Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
übelstehend bis übelthätigkeit (Bd. 23, Sp. 46 bis 52) | ||||
| ![]() ![]() 1) unglücklich, zu übelstehen, vgl. oben übel und folgenden beleg: [Bd. 23, Sp. 47] lasz dir unser langes übelstehn 2) unziemlich: sed peccaturo obsistat tibi filius infans, sol dir wehren und im liecht oder wege stehen, wenn du etwas übelstehendes begehen wilt fons lat. (1646) 797; hieraus erlernen wir zugleich, warum es nicht nur etwas übelstehendes, sondern der höchste grad der thorheit und gottesvergessenheit wäre, wann ein poet gott blutrünstig und verwundet vorstellen wollte v. d. wunderbaren 62; selbst das bessere und vorzüglichere wird übelstehend, wenn es nachgemacht, nicht natürlich ist anmerk. zum 1. buch v. Cic. de off. (1783) 147. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() zur form: umgelautete pl.-formen begegnen bei Stainhöwel u. Hutten: durch schwere sünd und übelthäten de claris mulieribus 60; nachfolgende stuck und übelthät 3, 349; umb unser sünd und übeltät willen decam. 3, 7; starke pl.-formen sind nicht sicher nachzuweisen, meist handelt es sich um singulare verwendung, die oben genannte form übeltät ausgenommen. schwacher dat. sg.: bringt man dann syn gtten fründt, bedeutung und gebrauch: missethat, miszhandlung, vertretung, sünd, verwirckung, verbrechung, unthat (1617) 273. 1) im weitesten sinne jede böse that, gegensatz: wohltat, gutthat; begriffliche abgrenzung gegen das syn. missethat versucht 470: 'wird jemandem wehe gethan, so ist es eine übelthat, wird aber eine person oder ein gesetz verletzt, so ist es eine missethat, die ein stärkerer ausdruck ist'; ähnlich 11, 138 ff.; missethat überwiegt im gebrauch, im älteren nhd. sowohl, wie insbesondere in der neueren zeit, vgl. beurtheilung 2, 47, der für Luthers sprachgebrauch ein starkes übergewicht für missethat feststellt und übelthat nur im sg. bei ihm belegt findet. übelthat setzt sich zunächst als gegensatz zu wohltat fest: vnzeitig wolthat ist gleich einer übelthat sprüchw. 1, 93a; die wolthat, übel angewand, wohlthat ist gar bald vergessen, [Bd. 23, Sp. 48] die zeit desz auffsehens und desz achthabens der übelthat opera 2, 581; die dan viel boszheit, schalckheit, übelthat und obermuth trieben chron. d. W. Gerstenberg 21; was unheils nur geschicht, was unwesen durch übeltaht entstehet ... alsbald musz das arme glükk es versehen haben friedenssieg 10 neudr.; Heliogabalus verübt viel übelthat ged. 72; gib gütikeit für übeltatt ach lieber son es ist mein rat: ich heisz ein affen yedermann, der offtmals wider seinen willn ... vnd schreibt darzu sein übelthat, ich hauste in der Lampartey (er) will 2) verengt eine gegen die gebote gottes verstoszende that, sünde: welcher (der teufel) die menschen in jhrer boszheit stercket, dasz sie ... solche übelthaten auszrichten 342, 236, 20 Weim.; denn jr pflüget böses, und erndtet ubelthat, und esset lügen früchte Hos. 10, 13; darumb sollen alle christglawbige ... sich bevleyszen, sich übelthat zuenthalten 18, 262, 15 Weim.; es ist auch nit war, dasz der tüffel die straffen erdichtet hab, ... dan der teüffel ist ein erfinder der sünden und got ein straffer der übeltadten a. d. adel 48 neudr.; sie werden von jhr missethat, übeltat, sünden wegen sitzen in der hellen opera 2, 219a; kein ander weg ist zu gott, als ein neu gemüthe, das ... von der ubelthat ausgehet (1620) 4, 104; wol dem, der nicht mit meuchelrath wann man allein auf gott besteht, herr nicht schicke deine rache sey mein hülff und mein berather, du bist ja nicht ein sünder [Bd. 23, Sp. 49] 3) jede gesetzlich strafbare handlung, in der älteren rechtsprosa und allgemein. ein fachterminus ist übelthat in der rechtssprache nicht geworden und verschwand aus dem wortschatz des neueren strafrechtes vollständig, das den allgemeinen begriff übelthat durch verbrechen und vergehen differenciert und ersetzt. a) etlich derselben übelteter, nit allein die jhenen, die ungefangen, sonder auch etlich derselben, die solicher irer begangnen ubeltat halben in des reichs gefänncknus und pannden gewest Nürnberger polizeiordnungen 42 Baader; ich geschweyg, das, wie wol doch in teutschen landen gericht und recht ist, die übeltat, als die ich oder ein ander betriben hete, z straffen ... bey einer fremden öberkeit hien gericht werden solt 1, 412, 25; so jemandts vor langer zeit ein übelthat begangen hette, ist er etwas leichter zu straffen, dann so die that newlich beschehn were statutenbuch (1572) 143b. b) länger erhält sich übelthat in der geschichtsprosa: deren mter lag übelthat halber in der gefencknis Plinius (1565) 50; seine straffgesetze hatten allein dieses zum zweck, die boszhafftigen von übelthaten abzuschrecken ostländ. lorbeerhäyn 204; wie alle gesetze freyer nordischer völker waren die strafgesetze gelind, die Alfred auf die übelthaten setzte Alfred könig d. Angels. 49; ferner ist gar keine rechte policey da, wodurch übelthaten vorgebeugt und gute ordnung erhalten werden könnte reise 6, 758; auch geht es demjenigen, der verfestet und während der verfestung gefangen ist, stets an den leib, wenn er überführt wird, um welcher übelthat willen er auch gefangen seyn mag deutsche staats- u. rechtsgesch. (1821) 2, 635. 4) bosheit: warumb solt ich in bösen tagen ob sie der feind gleich hat ![]() ![]() 1) im weitesten sinne: malefactor gloss. 344c; vgl. auch magus u. elymas 343c, 198b: zawberer, wol u. ubelteter; der übels thut, an evil doer teutschengl. wb. (1765) 1780; kwaad doender hochniederd. wb. (1719) 217b; gutthäter und übelthäter under jn waren chron. Germ. (1538) 201; bettetend für sich selbs und auch für die gut- und übeltäter chron. 1, 374. 2) verengt: verbrecher, peinlich angeklagter, seit dem 15. jahrhdt. in der älteren rechtssprache allgemein üblich und von hier in die profane und geistliche literatur dringend: maleficus 441b; reo (1592) Oo 5b; malfattore 143a; delinquente (1678) 1065b; criminel, malfaiteur (1719) 565; noxius 297b; reus 2395; verbrecher, malefizperson 8, 2191; vgl. auch asilum, freiung, do die ubeltheter yn fliehen gloss. 54a. a) wir wollen auch aus fürstlicher obrigkait sölhen austretern, beschedigern und andern dergleichen übelthätern und iren helfern, enthaltern und fürschiebern, die in unsern und andern landen, niederzuwerfen und zu erobern mit allem vleiss nachstellen landpot in ober und nieder Baiern (1516) 8a; und so der übelthäter ergriffen wirt, bindt man in cosm. 76; so sichs aber begibt, dasz der profosz einen übelthäter für recht stellt kriegsbuch (1578) 1, a 3; im fall der commendant ... seumig were ..., das alsdan der magistratus loci allein die gebühr anschaffen und die übelthäter straffen möchte schwed. krieg 2, 421; [Bd. 23, Sp. 50] ist er neutral gewesen, so wird präsumirt, dasz der übelthäter ein beharrlicher ausreiser sey, kan aber dennoch in etwas begnadigt werden der vollk. teutsche soldat (1726) 130, 7; aus der neueren rechtsprosa durch missethäter (das Luther nach Teller 2, 47 noch gar nicht gebrauchte) und insbesonders durch verbrecher verdrängt. b) ir solt Barraban, den übelthetter herr landtpfleger, da bringen wir nach diesem auch all übelthätr ... befilht sein dienern all derwegen, demnach er wie ein vbelthäter alle dye rauber vnd morder, auch was sunst übeltätter wären histori v. Alexander (1473) 12b; w macht du ... hertern richter über die übelteter ymer me erfinden? de claris mulieribus 237; darumb der richter letzt nit den übeltheter unbillich, so er in noch ordnung des gesatzs tödten losst Geiler bilgersch. B VIb; es ist gewonlich, wan man ein vsz fürt, so gat der vbeldöter vor vnd gat der hencker hinnach schimpf und ernst 45 Österley; ja gleych wie die Juden lassen sie den übeltetther Barrabam losz und todten die gnade gottis, den unschuldigen son gottis 2, 107, 5 Weim.; es sey dann, das du im römischen reich ... kein schwert, noch anders, domit man übelthäter strafft, habest 1, 373, 27; er tranck ... ein giffttrunck, den die Athener den übelthätern pflegten z geben chron. Germ. 21; deszgleichen pflegen nit auch noch heut etliche eltern jre kinder, ... zur warnung mitzunehmen, wann man vbelthäter vom leben zum todt zurichten auszfüret? Garg. 4; stücklein von reddern, pfälen, stricken, damit vbelthäter gestrafft vnd hingericht von zäuberern 18; denn die vrtheil also, wie an öffentlichem gericht, vber die vbelthäter vnnd schldigen gesprochen wird volksb. v. dr. Faust 36 neudr.; Christus ... wurde ... vnder die mörder vnd vbelthäter zum allerscheuszlichsten todt ... verdambt processus (1600) vorr. va; einer der eine paszquill verkaufft, über land schickt und unter die leute bringt, ist eben sowol ein übelthäter, als derjenige der sie gemacht hat schrift. 566; überall freistätte, friedensorte und heilige säulen angelegt, wohin dem übelthäter so wenig der richter als der rächer folgen durfte 2, 339; aber das gemeine vorurtheil der gesetzgeber, die übelthäter nur als die verworfensten menschen anzusehen, ... trägt zu solcher übertriebenen härte ... viel bey reise 6, 768; es ist eine eiche, auf der sonst die übelthäter aufgehängt worden sind 3, 200; gewöhnlich macht ihr herren von der justiz uns ärzten den vorwurf, dasz wir ... durch »unzurechnungsfähigkeit« gewisse übelthäter eurer macht entziehen wollen erzähl. schr. 3, 165. c) auch in der geistlichen prosa aus der rechtssprache entnommen und oft in dieser prägnanten bedeutung z. b. golgotha daz ist ein stat der quelung var. der übeltheter Math. 27, 33 cod. tepl., ebenso Zainer-bibel; ob dirr nicht wer ein übelteter, wir hetten dir in nit geantwurt Joh. 18, 30 erste d. bibel. daneben auch erweitert für 'sünder, übertreter des sittengesetzes': verbirg mich ... vor dem hauffen der übelthäter (protexisti me ... a multitudine operantium iniquitatem) psalm 64, 3; er solde gekreucziget werden alsz eyn übelthetter vor got und der welt 34I, 244, 23 Weim.; ertzurn dich nit ubir den böszen vind, lasz dich nit verdriessen die ubiltheter 8, 214; seyn doch [Bd. 23, Sp. 51] der mehrertheil der menschen vbelthäter vnd kommen doch durch buss widerumb zu gnaden buch der liebe (1587) 100d; er ist feind allen übelthätern, er bringet die lügner umb catechismus-milch 1, 39; wie die sünden der alten welt, also haben auch die übeltähter dieser kleinen welt einer sündflutt von nöhten Pathmos 561; o herr, der du alles weist, ... richter, dem kein übelthäter in gerechter straff entgeht ... wer will deiner hand entgehen? trost- u. geistr. schrift. 1, 36. als schmäh- und scheltwort: du selloser, du übeltäter, warum hast du den tempel Appollinis schmähend beroubet? Äsop. 73; ihr hertzen böser art, ihr schnöden übelthäter Dädalus 1, 217; weichet alle von mir jr verfluchten (maledicti) Matth. 25, 41 wird öfter mit übelthäter variiert, z. b.: darauf wird jnen der herr antwortten: ich hab euch nye erkennt. ir übeltäter müesst von mir abweichen theologey 19; weicht ab jr vbeltheter all ich kenn euch nicht, weicht von mir schnell, ihr vbeltheter weicht von mir, ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) maleficus vbeldatig gloss. in Herrigs archiv 47, 442a; maleficiens voc. ex quo; malefactor 344c; kwaaddoende, misdoende d.-holl. wb. 465a; als gegensatz zu wohltätig gebraucht. a) dasz nemlich die zween planeten Mars und Saturnus, welche die gestirnkündiger maleficos, das ist schädliche oder schaden zufügende und übelthätige nennen blockesberg 502; ein übelthätiger dämon Hamb. n. zeit. 123, 15; sie sollte gleich andern übelthätigen hexen mit feuer verbrannt werden schr. 2, 345; Mars! du bist's! ich bin Saturnus b) bei abstracten 'schaden stiftend': im achtzigsten jahre des alters, dem dreiszigsten übelthätiger regierung 10, 90; so kalte und übelthätige überbleibsel einer so stark gewesenen jugendfreundschaft gesch. d. frl. von Sternheim 2, 97; wie übelthätig das vielerlei gemisch (von schriften) dem menschen sey, zeigt die erfahrung Horazens sat. 2. 46. 2) sündhaft, bösartig: tirannus gloss. 365b; nephandus 378c; malitiosus 344b; sacrilegus 506c; übelthätiger knecht furcifer Dasypodius Niiij; nun wissent all zuo diser stund, da baten sy umb Barnaban; [Bd. 23, Sp. 52] ich bin ein übeltetiger mensch gewesen d. heiligen leben i. d. winterteil (1471) 115b; als inen von syner übeltätigen tochter Tullia befolhen was de claris mulieribus 168; die ... jn aussgeben in der menschen hertzenn als ainen bösen übelthätigen menschen sermones (1508) 80b; darumb wer ich ... eyn arger vnd vbelthätiger mensch Aimon (1535) i Vb; niemals sah man so viel traurige, übelwollende, übelthätige und erzürnte bestien 45, 82, 15 Weim.; der mann ist zu übelthätig, um ein bloszer dummkopf zu seyn. wir sehen keinen ausweg, ihn von der schuld eines bösen willens frey zu sprechen 19, 188; nichts ist übelthetigers, dann der geytzig 22, 60, 31. c) bei abstracten: leidenschaft von finsterer übelthätiger art theorie 4, 321; jede neidische und übelthätige gesinnung verzerrt unsre gesichtszüge 6, 110; seine übelthätigen leidenschaften bemänteln 15, 93. 2) verengt, 'verbrecherisch': ein stock, do ynne man gefangen lüte oder übeldetige lüte enthalten mag (15. jahrh.) quelle bei els. wb. 365a; die übelthetigen menschen foltern und peinigen schimpf u. ernst 87; da man ein übelthätige person gerichtet hat proc. 532. ![]() ![]() den smelichen toid saltu dar an (am kreuze) liden, ![]() ![]()
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