Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
sessenrecht bis seszhaft (Bd. 16, Sp. 635 bis 638) | ||||
| ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) als masz: sester, modius Dasypodius; sester, m. un muy 296b; modius 1415; sestaio contr. staio, moggio, rubbio v. scheffel, metzen. dict. 2, 772a; modius, modiolus 2, 585; eine art von maas, korn oder wein u. d. g. zu messen, ein sechstheil vom grössern masz. 2, 265c. vgl.: was tuott ain viertel? sechs sester. fastn. sp. nachtr. 327. als erklärung von schäffel in Luthers bibelübers. bei (nachdruck von 1523) s. 6, 43b. a) als trockenmasz, besonders für korn: sester, ein gattung kornmsz, modius. 370b; sester, kornmäsz, modius. halber sester. 2, 263a. den inhalt bestimmt 3, 749 für Baden auf malter = 10 meszle = 100 becher = 756 Pariser kubikzoll = 15 liter = 4⅓ preusz. metzen = 31 Wiener becher, 7, 342a für Straszburg auf 924 bez. 953 franz. kubikzoll, für den Elsasz auf 4 quart = 16 mäszel, Hunziker auf malter, Kehrein = 1 kumpf = simmer = malter, Autenrieth simmere. belege: und [Bd. 16, Sp. 636] sol alle naht dem pferde einen sester fters geben, und sime ein halben. weisth. 1, 822 (Andlauer hofrecht im Breisgau vom jahre 1284); der selbe Paulus lebete eine vaste mit eime sester linsen. veterbuch 2, 15 Palm; es söllent ouch alle ... ydem pferde besunder zum tage und zr naht ein halben sester habern geben z essende und nüt minre. d. städtechr. 9, 960, 23 (Straszburger verordn. von 1395); Römer wart in eime strite so vil erslagen, das men von der doten hende nam drige sehster vol vingerlin. 901, 27; die fraw asz etwan achttag kein ziblen, und glust sie stetz die ziblen z verschen ..., und kaufft ein gantzen sester vol. schimpf u. ernst s. 201 Österley; wie die Tartarn die polnische und schlesische ohren in neun kornsecken, unnd Hannibal der Römer ring mit sestern auszmasz. groszm. 58 (kloster 8, 590); wann einer derselben (säue) ein par im leib hett, sie würden jhm den magen besser erdänen als etlich und zwentzig sester wolln (lies voll?) röhrspätzlin. Garg. 42a; ich armer unseliger Grunius, verlasse hiemit mainem vater (dem speckigen eber) dreyssig muth eychel, meiner vielgeliebten mutter (der mohren) vierzig sester gehultzes. 1, 599a (herrlichkeit des schweines); die meel-leute sollen kein meel viertels- oder achtels-weise, sondern allein bey kleinen mässen, und bey einzigen oder zum höchsten zweyen sestern verkaufen. Straszb. polizeiordn. von 1628 bei 2, 265c; mein erzihler .. verkauffte mich gegen dem frühling einem kramer, der mich unter andern hanffsamen mischte und mit uns schacherte. derselbe kramer ... gewann an jedem sester einen halben goldgülden. Simpl. 2, 176, 14 Kurz; (das pferd) solt ein sester statlichen Cöllerthäler habern fressen. Philand. 2, 27; einen streif(-zug), nach unserer soldaten art, auff ein sester dürr-bieren .. thun. 30; so war's bisher in jeder herrschaft, in jedem städtlein anders, andere ellen, andere schoppen, andere simri oder sester. 2, 216; zweitens, so hatte man bisher sogar am nämlichen ort, in der nämlichen mühle .. für verschiedene sachen verschiedenerlei masz .., ein anderer sester für glatte frucht, ein anderer für rauhe .. in zukunft gibt's nur einerlei sester. 217; ein malter hat 10 simri oder sester. ein sester hat 10 meszlein. 218; und wurde nach Basler burgermasz gerechnet das viertel sogenannte frucht zu zwei säcken, oder acht grosze und sechszehn kleine sester, der grosze sester zu sechszehn, der kleine zu acht becher. 3, 100; diese beyden klepper, welche hierauf allein bestellet, haben tags jeder ein halben sester haber. 15, 314; und umb ein halben sester kesten! b) als flüssigkeitsmasz, besonders für wein, in der Schweiz = acht kannen oder 16 masz wein ( saum) Adelung: alsdann ist innen der müllener schuldig zu geben ein sester weins. weisth. 2, 569 (vom jahre 1497); wer nit in diesem jargeding erscheint .. und darein gehört, ist verfallen der probsteien schultheiss ein sester weins und dem schöffen auch ein sester weins. 3, 748 (vom jahre 1487), vgl. auch 1490 f.; in jeder alp was zu einem sister oder sester gehört, und haltet ein sister 8 immj, und ist ein immj so vil milch, dasz es ein ziger geben möge. 1, 15b. c) scherzhaft auf abstractes übertragen: wan in eim sester vol zanckes, ist nit ein nusz grosz götlicher liebe. narrensch. 141 (133)d; damit sie mit eim viertheil oder ein par sester seelmessen und vigilien, unnd eim sack siben psalmen, sampt trei oder vier metzen paternoster und ave Marien, mit eim streichholtz glatt abgemessen, den seelen im fegfewer ein presentz oder bancket davon verehren mögen. bienenk. 112b; sampt allen unsern verdinsten und wercken der superogation (dasz sein die werck so uns nach abgestrichenem sester zu einer zugab uberbleiben). 117a. d) als flächenmasz (?): wenn du ein liechtlin in der lutzernen treist, das zündt dir lecht eynes sesters wyt. bilg. 13c. vgl. 2, a. 2) sester bezeichnet auch ein gefäsz von entsprechendem inhalte, zuweilen auch ohne rücksicht auf ein bestimmtes masz: a) als trockenmasz: daʒ ir einen frauen-müller dar in seczen sollen, der solt haben seinen gesaiten sester und seinen halben gesaiten sester und seinen geseiten virling und seinen halben geseiten virling. weisth. 5, 691. für gewöhnliches scheffel in der redeweise: was wer es das ein liecht wer in einer stuben under eim sester. evangel. 18a; dasz man ein liecht nicht unter eyn sester setzen, sonder auff eyn liechtstock .. stecken sol. bienenk. 140b. [Bd. 16, Sp. 637] b) in der Schweiz eine weinkanne von 8 kannen inhalt Adelung; überhaupt eine grosze weinkanne, die man auf den tisch stellt, um daraus kleinere gefäsze zu füllen, auch als trinkgerät für besonders durstige kehlen 2, 372: sester (der) oder bocal, ein geschirr in wölchem man den weyn ausz dem käller auff den tisch stelt, batiocus. 370b; sester, weingeschirr, vas vinarium, cirnea 2, 263a; item weler ein schlecht mit einem schenkfass, sester, oder kanten, oder welerley geschirr es ist. weisth. 1, 83 (Züricher gegend, vom jahre 1456). ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) worauf man sitzt, sitzplatz, stuhl, thron: hôhes seʒʒes anasidili alte sedis thronus. Murb. hymnen 6, 6, 3; sesz, stul, sitz, m. siege, selle 296b; sesz, seszel, m. sitz. 1415; er (Tiberius) pflegt auch inn dem gerichtszhausz und an der spitzen des richter stuls, auff dasz er den schultheyszen von seinem sesz und statt nit vertriebe, z sitzen. Tac. 31b; sonst sollen die profeyen (abtritte), so in unsere stattgräben jre sesz von alters gehabt, und noch haben, nochmahls also bleyben, doch die sesz uber anderthalben schuch uber den graben, noch auch eyniger bauw darauff nicht gestattet werden, bey verlust derselben sesz oder stüle gerechtigkeit. Frankfurter ref. 8, 6, § 8; und sol aber jre der nachbarn und gemeynere, keiner, eynigen stul oder sesz zu profeyen, in solchen winckel zu machen macht haben, sonder sie schuldig seyn, denselben beyderseyts so viel müglich, sauber zu halten. 8, 7, § 10; diese spezielle verwendung scheint eine Frankfurter eigenthümlichkeit zu sein, vgl.: eine desinfection der sessen, bzw. des dieselben in sich aufnehmenden alten canals, mindestens alle zwei tage, dürfte sich dringend empfehlen. Frankfurter journal, 5. sept. 1871, hauptbl. 3b (loc. nachr.). — im bilde: dominus super multas aquas, obe manigen uuaʒʒaren sitzet er. manige sint sîn seʒ, uuanda er an in bûuuet. ps. 28, 3; got gibit imo wîhajoh êra filu hôha 2) allgemeiner für wohnsitz, ort: er fuar io themo meʒʒezi sînes selbes seʒʒe, wâ der abgrunt hât sîn (var. sinen) seʒ. dîn (gottes) grundelôse wîsheit, von meinem sesz (grundbesitz) wirst mich nicht treibn .. wan sin lob wert iemer 3) mhd. für 'belagerung' (als neutr.), vergl. a. a. o.: donoch besas er die burg Brunnentrüt. daʒ ses werete von der rehten vastnaht untz an den karfritag, do gewan er sü. d. städtechron. 8, 45, 4 (Closener); die von Strosburg mahtent ouch mit schiffen eine brugge uber den Rin, daruber man fr und reit die wile daʒ sehs werete. 99, 13; sô nam er sîner reise ein meʒ 4) nhd. vereinzelt für 'sitzung': sollen die auditores einen sesz zu halten nicht schuldig seyn. Frankfurter reform. 10, 2, [Bd. 16, Sp. 638] § 11. (sesz [der] sessio 2, 583 nur als erschlossene grundform, also nicht hierher gehörig.) ![]() ![]() sich wolte ein ses gesibent hân ... so kumpt daus es er stäcket vol der argen list, sesz es, dein schantze die ist gut. so luogend die richen eben ![]() ![]() ![]() ![]() 1) im eigentlichen sinne: er ist ein seszhafter mann 'ein mann mit grundbesitz in seinem wohnorte'. 2, 339a; item ob sich auch ain unzucht begäb, so sol von dem seszhaften ain burg genueg sein, und von dem ledigen zwen burgen genomen werden. tirol. weisth. 1, 218, 12 (vom j. 1540); die namend sy us den glöbigen seszhaften lüten, oder wo die nit warend, namend sy von denen, die by jnen warend. 2, 321; und sölchs kriegsvolk war der mêr tail landvolk und seszhaft leut, denen man vertrauen dorft. werke 1, 245, 20; deszwegen etlich es darfür achten, dasz dise völcker nachvolgender tagen in Helvetia säszhafft, gar nit mehr Helvetier, sonder gemeinlich eintweders Burgundier oder Alemannier seyen. 308a; meine mutter ist ein Griechin aus Peloponneso von hohem altem geschlecht und grossen reichthumen .. also wurde meine mutter ausz einer seszhaften vornehmen damen, eine umschweiffende comödiantin. Simpl. 2, 46 (3, 202, 5 Kurz); unsere vorfahren haben zwar den grundsatz gehabt, die zweige der bürgerlichen nahrung soviel thunlich [Bd. 16, Sp. 639] zu trennen, um die zahl der bürgerlichen familien zu vermehren, und zu verhindern, dasz nicht eine mächtige hand alles an sich ziehen, und anstatt den staat mit seszhaften bürgern zu vermehren, mit einer menge flüchtiger gesellen arbeiten mögte. patriot. phant. (1778) 2, 177; morgens wartete ich dem da seszhaften adel auf. lit. nachl. 4, 186; durch gewöhnung an die sitte seszhafter menschen war ihnen (den Hunnen Attilas) so viel abendländisches gekommen, dasz die zweite nachkommenschaft seit jenem einbruch .. in vieler lebensgewohnheit den Germanen ähnlicher gewesen sein musz als ihren vätern. bilder 1, 141; ein kern der alten seszhaften erhielt sich doch in allem wogen und bewahrte treu altheimische überlieferungen. neue bilder (1862) 7; seit monaten ernannte (lutherische) pastoren (im Elsasz) erhalten ihre bestätigung nicht, und die betreffenden pfarreien bleiben ohne seszhaften seelsorger. Frankf. journal vom 27. mai 1871, 1. beilage, s. 1c. besonders gern in prädicativer fügung seszhaft sein: er ist nicht säszhaft, domicilium non habet. 2, 582; siebendens solle keiner, sonderlich diejenigen, so seszhaft seind, aus dem gericht ziechen. tirol. weisth. 2, 2, 12; welliche aber unter gemelter herschaft seszhaft muegen .. begnadt werden. steir. taid. 91, 19; sein (Fausts) vater, der zu Wittenberg seszhafft, ein bürger und wol vermögens gewest. Faustbuch s. 11 neudruck; ein fast gelehrter und geschickter mann doctor juris, war allhie z Cassel geborn und seszhafft. wendunm. 1, 151 Österley (1, 120); in meiner jugend war ich ein kecker, mannlicher ritter, seszhaft in Helvetien. 2, 12 Hempel; dâ (in Troja) wâren zehen tûsent niemand soll die nase rümpfen, ihr müszt ihn seszhaft machen durch süsze bande und haft. 2) zuweilen mit verschobener beziehung seszhafte lebensweise, wohnung u. a.: wer kein ehgesibete hat, ist halb tod, ... weiszt kein seszhafft heuszlich wohnung, wie die Tartarische heerkärch, ist nirgends daheim, ist meher eim jrrschweifigen vihe ahnlich, als eim eingesetzten colon und kolbauren. Garg. 68a; ich rühme mir ein seszhaftes hausen daheim. ahnen 1, 66; da die Germanen von der viehzucht zum seszhaften ackerbau übergingen. d. geschichte 3, 700; von hier (Kades) zogen die stämme in das Ostjordanland .. und begannen so vom nomadischen leben zum seszhaften überzugehen. alttestamentl. rel.-gesch. 32. 3) nicht allgemein üblich und wol mehr scherzhafte redeweise ist seszhaft im sinne von 'sitzend', so besonders bei J. Paul: in diesem werke, woran wie in der Basselisse zwei arbeiter auf einem stuhle seszhaft weben. Hesp. 1, 98; bis der kantor, auf dem musikalischen wurstschlitten seszhaft, mit dem finger [Bd. 16, Sp. 640] in den ersten akkord der kirchenmusik einhieb. 2, 89; ich hätte eine im offenstehenden bilderkabinet seszhafte hofdame gern mitgezählt. 3, 27; wenn er in eine kirchenbank sich setzte, so rutschten auf der stelle sämmtliche darin seszhafte bauern bis in die äuszerste entgegengesetzte ecke. Münchh. 3, 35. in weiterem gebrauche: jener kritischen borsten, welche, auf dem unreinsten thiere seszhaft, nachher selber zum reinigen dienen. vorsch. d. ästhet. 3, 36. häufig übertragen oder bildlich: denn so viel hat auch der dümmste noch aus Leibnitzens vorherbestimmter harmonie im kopfe, dasz die seele, z. b. die seelen eines Forsters, Brydone, Björnstähls — insgesammt seszhaft auf dem isolierschemel der versteinerten zirbeldrüse — ja nichts anders von Südindien ... beschreiben können als was jede sich davon selber erdenkt. unsichtb. loge 3, 130; ich kann mich ohne unbescheidenheit als den in der europäischen zirbeldrüse seszhaften spiritus rector ... und geistigen beherrscher Europens betrachten. biogr. belust. 1, 38; ich ... versetzte ihn selber unter die nur in meinem kopfe seszhaften phänomena. palingenes. 1, s. xxxi; bruder, wahre dich nur gegen eheweiber. schnappe einmal zum spasze nach einem rothen schminkläppchen von ihnen, flugs schieben sie dir die angelhaken in die rückenhaut. der haken sieben sind in meiner allein, wie du sie da siehst, seszhaft. Titan 2, 130; der hat schon lange in Apoll geruht,
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