empor und versinken, die etymologien schwellen an und zerrinnen. oft lauft in geregeltem wechsel eine form durch alle reihen,

nam ex uno puteo similior nunquam potis
aqua aquai sumi, quam haec est atque ista vox,

und dann treten wieder schroffe verschiedenheiten, lücken und abgründe in den weg, dasz die vergleichung, die man schon fest zu halten wähnte, wieder entschlüpft. In einem deutschen wörterbuch schien es pflicht, allen mitteln und handhaben nachzugehn, die unsere sprache selbst darreichte und diesen standpunct werden auch solche hier erwarten, die ihm geringern erfolg zutrauen und lange nicht alles einzuräumen geneigt sind. mit dem fortschritt der forschung werden neue ergebnisse eintreten, denen selbst die mängel einer redlich angesetzten arbeit zu reiz und antrieb gereichen.
     18. Sitten und bräuche.
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  Manche wörter konnten weder aufgestellt noch erklärt werden, ohne dasz auf die lebensart oder denkweise der vorzeit und des alterthums eingegangen wurde, deren genauere kenntnis auch groszentheils von der kunde der sprache abhängt. darum liefern die idiotiken, wenn sie mit Schmellers fleisz und feinem verstand abgefaszt sind, so werthvolle beiträge für geschichte und sitte der gegenwart und der vorausgegangnen jahrhunderte.
  >  Ich hebe hier nur unerschöpfende beispiele solcher wörter aus, die den gebrauch oder glauben des volks erläutern: abcschütz, abendbrot, abenteuer, ablasz, Adam, adebar, aderlaszmännchen, agen schütten, alfanz, allemann, allerleirauh, alles aller in flüchen, allmende, alp, alraun, altfränkisch, altreise, angster, ankenbraut, anlaster, anrichte, aschenbrödel, ausbund, axthelm, babe, bachant, bachmatt, backenstreich, backfisch, bad, badehre, badschild, bank, bankhart, bankriese, banse, bar, baretleinsleute, baretteller, bärenhäuter, barlaufen, barn, bart, base, bastart, batz, bauernschritt, baummeise, bausch, becher, bechten, beckelhaube, begabeln, begine, behaupten, beicht, beifrau, beilen, benne, bergens spielen, bergrind, bergwurzel, berichten, bescheid, bescheidessen, beschütten, besen, beste, bestechen, bestricken, betteln, bettelmann, bettelstab, bettelmantel, bettlertanz, betzel, beunde, beuten, biberschwanz, bickel, bienenwolf, bier.
    Gelangt das ganze werk einmal zu seiner vollendung, so wird es angemessen sein, wie bei Ducange geschehen ist, ihm verzeichnisse und register verschiedner art anzuhängen, in welchen man die einzelnen gebräuche so wie alle hervorragenden wörter und ausdrucksweisen der einzelnen stände sorgfältig geordnet überschauen kann.
     19. Schreibung und druck.
    Es verstand sich fast von selbst, dasz die ungestalte und häszliche schrift, die noch immer unsere meisten bücher gegenüber denen aller übrigen gebildeten völker von auszen barbarisch erscheinen läszt, und einer sonst allgemeinen edlen übung untheilhaftig macht, beseitigt bleiben muste.
    Leider nennt man diese verdorbne und geschmacklose schrift sogar eine deutsche, als ob alle unter uns im schwang gehenden misbräuche zu ursprünglich deutschen gestempelt, dadurch empfohlen werden dürften. nichts ist falscher, und jeder kundige weisz, dasz im mittelalter durch das ganze Europa nur éine schrift, nemlich die lateinische für alle sprachen galt und gebraucht wurde. seit dem dreizehnten, vierzehnten jahrhundert begannen die schreiber die runden züge der buchstaben an den ecken auszuspitzen und der beinahe nur in rubriken und zu eingang neuer abschnitte vorkommenden majuskel schnörkel anzufügen.
    Die erfinder der druckerei gossen aber ihre typen ganz wie sie in den handschriften üblich waren und so behielten die ersten drucke des 15 jh. dieselben eckigen, knorrigen und scharfen buchstaben, gleichviel ob für lateinische oder deutsche und französische bücher bei. mit ihnen wurden dann auch alle dänischen, schwedischen, böhmischen, polnischen bücher gedruckt. dennoch führte in Italien, wo die schreiber der runden schrift treuer geblieben waren und schöne alte handschriften
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der classiker vor augen lagen, schon im 15 jh. in vielen druckereien ein reinerer geschmack die unentstellten buchstaben für die lateinische oder vulgare sprache zurück, und nun lag es an den andern völkern diesem beispiel zu folgen. beim latein gab es keinen ausweg, und im 16 jh. drang auch für die aus französischen und deutschen pressen hervorgehenden classiker die edle schrift durch, die gelehrten hielten darauf. dagegen bestand die schlechte für das volk, das sich an sie gewöhnt hatte, fort, in Frankreich eine zeitlang nur, in Deutschland entschieden und durchaus, hiermit war ein schädlicher unterschied zwischen lateinischen und vulgarbuchstaben festgesetzt, der nicht nur in den druckereien galt, sondern auch in den schulen angenommen wurde. deutsch aber kann diese vulgarschrift immer nicht genannt werden, da sie auszer Deutschland auch in England, in den Niederlanden, in Scandinavien und bei den Slaven lateinischer kirche herschte. Engländer und Niederländer entsagten ihr allmälich ganz, die Polen haben sich gleichfalls von ihr losgerissen, die Böhmen und Schweden heutzutage meistentheils, sie besteht gegenwärtig nur, auszerhalb Deutschland, in böhmischen und schwedischen zeitungen, in Dänemark, Liefland, Littauen, Estland und Finnland, wo doch alle schriftsteller geneigt sind, zur reinen lateinischen schrift überzutreten, auch meistens schon übergetreten sind.
    Die unnütze festhaltung der vulgarschrift führt grosze nachtheile mit sich,
    a) sie ist zumal in der majuskel unförmlich und das auge beleidigend, man halte 𝔄 𝔅 𝔇 zu A B D und so werden überall die einfachen striche verschnörkelt, verknorzt und aus der verbindung gerissen. die umgedrehte behauptung, dasz diese schrift dem auge wol thue, geht blosz aus übler und träger gewohnheit hervor.
    b) sie ist es, die den albernen gebrauch groszer buchstaben für alle substantiva veranlaszt hat, wie nachher gezeigt werden soll.
    c) sie nöthigt in den schulen die zahl der alphabete zu verdoppeln, jedes kind musz für éin zeichen achte lernen, zum beispiel E e &Escript; &escript; 𝔈 𝔢 &Esuett; &esuett;, wo die hälfte ausreichte. denn neben der stehenden, unverbundnen bedarf es einer flieszenden verbundnen, mit jener wird gedruckt, mit dieser geschrieben.
    d) sie zwingt in Deutschland alle druckereien sich mit dem zwiefachen vorrat lateinischer und deutscher typen auszurüsten, während in Italien, Frankreich u. s. w. latein und vulgar mit denselben gesetzt wird.
    e) sie kann den unterschied der majuskel I und J nicht ausdrücken, und musz für beide 𝔍 verwenden, auch entgehn ihr die accente.
    f) sie hat durch die verbindung  die falsche auflösung in ſs und ss herbeigeführt, so dasz einfältig derselbe laut anders ausgedrückt ist, je nachdem deutsch oder lateinisch geschrieben oder gesetzt werden soll, wovon nachher noch näher zu reden sein wird.
    g) sie hindert die verbreitung deutscher bücher ins ausland, und ist allen fremden widerwärtig.
    Alle schrift war ursprünglich majuskel, wie sie in stein gehauen wurde, für das schnelle schreiben auf papyrus und pergament verband und verkleinerte man die buchstaben, wodurch sich die züge der minuskel mehr oder minder abänderten. aus den mit dem pinsel
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hinzugemahlten initialen der handschriften entsprang die verbogene und verzerrte gestalt der majuskel, die in den ältesten drucken auch noch nicht gesetzt, sondern mit farbe eingetragen wurde. in lateinischen büchern blieben auszer den initialen nur die eigennamen durch majuskel hervorgehoben, wie noch heute geschieht, weil es den leser erleichtert. im laufe des 16 jh. führte sich zuerst schwankend und unsicher, endlich entschieden der misbrauch ein, diese auszeichnung auf alle und jede substantiva zu erstrecken, wodurch jener vortheil wieder verloren gieng, die eigennamen unter der menge der substantiva sich verkrochen und die schrift überhaupt ein buntes, schwerfälliges ansehen gewann, da die majuskel den doppelten oder dreifachen raum der minuskel einnimmt. rechnet man hinzu, dasz die deutsche sprache insgemein zur verdoppelung der buchstaben und einschaltung unnöthiger dehnlaute geneigt ist, für ihre häufigen verbindungen ch sch und sz aber einfacher zeichen entbehrt, so begreift sich, wie die darstellung unsrer laute so breit ins auge fällt, was bei versen oder wenn eine fremde sprache daneben steht am sichtbarsten wird. kürze und leichtigkeit des ausdrucks, die im ganzen nicht unser vorzug sind, weichen vor diesem geschlepp und gespreize der buchstaben völlig zurück. meinestheils zweifle ich nicht an einem wesentlichen zusammenhang der entstellten schrift mit der zwecklosen häufung der groszen buchstaben, man suchte darin eine vermeinte zier und gefiel sich im schreiben sowol an den schnörkeln als an ihrer vervielfachung. wenigstens die der edlen lateinischen schrift pflegenden völker kamen gar nicht auf den gedanken einer so sinnlosen verkleisterung der substantive.
    Kaum ein leser dieses wörterbuchs wird an den lateinischen und kleinen buchstaben ärgernis nehmen oder sich nicht leicht darüber hinaussetzen, allen unbefangnen aber musz die daraus entsprungne sauberkeit und raumersparnis angenehm ins auge fallen. hat nur ein einziges geschlecht der neuen schreibweise sich bequemt, so wird im nachfolgenden kein hahn nach der alten krähen. wem das thun oder lassen in solchen dingen gleichgültig ist und jeder unbrauch zu einer unabänderlichen eigenthümlichkeit des volks gedeiht, der dürfte gar nichts anrühren und müste in allen verschlechterungen der sprache wirkliche verbesserungen sehen. es gibt aber in ihr nichts kleines, das nicht auf das grosze einflösse, nichts unedles, das nicht ihrer angebornen guten art empfindlichen eintrag thäte. Lassen wir doch an den häusern die giebel, die vorsprünge der balken, aus den haaren das puder weg, warum soll in der schrift aller unrat bleiben?
     20. Rechtschreibung.
    Die lateinische schrift kam unserer sprache schon vor alters von auszen her zu und nicht ohne gefahr ergieng ihre anwendung auf die deutschen laute; schlimm war, dasz ein nachlässiger und verkehrter schreibgebrauch, statt beide völlig auszugleichen, allmälich verwirrungen bereitete, die anfangs nirgends vorhanden waren. in den letzten drei jahrhunderten trägt die deutsche schreibung so schwankende und schimpfliche unfolgerichtigkeit an sich, wie sie in keiner andern sprache jemals statt gefunden hat, und nichts hält schwerer als diesen zustand zu heilen. man hat sich von jugend an ihn gewöhnt
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und niemand kann den leuten ungelegner kommen, als der sich dawider erhebt. in kleinigkeiten abzuweichen, das wird belächelt und allenfalls geduldet, wem aber gründliche umwandlungen ratsam scheinen, der darf sich auf jede mögliche gleichgültigkeit und unkenntnis von der sache fassen. was sollte die änderung den schriftsteller angehn, dem daran liegt seine gedanken ungehemmt und ungezwungen zu äuszern, dem es lästig fallen musz sich und seine leser durch anstände in der form, die er längst bewältigt zu haben meint, aufhalten zu lassen? nur insgeheim mag ihn der leichdorn im schuh drücken, wenn er sich des eignen ungenauen und fehlerhaften ausdrucks mitunter bewust wird. die meisten schrieben, wie sie es in der schule oder sonst im leben sich angewöhnt hatten und überlieszen wiederum den setzern die schreibart nach belieben zu verändern, d. h. dem vorherschenden brauch zu bequemen. so weichen z. b. die meisten kurz nach einander erschienenen auflagen von Fischarts Gargantua immer in kleinigkeiten ab, aus welcher sollte man einen schlusz auf seine eigne schreibung machen? auch Göthe wird sich nicht darum bekümmert haben, dasz die späteren abdrücke seiner werke einzelnes anders schrieben, z. b. die erste ausgabe des Faust von 1790 hat juristerey, gescheidter, bey, wo die jüngeren juristerei, gescheiter, bei setzen, dennoch daneben seyn behalten. wichtigeres erlaubte man sich bei ahnungsvoll statt des aus Göthes feder geflossenen ahndungsvoll. in Lessings werken hat Lachmann verschiedenheiten der schreibung festgehalten, die vielleicht auch von den setzern herrührten.
    Einzelnen älteren schriftstellern, die den schreibgebrauch zu meistern unternahmen, wie Melissus, Weckherlin, Ph. von Zesen, darf man nur geringe, darum unwirksame sachkunde zutrauen, wiewol sie es an einigen guten vorschlägen nicht fehlen lieszen; auch die neueren, in vielen stücken vollkommen berechtigt, Klopstock, Voss, Schlözer scheiterten um derselben ursache willen, Voss unter ihnen der mäszigste richtete das meiste aus. einiges rechte, wie die entfernung des Y aus dem diphth. ei drang endlich, allem dawider erhobnen einspruch zum trotz, allgemein durch. Eine gänzliche umwälzung, wobei freilich mit nothwendigen ausnahmen wieder der mhd. schreibweise zugelenkt werden müste, scheint erst dann gelingen zu können, wenn ihr unter grammatischer begründung in empfänglicher zeit durch ein wörterbuch vollständig der weg gebrochen sein wird. das gegenwärtige darf blosz anspruch darauf machen ihn hin und wieder anzubahnen und die änderung vorzubereiten.
    Das gebrechen liegt in unbefugter und regellos schwankender häufung der vocale wie consonanten, wodurch die deutsche schrift einen breiten, steifen und schleppenden eindruck macht.
    Bei den vocalen kam es auf die dehnung an, welche vor einfachem consonant sowol der mhd. lange als kurze laut empfieng, und man behandelte sie auf viererlei weise.
    a) man liesz sie unbezeichnet. beispiele der organischen länge: da, qual, spat, that, rath, abend, athem, klar, waren, lasen, kamen, hören, brot, noth, roth, tod, krone, thun, muth, ruhe. beispiele der organischen kürze: thal, schmal, rad, mag, gab, habe, scham, kam,
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schwan, war, wagen, nabel, gabel, jagen, sagen, schämen, bär, gebären, geweb, eben, geben, streben, bewegen, hin, dir, mir, biber, lob, oben, bote, boge, zogen, trogen, schwöre, mögen, flug, zug, tugend, jugend.
    b) man verdoppelte den vocal. beispiele der organischen länge: aal, haar, klee, see, schnee, schoosz. beispiele der organischen kürze: saal, aar, baar, heer, meer, beere.
    c) man schaltete hinter dem I E ein, was natürlich nur bei organischer kürze der fall ist: kiel, ziel, viel, spiel, ziemen, nieder, liegen, wiege, riegel, schriebe, triebe, geschrieben, getrieben.
    d) man schaltete H ein. beispiele der organischen länge: pfahl, stahl, jahr, bahre, wahr, bewähren, wahn, wähnen, ehre, mehr, lohn, ohne, bohne, ohr, fuhr, fühlen, führen, ruhm huhn. beispiele der organischen kürze: fahl, kahl, wahl, zahl, lahm, nahm, hahn, nahrung, fahren, zählen, wählen, währen, nähren, hehlen, stehlen, nehmen, wehren, ihn, ihr, sohn, wohnen, sohle, bohre, bühne.
    Dies inconsequente verfahren ist unerträglich. wenn man nahm, lahm, zahm schreibt, warum nicht auch kahm? oder umgedreht, wenn kam, scham, name gilt, warum nicht nam, lam, zam? wer wahl, zahl, ihn, hahn, zahn, bühne setzt, müste der nicht auch thahl, schmahl, vihl, schwahn, thuhn schreiben, oder weshalb entbindet ihn die schreibung schmal und schwan nicht des schleppenden h in wahl und hahn? wir schreiben grün und schön, warum nicht kün, sondern kühn? was zwingt zu jahr und bahre, da doch klar und waren gilt? warum schere, aber beere und wehre? im 16. 17 jh. schrieben auch einzelne kahm, ahn, juhgend, vihl und zihl, was der spätere gebrauch verwarf.
    Am unerträglichsten wird die unsicherheit, wenn sie in den formen desselben worts, derselben wurzel und in vollkommen ähnlichem fall vortritt. ihr zu schreiben und von der analogie wir mir dir abzuweichen, war in der sprache nicht der mindeste grund; ungebildete schreiben auch wihr, mihr, dihr oder wier, mier, dier und verfahren folgerichtig. warum soll ihm, ihn, ihnen stehn und er, es, der, dem, denen? im 16. 17 jh. begegnet auch ehr, ehs, dehr, dehn, die uns heute beleidigen. zahm und zähmen verdecken durch diese schreibung ihre abkunft von ziemen, geziemen, gezam, ihre verwandtschaft mit ziemlich und zunft. gleiches gilt von zehren und zerren, von begehren und begier. wir schreiben nehmen und nimmst, nimmt, welche beide die organische kürze durch verdoppelung der consonanz retteten, ältere schriftsteller setzen auch nemmen wie tretten für nehmen und treten; ist, wie vermutet wurde, das subst. name von nehmen abstammend, so verdunkelt sich zugleich dies verhältnis. nicht anders trennt unsre üble schreibung die zusammen gehörigen wörter hahn, huhn und henne, lehren und lernen, an und ähnlich, fahren, fahrt und fertig, d. i. zur fahrt gerüstet, zwar = mhd. ze wâre, und wahr.
    Wol weisz ich, was man zur entschuldigung mancher solcher widersprüche und ungenauigkeiten vorbringt. es sollen dadurch verschiedenartige wörter von einander gehalten werden, man setze ihn und seyn, damit sie von der praep. in und dem possessivum sein fern stehn bleiben; sicher war das nicht der anlasz zur
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schreibung, womit hätten denn ihr, bey, frey nicht zusammenfallen sollen? kein mhd. blatt wird unverständlich dadurch, dasz in beiden fällen einförmig in und sîn geschrieben steht. denn in allen sprachen, zumal neueren, begegnen sich die gestalten vieler wörter, z. b. lat. canis singst, canis hund; suis der sau, suis seinen; bellum krieg, bellum den schönen; frons stirne, frons laub; edit iszt, edit gibt heraus; uti wie, uti gebrauchen, jenes mit kurzem, dieses mit langem u; franz. son laut, son kleie, son sein; ton laut, ton dein; en in, en davon = lat. inde, und so unzähligemal, wer denkt daran sie anders zu schreiben? im zusammenhang der rede wird alles klar, durch ihn würde man auch gewahren, ob her das mhd. her exercitus, hër huc, hêr clarus meine, welche drei wörter die mhd. handschriften ganz gleich schreiben, uns erst die grammatik zu sondern gelehrt hat. was soll ein unterschied zwischen wider contra, wieder rursus, da wir doch aber vero und aber rursus unausgezeichnet lassen? die gewöhnliche schreibung kann lange nicht allen feinheiten der aussprache nachgehen wollen, sie weisz nichts von einem ë oder ê und â, nur genauere schreiber wandten accente und circumflexe an, oder strebten einzelne ë und ê durch ä und ee zu erreichen. lateinische bücher drücken die quantität der vocale auch nicht aus, griechische nur einiger, nicht aller. entspringt uns irgend beschwerde daraus, dasz wir mhd. gebôt mandavit und gebot mandatum beide gebot schreiben? oder soll hier unser groszer buchstabe das subst. retten? das hülfe ja nichts für den fall, dasz das verbum den satz anfienge.
    Mit mehr schein liesze sich anführen, dasz schon mhd. und selbst ahd. einzelne beispiele des dritten und vierten misbrauchs auftauchen, des hinter I geschobnen E, des dehnenden H. wer die von Diemer bekannt gemachte Vorauer handschrift liest, wird darin verschiedentlich tehte roht toht houbeht habeht siht wihstoum finden für tete rôt tôt houbet habet (ahd. hapêt) sît wîstuom, wie schon einmal bei Notker, inslîhefe für insliefe, ungefähr wie auch fremde namen zwischen Daniel und Danihel, Bethleem und Bethlehem schwanken. iem für im hat die kaiserchron. 526, 22; ier für ir 526, 23; ien für in 529, 20; ziet für zît 527, 12 u. s. w. dies iem, ier mahnt nun an das iäm, iär des heutigen westfälischen dialects, die schreibung viel und miechel im grafen Rudolf an die ags. und altn. brechung feolo, fiöl und miök, miög, ags. eom und heom für im, him, und es scheint wol, dasz das gesetz der brechungen den misbrauch des dehnenden IE zuerst veranlaszt haben könne, vgl. gramm. 1, 163. allein der gemeine hochd. brauch nahm die meisten solcher schreibweisen gar nicht an, oder entledigte sich ihrer bald wieder; sollen wir sie festhalten und dazu noch schief anwenden?
    Das zweite verfahren, ich meine die wiederholung des vocals, ursprünglich damit länge, dann dehnung zu bezeichnen hat etwas natürliches, da auch in andern sprachen die länge der doppelt gesetzten kürze gleich steht; von den Niederländern wird diese doppelung ebenfalls, nur häufiger und durchgreifender, angewandt, welchen sowol IE für I, als das eingeschaltete H unbekannt blieb. doch, wenn man allenthalben die dehnung verdoppeln will, empfängt die schreibung etwas breites,
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schwerfälliges, man lese Flemings gedichte, der die holländische weise nachahmend s. 79 setzt:

Neptuun kann keinem guut fur seinen schaden saagen,
der sich in seiner fluut auf speten herbst wil waagen,

und so oft, nicht allenthalben, die ausgaben folgen schwankend.
    Weit besser gethan ist es, die erste weise zur allgemein gültigen erhebend, den gedehnten laut überall unbezeichnet und jede verdoppelung oder einschaltung von E und H fahren zu lassen, wodurch zugleich reinere aussprache des organischen IE (in dienen, lieben, gieszen) und der organischen spirans für alle inlaute, wie sehen, zehen, ziehen, fliehen, fahen, äher oder ähre, zähre u. s. w. gewonnen würde. diese letzte schärft sich vor T in CH (sicht, flucht, zucht), was jenes falsche H niemals zu thun vermochte. für Schlözer muste es zur klippe werden, dasz er die echten und falschen H nicht scheiden konnte und das kind mit dem bade ausschüttete. schon Frisch hatte sich an verschiednen stellen, z. b. 2, 373b gegen 'den schlendrian mit dem angeflickten H' ausgesprochen.
    Aller dieser anfangs beabsichtigten, künftig einmal unerläszlichen reinigungen unseres vocalismus habe ich aus den oben angezeigten gründen mich jetzt noch entschlagen, doch ist vorläufig schon in klammer die gebesserte schreibung beigefügt worden, natürlich nur im stamm, von dem man sie leicht auf ableitungen und zusammensetzungen erstrecken wird, z. b. hinter nehmen folgt eingeklammert nemen, nicht hinter abnehmen annehmen ausnehmen benehmen. man hat also immer das einfache wort aufzuschlagen.
    Unsere consonanten leiden an gleich pedantischer vervielfachung der zeichen, es ist als ob nie der einfache buchstab genügen könne, immer noch ein andrer ihm als schlepp angehängt werden müsse.
    Thue man bücher des 16. 17 jh. auf, nicht allein dem T wird unnützes und falsches H nachgesandt, sondern oft auch andern consonanten, und z. b. geschrieben rhat rhum mhe nehmen für rat rum me nemen, so dasz sich die dehnung raht (oder rath) ruhm mehr nehmen aus bloszer fortschiebung des H in die mitte des worts herleiten liesze. eine menge von verdopplungen starrt allenthalben, FF, SS für F und S und immer CK, TZ nach andern consonanten, da sie doch blosz nach oder zwischen vocalen zulässig sind: hoff graff schiff brieff schlieff schuff für hof graf schif brief schlief schuf; danck banck volck werck holtz krantz hertz schwartz für dank bank volk werk holz kranz herz schwarz; ja auch hausz mausz für haus maus. Zesen pflegt die verdoppelung noch mit dem dehnlaut zu verknüpfen und zu schreiben hihss für hiesz, schähffer für schäfer. auf FF ist man so erpicht, dasz es selbst in die russischen namen Orloff Demidoff Suwaroff eingetragen wird, die mit nichts als slavischem ov auslauten.
    TH hängt uns bis auf heute noch an: es ist überall falsch in hochdeutschen wörtern und das niederdeutsche, englische hat ganz andern grund. man musz also tal teil tor tat schreiben so gut wie tag teig toll taugt tugend, und nicht anders in und auslautend mut rat wut gerade wie gebet blut. die schreibungen that theil thor that muth rath wuth werfen unsre mundart aus ihrem angel und verwirren sie gegenüber allen geschwistersprachen.
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  Man will heute hof graf schuf schlief der gedehnten, aber schiff griff schlaff der kurzen aussprache halben. dann müste auch abb obb für ab und ob, mann binn hinn unn für man bin hin un geschrieben sein; oben wurde gesagt, dasz es unnöthig ist die dehnung oder undehnung zu bezeichnen. F ist so ein scharfer laut, dasz seine doppelung gar nicht ins ohr fällt und erst inlautend zwischen vocalen vernehmbar und in zwei silben vertheilt wird, schiff wäre schiphph und unaussprechlich, schiffen, schaffen aber spricht sich aus schiffen, schaf-fen, die silbenabtheilung schiff-en ist so unrichtig wie die von geb-en, mein-en für ge-ben, meinen, als hätte sich die silbe um den stamm zu kümmern. warum sich also sträuben gegen schift navigat, schaft parat? da doch schaft in freundschaft gleichfalls aus schaffen gebildet wurde, die aussprache völlig dieselbe ist. Lessing schrieb häufig das einfache F und auch Voss im Homer schif, hofnung, gewafnet, wie Engländer mit ship, Niederländer mit schip, Dänen mit skib ausreichen, Schweden mit skep für skepp ausreichen könnten, doch ist PP weit erträglicher als FF. Ebenso bewandt ist es um den scharfen laut des S, das wiederum am schlusz des worts und vor andern consonanten nicht verdoppelt werden sollte, wie man lat. schreibt as assis, bes bessis, ahd. hros hrosses, giwis giwisses, ist auch mhd. und nhd. zu schreiben kus ros mis gewis ergebnis und küst mist = küsset misset. zwar die goth. schreibung hat qiss stass gatass, aber hochdeutsch ist sie nicht zu befolgen. auch den häufungen DT in stadt todt verwandt musz entsagt werden; früher schrieb man nicht weniger brandt kundt wandt feindt findt mordt und dergleichen. fehlerhaft ist das verbreitete herrschen für herschen, welches sich leitet von hêr = hehr, nicht von herr, d. i. dem comparativ desselben hêr = ahd. hêriro.
    Näher auslassen musz ich mich hier über SZ, weil die alphabetische reihe erst spät darauf führen wird, sein verhalt zu SS aber höchst unsicher und zweifelhaft scheint. wie einfach und sauber stehn in allen sprachen der ersten lautverschiebung T und S von einander ab, wie verworren hochdeutsches Z und S, weil beide laute sich berühren. S lautet scharf und sausend, Z gedämpft und dieszend, wenn ich des alten wortes mich bedienen darf, noch an lispelndes TH mahnend, aus dem es ja entsprang. im anlaut oder auch in und auslautend nach andern consonanten und langen vocalen wird es härter, dicker, nach kurzen vocalen weicher, flüssiger, dem S sich nähernd. es war natürlich, dasz die kürze oder undehnung ihm mehr von seiner dichte oder dicke benahm. den unterschied zwischen Z und Ȥ bezeichnet die mhd. schreibung gewöhnlich gar nicht, öfter die ahd. durch Z und SZ oder ZS, doch begegnet auch SZ in dem von Wackernagel herausgegebnen Baseler dienstrecht s. 33. dürfte man nhd. Z und SZ geradezu nach mhd. Z und Ȥ regeln, so schiene die sache bald abgethan. doch so leicht ergeht sie nicht, das nhd. SZ ist vorgeschritten und dem S näher getreten, wir sprechen und schreiben dünnes, abgeschliffenes in den anlauten es, das, was, bis, aus, inlautend aber SS nach organisch kurzem oder gekürztem vocal in gasse lassen lässig nassen wasser essen fressen bisse risse schlisse gegossen genossen
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flusses verdrusses, wo bereits die mhd. doppelung ȥȥ weicher geworden war als der auslaut naȥ vluȥ guȥ, dem wir auch nhd. sz geben: nasz flusz gusz. schon die alte schreibung Hessen (Nib. 175, 1) für Heȥȥen, Chatti liefert solches SS, das sich selbst im goth. vissa für vitida, ahd. wessa entfaltete und mhd. hss. gewähren es noch sonst, z. b. in besserôn bei Grieshaber 2, 76; wasser 2, 95; vressen 2, 134; vassen, fergessen, vergisset 1, 105. 106. 111 u. s. w. nach langem und gedehntem vocal haftet hingegen sz, wie das mhd. ȥ hier nicht verdoppelbar ist: aszen strasze fleisz heiszen gieszen grosz grösze süsz süsze. inlautend fallen uns mhd. SS und ȤȤ zusammen, gewissen certum klingt uns wie wissen scire, bissen momorderunt, während S und SZ nach langem vocal hörbar verschieden lauten: weisen monstrare, weiszen dealbare; heiser raucus, heiszen jubere; meise parus, beschmeisze illino. SZ musz etwas dicker und mit der zunge hervorgebracht werden, S geht durch die zähne. freilich gibt es ausnahmen, wie kreis, ameise für mhd. kreiȥ, âmeiȥe. Luther geneigt im auslaut fast überall zu S für SZ, inlautend zu SS, beides verdient keine nachahmung, viele schreiben heute tadelhaft blos, loos für blosz losz sors.
    Nun erwächst aber andere schwierigkeit. in der deutschen minuskel hatte sich die zusammengerückte form  gebildet, wofür alte drucke des 15. 16 jh. noch andere zeichen ſz,  geben, die sich alle in den reinen, lateinischen typus nicht übertragen lieszen, in Wirsungs Calistus f 3b steht neben  auch , ich habe darauf geachtet, wie man in entschieden lateinischem satz sich allmälich dabei benahm. zierliche, in Holland gedruckte deutsche bücher aus der mitte des 17 jh. pflegen in den rubriken lateinische typen anzuwenden, so liest man im Philander von Sittewald Leiden 1646 theil 5 seite 265 'von der faſznacht' und in der deutschen theologia, Amsterdam bei Dirck Meyer 1631 s. 88 'beſchluſz', beide buchstaben getrennt, nicht verbunden. da aber in vielen auslauten s für sz galt, lag es nahe, auch dem inlaut ſs zu verleihen und wie Luthers bibel von 1545 1 Sam. 9, 24 deutsches 𝔦&slongfrak;𝔰 gewährt, steht z. b. in Fischart s Garg. von 1594 s. 38a laſst, in Eccards hist. stud. etym. Hannover 1711 s. 271 greſslich, und später wird es immer häufiger, z. b. in Bodmers vorreden zu den fabeln (1757) und den minnesingern (1758); in den aus einer hs. den fabeln angehängten erzählungen ist s. 241 paiſz, s. 243 ſüeſzlich, s. 267 waiſz zu lesen. Als endlich in unserm eignen jh. das lange lat. ſ verschwand und dem s allenthalben wich, versagte auch der behelf des ſs und die setzer griffen zu ss, das doch im auslaut wie inlautend nach langem vocal unleidlich scheint. seit dieser zeit wird geradezu, jenachdem man deutsche oder lateinische buchstaben verwendet, auf zwiefache weise gesetzt 𝔡𝔞ßfrak;, 𝔣𝔩𝔦𝔢ßfrak;𝔢𝔫 oder dass, fliessen, beides soll einerlei sein, was doch offenbare unwahrheit ist, den buchstab nennen wir eszet und geschrieben und gesetzt wird er ss.
    Um diesem empfindlichen übelstand auszuweichen und wieder auf gehörige sonderung der laute SS und SZ zu dringen, habe ich, weil eine verknüpfung des typus s mit z unthunlich ist, getrenntes sz vorgezogen, wie es in polnischer, littauischer, ungrischer sprache längst üblich war. niemand nimmt anstosz daran, dasz
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die verbundnen &slongfrak;𝔱 und 𝔠𝔥 sich auflösen in st und ch, ihnen tritt sz ganz zur seite und man braucht nicht mehr verlegen zu fragen, ob sz in der druckerei vorrätig sei. nun kann auch die majuskel das SZ ausdrücken, wie sie das ſs nicht konnte.
    In zusammensetzungen musz der anstosz gleicher oder ähnlicher consonanten nothwendigen wechsel oder ausfall einzelner derselben nach sich ziehen, wie in griechischen wörtern er immer erfolgt. unsere heutige schreibweise, um laut und aussprache unbekümmert, möchte aber allzeit die volle gestalt jedes theils der composition vor den augen festhalten, und so entspringen beim zutritt der auf doppelten consonant auslautenden wörter an solche, die mit demselben wieder anlauten, die unbarmherzigen schreibungen schnelllauf stalllicht stammmutter betttuch massstab missstimmung weissschnabel gefängnisssträfling schifffahrt (das wäre aufgelöst schiphphphahrt), wie man sie allenthalben liest, deren ich von selbst überhoben bin oder mich enthalte, sollte auch das aufschlagen im wörterbuch hier erst eingeübt werden müssen. maszstab und weiszschnabel fügen sich der schreibung und aussprache.
    Nichts ist bei uns greulicher als die schreibung der eigennamen, wo man sich aller regel entbunden wähnt und blosz vom herkommen abhängen will, als ob richtige aussprache und darstellung nicht alle wörter durchdringen müsse. was sich in den letzten jahrhunderten bei sprachunkundigen zufällig eingeführt hat, soll sorgsamst beibehalten bleiben. mit fug schrieb Lessing 8, 41. 77 u. s. w. Winkelmann, der ohne zweifel, lebte er heute, selbst so schreiben würde, zu seiner zeit dem allgemeinen misbrauch folgte; ängstlich wird aber in gelehrten büchern Winckelmann hergestellt und sonst Hertzberg Holtzmann Welcker gesetzt; wenigstens berühmte namen, die oft wiederkehren, sollten das recht haben den staub der schreibfehler von sich abzuschütteln. hier werden künftig einmal sogar machtsprüche nichts vermögen und Würtemberg wird wieder an die stelle des Württembergs barbarischer urkunden zurück treten. eine sprache darf nichts unreines, was ihrem natürlichen strome widerstrebt an sich leiden. auf ihrem gebiet aber gibt es keine befehle, und wie man von einer république des lettres redet, so entscheidet auch über die wörter und ihre schreibung zuletzt nur der allgemeine sprachgebrauch und volkswille; regierung und obrigkeit können blosz mit gutem beispiel voran gehen, wie sie hier oft ein schlechtes gegeben haben.
    Von selbst versteht es sich, dasz in den ausgehobnen beispielen zwar jede in der sprache und aussprache begründete eigenthümlichkeit der schriftsteller gewissenhaft belassen, nicht aber bei anwendung oder häufung unnützer buchstaben den ausgaben gefolgt wurde. das hätte, wegen ihres schwankens, den text allzu bunt gemacht. wozu wären alle LCK, RCK, PFF aus Luther geblieben und H. SACHSENS auffpfeifft für aufpfeift behalten, wozu in späteren schriftstellern die zwar geringere dennoch lästige verschiedenheit bewahrt worden? herausgeber, wenn ihnen etwas davon abzuhängen scheint, mögen anderer rücksichten pflegen als das wörterbuch, doch selbst in ausgaben mhd. texte wird gestrebt grammatisch zu schreiben und von der ungenauigkeit
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der handschriften abgewichen. über einzelnes und über kleinigkeiten mag freilich streit fortbestehn.
    Billig zu achten war vorerst auch auf die nicht grundlose besorgnis der verlagshandlung, dasz das publicum, für einzelne besserungen der orthographie zwar empfänglich, durch heftige erschütterung des hergebrachten und festhaftenden brauchs abgeschreckt werden möge. so freie hand uns hier gelassen war, erkannten wir gern die ratsamkeit kluger beschränkungen an, fast jederzeit haben mäszige und allmälich vorgebrachte reformen eingang, überspannte abwehr gefunden. ob immer das rechte masz getroffen und eingehalten wurde, musz der erfolg entscheiden.
    Auch in dem fall, dasz sämtliche gegenwärtig schon geübten oder vorgeschlagnen orthographischen änderungen durchgriffen, erschiene damit die sache unabgethan, und in weiterer ferne hielten noch andere forderungen, die mit der zeit sich geltend machen könnten. namentlich ziele ich auf unser F, V und W, von welchen eins ganz entbehrlich und dann das verhältnis der andern neu zu bestimmen wäre. ahd. standen, wie sp. 1053 gelehrt ist, F und V inlautend noch abgesondert, nhd. fallen beide im laut überall zusammen, schon mhd. wechseln sie oft gleichgültig, z. b. Nib. 1654, 2 steht geschrieben 'sô vriunt nâch friunden tuont'; Iw. 6225 'vielen: enpfielen'; im Iwein wird sonst vrâgen, vrouwe, in Walthers liedern, im Parz. frâgen, frouwe gesetzt; der laut unterscheidet nicht. unnöthiger überflusz ist darum unser nhd. vest neben fest, und wir verdecken mit ver und vor neben für und fürst, mit voll neben fülle dieser wörter verwandtschaft. getrauen wir uns einmal das V den Niederländern zu lassen, die seiner kaum entraten werden, selbst aber nur F zu schreiben, wie wir nur F aussprechen; so wird V seine eigenthümliche bestimmung erfüllen und wieder den laut des lat. und roman. V übernehmen, d. h. unser jetziges W ausdrücken können. denn da wir heute nichts von dem laut eines englischen W haben, bedürfen wir auch des zeichens nicht, unser F und V träten ganz in den gothisehen und nordischen stand zurück, der auch den frühsten ahd. denkmälern entspricht. auf den ersten anblick erschiene seltsam, statt verwalten, vielfusz, vielwissend zu schreiben fervalten, filfusz, filvissend; in der sprache und aussprache würde aber nicht das geringste dadurch gekränkt und die zeit kann kommen, wo man den vorschlag vernünftig und angemessen finden wird. vor hundert jahren setzten alle Schweden ein W, wo sie heute einfaches V schreiben, die Finnen sind bereits so klug dasselbe zu thun, Littauer und Letten dürften es unbedenklich: sie alle hatten das schleppende W von niemand überkommen als von uns. bei keinem volk in der welt geht die vereinfachung der schrift so schwer wie bei uns von statten, in Spanien bedurfte es nur einer von wenigen gelehrten ausgegangnen feststellung der jüngsten ziemlich eingreifenden maszregel und jedermann war damit einverstanden. dejar für dexar, pajaro für paxaro ist doch auffallender als vald für wald wäre, aber alles würde dawider schreien, obschon dann unsere schüler von selbst das lat. V richtiger aussprechen lernten.
     21. Betonung.
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  Adelung hat seiner zweiten ausgabe vor der ersten dadurch einen zweideutigen vorzug verliehen, dasz er ton und aussprache der einzelnen wörter häufig durch accente bezeichnet. diese bezeichnung stimmt aber nicht genau zu der im latein üblichen, und im grunde ist wenig daraus zu lernen. der nhd. ton fällt so einförmig, dasz man ihn fast von selbst weisz, in einfachen wörtern haftet er auf der wurzelsilbe, in zusammengesetzten empfängt das erste wort den hauptton, das zweite den tiefton, auszer wenn das erste eine untrennbare partikel ist, die unbetont bleibt, wie bestéhn, gestéhn, übersétzen transferre; hingegen die lebendigere trennbare wird tonfähig: béistèhn, ǘbersetzen trajicere; alle abgeleiteten subst. behalten den ton der verba: bestánd, gestndnis, übersétzung; béistànd, ǘberfàhrt. ausnahmen anzuführen gehört nicht hierher. Jenes gesetz der wurzelbetonung galt aber in der älteren sprache lange nicht so allgemein, und einzelne fälle betonter ableitungssilben haben sich auch heute noch bewahrt, z. b. in lebendig; nur bleiben manche zweifelhaft, z. b. in achtende octavus, in affolter, wacholter. sie bedürfen eigner, belebterer untersuchungen, als im wörterbuch angestellt werden können. einigemal hat der ton auf die entfaltung der wortform deutlichen einflusz gehabt, z. b. in bieder. die abweichende betonung fremder wörter wie adies, aha, ahi, altar, barbar, barbarisch, baron u. s. w. wurde angezeigt.
     22. Vertheilung.
    Wenn zwei maurer zusammen ihr gerüst besteigen und der eine rechts, der andere links auferbaut, so heben sich wände, pfeiler, fenster und gesimse des hauses vollkommen gleichförmig zu beiden seiten, weil alles entworfen ist und nach der schnur gemessen wird; es kommt auch vor, dasz an einem aufgespannten bilde zwei mahler arbeiten, der eine die landschaft, der andere die figuren übernimmt, und jener diesem, um sie aufzustellen und bequem zu entfalten, genug grundes läszt. so liesze sich denken, dasz auch am wörterbuch zwei nebeneinander stünden, nach festem entwurf die wörter schichteten und einfügten, auch sich wechselsweise die bausteine zureichten und ihr gerät und werkzeug aus des einen hand in die des andern gienge, dasz von einem die etymologie und form, von dem andern die bedeutung ergriffen und erörtert würde. Allein die wortforschung fordert stille samlung und ungestörtes nachdenken; wer den ursprung des worts findet, dem flieszen daraus auch die bedeutungen, und wessen untersuchung warm in den bedeutungen geworden ist, der musz sich auch eine vorstellung von dem ursprung und der wurzel des worts gebildet haben. eins bedingt das andere und die faden reiszen, wenn sie aus der hand gegeben werden. bald würde der hintergrund, den sich der eine arbeiter gedacht hat, von den gestalten unerfüllt bleiben, die der andere darauf führen wollte, bald für diese gestalten jener grund nicht ausreichen. auf diesem felde weichen die ähnlichsten ansichten leicht von einander ab und nachgibige vermittlung wird so schädlich wie eigensinniges beharren. dasz jeder arbeiter seine vollendete untersuchung dem prüfenden urtheil des mitarbeiters hingebe, widerstreitet dem selbstgefühl ebenso stark als ein solches urtheil unausführbar ist, denn nacharbeiten kommt hier der
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mühe des arbeitens völlig gleich: statt dasz ich dem andern seine gänge nachgehe und alle seine mittel schonend erwäge, will ich lieber mich selbst nicht schonen und dieselben wege einschlagen. auch hindern beide arbeiter, wenn sie zu dicht und unmittelbar beisammen stehn, einander am gebrauch des geräts.
    Man fühlt und sieht es bald, die gemeinschaft gleichberechtigter arbeiter am wörterbuch wird nur so möglich, dasz jeder derselben bestimmte theile des ganzen auf sich nimmt und in allen kreisen dieser theile sich ungestört bewegt. was er vollendet hat, musz ohne vorausgegangne durchsicht des mitarbeiters in das gesamtwerk aufgenommen werden. die wahl jener theile oder stücke kann fast dem zufall überlassen sein, da alles und jedes auf dem gebiet der sprache gleich schwer und gleich anziehend ist. unbewust und von selbst festigt sich aber die gemeinschaft zu gegenseitigem vortheil dadurch, dasz beide arbeiter zu derselben zeit, man könnte sagen in derselben luft auf freiem standpunct, doch mit gleichen mitteln den im groszen entworfnen und festgehaltnen plan im einzelnen still einander absehn, und auf diesem wege die erforderliche einheit des ganzen werks sich herausstellt. sie sind zwei köche, die nach wochen sich ablösend vor den nemlichen herd treten und gleiche speise in gleichem geschirr zubereiten; mag das publicum selbst merken, wo manchmal der eine zu leise salze, der andre zu scharf, ich hoffe dasz keiner anbrennen lasse.
    Die erste woche sollte mein sein. als der anfang des werks bevorstand, sagte ich zu Wilhelm: 'ich will A nehmen, nimm du B'. 'das kommt mir zu bald', versetzte er, 'lasz mich mit D beginnen'. dies schien höchst passend, weil A B C den ersten band füllen sollten und es angemessen wäre, jedem mitarbeiter eigne bände anzuweisen. im verlauf der arbeit zeigte sich aber, dasz mitten im B abgebrochen werden müsse, um den ersten band nicht allzu sehr anzuschwellen. so kommt es nun, dasz ich auch noch ein gutes stück des zweiten auszuarbeiten habe.
    Meinem bruder nutzt und schadets, dasz so viel gedruckt werden musz, bevor er anheben kann. ihm standen und stehn drei jahre zu gebot, in welchen er ruhig und langsam vorbereitet, ich aber rasch und heisz zur presse liefere. er hat den groszen vortheil einer menge von einrichtungen überhoben zu sein, die ich treffen und erfinden muste, als sie das erstemal zur anwendung kamen. manchen von mir mit mühe erlernten handgrif darf er geradezu brauchen. nachtheilig aber ist ihm, dasz er nun auch das von mir ins wörterbuch eingeführte der gleichförmigkeit halben beizubehalten genöthigt wird, wenn es ihm schon nicht gefällt, oder in dingen, wo er selbst bessere auskunft getroffen hätte. eins gegen das andere gewogen, wird niemand sagen mögen, dasz mir das günstigere losz gefallen sei. Nur die gefahr wird bei dieser vertheilung des ganzen werks unvermeidlich sein, da gedanken und einfälle jedes der beiden arbeiter oft auch über seine schranke hinaus in die wörter der andern kreise schweifen müssen, dasz aller verweisungen ungeachtet vieles davon im keim welke und verloren gehe. denn alles dem geist erst dunkel vorschwebende und an rechter stelle klarwerdende vorher aufzeichnen läszt sich nicht; doch
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darf nicht versäumt werden, schon des einzuhaltenden planes wegen, bei jeder zusammensetzung das einfache wort, wenn es der vorgänger hat, und bei jedem einfachen die zusammensetzungen nachzusehn, welche bereits vorgearbeitet sind.
     23. Beistand.
    Als es nun ans treffen gehn sollte, empfieng das ausrückende, noch immer nicht vollgerüstete wortheer, in dessen reihen manche lücken sichtbar wurden, zwar keine zuzüge von woher es sich allermeist auf sie vertröstet hatte; die von befreundeten, tagtäglich in den quellen der sprache verkehrenden männern angelegten zettelkasten blieben leer oder unaufgethan: so schwer war es, vor dem langen werke den ersten eifer wach zu erhalten und nicht bald in trägen schlummer fallen zu lassen. desto erfreulicher traf unerwartete hülfe ein.
    Durch Trendelenburgs vermittlung wurde mir von Hermann Voss zu Düsseldorf aus dem nachlasz seines berühmten groszvaters übersandt ein exemplar des frischischen und adelungischen wörterbuchs, welchem Johann Heinrich Voss mit fester und reinlicher hand werthvolle zusätze beigeschrieben hatte. nirgends grammatischer oder etymologischer art, sind sie meistentheils aus älteren schriftstellern wie Keisersberg, Pauli, Steinhöwel, Münster, H. Sachs, Kirchhof, Fischart u. a. m., seltner aus späteren und neueren eingetragen, immer in treffender, lehrreicher, auch dann noch brauchbarer auswahl, wenn ihnen andere drucke, als die hier benutzten zum grunde liegen. fortwährend vor augen zu haben, was der um unsere sprache hochverdiente mann sorgfältig für sie sammelte, ist wolthuend und erhebend.
    Wie aber rührte mich, dasz ich nun aus Meusebachs samlung von der königlichen bibliothek seinen durchschossenen Campe entleihen und gebrauchen darf, dessen anblick er bei lebzeiten dem freunde vielleicht noch vorenthalten hätte. MEUSEBACH , einer der liebenswürdigsten und sonderbarsten menschen, die es geben kann, in den deutschen büchern des 16. 17 jh. mit voller seele bewandert, fand sich auch zu sprachlichen forschungen höchst aufgelegt, und verfolgte was sich nur an die von ihm untersuchten gegenstände, nah oder fern, anhieng mit unablässigem eifer und seltner spürkraft. ganze nächte, die er sich zu tagen machte, konnte er über einzelnen wörtern hinbringen. das sprachfeld zu überschauen und zu beherschen vermochte er nicht, aber in allem kleinen, worauf er nur geriet oder geleitet wurde, war er bald pünctlich zu hause und widmete jeder frage, die bei ihm gefangen hatte, unermüdlichste, mittheilsamste antwort, während er anderemale geizig und eigensinnig zurückhielt. Daraus dasz er seinen wortsamlungen nicht Adelungs werk, sondern Campes unterlegte, geht schon einige vorliebe für die puristen hervor, deren ausdrücke aus älterer quelle, zum ärger der gesunderen forscher zu bestätigen ihn heimlich freute; FISCHART , der freilich in anderm sinn neue wörter bildete, und Jean Paul , der seine eignen schriften durch nachahmung des purismus lästerlich verdarb, waren ihm lieblingsschriftsteller. doch hat Meusebach hier, was zu beklagen ist, weniger aus Fischart, als vorzugsweise aus selten gelesenen, aber unbedeutenden schriftstellern eingetragen, sicher auch
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wären von ihm bei längerem leben diese ergänzungen auf das reichste gemehrt worden. immer, wie sie nur beschaffen sind, bleiben sie ein wahrer schatz, dessen gebrauch nun nicht zu entbehren stände.
    Neben diesen beiden, unserm wörterbuch vorausgehenden und gar nicht für es angelegten samlungen kommt nun der weit ansehnlichere vorrat von manigfalten auszügen in betracht, die ihm unmittelbar zur grundlage gereichen sollten, zum theil aus unsrer eignen, unablassenden lesung der quellen hervorgiengen, zum groszen theil aber durch andere abgefaszt wurden, die wir damit beauftragt hatten, oder die sie von freien stücken und nach eigner wahl anboten. der folgenden angabe ihrer namen kann jedoch, aus begreiflichen ursachen, die der einzelnen, von jedem ausgezognen schriften nicht beigefügt werden: Bernd in Bonn, Bluhme in Bonn, Callin in Hannover, Crain in Wismar, Dietrich in Marburg, † DRONKE in Coblenz und Fulda, Eiselein in Constanz, † FALLENSTEIN in Heidelberg, Fischer in Suckow, Foss in Altenburg, Gust. Freytag in Leipzig, Frommann in Coburg, Gervinus in Heidelberg, Gildemeister in Marburg, Gödeke in Hannover, Götzinger in Schafhausen, Herm. Grimm in Berlin, F. J. Günther in Magdeburg, Aug. Hahn in Wien, Hartenstein in Leipzig, Malchen Hassenpflug in Cassel, Mor. Haupt in Berlin, Henneberger in Meiningen, Hesekiel in Altenburg, Hoffmann von Fallersleben in Neuwied, K. A. J. Hoffmann in Celle, Holland für dank in Tübingen, A. L. W. Jacob in Berlin, Heinrich Jacobi in Berlin, Karajan in Wien, in Tübingen, Klee in Dresden, Klosz in Dresden, Koberstein in Pforta, Köne in Münster, Friedr. Kohlrausch in Lüneburg, Krause in Stade, Kraut in Göttingen, Krüger in Aurich, † Leyser in Leipzig, Lisch in Schwerin, Löbe in Altenburg, Menge in Danzig, Mörikofer in Frauenfeld, Müller in Wiesbaden, H. Müller in Berlin, Wilh. Müller in Göttingen, Nölting in Wismar, Pabst in Arnstadt, Palm in Breslau, W. A. Passow in Meiningen, Pfeiffer in Stuttgart, Pritzel in Berlin, Rud. von Raumer in Erlangen, Riedel in Göttingen, Heinr. Ritter in Göttingen, Franz Roth in Frankfurt, † Rückert in Zittau, Rüdel in Nürnberg, Schädel in Hannover, Schambach in Göttingen, Schirlitz in Stargard, † Schöppach in Meiningen, † Alb. Schott in Stuttgart, Friedr. Schrader in Hörste, Schubert in Zerbst, Schulze in Clausthal, Schwabe in Gieszen, Schwekendieck in Emden, Seibt in Frankfurt, † Sommer in Halle, Aug. Stöber in Mülhausen, Stölting in Duderstadt, Strodtmann in Wandsbeck, Tobler in Horn bei Rorschach, Vilmar in Cassel, Volckmar in Ilfeld, Wagler in Luckau, Weigand in Gieszen, Wellmann in Stettin, Wolff in Stuttgart, Zacher in Halle, Zimmermann in Clausthal. sollten der aufzeichnung oder dem gedächtnis einige entgangen sein, so wird man nachsicht üben. unter den 83 genannten ist ein dutzend professoren, ein paar prediger, alle übrigen sind philologen, sonst keine juristen und ärzte, wodurch wiederum sich bestätigt, was sp. xxxi gesagt wurde. nicht allen ausziehenden hat gleich volle einsicht in das ziel der aufgabe vorgeschwebt, nicht allen ist derselbe beharrliche fleisz eigen gewesen, so dasz einige der wichtigen schriftsteller dem wörterbuch fast über die hälfte noch entzogen scheinen. von den fleiszigen die fleiszigsten waren
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Fallenstein, Hartenstein, Riedel, Schrader, Weigand, doch den allerfleiszigsten und einsichtigsten musz ich nennen: es ist Klee.
    Noch zwei andere namen sind mir theuer. ein glück war es, dasz gerade Göthe in Klees hände kam, und von ihm vortreflich ausgezogen, ich würde sagen erschöpft wurde, wenn einen solchen ausdruck der unerschöpfliche gestattete. hätten aber alle übrigen dichter von annähernder bedeutsamkeit ähnliche auszüge erlangt, es stände besser um manche beispiele des wörterbuchs. wofern nun über Göthe irgend mehr auskunft zu wünschen blieb, liesz die hülfe selten auf sich warten, da auch Hildebrand und Hirzel beide unvergleichliche belesenheit in ihm besaszen. diese namen alliterieren, ihr einklang zu wolwollender, unermüdlichster theilnahme kommt dem wörterbuch wesentlich zu statten. Hildebrand hat sich einer gewissenhaften correctur der druckbogen unterzogen, und oft gelegenheit gefunden seine ungemeine sachkenntnis und neigung zur deutschen sprache durch guten ratschlag und berichtigung einzelner versehen oder verstösze zu erweisen.
    Leid that mir, dasz schon mitten in diesem ersten bande die Weidmänner sich spalteten. so oft ich weidmännische redensarten anzuführen hatte, freute ich mich insgeheim eines bezugs auf die vereinten freunde, die meinen forschungen 'ûf der worte heide' gern und mit jägerischem spüreifer folgten. auch pflegte Karl Reimer von anfang an sich am wörterbuche lebhaftest zu betheiligen: er war es, der im frühjahr 1838 mit Moriz Haupt nach Cassel gereist kam, um unsern vertrag zu festigen, ihn und Hirzeln hätte ich auch vorhin unter denen, die reichliche auszüge beitrugen, anzuführen gehabt, wenn es sich nicht von selbst verstände, dasz verleger ihrem eignen werke allen vorschub zu leisten geneigt sind. vielleicht aber gibt es in unsrer ganzen literatur noch kein beispiel einer so aufopfernden anhänglichkeit, wie sie Hirzel dem in sein theil gefallnen wörterbuch überall sinnig bethätigt: er liest jeden bogen vor dem abdruck durch und seine vertrautheit mit der sprache und den dichtern, zumal aber, wie man weisz, mit Göthe flöszt ihm lauter feine bemerkungen ein. kann der verfasser sich eine günstigere lage wünschen?
    Die druckerei von Hirschfeld bewährt und erhöht ihren ruf durch die ausstattung dieses werks, an das sie ihre tüchtigsten setzer gestellt hat.
     24. Schlusz.
    Es galt unsern wortschatz zu heben, zu deuten und zu läutern, denn samlung ohne verständnis läszt leer, unselbständige deutsche etymologie vermag nichts, und wem lautere schreibung ein kleines ist, der kann auch in der sprache das grosze nicht lieben und erkennen.
    Hinter der aufgabe bleibt aber das gelingen, hinter dem entwurf die ausführung.

ich zimmere bei wege,
des musz ich manegen meister han,

dieser alte spruch läszt empfinden, wie dem zu mute sei, der ein haus an ofner strasze auferrichtete, vor welchem die leute stehn bleiben und es begaffen. jener hat am thor und dieser am giebel etwas auszusetzen, der eine lobt die zierraten, der andere den anstrich. ein
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wörterbuch steht aber auf dem allgemeinen heerweg der sprache, wo sich die unendliche menge des volks versammelt, das ihrer im ganzen, lange nicht im einzelnen kundig, sowol äuszerungen des beifalls und lobes als auch des tadels erschallen läszt.
    Wenn die fächer und zellen errichtet sind, kann eingetragen werden und unmöglich ist, dasz sie alle schon erfüllt wären. ein tag lehrt den andern und wie froh macht es die unvollkommne arbeit unaufhörlich zu ergänzen und zu erweitern. eine grosze zahl sprachergibiger werke, die jetzt noch ungelesen bleiben musten, wird auf allen blättern übersehene wörter darreichen und für die gebrauchten beispiele manche frischere an hand geben; ja die bereits gelesenen hauptschriftsteller sind allmälich wieder zu lesen, weil das erstemal noch nicht auf alles geachtet werden konnte.
    Zwei spinnen sind auf die kräuter dieses wortgartens gekrochen und haben ihr gift ausgelassen. alle welt erwartet hier eine erklärung von mir, ihnen selbst würde ich nie die ehre anthun eine silbe auf die roheit ihrer anfeindung zu erwidern.
    Mag das wörterbuch den einbildungen oder vorgefaszten plänen dieser hämischen gesellen nicht entsprechen, die beide nicht einmal halbkenner unserer sprache heiszen können; das gab ihnen kein recht, ein vaterländisches werk, das alle freuen sollte, und reiche vorräte öfnet, zu verlästern, keine kraft, es in seiner wirkung aufzuheben oder auch nur zu schmälern. ihr frevel ist unsrer öffentlichen zerrissenheit ein zeichen. alles dankes, der ihrem armen flicken am zeug sonst vielleicht geworden wäre, gehn sie baar.
    Unablässig, nach jedem vermögen das in mir gelegen war, wollte ich zur erkenntnis der deutschen sprache kommen und ihr von vielen seiten her ins auge schauen; meine blicke erhellten sich je länger je mehr und sind noch ungetrübt. aller eitlen prahlsucht feind darf ich behaupten, dasz, gelinge es das begonnene schwere werk zu vollführen, der ruhm unserer sprache und unsers volks, welche beide eins sind, dadurch erhöht sein werde. meine tage, nach dem gemeinen menschlichen losz, sind nahe verschlissen, und das mir vom lebenslicht noch übrige endchen kann unversehens umstürzen. der weg ist aber gewiesen, ein gutes stück der bahn gebrochen, dasz auch frische wanderer den fusz ansetzen und sie durchlaufen können.
    Deutsche geliebte landsleute, welches reichs, welches glaubens ihr seiet, tretet ein in die euch allen aufgethane halle eurer angestammten, uralten sprache, lernet und heiliget sie und haltet an ihr, eure volkskraft und dauer hängt in ihr. noch reicht sie über den Rhein in das Elsasz bis nach Lothringen, über die Eider tief in Schleswigholstein, am ostseegestade hin nach Riga und Reval, jenseits der Karpathen in Siebenbürgens altdakisches gebiet. Auch zu euch, ihr ausgewanderten Deutschen, über das salzige meer gelangen wird das buch und euch wehmütige, liebliche gedanken an die heimatsprache eingeben oder befestigen, mit der ihr zugleich unsere und euere dichter hinüber zieht, wie die englischen und spanischen in Amerika ewig fortleben.
    Berlin 2. merz 1854.

JACOB GRIMM.