Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
zopfwesen bis zornleuchtend (Bd. 32, Sp. 90 bis 107) | ||||
| ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() in den ältesten vocabularen, glossen und sonstigen übersetzungsschriften giebt zorn das lat. ira, iracundia und verwandtes wieder. als ursprüngliche bedeutung dürfte aber nicht die gemüthsbewegung als solche anzusehen sein, sondern 'kampf, streit mit thaten und worten', verbunden mit der entsprechenden erregung, ähnlich wie hasz, hassen mit hetzen auf die bedeutung 'feindlich verfolgen' zurückgeht th. 4, 2, 546. 553. 1272. dafür spricht das vorkommen im altepischen wortschatz und besonders die thatsache, dasz die bedeutung 'kampf, streit' im mhd. zwar noch reichlich belegt ist mhd. wb. 3, 905b f., 3, 115, aber dann verschwindet. innerhalb des deutschen hat sich also das wort erst allmählich auf das seelische gebiet eingeschränkt. dies ursprüngliche zeigt sich z. b. in dem vers: hie was zorn âne haʒ zu einer solchen bedeutung will sich die häufig angenommene ableitung von germ. *teran, got. gatairan, ahd. zëran 'zerreiszen' 4 3, 156 f., 7 509, 1295a nicht recht fügen. lautgeschichtlich befriedigt sie zwar, vgl. got. [Bd. 32, Sp. 91] gataura, m., 'risz', gataurnan, distaurnan, beide intrans., zerreiszen, vergehen, aftaurnan abreiszen, abtrennen, auch gatarnjan rauben, s. idg. forsch. 14, 340. das germ. grundwort würde 'risz, spaltung' bedeutet haben, wovon man zwar auf 'zwist, feindschaft' kommen kann, aber nicht auf das äuszere thun des kampfes, das anstürmen, den wilden gebrauch der waffen, bedeutungen, deren seelische entsprechungen auf ira führen. nl. torn, risz, z. b. einer naht, gehört, beiläufig, nicht hierher, sondern zu nl. tornen, hd. trennen. so ist damit zu rechnen, dasz zorn aus einer anderen wortgruppe stammt, die mit den abkömmlingen der wurzel *der nur zufällig in lautliche nachbarschaft getreten ist. die nächsten verwandten sind dann nd. törrn anstosz, törrn van feber 310; brem.-nds. wb. 5, 90; auch im schwed., nicht im dän., en törn ein stosz gegen einen harten gegenstand, auch die wirkung eines anstoszes, eine einbeulung in einen hut z. b., han fr en törn er stöszt sich, fartyget tog en törn vom schiff, das durch anrennen beschädigt wird; danach törna, törna mot gegen etwas anstoszen. ferner nd. törnen in der allgemein verbreiteten bedeutung 'im laufe aufhalten', z. b. ein pferd, dann 'eine erregung bändigen', törn din mod, weiter refl. sik törnen sich im zorn mäszigen brem.-nds. wb. 5, 89; 3, 426. hierzu auch das märkische wat törnst du denn? sprick graad herût 'wenn einer miszgestimmt ist, aber sich nur durch unbestimmte worte luft macht' Danneil. dies alles erklärt sich, wenn törn ursprünglich 'ruck, stosz' ist (vgl. ags. torn-gemōt), dann ist en peerd törnen 'es mit einem ruck zum stehen bringen', und diese stehende wendung wäre dann die wurzel der allgemeinen bedeutung. natürlich ist dies törn ein ganz anderes wort als das dem engl. turn nachgebildete törn, das überall an den küsten üblich ist. etwas anderes ist ebenfalls kärnt. zörn, f., 'kleine erdabrutschung' 265. dagegen wird zu dieser gruppe zu ziehen sein zerren, zergen, mnd. tergen 'reizen', irritare 310a; 468; tiren 'sich ungebärdig stellen', sik tiren 'kläglich schreien' brem.-ns. wb. 5, 73, Holstein 'sich anstellen' (nach hd. 'sich zieren'), nl. getier tumult Binnart f f 2b. dazu das adj. tirig, terig brem. - ns. wb. 5, 55. man wird also zorn einer alten wortgruppe zurechnen dürfen, deren entsprechungen nach 2 702b in lit. pa - dúrmai, adj., 'ungestüm', altpreusz. durai 'scheu', bulg. dúrlŭ-se 'ich bin zornig', russ. dur' 'albernheit', durnój 'häszlich, schlecht' zu finden sind; nur musz gr. θοῦρος 'ungestüm' (Franck) wegen des anlauts ausgeschieden werden — oder zorn gehört eben nicht dazu. während die vorgeschichte und die germ. anfänge des wortes problematisch sind, zeigt sich im hochd., besonders im nhd., zorn als ein ungemein ausdrucksvolles wort, von dem mannigfache ableitungen und zusammensetzungen ausgegangen sind. diese lebensfähigkeit verdankt es einerseits in weitem masze der bibelsprache Luthers, andererseits — die sache dürfte hier einmal deutlich sein — der klangform, welche es erst durch die hd. lautverschiebung erhalten hat. a) zorn ist mhd. und nhd. nur m., im ahd. dagegen zeigen die im geschlecht deutlichen belege das n., meist bei Notker, auch bei Otfrid, 5, 692. wieweit das dem allgemeinen gebrauch jener periode entspricht, läszt sich nicht ausmachen. zweifelhaft ist aber das n. im ags., welches von den wbb. angesetzt wird, vgl. gram. 3, 504. bei zusammensetzungen zeigen sich übrigens schwankungen. gâr-torn giebt Bosworth-Toller als m., lyge-torn als n., ohne grund. da die formale vorgeschichte des wortes nicht geklärt ist, so wird, auf grund der bedeutung, das m. mit wahrscheinlichkeit als das ursprüngliche geschlecht gelten dürfen, und die fälle des n. als vorübergehende abweichung. b) die zweisilbige form zoren für unflectiertes zorn erscheint frühnhd. sehr häufig, in gröszerer verbreitung als koren zu korn, s. th. 5, 1813. es geht zunächst zusammen mit den reimwörtern geboren, erkoren, verloren u. ä., nimmt theil an der vocaldehnung, wird dann aber zurückgedrängt durch die einwirkung der flectierten formen. [Bd. 32, Sp. 92] lexicalisch zuerst im 15. jh. belegt nov. gl. 181a. 222a. literarisch besonders häufig im 16. jh. auf südd. boden, in freiem wechsel mit zorn. prosa: also forcht der margraf kinigclichen zoren chron. v. Kailsheim 277; seinen zoren reiseb. 6. sehr häufig in Arigos decameron und Stainhöwels de claris mulieribus. gelegentlich auch bei Luther: das got solt von zoren und straff ablassen 18, 409 Weim. in der poesie gern gebraucht, wo ein zweisilbiges wort von nöten war: wie wol dein zoren mich betrat in deinem groszen zoren, wann sein zoren der komt blötzlich auf das sein zoren nit auszbrech dann unser hertz steckt zorens vol weil einen andren sie ihr wiedrumb hatt erkohren, und in dem grimme deins zorrens sie ergriffe andere versprengte nebenformen sind zorne und zornt: aber zorne und liebe sind so ungehalten bey ihme acta pruss. 2, 160; der grimmig zorne sein psalmen 14 neudr.; dann zornt wont in eyns narren gmüt und darf wol sagen recht in zornden, wie rosen blühn an dornen I. zorn bezeichnet die gemüthserregung der unlust, welche eine besondere richtung gegen den anlasz oder den veranlasser der unlust hat, sich in unwillkürlichen worten und handlungen kräftig äuszert, von einem lebhaften spiel des gesichts und des körpers begleitet ist und in der regel rasch entsteht und verläuft: gemeiniglich ist der zorn eine traurigkeit über dem von anderen uns .., angethanen unrechte, verknüpfft mit einem hasse gegen den, der uns ... beleidiget vernünft. gedanken von gott 261; der zorn hat keine gemeinschafft mit der klugheit, er vergesellschafftet sich mit der verwegenheit, scheut keine abstürtzung und sieht berge für flächen an Armin. 2, 1263b; zorn ist ein heftiges misvergnügen, über etwas das uns zuwidergethan worden, wobei sich allezeit die begierde findet, es zu strafen oder zu rächen versuch 1, 348. die alten wbb. geben es für lat. indignatio, ira, iracundia, furor, stomachus, turgor, animositas 309a. 253c; ling. 1386b; voc. theut. 1482 m 3a. eigenthümlich ist: Erinnys helle czorn 208a. die im mhd. noch häufige bedeutung 'kampf', s. o., fehlt im nhd., doch geht es in 'zank, streit' über, s. 3. im einzelnen tritt bei der anwendung des wortes mehr die eine oder die andere seite hervor, wie sich auch in den festen verbindungen zeigt. 1) zorn ist wesentlich nur die erregung des gemüths ohne rücksicht auf ihre äuszere wirkung: wir .. sollten [Bd. 32, Sp. 93] doch nicht so viel wesens von unserm biszchen ärger und zorn machen 8, 18; noch ein versuch, den zorn, die entrüstung festzuhalten, die ihm abhanden zu kommen drohte 3, 11. es verbindet sich so mit grimm, schmerz, leid und scham: ich was von czorn und groszem leyde überwunden (vinto dall' ira) decamerone 151; zorn und betrübnis sind weit so angenehm nicht, als scherz und fröhlichkeit 1, 251; er ist voll schmerz und zorn briefe 288; zuletzt, die nicht das feld dem recht und ihm verlassen, das fräulein sah ihn reiten, verging vor scham und zorn 2) der zorn ist die rasch und plötzlich entstehende leidenschaft: ira zorn que cito fit et cito perit voc. ex quo (Eltvil 1477); der blosze gedanke von einem volke kann bei einem andern volke schon die triebe des zornes .. erregen v. d. nationalstolze 17. daher der heftige, plötzliche, jähe, älter gähe, zorn: heftiger zorn des königs Achaemaenia ira 364b; dapfferkeit und nit bittern häfftigen zorn lob ich in den alten teutsch Cicero 35b; soll er (der schauspieler) nun von hier wiederum in einen plötzlichen und heftigen zorn gerathen neueste 1, 535; die .. alle freundlichkeit vergessen und zu sawr sehen und gehen zorn sich gewehnen Eulenspiegel 14 Hauffen. alt und mundartlich ist stützig: geher, stütziger zorn 467a. dazu gehört auch den zorn aufstützen reinigk. d. deutschen spr. 43. von personen heiszt es: sie sind zum zorne schnell, jäh, jach, älter zum zorn, auch zu zorn bewegt: meinst du, der herr sei schnell zum zorn Micha 2, 7 (heutiger text); die vollen zapffen sind ... schnell zu zorn Ambach vom zusauffen c ib; der juncker sonst zum zorne jach das plötzliche auftreten des zorns wird durch verschiedene verben bezeichnet: aufbrausen, aufquellen, aufwallen, ferner ausbrechen u. ä.: dann aller zorn ist ungestüm, Jupiter mit zorn durchbrach doch Junos brust entbrach der zorn plötzlich auftretendes wird dem zorn verglichen: auf einmal schieszt es wie ein zorn in das räderwerk 2, 400 Behaghel. 3) der zorn richtet sich auf den anlasz und vornehmlich den veranlasser des unwillens. a) dies drückt sich aus durch präpositionen. man empfindet zorn über vorgänge und zustände: der zorn [Bd. 32, Sp. 94] des erwähnten cavaliers über diese begebenheit dauerte bis in sein grab leben u. gesinn. 1, 175; der zorn der groszmutter über die 'saubere anzettelung', hinter die sie schlieszlich gekommen 6, 216; der schrecken und der zorn hierüber waren grosz im pfarrhause 1, 17. man kriegt, hat einen zorn auf jemand: da musz man auf Europa ein' zorn kriegen! 5, 134. dem gegenüber wird bei einem thätigen zorn gegen gebraucht, in älterer sprache wider: sie het palde erkant waz die ursache (von) Barnaba zorn wider sie gewesen was decamerone 150; das ertrich erzeigt keinen zorn gegen jm cosmogr. 4; besorge nicht Adams zorn gegen deinen erstgebornen 1, 65; um so hitziger vertiefte man sich in zorn gegen den unverschämten gesch d. frz. revolution 110. b) zorn verbindet sich mit sinnverwandten wörtern wie neid, hasz, feindschaft, zank, streit, zwietracht: nyd, hasz und zorn, ouch groszer pracht Schweizer schausp. d. 16. jhs. 3, 59 Bächtold; derselbig hiesz der Heintz Unrhu, man müst uneinigkeit, neid, zancken, zorn und hassen c) so geht zorn in die bedeutung zank, streit über: dieser het mit eim man ein zorn darauf fing er einen zorn mit mir an besonders von bösen frauen: war disz nit vil besser, dan das sie mit irem grimmigen zorn den man von sich ganz abgewendt, und ir leben mit hader und zanck geendet hette philos. ehezuchtbüchl. 326; (die gäste des Sokrates) d) weiter ist es das zornige reden, schelten: wie hörestu den zorn Pauli über die Galater von der freiheit der speisen 15 neudr.; läszt fleiszig advocaten schrein, e) schlieszlich die zornige gebärde, handlung: der herr .. fuhr mit drohendem zorn von dem sessel auf 2, 43 Behaghel; (Merkur) macht ihm für den zorn der aufgebrachten Dido bang 1, 89; (das volk) das unser waffen zorn in alle welt zerstreuet warf aber gleich sein zorn mit euch und seines zornes ungewitter f) eine besondere art von solchem zorn ist der der liebenden, amantium irae amoris integratio est Terenz; ja, ihr küssen und umfassen g) zorn ist aufgeregtes handeln schlechthin, meist nur von naturerscheinungen, s. u. 12: dem leichnam zu dienen .. mit zorn, mit reiszen und mit slagen gehört nit zu dem menschen Albrecht v. Eyb spiegel d. sitten a iia. [Bd. 32, Sp. 95] 4) zorn ist der, meist übermächtige, antrieb zum unüberlegten, heftigen reden und handeln: mit einem ruf des zornes risz er den eisenhandschuh von der faust zauberring 1, 16; mit einer gewalt, die nur der zorn geben kann 21, 160 Weim.; eltern sollen sich hüten, dasz sie nicht irgend im zorn .. ihre kinder .. du junger dieb, du junger schelm .. nennen oder rufen insomnis cura parentum 83 neudr.; er ... hieb mich solange damit, als ihm sein zorn dazu anleitung gab Leipziger aventurier 1, 35; haec est causa cur eum prodidit (Judas) ein zorn, ein unwillen, ein klein gelt bringt ihn dahin 34, 1, 199 Weim. in diesem sinne verbindet zorn sich mit eifer, ungeduld u. ä.: als wan der könig aus hitzigem unbedachtsamen eyfer und zorn .. die waffen wieder den keyser ergriffe schwed. krieg 1, 17; eiferiger zorn 2316; (er hat) durch disz schrecklich gräuselhorn der zorn überwältigt oder bekämpft die vernunft: Braun, Isegrimm und Hintz, wie die das angehöret, im kampf der überlegung und des zorns daher geht er über in wuth, wahnsinn, raserei: hier wandelte sich sein zorn in wuth Montaignes gedanken u. meinungen 1, 8; dorumb Jonathas der stund auf vom tisch in dem zorne der tobheit erste deutsche bibel 5, 92 (1 Sam. 20, 34). man rast, tobt, wüthet, ist auszer sich, von sinnen vor zorn, läszt sich vom zorne hinreiszen, wird vom zorn geblendet: und dennoch müssen wir es versuchen, dürfen uns dennoch nicht ebenso vom zorn hinreiszen lassen 1, 19; wen en vorblenden nicht spêl, bêlschap, torn unde weyn 33 Hoffmann; blinder zorn 2316; wein und zorn verblendeten mich 1, 277 Weim.; sie sind von zorne taub und blind der sich den zorn laszt übergohn, aus zorn gibt den zorn einfach als beweggrund an, während im zorn zugleich die macht des affects über den handelnden ausdrückt: sie gab mir sogleich eine ohrfeige, doch wie es mir schien, mehr aus vergnügen, als aus zorn 2, 69; lieber, wan sie (die weiber) einesmahls im zorn den kopff auffsetzten, sich vereinigten und davon zöhen aus der welt gesichte 2, 268; er tötet sie im zorn: das ist eine handlung einl. in die schönen wissensch. 2, 22; und in ihrem zorne packte sie die schönen haare der Rapunzel kinder- u. hausmärchen 13, 79. es ist in einem zorn getan, zugangen in älterer zeit fast eine entschuldigungsformel weinspiel 3650 neudr.; privatbriefe des mittelalters 1, 211. 5) wegen seiner macht ist der zorn eine gefährliche und darum zu verdammende und meidende regung: seltzam schwenck, gesprech und vergleichungen: daraus glimpf und tugend zu lernen, zorn, gewalt und tyranney zu vermeiden angezeigt wirdt 18, 1 Keller - Götze; daher in ihr list, schlauheit, wuth, treulosigkeit, zorn, neid ... zur schau kommen J. Grimm Reinhart Fuchs xiv. es wird mit allerlei lastern zusammengestellt: trunkenheit, [Bd. 32, Sp. 96] zorn, unordentliche liebe Odyssee vorrede 3. im 18. jh. zählt man ihn mit den 'leidenschaften' auf: nichts ist so regellos als der gang der leidenschaften, der liebe, des zorns, der zwietracht einl. in die schönen wissensch. 1, 227. von vielfacher art sind die warnungen vorm zorn, besonders in sprichwörtlicher form: der mensch sol als sein ergsten feindt meid' unmuth, stolz und neid, lasz dir den zorn bald stillen bestille seinen zorn ... 6) umgekehrt ist der zorn eine heilsame regung, wenn sie aus gerechtem anlasz stammt und wenn sie eine schwerfällige natur zum handeln treibt: und was der zorn, und was der frohe muth drum gab er uns den kühnen muth, daher der gerechte, heilige, edle, auch edelmüthige, begeisterte, fromme, tugendhafte zorn, insbesondere derjenige der vaterlandsliebe: da übernahm mich der gerechte zorn endlich bricht aus Heinrichs stirne auch ein edler zorn hervor 7) eine menge stehender wendungen kennzeichnen den zorn nach den symptomatischen erscheinungen im gesicht und am leibe, die ihn begleiten. der zorn blitzt, flammt, [Bd. 32, Sp. 97] funkelt, glüht (vgl. unten IV 4) aus oder in den augen. freier gestaltet sich dies in der dichtersprache: der alte mann ... sah hin, es war ein blick voll strahlenden zornes 1, 23; zorn blitzt mein blaues aug' auf den, ebenso ist bald die sinnliche anschauung, bald die mehr symbolische andeutung des affects die hauptsache bei solchen wendungen wie vor zorn das gesicht verziehen, verzerren, die augenbrauen runzeln, mit den zähnen knirschen, knurren, brummen, schnaufen, kochen, zittern, am ganzen leibe zittern: fremere knirschen mit den tzenden in tzornigem mode 246c; frendeo ... mit den zänen kirren vor zorn .. frendens brummend, und vor zorn die zän auff einander beiszend XI ling. 587a; adfremo ... in zorn uber etwas toben oder brummlen 31a; sunder er mit seinen zänen und nägeln der finger seinen zorn busset decameron 276; Serlo hatte ..., wie er es im zorn zu thun pflegte, mit den zähnen geknirscht und mit den füszen gestampft 22, 252 Weim.; hier würdest du fur zorn auffbeben vor grim in deiner kutten hupfen S. Dominici croll. leben 127 Kurz; der gantze leib zittert mir vom zorn horribilicribrifax 10 neudr.; hier schlosz ihm der zorn den mund Seb. Nothanker 1, 147. ganz von der ursprünglichen anschauung entfernt hat sich in neuerer, manierlicher zeit vor zorn (wie vor wut) schäumen, das nur den höchsten grad zornigen affects im ganzen ausdrückt: schon hat sie alles Alhards zorn enthüllt, 8) die starken äuszeren erscheinungen des zornes weisen auf innige beziehungen zum körper. a) in der alten medizin und psychologie ist der zorn eine wirkung der galle; auch die leber wird als sein sitz angesehen. daher verbindet die sprache diese wörter gern, so auch mit dem alliterierenden paar gift und galle: von der gallen nemen wir den zorn genesis 6, 19 Diemer; melancholia heiszet nichts anders, als eine schwartze gall oder zorn, weil man sagt: der zorn kommt aus der galle georg. curiosa 3, 98b; ein zorn, doch ohne gall gesichte 159; wenn galle, gift und zorn die leber übereilen b) der zorn ist dem körper schädlich: wenn man den zorn beschreiben will, so musz man selbigen eine heftige und zugleich schädliche gemüthsbewegung nennen, weil dadurch dem leben und der gesundheit groszer abbruch geschicht allgem. haushaltungslex. 3, 802; vom zorn die hitz zu dem hertzen ... getriben werde Ryff anatomie j iia; jetzt solte ich krank werden, dieweil ich im zorn esse und trinke B. Hertzog schiltwache bb. so wird der zorn als gesundheitsschädlich mit unmäszigheit und unkeuschheit zusammen genannt: ausschweifungen in der wollust, und unmäszigkeit im trinken, auch zorn (als ursache der nervenschwäche von virtuosen) [Bd. 32, Sp. 98] ästhet. d. tonkunst 235; dorumb zu dem ersten so solle er meyden pfeffer, und ander gewürtz, auch alle sure dinge, und hüt sich vor zorn und unkeuschheit Gersdorff wund artzney xlvii 2a. insbesondere ist er nach älterer medizin zu vermeiden bei einnahme gewisser arzneien und von den frauen in ihren verschiedenen gefährlichen zuständen: gibs (ein arzneimittel) dem menschen ... es hilfft, doch soll sich der mensch vor zorn hüten artzneybuch 1, 38; indem er (der gatte) ohn allen zweifel die beysorge haben muste, als möchte sich die angefangene fruchtbarkeit (der frau) durch den zorn wieder zerschlagen drei ärgsten erznarren 17 neudr.; ein gut rot güldinwasser .. dienet auch ... den weibern, so ihre recht nicht haben ausz kältin, schrecken oder zorn artzneyb. 2, 388. 9) nachahmung der symptome und der äuszerungen des zorns ermöglicht den dargestellten erdichteten, gespielten, künstlichen zorn: dasz die beschauer das bild des zornes selbst zu erblicken glaubten gesch. d. bild. künste 1, 135; der bauernsohn muszte sich, wie man zu sagen pflegt, 'einen zorn einbilden', um sie (schlechte speisen) hinunterzubringen erz. aus d. Ries 1, 17; ich warf meine cigarre mit gespieltem zorn auf die erde 5, 112. durch künstliches zorniges reden kommt man selber in den affect, daher sich in zorn reden u. ä.: musz man denn überall seine augen haben! polterte sie sich in einen künstlichen zorn hinein ritter vom geist 1, 106. umgekehrt einem den zorn ausreden 2317. 10) zorn ist der einzelne fall des affectes, ein zornanfall: der zorn des Achill; begunden die cardinäl ... wider papst Paschalem ... zürnen, dasz er dem keiser Heinrichen ... ein privilegium geben hat, ... nun was diser zorn dem papst heimlich ouch nit leid chron. helvet. 1, 50; wenn ... die nächste sonne über dem zorn Coriolans unterging 1, 182; heute ..., wo sie jenseits ihres zorns sind der grüne kakadu 93. 11) von thieren gebraucht, ist zorn zunächst der dem menschlichen zorn gleiche zustand, dann erregung überhaupt: die übergewälzte stirnhaut (des adlers) zeigt seinen zorn, und seinen muth physiogn. fragm. 2, 205; dasz thiere bei gewissen farben in zorn geraten 1, 56 Weim.; der hirsch wird alt auf hundert jar, (wo) man der hunde zorn umsonst zurücke hält 12) zorn ist der zustand der erregung in der natur, wie er besonders im sturm, in der gewalt der brandung, im strom der flüsse erscheint: davon zeuget sein geselle, nemlich des donners zorn in wolcken Hiob 36, 33; der kalte sturm vergeudet seinen zorn an den unerschütterlichen mauern der Hartburg erz. schr. 5, 33; mich dünkt ich höre noch den zorn der tollen wellen und baten den Rein um bedauren, dich möcht ich sehn, der du im dumpfen zorne, (aff' und bär) es schien des blutes zorn sich nach und nach zu legen [Bd. 32, Sp. 99] wie kan sich der zorn bey einer nerven legen, weil ein faden dardurch gehet practica der wundartzney 15. noch weiter gehend: man könnte das übermasz der leidenschaften, ..., den zorn der betreffenden leidenschaften nennen 5, 248. hierzu würde sich fügen zorn als krankheitsname (?): der starcke zorn, die gelbsucht grewel der verwüstung 871. II. der zorn gottes ist eine der bedeutsamsten vorstellungen in der religion der Juden. überall finden wir ihn in den büchern Mosis, bei den propheten und auch in den andern historischen büchern des alten testaments. von den poetischen erwähnt ihn am meisten Hiob, während er im psalter selten erscheint. so ist er auch ins neue testament übergegangen und ist bis auf den heutigen tag im rechtgläubigen christenthum ein nothwendiges, wenn auch seit Augustin viel umstrittenes und verschieden gedeutetes 'lehrstück', vgl. Herzog realencyklop. d. prot. theol.3 21, 7—7. die Calwer bibelconcordanz hat für zorn beinah 4 spalten, 1425b—1427b, die mit geringen ausnahmen nur solche stellen bringen, wo, in mannigfachen fügungen und verbindungen, vom göttlichen zorn gesprochen wird. das hebr. hat für zorn eine ganze reihe von wörtern, deren natürliche anschauung meist deutlich erkennbar ist. die häufigsten sind: aph, eigentlich nase, auch im plur. so gebraucht, vom 'schnauben' des zürnenden, aber auch schon so fest als zorn, dasz es heiszt chanah aph 'der zorn entbrennt', charon aph 'zornglut'; eigentlich 'glut', ebenso chori; ebrah, eigentlich 'überschwang'; auszerdem noch kezeb und zaam. das n. test. hat dafür nur ὀργή. in der lat. übersetzung des a. test. ist das nächste wort ira, daneben erscheinen ohne deutliche unterscheidung furor, iracundia, indignatio, besonders bei doppelausdrücken (iram furoris meae) und in parallelen sätzen. die 'erste deutsche bibel' übersetzt die lat. vorlage mechanisch und gedankenlos, ira und iracundia mit zorn, furor mit tobheit, indignatio mit unwirdigkeit (!). Luther braucht in erster linie zorn, und — das ist ihm eigenthümlich — als begleit- oder ersatzwort daneben grimm und in entsprechender weise das v. ergrimmen. zorn war in dieser geltung von anfang an das wort der religiösen sprache im deutschen und wirkte auch auf den allgemeinen gebrauch des wortes ein. Gottes zorn ist schon mhd. auszerhalb des religiösen gedankenbereiches allgemein üblich, s. hierunter bei 4. viel stärker aber hat die biblische auffassung seit Luthers übersetzung den allgemeinen gebrauch von zorn bestimmt und bereichert. es ist geradezu ein merkwort der protestantischen literatur und besonders des kirchenliedes. 1) zorn ist zunächst, der alttestamentlichen auffassung entsprechend, der zorn des strafenden gottes. bibelstellen nach Luther: da ergrimmet des herrn zorn uber Usa 2 Sam. 6, 6; warumb wil dein zorn ergrimmen uber dein volck 2 Mos. 32, 11; wer kan fur seinem zorn stehen? und wer kan fur seinem grim bleiben? sein zorn brennet wie fewr, und die felsen zerspringen fur im Nahum 1, 6; er wird heiligkeit nemen zum unüberwindlichen schilde, er wird den strengen zorn wetzen zum schwert weish. Sal. 5, 21; denn gottes zorn .. wird offenbart über alles gottloses wesen und ungerechtigkeit der menschen Röm. 1, 18. in geistlicher literatur: dazu ... widder gott handelt und unter seynem zorn stehet 18, 329 Weim.; das ... gott ... seinn zorn abstell 7, 244; denn gottes zorn und des todes stachel fülen leret wol das lachen verbeiszen oder freude ynn sunden haben 26, 221; es ist z besorgen, das der gross zorn gottes offt kumen ist uber die wält 1, 103 neudr.; darumb sie sich offt in tödtliche gefärlichkeit geben haben von solicheswegen, und noch nit ablassen, auch in dinem schinlichen zorn 1, 7. [Bd. 32, Sp. 100] im geistlichen liede: er wird ainest zu ynn grausame wort er thut mit stoltzer wolckenstimm o der schweren donnerstimm ich danke dir demütiglich er schilt: des himmels säulen zittern; in weltlicher literatur und allgemeinem gebrauch: doch bringen sie mit dem verdammen, ich hört ein vöglein singen: 'vorbei ist gottes zorn' 2) dafür treten in neuerer zeit unbestimmte ausdrücke, der göttliche zorn, der zorn des höchsten, des vaters, des himmels: vielmehr hat man zu zweiffelen ursach, ob nicht die erfindung des geschützes billiger dem göttlichen zorn, als seiner begnädigunge beyzumessen frauenzimmer-gesprechsp. 4, 414; da Jesus ... auch den göttlichen zorn an unserer statt empfunden 6, 17; wer weisz, was über dich des höchsten zorn beschlossen und lernet erst, warum er bitten soll, 3) da sich der zorn des höchsten richters als strafe kund thut, so geht die bedeutung von zorn in 'strafe' über. es verbindet sich so mit strafe und rache, der gegensatz dazu ist gnade, barmherzigkeit, erbarmen: denn wirt eine grosze not auf erden sein, und ein zorn disem volck Luc. 21, 23; so solt du vertilget werden, der zorn, grim und verfolgung sol dich treffen 28, 649 Weim.; wo er das nit thun wölte, wurde er den zorn und straaf gottes vor der thür haben Schwytzerchron. 261b. oft in religiöser dichtung: schau her, hie steh ich armer, der ewigen nacht gleich, so steigt nieder von den bergen o schwerer zorn der Venus! strenge rache! als dich der herr im zorn gerichtet [Bd. 32, Sp. 101] gottes zorn ist gerecht, vgl. oben i, 6: denn es war gottes gerechter zorn zu hart uber in komen 2 Makk. 9, 18; so ist doch der getrewe gott, auch mitten in seinem gerechten zorn seiner barmhertzigkeit eingedenck gewesen Gäbelkover artzneybuch a 2a. als strafender ist gott der gott des zorns: in dem ungewitter erblickte Luther ... den gott des zornes und der rache: ein blitz schlug neben ihm ein 1, 197. danach apostel des zorns und der rache 3, 92. 4) die schon mhd. formel gottes zorn geht auch in die allgemeine bedeutung 'verhängnis, schicksal, fluch' über: der vil heize gotes zorn ich lîde den gotes zorn syt der zyt 5) als böse leidenschaft gilt zorn in der bibel geradezu als sünde: ira diu sunde heizet zorn altd. bll. 1, 364 (mhd. wb. 3, 905a); denn von dem weine des zorns irer hurerei haben alle heiden getrunken offenb. 18, 3; das centrum des ja's ist die liebe, das centrum des nein's ist der zorn 5, 390. zorn ist der gegensatz zur gnade, s. o. 3, auch in der biblischen wendung kinder des zorns im gegensatz zu den kindern der gnade: Adam und all seine kinder so sey wir alle kinder des zoren, 6) aus der biblischen sprache stammen auch die ausdrücke becher, schale, kelch, ruthe, tag des zorns, vgl. die entsprechenden zusammensetzungen: nim diesen becher weins vol zorns von meiner hand und schencke draus allen völckern Jerem. 25, 15; und ich höret eine grosze stimme aus dem tempel, die sprach zu den sieben engeln, gehet hin, und giesset aus die schalen des zorns gottes auff die erden offenb. 16, 1 (erste deutsche bibel schenkvasz); seines zornes kelch offenb. 14, 10; gefesse des zorns Röm. 9, 22; wende den kelch deines zorns und der unerträglichen quaalen über völker und reiche den soltu nur nach lust vexieren, warumb ergeussest du den groszen zorn auch nicht? [Bd. 32, Sp. 102] nicht als verworfenes volk euch zerstreut der tag des zornes ist erschienen 7) aus diesem vorstellungskreise stammen eine menge von zusammengesetzten substantiven, besonders aus dem 17. jh. Stieler nennt im register zornbecher, -besen, -bild, -geist, -gericht, -gesetz, -kelch, -kelter, -kind, -ruthe, -spiegel, -stimme, -teufel, -zeichen. bei Dannhawer finden sich, neben anderen, zornblitz, -fehler, -gerechtigkeit, -last, -schatz. -scepter, -zeuge. besonders ist J. Böhme in solchen bildungen unerschöpflich wie zornauge, -bad, -baum, -bildnis, -brod, -fürst, -garten, -geist, -grube, -kette, -kleid, -leben, -quaal (m.), -quell, -reich, -schwerdt, -welt, -wille. hierzu noch aus derselben zeit zornaltar Lohenstein; zornarm, -hand Ziegler; bey der ewigen gnaden- und zornwahl kirchen- u. ketzerhist. 2, 513a. in allen diesen worten handelt es sich um den zorn gottes oder auch um das, was gott verhaszt ist. 8) den hat gott im zorn geschaffen, meist mit dem zusatz irgend eines berufes, sagt man allgemein, um jemand als völlig ungeeignet zu bezeichnen: mein lehrer ward der konrektor Adami, den gott im zorn zum schulmanne gemacht hatte gesch. m. lebens 1, 71; zu einem schulmeister hat uns der liebe gott im zorn gemacht Horacker 92; zu einem solchen hat der herrgott euch in seinem zorn geschaffen söhne des thales 184; ein ort ..., den gott in seinem zorn zu einem seebade hat werden lassen an Dahlmann, briefw. 2, 247. ähnlich: bei dem alten in gottes zorn zum arzt gewordenen dr. Isegrimm 3, 372; ihr thoren! glaubt ihr denn, dasz gott im zorne 9) in derselben weise wird gesprochen vom zorn des teufels, der götter, der unsterblichen, des glücks, des schicksals: der teufel der ... seinen zorn also büszt 10, 2, 280 Weim.; ein opffer auch zu thun daneben bis du hebe dich weg, denn du kömmst mit dem zorne der götter beladen! mensch, zittre du vor deines götzen zorn 10) zorn ist überhaupt der strafende unwille dessen, der zu gebieten und zu richten berufen ist: dasz (die stände) ihnen (den unterthanen) keine hinderung hierinnen thuen, noch andern bey vermeidung Ihrer Kays. Mayst. zorns und ungnade thun lassen verh. d. schles. fürsten u. stände 1, 67; der fürsten zorn ist wie ein blitz, den man eher empfindet, als höret Arminius 1, 308; des königs zorn ist ein vorbott des todes 364b; der torwarte ... forchte doch den czorn des burgermeisters thüring. chron. 2. hierzu composita wie amtszorn, königszorn, rachzorn, vaterzorn 2317. ferner zorn des landes, des reichs im sinne von 'acht', auch zorn alleine: als thue ich ihn in zorn, achtung und verfestung meiner gebietenden herren und gantzer gemeiner stadt 2165; 2, 755b. [Bd. 32, Sp. 103] so auch der zorn der kirche und des vaters: und doch welchem thut sehr weh, III. zorn hat in seiner allgemeinen bedeutung noch eine reihe von ständigen verbindungen. 1) verben, die den verlauf des affects kennzeichnen: a) der reiz zum zorne: einen zum zorne reizen 2317, älter zu zorn 26a; denn wir werden unsern vortrag so einrichten, dasz keiner dadurch erbittert oder zum zorne gereizet werde vern. tadlerinnen 1, 6. zum, zu zorn bewegen 467a, in zorn bewegen, ganz veraltet: könig Bolus in zorn und verdrusz bewegt Schwytzerchron. 295a; Äsop 39; nachtbüchlein (1559) 187 Bolte. zum zorn versuchen 1, 156 Bohtz. den zorn reizen, wecken. in bequemer sprache: der zorn beiszt dich. b) die entstehung und den beginn: in zorn gerathen zuerst bei Adelung, vgl. th. IV 1, 2, 3570: so gerieten sie auf einmal in zorn gesch. d. pelop. krieges 693. dafür älter in zorn fallen decameron 16 u. ö., 2, 41. veraltet ist auch einen zorn fassen: ich bit euch all, faszt hie kein zorn c) den weiteren verlauf. älteres: dem zorn raum geben 397; stat geben erste deutsche bibel 2, 49; den zaum lassen 733; dem zorn nachhengen 536b; den zorn verhengen 467a; der alt flaischlich mensch hörte gern ain soliche freyhait, damit im der zorn gehenget wurde, allen sein gelust zu bieszen Urbanus Regius von leibaygenschafft b 4b. als alterthümlich erscheint seinen zorn büszen 34 Halm. allgemein üblich ist seinen zorn an jemand auslassen, schon 586a, 2317, besonders an unschuldigen personen oder gegenständen: komme ich nun in den keller und finde sie (die geliebte) nicht, so lasse ich meinen zorn an euren weinfässern aus Ollapatrida 89 neudr.; dann liesz sie ihren zorn an ihrer arbeit aus 2, 356. ähnlich seinen zorn austoben, seinem zorn luft machen. d) die beendigung des zorns, älteres: den zorn fahren lassen 397, Stieler; den zorn fallen lassen oft bei Arigo, 364b; lassend den zorn fallen gartengesellschaft 33 Bolte; den zorn legen oder ablassen, den zorn geben, hinlegen Dasypodius; den zorn meszigen, hinlegen 586; vom zorn abstehen Stieler; der schmid von seinem zorn abstund und wil den zorn, der ihn jetzt beiszt, [Bd. 32, Sp. 104] 2) präpositionen. belege zu vor zorn und im zorn oben I 4. doch bezeichnen im zorn, in zorn auch einfach den zustand, in dem sich einer bei einer handlung befindet, ohne dasz er die ursache davon ist: künig Serah, der bracht in zoren het ich den pfaffen in meim zorn o lasz ihn nicht im zorne von dir gehn! das gegentheil ohne zorn ist im älteren nhd. entsprechend dem mhd. âne zorn formelhaft, und gelegentlich ziemlich bedeutungsleer: gütiglich, mit friden, on zorn 971a; domit heb ich mein red hie an: das glaub mir sicher one zorn 6. 3) adjective. grosz ist, besonders in älterer sprache, ein gleichsam stützender begleiter von zorn, wie auch von hasz, th. IV, 2, 554: so wirt der hausherr gleich auffstehn, das pferd vor groszem zorn sich bald zu tode lief Reinicke Fuchs (Rostock 1650) 334. ähnlich grimmer, grimmiger zorn. der rasche, heftige zorn ist der helle zorn, der schlimmste zorn ist der unversöhnliche: der sonderbare eifer, und der unversöhnliche zorn des feindes schwed. krieg 2, 8. am schädlichsten ist der zorn, wenn er sich festsetzt, daher die steigerungen der verhaltene, der alte zorn: versön den alten zorn mit im der alte zorn kommt wieder, der alte, eingefress'ne zorn, o senke, steigt der dunkle zorn mir wider, allgemein üblich sind die verbindungen mit voll und lauter: er ist voller zorn 2317; dann ir gemüt war zorens voll ein schnöde tochter voller zoren 69b; dasz er in vollem zorne sein buch zuschlug 1, 233; mit einer stimme voll zorn und schmerz 4, 196; sie verdienen nichts dann lauter zorn antipap. eins u. hundert 1, 8a; aus lauterm zorn und hassen 4) das natürlichste bild des zornes ist das feuer: excandescentia, entzündung mit gähem zorn undec. ling. 505b. daher stammen eine menge allgemein üblicher wendungen. a) der zorn ist ein feuer, flamme u. ä.: mäszige die hitze des eifrigen zorns polit. redn. 56; wenn die flamme deines zorns weht 1, 175; im feuer seines philosophischen zornes 1, 69. dazu heiszer, hitziger, feuriger zorn. b) der zorn wird entzündet, entbrennt, verraucht, wird gekühlt: [Bd. 32, Sp. 105] des teuffels zorn ist gar entbrand wan sein zoren werd bald anbrennen c) der mensch entbrennt im zorn: ihr hertz in zoren hitzig bran wan thust in zorn erbrinnen d) hieraus erwachsen viele zusammensetzungen wie: zorn-(zornes-)blitz, -brand, -brunst, -feuer, -flamme, -funke, -geflacker, -gluth, -hitze, -lohe, -ofen. auch bei zornausbruch denkt man an einen brand oder einen vulkan. ferner zornbrennend, -glühend u. ä., s. unten VI 2 a β. 5) spruchmäsziges und sprichwörtliches vgl. oben DWB I 2 und 5: ein linde antwort stillet den zorn, aber ein hart wort richtet grim an spr. Sal. 15, 1; ubersehen stilt vil zorn Seb. Franck sprichw. a ii 72b; schöne weise klugreden 26b; nachlassen stillt vil zorn 24a; klugreden 149b; zorn altet langsam 145b; es ist besser ein kleyner zorn, dann ein groszer schad 156b; der zorn fängt mit ungestümmigkeit an, und endet sich mit reu und leid polit. Jesus Sir. 18; ein metzger der das vieh absticht, zorn zieht mit doppelbrunnenzügen: narren oder thoren zorn: ein narr zeigt seinen zorn balde, aber wer die schmach birget, ist witzig sprüche Sal. 12, 16; stein ist schwer, und sand ist last, aber des narren zorn ist schwerer denn sie beide 27, 3; beim zorn kennt man den thoren; mit des thorn zorn bisz unverworren; der zorn erwürgt den thorn klugreden 144b. frauenzorn: und kein zorn ist so bitter, als der frawen zorn Sir. 25, 21; kein zorn ist uber frawen zorn IV. das im mhd. so verbreitete es ist, es wird, es thut mir zorn ist noch im frühen nhd., besonders bei H. Sachs, allgemein üblich, verzeichnet von copiosa supellex 534. es verschwindet aber im 17. jh. 760 erläutert es für Nahum 1, 6 als veraltet durch beispiele aus dem heldenbuch. ebenso ist ein citat aus dem Renner: die selbe verlust, die thät mir zorn unterr. v. d. d. spr. 1, 356. heute nur mundartlich Schmeller2 2, 1166; kärnt. wb. 266, literarisch nur in alterthümlicher färbung: das thät dem schneider zorn, nahm einen fleck von tuch und schlug auf den apfel kinder- u. hausm. 1, 11. ältere belege: dem was gar zoren, das man die abgötter zerbrochen hett d. heil. leben, winterth. 172a; da die von Bern des innen wurden, dasz der pöswicht so mörtlich und so vintlich mit den armen leuten umbgangen was, das was in zorn und laid chron. d. städte 5, 173 (Augsburg 15. jh.); als daz der keyser innen wart, thet es im gar zorn cosmogr. 196; das dem schneider zorn thon hat schwankb. 19 (vgl. oben den beleg aus Grimm); das schwinde scheiden thut mir zorn mir ist auf den Tanawäschel zorn des sind die pawren innen woren [Bd. 32, Sp. 106] der prädicative gebrauch führte dazu, das subst. zorn als adj. zu behandeln, vgl. gramm. 24, 283, daher der comparativ: nichts thut mir zörner noch macht mich betrübter Calistus 200; Pegasus hat flügel und hörner, V. zusammensetzungen. 1) die regelrechte form in der zusammensetzung ist zorn-, so schon Stieler, der daneben ein einziges zornsglut hat 672, s. bei c. daneben erscheinen a) zornen-, ganz vereinzelt: halt ein, o groszer gott, zu strafen, b) zoren-, s. oben sp. 91, bei H. Sachs: z. b. zorenmütig 1, 370; zoren schellig 16, 501 Keller-Götze. noch bei Dietrich von dem Werder im Ariost als zorren: zorrenschmertzen 10; zorrenzunder 195; zorrenshitz 276. c) zorns-, nur vereinzelt in älterer zeit: in zornswise Terenz deutsch (1499) 74b; zornstrotzig geschichtsklitt. 347 neudr.; mit zorns macht dramen 1, 181 Keller; gottes zorns-wort 2, 143. in neuerer zeit ganz ungebräuchlich bei subst., eher mal mit einem den gen. regierenden adj.: eine zorneswürdige nation allg. d. bibl. 19, 197. d) zornes-, in älterer zeit nur als zusammenrückung, in welcher der gen. syntactisch bedingt ist: in zornesgrimm 18, 412; 20, 471 Keller-Götze. auch weiter bis zum ende des 18. jhs. nur selten, als versfüllung: zur straaf und zornesruthen des vaters zornesflut fährt über ihn mit graus das zweite wort beginnt natürlich stets mit der tonsilbe, ausnahmen wie zornesgeheul zauberring 2, 88; zornesgedanken 2, 163 sind entgleisungen. bei adj. hat zornes- adverbialen sinn: zornesblau, zornesbleich, zorneseifrig, zornestoll, zorneswund u. ä. eine form wie zorneslähmend 3, 221 ist ebenso vereinzelt wie sprachwidrig. bei den einzelnen zusammensetzungen werden die mit zornes-, so weit nöthig, unter denen mit zorn- angeführt. 2) stehende formen der zusammensetzung sind a) solche mit dem part. präs. α) zorn als obj.: zornathmend, zornausgieszend, zorndrohend, zornerregend, zornlähmend, zornsprühend. β) zorn adverbial, 'vor zorn', das verb drückt ein 'symptom' aus, s. oben I 7: zornbebend, zornbrüllend, zornerröthend, zornknirschend, zornschäumend, zornzitternd, vor allem von blicken [Bd. 32, Sp. 107] und augen: zornblitzend, -flammend, -funkelnd, -glitzernd, -glühend, -leuchtend, -lodernd. b) mit dem part. pass.: zornbeladen, -belebt, -bewegt, -empört, -entfacht, -entglommen, -erfüllt, -ergeben, -erglüht, -erkrankt, -erquickt, -durchglüht, -durchrollt, -gereizt, -geschwellt, -geschwollen, -umfluthet. c) inhaltliche gruppen von zusammensetzungen s. bei II 7 und III 4 d.
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