Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
verwandt bis verwandtenzwietracht (Bd. 25, Sp. 2121 bis 2127) | ||||
| ![]() ![]() in älterer zeit bedeutet v. die verschiedensten arten von beziehungen, die eine verbindung zwischen mehreren gröszen herstellen. in neuerer zeit hat sich die bedeutung im wesentlichen auf eine bestimmte beziehung, die familienzusammengehörigkeit, verengt. von hier aus wird das wort aber wiederum in mannigfacher weise übertragen gebraucht, so dasz verwendungsarten entstehen, die sich dem alten, freieren gebrauch erheblich annähern, man zuweilen sogar zweifeln kann, ob nicht unmittelbare fortsetzung des älteren gebrauchs vorliegt. die grösze, mit der eine andere in beziehung steht, wird in älterer zeit durch den dativ ausgedrückt, daneben tritt seit der 1. hälfte des 16. jahrh.s v. mit (ältester beleg bei s. u. 7), zunächst vorzugsweise von verwandtschaft durch familienzusammengehörigkeit gebraucht, in neuerer zeit vorherschend, ohne den dativ völlig zu verdrängen. in der besonderen bedeutung 'an etwas betheiligt, in etwas verwickelt' begegnet auch v. in und v. bei (s. u. 5). 1) befreundet, zugethan: die, so mir vor mit gunst und lieb verwandt 1, 409 B.; den andern, so üwer gnad in fründschaft oder sunst in christlicher gesellschaft verwandt deutsche schr. 1, 115; von meinen besten und verwantisten freunden weiberspiegel B 1b; denselben war ich auch bekandt, wer ist dem staat verwandt? viel, die das steuer fassen, 2) v. durch staatliche, rechtliche, gesellschaftliche, religiöse bindung; durch zugehörigkeit zu einer gemeinschaft: welchermaszen fur langer zeit in und fur der stadt T. alle kirchen und schulen mit der augspurgischen confession verwandten prädicanten und schuldienern versehen gewesen (1618) acta publica 1, 63 P.; alles was der kyserlichen armee verwand war altes Pommerland 5, 360. durch bündnis: welcher kundtschaft auch hat genossen [Bd. 25, Sp. 2122] dan obwol der könig wieder den keyser und das römische reich weder einigem hülfe geleistet, noch mit bündnusz sich verwandt gemachet v. schwed. krieg 1, 13. am häufigsten von staatsrechtlicher zugehörigkeit und unterthänigkeit: das er mit seinen schlössern und stätten ... dem stift Maynz ... v. und zugethan wäre 72 B.; vil adels ist noch zu diser zeit in dem Turgöuw, habend ire schloszer, gericht und güeter lustig und sind darbei gemeinklich der eidgnoschaft policei v. und der hohen oberkeit undertn 1, 2; das dorf W., dem abt in der Ow verwandt Schweizerchronik 407a; als haben sie dem herkommen nach die erbhuldigung einnehmen wollen, die gesammten stände sich desto besser v. zu machen polit. redner (1677) 976. sehr oft mit pflicht v.: kain ir burger, burgerin, hintersesz, untertan oder inen mit pflichten v. Nürnberger polizeiordn. 57 B.; irer pflicht, domit sie ainem erbern rat v. gewesen sein (Augsburg 1528) chron. d. d. städte 23, 203; beamte oder andere officirer, so dem landesherrn mit pflicht v. Noel Chomel 5, 133. ähnlich mit pflicht, eid und gelübde (Augsburg 1478, chron. d. d. städte 22, 440), mit eiden ( reden 1 B.), mit lehenschaft (Augsburg 1528, chron. d. d. städte 23, 181), mit unterthänigkeit ( denkwürd. 202 Ö.) verwandt; in neuerer zeit mit pflicht v. zuweilen in freierem sinne, ohne dasz von rechtlicher bindung die rede ist: die pflicht, mit welcher er sich und seinem nächsten v. ist satir. u. ernsth. schr. 139; archaisierend: die pflicht ..., mit der er gott v. sei s. w. 16, 331. 3) von der zugehörigkeit zu beruf und arbeitsgebiet: der du der feder bist verwand, 4) zuweilen v. schuldig; mundartlich 2, 219; 1, 432; vorarlberg. 4, 322; westerw. 313; henneberg. 2, 135; 270; obersächs. 2, 618; 231a; und ist auch in solchem fall kein unterthan seiner berkeit ein harbreit schldig odder verwand 30, 2, 197 W.; er ist mir zehn thaler verwandt zuwachs der sprachkunde 2, 126, daneben auch er ist mir mit 100 thaler verwandt nouv. dict. 2, 941b. 5) an etwas betheiligt: wer den anzaiget, dem wollt man geben tausend gulden, und so er gleich wer derselben (sach) v., so wolt man ihm sein leben sichern (Augsburg 1533) chron. d. d. städte 29, 54; auch v. in diser sach 16, 41 G.; bey dieser sachen histor. processus juris (1600) 442. 6) v. durch wirkung auf etwas oder beeinflussung durch etwas: diweil der straus mir (dem podagra) nicht wenig v. ist, mit dem das sein schmalz und aier meine verehrer zu linderung und versünung meines vexirens uberstreichen 3, 102 H.; dasz hohen eichen sey der schnelle blitz verwand der kopf ist nicht dem herzen mehr verwandt, 7) v. durch familienzusammengehörigkeit: cognatus Frisius; cognatus, cognatione propinquus Er. Alberus; cognatus, affinis, cognatione conjunctus Dentzler; oft auch von angeheirateter verwandtschaft: die burggraffen, [Bd. 25, Sp. 2123] die nun fürsten und durch die obgemelten magschaft (vermählung mit der tochter) Carolo verwant waren (Nürnberg 1488) chron. d. d. städte 3, 163; mit blutsfreund- oder schwägerschaft verwandt catechismusmilch 2, 268; wohl euch, dasz ihr mit dem verräter nicht näher v. (sein schwager) worden 8, 84 W. (Götz 3). auch auf zugehörigkeit zu einem volk erweitert: wie wird der städte wohl gebauet, warum, warum er msz der breut ja sein verwant den mann, der ihr als bruder oder ohm, 8) in weiterem sinne von allem, was auf gemeinsamen ursprung zurückgeht oder zurückzugehen scheint. vom verhältnis des menschen zu andern bereichen der schöpfung: geselle dich immer zur erde, mein staub, sag an, o groszer gott, wie bin ich dir verwandt, [Bd. 25, Sp. 2124] aus des nordens dunkeln hallen 9) in den oben angeführten fällen ist die annahme, dasz mehrere dinge v. seien, vielfach aus ähnlicher beschaffenheit erschlossen, und es ist oft unsicher, ob die dem gebrauch von v. zugrundeliegende vorstellung nur die beobachtete ähnlichkeit oder auch die daraus gefolgerte verwandtschaft umfaszt. zweifelhaft sind fälle, in denen angegeben wird, auf welchem bereich ähnlichkeit beobachtet ist: viel andere, inen an sprach und sitten verwandte völker Curäi chronica 13. oft tritt die vorstellung 'ähnlich' beherschend in den vordergrund: v. nach beschaffenheit, wesen, eigenart. a) nicht oft von concreten gegenständen: dann je der arsz ist viel verwandt es (der pflug) ist gemacht, um zu verletzen, b) vom menschen: so darf auch ein jeder, ob er schon bei seinem eid zu behaupten vermeint, dasz er weder dem Momo, noch Zoilo v., disz tractätlein tadeln, beurtheilen, verachten 4, 503 K.; dasz die freipartheien im dreiszigjährigen kriege ... ziemlich nahe mit straszenräubern v. waren verm. schr. 2, 129; gaukler und dichter [Bd. 25, Sp. 2125] denn das naturell der frauen c) von menschlichen eigenschaften, zuständen, empfindungen, thätigkeiten, gedanken: ubermuht und ehrgeitz (sind) ... alle der unsinnigkeit verwandt militaris disciplina 4; schlemmerey und ohnsauberkeit, dann dise beede gemainiglich v. seind Judas 1, 4; der wollust höchster grad ist mit dem schmerz verwandt d) von sonstigen geistigen und abstracten begriffen: mit dem geml und im verwandten könsten bibl. historien 279 K.; die beyden künste, des mahlers und des poeten, sind einander sehr nahe verwandt crit. dichtkunst 1, 13; bildende kunst und die ihr verwandten handwerke 25, 8 W.; verwandte wissenschaften restaur. d. staatswiss. 1, lxii; eine abhandlung verwandten inhalts 18, 331 M.; diese verwandten begriffe 22, 36 S.; gesch. d. materialismus 119; s. w. 1, 320; in einem verwandten falle 41, 1, 185 W.; eine geschichtliche ansicht verwandter zustände 46, 10 W.; diese und verwandte punkte III 4, 14 W.; aus ... verwandten vorfällen röm. gesch. 2, 39; aus verwandten anfängen und entwickelungen s. w. 1, 55; auf verwandte weise 4, 79. e) von sprachlauten und tönen: das w, b, p sind verwante buchstaben frauenzimmergesprächspiele 3, 315; wenn gantz ungleiche, doch nahe verwandte buchstaben miteinander gereimet werden anleitung z. deutschen poeterei 158; da η ehemals durch ε geschrieben worden, so müsse die aussprache von beiden v. ... gewesen ... sein antisymbolik 2, 172; wie aber dise modi einander verwant, dasz oft ein autenticus mit seinem plagiali vermischt werde, allsz in dem sequents victimae paschali laudes musica 91 lit. v.; in einem nach der gleichschwebenden temperatur gestimmten clavier sind gar alle töne in absicht auf die versetzungen gleich v. und völlig einerley theorie d. schönen künste 4, 673; doch klingt ein griff verwandter töne, 10) am häufigsten ist substantivierter gebrauch, sehr oft in verbindung mit sinnverwandten wörtern (s. u.b α; d). a) die vertheilung starker und schwacher formen zeigt in der neueren sprache keine abweichungen von der üblichen adjectivflexion. auch dasz in älterer zeit nach dem possessivum mehrfach starker plural begegnet (meine verwante und freünd Terenz 36a; dein mitgenossen und verwandte 1, 428 K., aber seine verwandten 2. könige 10, 11; ir verwanten spiegel d. sitten N 4b), entspricht gewöhnlichem brauch (s. syntax 1, 192 f.); anderseits kennt das ältere nhd. wie bei anderen stehenden substantivierungen (s. 1, 215) schwachen plural auch unabhängig von syntaktischer gruppenbildung: so nach verwandten oder erber gt fründ kmmen 1, 30 ndr.; schatz, es seind verwanten, b) zu 1, 2 und 3, freund, anhänger, vertrauter, unterthan, verbündeter, glied einer gemeinschaft: [Bd. 25, Sp. 2126] α) auf personen bezogen: also schlug Jehu alle ubrigen vom hause Ahab zu Jesreel, alle seine groszen, seine verwandten (hebräisch bekannte, vertraute) und seine priester 2. könige 10, 11; da fiel diser Otho, ein gesel, verwandter und mitbler Neronis das keiserthumb an chron. Germ. (1538) 23; die zal und namen der Helvetier und irer verwandten Schweizerchronik 13a; bundsgesellen und verwandte 162b; bey iren verwandten und gönnern 220b; dasz der Satan seine zugethanen und verwandten mit solcher nahrung ätze und speise anthropodemus 1, 22; Cecilia mit ihren verwandten β) auf sächliches. nachgestellte ergänzung steht im genitiv: ein arbaiter oder verwanter des hals (s. th. 4, 2, 229) und salzsieden (1523) österr. weisthümer 10, 6; der regirende burgermeister Claus Storm mit anderen vil bürgern und verwanten des raths (Magdeburg 1524) chron. d. d. städte 27, 203; des ... cardinals G. und anderer lieben verwanten und untersassen der h. apostolischen, catholischen ... kirchen binenkorb (1588) A 3b; von einem trefflich gelehrten, ... auch liebhaber des mysterii und ein groszer verwanter desselben schr. 6, 51. vorgestellte ergänzung zuweilen im dativ: er ... halt sie wie andere dem reich verwandte chron. Germ. (1538) 112. häufiger gleichfalls im genitiv: darnach hat sich H. Th. von A. ... unterstanden, romischer kayserlicher mayestat diener und des schwebischen bunds verwandten ... gefangen Thomas v. Absberg 2 lit. v.; alle des reichs verwanten chron. Germ. (1538) 161; daher sind wohl auch wortformen, die genitiv oder dativ sein können, eher als genitiv aufzufassen: wolauf, ihr musicanten, c) zu 7: gesippte, verwandte XI ling. 938a; der selb was nun mein verwanter (is mihi cognatus fuit) Terenz 27a; da die ehe kinderlos geblieben war, fielen nach ungarischem recht ihre güter an ihre verwandten zurück jahrb. d. Grillparzerges. 8, 82; keine nahen verwandten s. schr. 31, 90; sein nächster, ältester verwandter ges. schr. 5, 181; zu entfernten verwandten 1, 11 R.-M.; dasz B. v. L. ein entfernter verwandter meines mannes ist s. w. 1, 4; ascendenten, verwandte in aufsteigender linie reinigkeit d. deutsch. sprache 232; eine ehe darf nicht geschlossen werden zwischen verwandten in gerader linie bgb. § 1310. sonst bezeichnet v. ohne nähere bestimmung meist nicht eltern und geschwister, steht oft geradezu in gegensatz dazu: all die, weil sy in leben waren, ihr brüder gehaszt, ir verwanten veruntreüt spiegel d. sitten N 4b; pietas, die lieb, trew und ehr gegen ältern, verwandten, freunden underthanen (1540) 8a; der vater, sohn oder [Bd. 25, Sp. 2127] nächste verwandte (des verstorbenen) 5, 197 S.; das kind hatte ... nach Wilhelms eltern, geschwistern und verwandten gefragt 22, 4 W.; da giebt es kaum eine familie, die nicht einen sohn, einen bruder, einen verwandten in der armee hätte ges. schr. u. denkw. 7, 61. — auswahl von compositis: verwandtenehe hwb. d. staatswiss.2 3, 803; 4, 1192; — -fest: als er von B. nach K. zu einem v-e eilte 2, 416 E.; — -gericht geist d. röm. rechts 2, 1, 193; — — -liebe dram. w. 4, 47; kl. schr. 8, 464; — -los: die kinder, die so v. aufwuchsen schr. 18, 21; — -mord 219, 189; kl. schr. 1, 251; rechtsalterthümer4 2, 342; — -name 5, 61 H.; schr. 16, 245; — -pflicht erzähl. a. d. Ries 3, 183; — -recht Äschylus 298; — -schaar 12, 83; 4, 355; — -stelle: einen freund ..., der für diesen augenblick v. bei mir vertreten hat briefw. u. tageb. 4, 429; — -versorgung: nepotismus, verwandtschaft, v. reinigkeit d. d. sprache 303; — -zwietracht akad. vorträge 1, 31. d) verbindungen mit sinnverwandten wörtern, die unzweideutig zu b gehören, s. o. in der sehr häufigen verbindung mit bekannte und freunde ist, namentlich in älterer zeit, oft zweifelhaft, ob verwandte mit diesen wörtern gleichbedeutend ist oder im gegensatz dazu die familienangehörigen meint: wo sind dein ureltern hin kummen, ... bey gsellen und bekandten, schaz, es seind verwanten, e) zu 8 u. 9: dasz Pelasger und Ionier ursprünglich asiatische völker waren, wahrscheinlich verwandte dieser (der phönicischen) sprache 12, 28 S.; hiernach darf man ... jene Aboriginer ... für nahe verwandte der Umbrer halten die Etrusker 1, 56; die beziehungen eines deutschen wortes zu seinen germanischen verwandten Kluge etymol. wb.6, einl. 12; unter den ausländischen hat sie (die turteltaube) nähere verwandte naturgesch. d. vögel (1822) 6, 234; (die birke) ist der nordische baum ganz vorzüglich, der keinen verwandten in Südeuropa mehr findet gesch. d. deutschen bodens 220. von geistiger verwandtschaft: hier wars, wo wir den stammbaum der geister zum erstenmal auseinanderrollten und Julius einen so nahen verwandten in Raphael fand 4, 33 G. f) als femininum ist die verwandte üblich: es hatte dazumal die hertzogin unter ihren hofjungfrauen eine verwandte frauenzimmergesprächspiele 2, 89; ihre nahe verwandte und intimste jugendfreundin w. 3, 37 G.; ihre verwandte kehrt wieder 3, 698. daneben findet sich, seit dem ausgang des 17. jahrh.s bis zur mitte des 18. häufig, später nur noch selten verwandtin: teutsch-engl. lex. 2188; 2, 932; abgelehnt von orthogr. gramm. wb. 286b, Adelung und Campe: eine v. des kaisers Octavia 1, 883; eine nahe v. von dem marquis de briefe 6, 37 H.; [Bd. 25, Sp. 2128] die schamhaftigkeit und ihre nahe v., die sittsamkeit d. nord. aufseher 1, 66; hier traten die mutter und einige verwandtinnen herein 3, 167 Tieck; irgend eine nahe verwandtin 4, 121 G.; in dem salon einer vornehmen verwandtin s. w. 2, 335; eine curatel für meine ... v. zu beantragen d. letzte Reckenburgerin (1871) 2, 112. g) zuweilen auch das substantivierte neutrum: ich werde manches verwandte herbeiführen können II 6, 28 W.; die ausgabe der gemeinsamen zeitschrift durchgedacht, vieles verwandte durchgesprochen III 2, 208 W.: o das ist ja eben das himmlische der freundschaft, sich im geliebten gegenstande ganz zu verlieren, neben dem verwandten so viel fremdartiges ... ahnden schr. 4, 23; das verwandte ärgert sich, das verschiedene aber unterjocht sich gegenseitig ges. schr. 4, 226; das ungleiche und doch verwandte hält besser zusammen 2, 162; die beiden hatten ... doch etwas verwandtes in der skrupellosigkeit, mit der sie sich selbst durchsetzten v. Grabenhäger 1, 158.
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