Kardĭa, im Altertum Stadt auf der Westseite des Thrakischen Chersones, auf dem heutigen Vorgebirge Bakla-Burun, Kolonie der Milesier und Klazomenier. Ihre Bewohner wurden 323 v. Chr. durch Lysimachos nach Lysimachia (s. d.) verpflanzt.
Kardināl (lat. Cardinalis) ist die Bezeichnung der nächsten Gehilfen des Papstes, die der alten Kirchenverfassung gemäß wie jedem andern Bischof, so auch dem Bischof von Rom beratend zur Seite standen und teils Presbyter an den Hauptkirchen der Stadt, teils Diakonen in den sieben Regionen der Stadt waren. Seit dem 8. Jahrh. wurden noch sieben Bischöfe aus der Umgegend Roms herbeigezogen und ebenfalls Kardinäle betitelt. Seit dem 11. Jahrh. zum Kollegium der Kardinäle vereinigt und seit 1059 mit der Papstwahl betraut, erlangten sie bald selbst den Vorrang vor den Erzbischöfen und lateinischen Patriarchen. Gegenwärtig werden sie nur vom Papst ernannt; doch steht mehreren Monarchen das Recht zu, Personen zu dieser Würde zu empfehlen (sogen. Kronkardinäle). Seit Sixtus V. 1586 ist die Zahl auf 70 festgesetzt, darunter 14 Diakonen, 50 Priester und 6 Bischöfe. Innozenz IV. gab ihnen 1245 den roten Hut (s. MeyersKardinalshut) und Urban VIII. 1644 den Titel »Eminentissimi« (Eminenz). Die Priester und Diakonen führen ihren Titel von einer Hauptkirche Roms und üben in dieser auch besondere Rechte aus. Man unterscheidet Kardinäle in curia, die in Rom residierenden, und extra curiam, die außerhalb Roms wohnenden. Bischöfe und Diakonen sind zur Residenz in Rom verpflichtet. Die in Rom anwesenden Kardinäle bilden den obersten Staats- und Kirchenrat des Papstes, den er nach Belieben zu geheimen, halb geheimen und zu öffentlichen Konsistorien einladet. Aus ihnen wählt der Papst seine obersten Hof- und Kirchenbeamten, die Präsidenten und Beisitzer der höchsten Behörden in Rom, auch seine Legaten (s. d.). Einen selbständigern Einfluß üben die Kardinäle auf die kirchliche Verwaltung durch Dirigierung der päpstlichen Gerichtshöfe und Verwaltungskollegien sowie durch die MeyersKongregationen (s. d.) aus. Das fixierte Einkommen der in Rom residierenden Kardinäle beträgt zurzeit rund 20,000 Lire. Der älteste K. heißt Kardinaldekan. Der Kardinalkämmerer (Kardinalcamerlengo) hat die Aussicht über die Einkünfte des Papstes. Der Kardinalstaatssekretär, zurzeit Merry de Val, ist der Minister des Auswärtigen, der Kardinalvikar der päpstliche Stellvertreter hinsichtlich des Bistums Rom, der Kardinalvizekanzler der Vorgesetzte der römischen Kanzlei. Namen und Titel der zurzeit (1904: 64) amtierenden Kardinäle führt die jährlich erscheinende »Gerarchia cattolica« (Rom) auf. Vgl. »Die katholische Kirche unsrer Zeit und ihre Diener in Wort und Bild« (hrsg. von der Leo-Gesellschaft, Bd. 1, Berl. 1899).
Kardināl (CardinalisBy., CoocoborusL.). Gattung der Sperlingsvögel aus der Familie der Finken (Fringillidae) und der Unterfamilie der Papageifinken (Pitylinae), etwas gestreckt gebaute Tiere mit kräftigem, kurzem, spitzem, am Grunde sehr breitem, auf der Firste gekrümmtem Schnabel, kurzen Flügeln, langem, ausgeschweiftem Schwanz und aufrichtbarem Schopf. Der K. (virginische Nachtigall, Cardinalis virginianusBp., Coccoborus virginianusL. s. Tafel Meyers»Stubenvögel II«, Fig. 13) ist 22 cm lang, 30 cm breit, ziemlich einfarbig, dunkelrot, an Zügel, Kinn und Oberkehle schwarz, der Schnabel ist korallenrot. Das Weibchen ist weniger schön, und seine Haube ist kürzer. Der K. bewohnt das südliche und mittlere Nordamerika, besonders die Küstenländer und geht im Winter bei starker Kälte südlich. Er lebt in Wäldern und Gärten, im Sommer paarweise, im Herbst und Winter in kleinen Gesellschaften, fliegt schnell und geräuschvoll, nistet im Busch oder auf einem Baum (im Süden oft dreimal im Jahr) und legt 46 schmutzigweiße, braun gefleckte Eier. Er nährt sich von Sämereien, besonders gern von Getreide, Mais, auch von Obst, Beeren, Kerbtieren und stellt auch den Bienen nach. Man schätzt ihn wegen seines Gesanges, den er sehr fleißig ertönen läßt, und den die Amerikaner begeistert preisen. Er wird auch in großer Zahl nach Europa gebracht und pflanzt sich im Käfig leicht fort. Nahe verwandt ist der kleinere Dominikanerfink (Paroaria dominicanaBp., s. Tafel Meyers»Stubenvögel II«, Fig. 12), mit schiefergrauem Rücken, Flügeln und Schwanz, weißer Unterseite und blutrotem Kopf und Vorderhals. Er findet sich in Nordbrasilien, lebt im Gebüsch, ist still und einfältig, hat einen kurzen, zwitschernden Gesang und hält sich im Käfig sehr gut. Außerdem kommen auch ein grauer (Paroaria cucullataMüll.) und ein grüner K. (Gubernatrix cristatellaVieill.) aus Südamerika, der aber zu den Ammern gehört, auf den Markt.
Kardinal-Infant, Beiname des span. Prinzen Ferdinand (s. MeyersFerdinand 34).
Kardinalpunkte, die Hauptgegenden des Horizonts oder die vier Punkte, in denen der Horizont vom Meridian und vom Äquator durchschnitten wird, der Süd- und Nord-, Ost- und Westpunkt; dann soviel wie Hauptpunkte, um die sich alles dreht. K. eines optischen Systems heißen drei Punktpaare, die Knotenpunkte, Hauptpunkte und (Haupt-) Brennpunkte, durch die das optische System derart bestimmt ist, daß es sich hinsichtlich der Wirkung durch ein beliebiges andres mit denselben Kardinalpunkten ersetzen läßt. Die Knotenpunkte sind nach Listing dadurch charakterisiert, daß die Verbindungslinien des ersten mit dem leuchtenden Punkt und des zweiten mit dem Bildpunkt einander parallel sind. Bei einer einfachen symmetrischen Linse fallen sie mit deren Mittelpunkt zusammen. Gleiches gilt für die Hauptpunkte, unter denen man nach Gauß zwei konjugierte Punkte auf der Achse versteht, in denen Objekt und Bild gleich groß und gleich gerichtet sind. Vgl. Linse (Optik).