Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
erwecklich bis erwegung (Bd. 3, Sp. 1048 bis 1052) | ||||
| ![]() ![]() zu der rew und busz erwöcklich. ![]() ![]() (das wird) die thränen oft mir in die augen locken ![]() ![]() ![]() ![]() wol dennoch mir! wer sanft entschläft in vaters armen, ![]() ![]() 1) die schreibung erwägen brachte der organischen starken form gefahr und trug nicht nur zur einführung von erwägte für erwag, sondern auch von erwäge, erwägst, erwägt für erwige, erwigst, erwigt bei. hier folgen noch belege mit der alten form. 176d. 177a schreibt 'ich erwige' expendo; leichtlich der keiser des gten herzogen Naimas rath bei im selbst bedrachtet, hin und her erwieget. Aimon c 3a; bei im erwag. d 6b; erwag in im selbst. v 5b; als sie in dem rat saszen den handel zu erwegen. garteng. 91b; und will, das die beisitzen die sach basz erwegen. weltb. 67a; die sachen werden oftmaln recht bedacht und erwegen. 5; die frauwe ihm tief nachgedachte, erst die gestalt des mönchs erwegen thet. Galmy 338; mein anschlag fast gut zu vollenden sein wird, dieweil ich den handel mit höchstem fleisz [Bd. 3, Sp. 1049] erwegen habe. buch d. l. 254, 1; erweget nichts stattlichers, als was ich euch jetzt sagen wil. proc. 3, 1; so sollte doch dieselb (die junge welt) erwegen. drum ich erwigs und dann es wag dein wort und deine weg erwegen und ermessen. erwigst du den verdienst. erwig ich aber auch, wie elend es gewesen, erwig ich die geberden erwiege recht bei allen die nutzbarkeit. 53; auch sihet der mensch auf die werke, gott aber erwiget die gedanken. kanzl. 729; was ist ein leib, des geistes hülle? 2) besondere aufmerksamkeit verlangt ein dem mhd. 'sich bewëgen' (1, 1770) entsprechendes reflexives 'sich erwegen', das im 16 jh. häufig erscheint, im 17 seltner wird, im 18 ganz verschwindet. meistens hat es einen gen. der sache oder person neben sich, doch kann auch die praep. stehn oder ein abhängiger satz folgen. es hat aber genau den doppelsinn des mhd. wortes, und bedeutet bald sich zu etwas entschlieszen, sich eines dinges unterfangen, gewarten, getrauen, bald auf etwas verzichten, daran verzweifeln, ihm entsagen. im ersten fall gibt der erwegende sich an etwas, im andern von etwas. zuweilen bleibt man der bedeutung unschlüssig. die vielen belege aus Luther zeigen aber, dasz er dem verbum in beiderlei sinn, meistens im positiven, gern schwache flexion verleiht durch verwechslung mit erwegen commovere. a) positives sich erwegen: mhd. dës hân ich mich erwëgen gar. altd. bl. 1, 333; nhd. auf diese und dergleichen zusagung und befehl musz man sich tröstlich erwegen und mit rechtem vertrauen bitten. 1, 172b; denn wer sich gebens und leihens erwegt, der musz sich des interesse zuvor erwegen, oder wird weder geben noch leihen heiszen. 1, 193b; aber er musz sich viel neids und leids drüber erwegen, das creuz wird solchem fürnemen gar bald auf dem hals ligen. 2, 205b; so ists besser doch göttlich und seliglich leben und sich der guten tage verzeihen, so die haben, die kein weib berüren, und sich in die bösen tage erwegen, umb sünd willen zu meiden. 2, 299a; mich dünkt, der Carlstad habe sich ergeben und erwegen zu sein ein öffentlicher feind gottes. 3, 87b; darumb, das die ungebrochene blöde natur sich schwerlich ergibt und auf gott erweget. 3, 290a, vgl. br. 2, 80; weil etliche in zweivel stehen, etliche aber sich so gar und ganz erwegen (erdreisten), das sie nichts mehr nach gott fragen. 3, 315a, br. 3, 141; so müssen wir uns auch des erwegen, das wir geste sind. 3, 384a; wer ehelich sein wil, der musz sich auf den spruch (fluch über mann und weib) erwegen, oder des erwegen, das er zum teufel fare. 4, 26b; so wil ich mich drauf erwegen mit ganzer zuversicht. 4, 34b; wann einer schon keine lust noch andacht zum sacrament hat und doch mit ernst sich erwegt dahin zu gehen. 5, 198a; wer den leuten in der welt wil wol thun, der musz sich erwegen (gewarten, sich darauf gefaszt machen) undank zu verdienen. 5, 272a; also musz sich ein iglicher christ des erwegen, das das creuz nicht werde auszen bleiben. 5, 311b; ist hie kein ander trost, denn das ir euch auf gott und unsern herrn Christum erweget und dasselb frei bekennet. 5, 331a; du must dich des frisch erwegen. 5, 419a; weil wir nu sehen, das es gott selbs mit seiner liebe also gehet in der welt, so mögen wir uns des erwegen (gewärtig sein), das wirs auch nicht besser haben werden. 6, 56b; wer sich des (dasz die welt unsre guten thaten verkehret und schändet) nicht wil erwegen, der mag Christum faren lassen oder aus der welt gehen. daselbst; darumb gehets auch so schwer ein und stoszet sich alle welt dawider, und fellet jederman auf[Bd. 3, Sp. 1050] ander ding, das die vernunft begreifen und erlangen kan, denn es bleibt ir doch imer frembd und verborgen, das sie es nicht für grosz achten noch für war halten und sich blosz drauf erwegen kan, weil sie es nicht fület noch tappet. 6, 179a; darumb müssen wir uns auch alle des erwegen, das er (der teufel) uns angreift von beiden seiten, erstlich zu morden durch seine tyrannen, darnach mit lügen durch falsche brüder, die unter uns spaltung und rotten machen. 6, 44b; weil ich aber mich eines andern lebens rühme, so musz ich mich dieses erwegen und zu lohn haben, das mir die welt also mitferet und der teufel mich so zuspieszet. 6, 248b; so magst du dich des wol frei erwegen. tischr. 90b; es darf sich ein junger gesell in der brunst wol eins vierteil jars im gefengnis erwegen (?) 316a; der mag sich seines glücks erwegen. 93a; ich rath das wir die furcht ablegen ein gutn rath wil ich dir vorlegen, wil euch zu gut mich des erwegen, soltu dich drum nit bald erwegen, bitt, wolt der demut euch erwegen. 3, 93; hat er sich auch der schand erwegen, der jung gesell thet sich erwegen, alls was ir sehen von den leuten, das sie wie die treuwen pastorn, und bessern da mein sündlich leben das wuchs ... sich allenthalben wol erwug. ohn dich bei menschen ist kein sieg, sie siehet, dasz er sich zu sterben musz erwegen, doch wann ich mich erwege doch wust ich mich so weit noch zu erwegen, darf ich, o königin, mich endlich noch erwegen, sich erwegen (unterfangen, unternehmen). b) privatives sich erwegen, einem entsagen, auf etwas verzichten: ich han mich sein ganzlich erwegen. fastn. 411, 16; ich hab mich aller andern man erwegen. 620; jungfrewlein werth, ach got, wie sol ich mich ernern? solt mich meins buln erwegen, [Bd. 3, Sp. 1051] die feldmaus wuste nirgend hin, lief die wand auf und abe und hatte sich ires lebens erwegen. 5, 272b; weil wir denn hie nichts anders zu warten haben, sondern uns des lebens, und alles was darin ist, williglich erwegen müssen, das unser leben und wesen eigentlich heiszet frustra niti. 6, 247a; dem pfaffen aber war gar angst bei dem wolf in der gruben und hatte sich alle augenblicke seines lebens erwegen. rollw. 58b; ohne das, so war mancher guter gesell darauf gangen und het ich mich selber (lebens?) erwegen, dann mein gaul war hart verwundet. lebensb. 56; denn sie hatte sichs ganz und gar erwegen ihn nimmer meh zu sehen. buch d. liebe 6, 3; gott sei gelobet, das wir han sonst hab ich mich oft must erwegen wir waren allesam erlegen, die sich der ehren ganz erwegen, das sie umb einmal wol zu leben ich wolt meines leibs ziemlich pflegen was mich betrift, an mir ist zwar nicht viel gelegen, c) das part. erwegen (in seiner alten gestalt, nicht in der späteren von erwogen) bezeichnet einen, der sich unterfangen hat, adjectivisch also einen kühnen, dreisten, frechen menschen: gleichwie ein erwegen ehebrecherin die augen aufsperret und mit vollen augen umb sich wirft, einem jederman bereit zu sein. 2, 124b; so ist der Witzel allweg ein ehrgeiziger, rumretiger, stolzer, neidischer, arglistiger, rottischer, erwegener, unverschampter mensch gewest. wider Witzel F 8a; und durft der erwegne unverschempte stolz eselkopf sich nicht schemen, sein narrenwerk iderman an tag zu geben sich zu unterstehen. g 7b; thun wie der teufel selbst und alle erwegene verruchte leute. im corp. doctr. chr. 188; solchen losen, leichtfertigen, erwegenen buben ihren mutwillen nicht gestatten. 61; zum siebenden gibt solche bettelei erwegen unverschampte schelke und belge. schrapteufel v 3b. da wir nun heute verwegen ganz in solchem sinn verwenden, folgt schon daraus, dasz dem verbum verwegen überhaupt die bedeutung des mhd. bewëgen, späteren nhd. erwegen zugestanden haben müsse. die weitere ausführung gehört unter verwegen, beispiele schon 1, 1779, hier genüge noch ein beleg: hab ich mich schon des lebens verwegen. gerichtsh. 1, 125. nicht anders hatte das mhd. part. bewëgen denselben sinn: sus vâhten die bewëgnen. altd. bl. 1, 339; wër ist dër recke vil bewëgen? Rab. 383; Scharpfe dër bewëgen (al. verwëgen). 395; dô danket in dër bewëgen. Dietr. 5366; dô sprach von Bërne dër bewëgen. 6272; daʒ ahte Wolfhart dër bewëgen. 8294; immer in der guten bedeutung edler kühnheit. doch die höfischen dichter meiden dies bewëgen. übrigens kommt auch erwegen, von sachen gebraucht, in gutem sinn vor: glaub ist ein erwegen (mutige) zuversicht auf gottes gnad. wider Witzel E 7a, welchen satz im menschensp. 18b ausschreibt.![]() ![]() [Bd. 3, Sp. 1052] si den sark nie erwegen noch dikein gelide von irme lîbe myst. 225, 3; nhd. domit habt ir mein herz erwegt. fastn. 149, 33; einen stein erwegen, heben, rücken; do erbrach das haupt Apollinis des gottes vom bauch des bildes in die erden, das Octavius und seine gesellen es nit mochten erwegen. 11b; einen krieg erwegen, erheben; z der kirchweihe kummen die jungen gesellen mit trummen und pfeifen gewapnet, als zu einem krieg, den si auch etwan finden oder erwegen und geen oft mit bltigen köpfen wider heim. weltb. 51a; dem adel setzen sie auch sonderlich hart z und auf das si nit etwa in irem land ein anhang kriegen und ein aufrr erwegen, mussen si gefangen fast all sterben. weltb. 117a; die dein gemüet wider den teufel söllen erwegen, aufrichten, erheben. hauptartikel der h. sch. 4; und als Rinaldo erst den groszen schild erweget, ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]()
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