Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||||||||||||||||||
bitten bis bitterdistel (Bd. 2, Sp. 51 bis 55) | ||||||||||||||||||||
| ![]() ![]() [Bd. 2, Sp. 52] petere und bitten könnten ursprünglich die bedeutung von procumbere, cadere ad terram enthalten haben, und wie petere terram hiesz was alts. erda sôkian, mhd. erde suochen, ags. hrusan sêcan = zu boden fallen, petere lectum, somnum, ins bett fallen (1, 1723. 1724), das bett suchen, die federn suchen; gerade so musz auch bitten, beten und betteln von dem demütigen und armen gelten, der vor gott die knie beugt, vor dem reichen niederfällt, dessen füsze sucht (ad ejus pedes procumbit). das bett war das lager, worauf der müde mensch niederfällt (1, 1722), denn auch nieder, nidar, deorsum bezieht sich auf ein altes niþan labi, cadere. hiernach kann sich auch πτωχός und goth. bidagva (1, 1736) aufklären und wir begreifen, warum petere salutem fuga, sein heil in der flucht suchen, ansuchen, nachsuchen und gesuch (bitte) gesagt wird. bedenklicher ist schon ein zusammenhang zwischen bitten und binden (altn. binda, praet. batt) und fesseln, gestützt auf die analogie zwischen δέω und δέομαι. 1) bitten hat den acc. der person, einigemal auch der sache: so ir den vater etwas bitten werdet in meinem namen, vulg. si quid petieritis patrem in nomine meo. Joh. 16, 23; wil ich allein dieses einen jeden bitten. im corp. doctr. chr. 521; aber, wenn ich dich etwas bitten dürfte. 10, 75; nur folge mir, ich bitte dich nur dies. erst gestern must ich ihn nothwendig etwas bitten. 7, 49. doch wird in diesem etwas der acc. undeutlich gefühlt, und wir sagen nicht: ich bitte dich geld, brot, wie lat. rogo te numum, panem. inzwischen gestattet sich Lohenstein das leben bitten. Arm. 1, 520 und man hört auch: eins bitte ich dich, bitte mich alles in der welt, nur das nicht. die ältere sprache, und schon die gothische, setzte die sache in den gen.: þishvah þei bidjiþ attan. Joh. 16, 23; baþ þis leikis. Matth. 27, 58, ahd. bat thes lîchamen; odo wer ist fon iu manno, then oba bitit sîn sun brôtes, ja ni gibit her imo stein. Matth. 7, 9; mhd. stellen gibt 1, 169b, auch Keisersb. hat noch: sie baten in seiner gnade. ausg. der jud. J 3. nhd. gebrauchen wir statt des gen. die praep. um: so in sein son bittet umbs brot. Matth. 7, 9; oder so er in bittet umb einen fisch. 7, 10; bat in umb den leib Jesu. 27, 58; er bittet dich umbs leben. ps. 21, 5; ich bitte dich um geduld, um verzeihung. stecke den degen ein, 2) der acc. der person kann wegbleiben, und dennoch die sache im gen. oder mit der praep. um stehn: mhd. urloubes bitten. nhd. um urlaub bitten; da ich umb disen knaben bat. 1 Sam. 1, 27; und hast nicht um reichthumb, noch umb gut gebeten. 2 chron. 1, 11; bitten umb antwort. 1 Macc. 12, 18; um das wort bitten. 7, 15; darf ich um ihren namen bitten? bei älteren schriftstellern begegnet zuweilen der gen: sie baten frides, musten frides bitten; sie baten herberge. wendunm. 189. doch gilt auch der blosze acc. der sache: ich bitte nicht gnade, ein zeichen bat ich, wenn ich bleiben sollte. 9, 21; doch schone seiner, wenn du mit ihm sprichst, nur eines bitt ich von euch allen. und da er eine gunst von ihm sich bitten sollte. 3) im abhängigen satz kann dasz, ob, oder der inf. stehen: bittet aber den herrn, das aufhöre solch donnern und hageln gottes. 2 Mos. 9, 28; bitte den herrn, das er die schlangen von uns neme. 4 Mos. 21, 7; sie baten in aber, das er längere zeit bei inen bliebe. apost. gesch. 18, 20; wir bitten dich bald zu kommen; er bat ihn das zimmer zu verlassen. Luther entbehrt auch das zu: so bitt ich nun für gut aufnemen. br. 2, 397; auch bitte ich mir eine vergebliche fürbitte zu thun in gnaden günnen. 2, 668; bat, ob ich nicht könnte. 4) bitten verbindet sich mit flehen: wer denn bittet und [Bd. 2, Sp. 53] flehet. 1 kön. 8, 38; wer denn bittet oder flehet unter allerlei menschen. 2 chron. 6, 29; zu bitten dacht ich, flehend siehst du nun 5) bitten mischt sich mit beten, wie schon 1, 1696 gesagt wurde: den ganzen tag bat er sein paternoster her. 6) häufig für einen bitten, intercedere: lasz in fur dich bitten. 1 Mos. 20, 7; bittet fur mich. 23, 8; bittet den herrn fur mich. 2 Mos. 8, 8; Mose bat fur das volk. 4 Mos. 21, 7; für einen kranken in der kirche bitten lassen. Luther braucht gegen einen statt bei einem bitten: das ir wollet bitten gegen meine gnädigsten herren umb guten rat. br. 2, 334; das die gute zwei leutlin, dafur ich gegen e. k. f. g. zu Wittemberg bat, das sie solten bekomen ein amptlin. 4, 475. ich bitt vor zorn. 2, 57 meint, ich warne vor zorn, bitte nicht zu zürnen. 7) es ist dafür gebeten = das wird nicht geschehn, unterbleiben: o dafür ist gebeten, dasz man mirs weis macht. 1, 334; sachte, dafür wird gebeten sein! 201b; dafür ist in allen kirchen gebeten. 8) bitten für freien, zur braut bitten (vgl. bittel): kümt witfraw her vom wüten, 9) bitten = einladen, invitare, zur theilnahme an einer handlung bitten: zu gaste, zur kindtaufe, hochzeit, leiche bitten; auf ein glas wein, auf ein butterbrot bitten; welcher teufel pat dich her? ich pin zu der sach gepeten. fastn. sp. 568, 1; zog auszer denen, die der archon hatte bitten lassen, verschiedene herbei, die nicht geladen waren. 19, 298.10) vor bitte kann das pronomen ich zuweilen unterbleiben (gramm. 4, 218), wenn es, fast adverbialisch, eingeschaltet wird: reiche mir das buch, bitte; thu ihm den gefallen, bitte, bitte; vgl. engl. pray, pray tell me. aber auch mit pronomen: I pray; ich bitte dich ums himmels willen! wer nahms? ich bitte sie! 11) höflich, mildernd, einwendend, grob, wenn ich bitten darf. 1, 588; wenn man bitten darf. 182b; ich musz sehr bitten; ich bitte sehr. 12) bitten ist lang, befehlen kurz. bittens und wünschens geht viel in den sack. ![]() ![]() auch ich, mein vater, ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() [Bd. 2, Sp. 54] und von zitze abweicht, vgl. auch DWB schütten und schützen). auf ähnliche weise gilt das dän. bitter neben bide, mordere, dessen part. bidende ganz die vorstellung von bitter enthält. die hochdeutsche aspiration wird sich dennoch hernach unter bitzel und bitzer geltend machen. Erwägung fordert endlich der auffällige verhalt von bitter zu πικρός, in welches der kehllaut, nur an andrer stelle, wie in jenes beiskr eingetreten sein könnte. man pflegt πικρός, doch sehr unbefriedigend, mit πεύκη, πίτυς (fichte) und der wurzel pug, pung zusammen zu bringen; πικρός schiene, wie μικρός, σμικρός auf smâhi, altn. smâr, auf ein deutsches fâh zu führen, das in solchem sinn nirgends vorkommt. die verwandtschaft zwischen bitter und πικρός, wenn sie stattfindet, musz also besser aufgeklärt werden. albanesisch gilt pikete, vgl. picken, bicken, stechen. Bedeutungen von bitter. 1) zunächst drückt es den geschmack aus, und ist, wie sauer, der gegensatz des süszen: ein bitterer geschmack im munde; bitterer mund, os amarum; die bittere galle, gallenbitter, er hat die bittere galle gebrochen; ich sehe, das du bist voll bitter galle. apost. gesch. 8, 23; ir herz ist bitter wie ein gall. nicht kurz sind unsere leiden, 2) lebendig wird das wolgeschmacke, süsze ausgedrückt durch 'nicht bitter'. das ist nicht bitter; der wein schmeckt nicht bitter; das lautet nicht bitter. 3, 302. zwar die vier und zwanzig ritter 3) dann gilt bitter, wie herb, für austerus, saevus: ein bitter mensch trachtet schaden zu thun. spr. Sal. 17, 11; und fand, das ein solchs weib bitterer sei denn der tod. pred. Sal. 7, 27; und ist kein zorn so bitter als der frauen zorn. Sir. 25, 22; ein bitter und schnell volk. Habac. 1, 6; ein bitter volk. 3, 233; o tod, wie bitter bist du. Sir. 42, 1, worüber mythol. s. 808 mehr zusammengestellt ist; sein bitterster feind. pers. baumg. 4, 19; und möcht mir thun den bittern tod. des todes bittre pfeile (πικρὸς ὀϊστός). weh, weh, sie kommen. bittrer tod! Phyllis schlief, ein bienlein kam, ich ziehe wieder mit ins feld, [Bd. 2, Sp. 55] zur härte fügt ihr noch den bittern hohn. sie dürfen vielmehr mich under einander wart der bitter ernst gemischet. Lohengr. s. 107; mein bruder, warumb hastu also lieb die bittere einöde? Cyrillus 30b; musz dazu bittere wort hören. Sirach 29, 30; bitteren vorwurf machen; sie machten ihm auch oft durch flämische gesichter und bittre reden einen verdrieszlichen augenblick. 19, 123; durch heftige, giftige und ser bittere schriften. wider Witzel G 8a; da hielten sie ein ser grosze und bittere klage. 1 Mos. 50, 10; da ruft der keiser mit bitterer stimme. Aimon e; stetigs an das bitter scheiden gedenken thet. Galmy 199; zum bittern andenken dieses leidwesens. pol. stockf. 319; so musz man dann nur dämpfen zucker in der bittren zeit. 1, 10, 2; ein bittres angedenken. hier fühl ich, dasz ich bitter werde. ein busz, die im wirt saur und bitter. fastn. sp. 706, 10; habt ir aber bittern neid und zank in euren herzen. Jac. 3, 14; er hat ein bitteres gemüt, empfindet den bittersten hasz; bittere schimpfwort, speiwort, da der Neidhart im fasz ist. 70c.4) einem nicht das bitterste gönnen, nicht das bitterste lassen = nicht das geringste, wie man sagt nicht einen bissen. Adelung will es darum aus biszchen herleiten, vielmehr aber zeigt es, dasz bitter eben so gut als bisse und biszchen von beiszen abstammt. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ist ein sehr bitterböses weib. seht mir doch mein frommes kind! ![]() ![]()
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