Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
type bis tyrannenmörderisch (Bd. 22, Sp. 1957 bis 1974) | ||||
| ![]() ![]() [Bd. 22, Sp. 1958] dän. type ebenso wie frz. type den wortsinn von typ(us), m., und type, f., umfassen. 1) 'gegossener druckbuchstabe': mit deutschen typen gedruckt magazin d. neuest. engl. u. dt. moden (1793/94) 1, 458; wie nun die typen von Meisters lehrjahren erst auseinander genommen werden müssen, um die wanderjahre damit zu drucken s. w. (1846) 15, 268; Hüffer (verleger) hat ganz neue typen dazu (für den druck von Annettes werken) kommen lassen (1. 8. 1838) br. 1, 306 Schulte-K.; die typen ... sind vierseitige ... stäbchen aus schriftmetall techn. wb. (1877) 2, 125; das buch ist mit vorzüglichen typen gedruckt d. grosze Duden, stilwb. d. dt. spr. (1934) 552 Basler; in poetischer wendung: der menschheit edelstes recht, das recht der freien rede und der freien type rede a. Napoleonstage (1809) 37. 2) '(gedruckter) buchstabe, letter': als ihn die augen schmerzten von den kleinen griechischen typen, begab er sich aus dem heidenthume in christliche gegenwart, schlosz das buch erz. schr. 6 (1861) 196; ich schlug blindlings auf, und auf der linken seite stand: 'die karyophyllazeen'; die typen stehen noch deutlich vor mir ges. w. (1920) II 2, 379. 3) umgangssprachlich gelegentlich statt typ(us) gebraucht: wer die Sachsen kennt, weisz, dasz man sich zwischen diesen beiden gegensätzlichen typen (sentimentaler und energischer typus) beständig hin und her bewegt; doch ist die Günther-type (die durch dr. Günther verkörperte energische art) viel häufiger, was ein glück ist ges. w. (1920) II 2, 101; so nehm'ich ihn (Toldy) denn als type (als vertreter einer besonderen bzw. absonderlichen art), folg' ihm liebevoll auch in seinen schwächen ders., ges. w. (1905) I 4, 147; (Wasserminna war) eine unverwüstliche Berliner type, herz und mund auf dem rechten fleck, wie aus meister Zilles skizzenbuch herausgeschnitten umschlagtext zu Wasserminna (1950). pennälerspr. 20 bucht type als bezeichnung für einen sonderbaren, eigenartigen menschen (vgl. auch ndl. een raar type een eegenaardig persoon 2, 1807); im westl. Erzgebirge auch als anrede bezeugt: du type 2, 766. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() [Bd. 22, Sp. 1959] [1950] 626) bzw. lat. tȳphōn auf griech. τυφών 'wirbelsturm' zurückgehend, das zu einer idg. wurzel dheu- 'stieben, wirbeln' mit bh-erweiterung gehört, (s. dict. étym. d. l. langue grecque 995 u. 1, 840; über die in der antike mit typhon verbundenen mythologischen vorstellungen und deren orientalische quellen s. in: zfdph. 30 [1898] 289-301; d. typhonmythos, diss. Greifswald 1939, insbesondere kap. IX, und vorderasiat. mythen als vorläufer griech. mythenbildg. in: forsch. u. fortschr. 25 [1949] 145-147): könfftige wind mag er (der meyer) an folgenden vorwarnungen erkennen ... wann der wind typhon (le vent typhon) genant, welcher die sturmwind zuerregen pfleget, heftig prauset vnd die lufft voll dicker, tunckeler wolcken ist feldbau (1580) 43. typhon, das auch in die übrigen germ. dialekte gedrungen ist (ndl.-engl. typhon; norw.-schwed. tyfon), wird jedoch im dt. nicht geläufig; das in neuerer überlieferung gelegentlich auftretende typhon 'wirbelsturm in ostindischen bzw. chinesischen gewässern' ( s. w. 3, 481 Elster; s. w. 4, 592 Bl.) ist wohl lediglich als orthographische variante des an die engl. form typhoon (s. 10, 1, 559) anschlieszenden taifun (s. seemannsspr. [1911] 771; etym. wb. [1927] 157; sowie bei d. griech. wörter i. dt. [1950] 36) aufzufassen. ![]() ![]() 1) '(nach wesen und herkunft) dem typhus zugehörig': manche arten der letzteren (der bösartigen geschwülste), die typhöse, die scrophulöse ... bilden ein streitiges grenzgebiet bau d. menschl. körpers 8, 1 (1845) 229; da erkrankte ich an einem typhösen fieber erz. schr. 37 (1866) 229; ich wuszte, dasz sie an einem typhösen fieber erkrankt war (11. 8. 1908) br. 1907 -14 (1938) 37. 2) 'typhuskrank': Schönlein hat auf die mikroskopischen krystalle in den excrementen typhöser aufmerksam gemacht und glaubte, sie zur diagnose des typhus benutzen zu können bau d. menschl. körpers 6 (1841) 7. ![]() ![]() [Bd. 22, Sp. 1960] ammoniak in dem aus der ader gelassenen blute eines typhuskranken bau d. menschl. körpers 8, 1 (1845) 56; im november (1813) hatten wir (in Weimar) fünfhundert typhuskranke — bei einer population von sechstausend seelen Lotte in Weimar (1946) 216. ![]() ![]() 1) 'einem typus (1) gemäsz, für die vertreter einer art charakteristisch, bezeichnend': die idee des schönen, womit das typische der gesichter und zum theil der tracht sich in widerstreit befindet alte denkm. (1849) 1, 60; in gleicher weise ist die baumlosigkeit ... als ein typisches merkmal der tundra überhaupt anzunehmen A. v. Middendorff sibir. reise, bei tundren u. steppen (1890) 8; Denain ist eine langgestreckte arbeiterstadt und zeigt das typische gepräge der nordfranzösischen industriesiedlungen qu. v. j. 1917; ihre (der pathologischen fälle) typischen formen hatten ... sein beklommenes nachdenken erregt Etzel Andergast (1931) 305; jede jugendzeit kennt ihre tragischen possen, ihre maszlosigkeit, ihren überschwang und ihre sehnsucht, die sich an dingen oder personen berauscht, die unerreichbar sind ... diese typischen phasen kehren schlieszlich in jedem leben wieder unauslöschl. siegel (1946) 411; die aufgabe der poetik ist es, im einzelnen werk ... die allgemeinen, typischen und objektiven elemente aufzuspüren, die über seine geschichtliche einmaligkeit hinausweisen und es in gröszere ordnungszusammenhänge einfügen in: dt. philol. i. aufrisz 1 (1952) sp. 216 Stammler; prädikativ: 'typisch', sagte Ollenhauer. 'ganz typisch. davon aufhören, was wir alles angestellt haben. und dann darüber schimpfen, dasz uns die Russen immer blosz kasch zu fressen geben ...' jungen, d. übrig blieben (1950) 222; häufig findet sich eine präpos. ergänzung mit für: ihre (der eltern des verfassers) lebensform scheint mir dermaszen typisch für das sogenannte 'gute jüdische bürgertum', ... dasz ich mit dem bericht ihres gemächlichen und lautlosen daseins eigentlich etwas unpersönliches erzähle welt v. gestern (1947) 21; es war der geruch, der für soldatenstuben so typisch ist jungen, d. übrig blieben (1950) 13. adverbiell, im sinne von 'dem typus (der für die vertreter einer art charakteristischen form) entsprechend': (das riechbein) zeigt auch nie irgend eine auffallende ähnlichkeit mit einem typisch gebauten wirbelbeine bau d. menschl. körpers 7 (1842) 393; bei andern minder typisch durchgebildeten gegenständen kl. schr. (1898) 3, 67; eine typisch deutsche eigenschaft ... die gründlichkeit l. t. i. (1949) 88; bei aller sympathie, die man ihm (dem Hanauer pfarrer in Grimmelshausens 'Simplicissimus') entgegenbringt, musz man ihn einen typisch menschlichen vertreter seiner religion nennen in: zfda. 82 (1950) 3, 276. 2) einen typus (2) darstellend, vorbildlich, s. Göthe-wortschatz (1929) 900. a) 'symbolisch, sinnbildlich' (s. DWB typus 2 a und vgl. vortypisch 'vordeutend' teil 12, 2, sp. 1802): die sämmtlichen wunder Jesu stehen bei Johannes als symbolische facta, als typische denksäulen da 19, 266 S.; typisch tipico, figurativo diz. 2 (1803) 1188; typische (mit der methode der allegorischen — typologischen — schriftauslegung arbeitende) theologie théologie typique wb. 4 (1856) 879; adverbiell: was man ein paar jahrtausende lang mit der bibel vorgenommen hat ... man hat sie, dogmatisch, exegetisch, typisch, mystisch, prophetisch erklärt Seb. Nothanker (1773) 3, 65. b) 'als charakteristischer vertreter bzw. muster alle wesenszüge eines typus (1) zeigend'. [Bd. 22, Sp. 1961] α) 'art-echt' (s. DWB typus 2 b): der typische neger ... ist selbst unter negern eine seltene spielart völkerkde (1874) 497 anm. 2; in seiner erscheinung war er klein und fein, typischer Sachse ges. w. (1920) II 1, 133; die jungen mädchen in diesen ... hochthälern, wie in Alpbach, in Dux und manchen ähnlichen ... sind ..., was die züge betrifft, sehr typisch drei sommer i. Tirol (1895) 111; daneben behaupten sich auf Seeland sowohl wie in Schweden und Norwegen auch noch manche angehörige der alten arktischen flora, sogar typische vertreter derselben waldbäume u. kulturpfl. i. germ. altert. (1905) 26; unter den tänzern war ein älterer herr mit groszer, schmaler nase, der typische aristokrat adel i. untergang (1947) 356. β) 'stilisiert' (s. DWB typus 2 c): auch von den übrigen personen ist keine ein Eisfelder porträt, sie sind sämtlich typische gestalten, von denen jede kleine stadt, fast jedes dorf individuelle verwirklichungen aufweisen kann ges. schr. 2 (1891) 6; typische gestalten hervorzuheben und in sich gerundete lebensbilder zu zeichnen, schien mir ... als am zweckmäszigsten schr. (1895) I 4, 4. γ) 'mustergültig, beispielhaft, repräsentativ' (s. DWB typus 2 d): ich wuszte zwar schon aus ihrem (Ludmilla Assings) freundlichen munde manches bedeutsame über dies reiche ... frauenleben (der gräfin Elisa v. Ahlefeldt); aber dasz es in solchem grade typisch und poetisch und an die höchsten ereignisse anknüpfend sei, davon hatte ich freilich keine ahnung (5. 7. 1857) br. u. tageb. 2, 451 Erm.; es kommt wohl daher, dasz ... seine (Göthes) dichtungen ... nur selbsterlebtes schildern, das aber zugleich so in die höhe des allgemein menschlichen, des idealen und typischen zu entrücken weisz, dasz demselben alle erdschwere abgethan ist ges. schr. 6 (1877) 207; das typische beispiel (für den christologischen mimus, der glauben, zeremonien und martyrium der Christen zur allg. belustigung darstellt) ist der mimus des Genesius dt. dichter d. lat. mittelalters (1922) 512; im Dulcitius (Hrotsvits) haben wir die typische märtyrerkomödie ebda; in den typischen krankheitsfällen beginnt der typhus nach einer inkubationszeit von 1-4, meist 3 wochen d. gr. Brockhaus 19 (1934) 217; (Bach schreibt zwei passionen,) welche textlich und formell von den typischen schöpfungen jener zeit ganz abhängig sind, die aber der geist, der darin lebt, verklärt und aus der vergänglichkeit zur unvergänglichkeit erhoben hat Bach (1948) 3. auch im sinne von 'als norm geltend, im allg. angestrebt': übrigens bezeichnet die hufe nur den idealen, typischen anteil des einzelnen am ganzen gemeindegrunde gesch. d. dt. bodens (1905) 41. ![]() ![]() [Bd. 22, Sp. 1962] 1) 'in charakteristischen zügen (bei allen vertretern der gleichen art mehr oder weniger typisch [s. d. 1]) ausgeprägte grundform'. a) von erscheinungen der organischen und anorganischen welt: grosze schwierigkeit, den typus einer ganzen klasse im allgemeinen festzusetzen, so dasz er auf jedes geschlecht und jede spezies passe; da die natur eben nur dadurch ihre genera und species hervorbringen kann, weil der typus, welcher ihr von der ewigen nothwendigkeit vorgeschrieben ist, ein solcher Proteus ist, dasz er einem schärfsten vergleichenden sinne entwischt II 6, 312 W. (über den begriff des typus im Göthischen denken s. a. a. o. 51 -85, wort u. bedeutg. in Göthes spr. [1901] 39, 107 u. 262, geist d. Göthe-zeit 2 [1930] 54ff. sowie Göthe-handb. 3 [1918] 446 Zeitler und Göthe-wortschatz [1929] 900); was also bei ... der pflanze die ursprüngliche form leistet, muszte hier (bei dem moralischen wesen) von einem innern principium erhalten werden, gegen welches sich die beweggründe ... ohngefehr eben so verhielten, als die bewegenden kräfte der pflanze gegen den beständigen typus ihres baues 4, 290 G.; ein ... landstrich, welcher ... den reinsten afrikanischen typus in hinsicht seiner ganzen beschaffenheit aufbewahrt hat erdkde (1822) 1, 340; sie (die quarzkristalle) haben gewöhnlich den prismatischen typus allg. naturgesch. (1839) 1, 137; mehrere wolfsschädel, welche ich aus den Wolga-steppen erhalten habe, zeigen einen fast windhund-ähnlichen typus tundren u. steppen (1890) 97. häufig auch im pl. typen 'grundformen strukturell verschiedener arten, auf die sich die mannigfaltigkeit der individuellen erscheinungen systematisierend zurückführen läszt': formen, welche zwischen den aufgestellten typen (der drüsen) in der mitte stehen bau d. menschl. körpers 6 (1841) 907; gebirgsarten, typen der formationen kosmos (1845) 1, 11; pflanzenphysiognomische typen der australischen flora völkerkde (1885) 2, 9; typentheorie (heiszt) die von Cuvier und Baer aufgestellte anschauung, dasz man das tierreich nicht entwickelungsgeschichtlich in eine einzige grosze reihenfolge anordnen dürfe, sondern mindestens vier typen (wirbeltiere, gliedertiere, weichtiere und strahltiere) unterscheiden müsse, deren angehörige einer sonderentwickelung unterliegen Meyers konv.-lex. 19 (1908) 847; drei typen der physikalischen beschaffenheit der fixsterne pop. schr. (1905) 63. b) der körperlichen bzw. seelischen konstitution des menschen. α) allg., mit bezug auf die besondere prägung eines bestimmten menschen-'schlages': diese leidenschaftliche frau trägt den typus ihrer nationalität in jeder fiber ihres antlitzes ritter v. geiste (1850) 3, 187; kaum zwei und zwanzig jahre alt, war sie von hohem und festem wuchse, ihr gesicht hatte den ausgeprägten typus unseres geschlechtes, aber durch eine ungewöhnliche schönheit verklärt ges. w. (1889) 1, 186; ein hübsches blutjunges ding von entschieden wendischem typus ges. w. (1905) I 1, 218; er (der präfekt v. Neapel) hat den trainierten körper und das scharfgeschnittene gesicht, kurz den schönen, willensstarken typus, der sich seit einigen jahren hier durchgesetzt hat geschw. v. Neapel (1931) 424; was ist ähnlichkeit! (sagte August v. Göthe zu Charl. Kestner) ich behaupte keine gleichheit der einzelzüge (zwischen Charlotte u. Ottilie v. Pogwisch), sondern die schwesterlichkeit der gesamterscheinung, die identität des typus Lotte i. Weimar (1946) 313. als bezeichnung für die charakteristische erscheinungsform der vertreter eines standes, einer berufsschicht: ein paar geschickte federstriche (des malers) genügen dagegen oft, um den typus eines offiziers, eines lehrers oder eines angehörigen irgendeiner anderen berufsgenossenschaft zu kennzeichnen die haupttypen d. sprachbaus (1910) 2; das dritte reich spricht mit einer schrecklichen einheitlichkeit aus all seinen lebensäuszerungen und hinterlassenschaften, aus der maszlosen prahlerei seiner prunkbauten und aus ihren trümmern, aus dem typ der soldaten, [Bd. 22, Sp. 1963] der sa- und ss-männer l. t. i. (1949) 16; oder einer bestimmten menschlichen art: ein gewisser typus von 'altem weib' stand ja zu gewissen zeiten ohne weiteres im verdachte des hexentums Faustus (1948) 61. gelegentlich in der wendung zu einem typus gehören bzw. vertreter eines typus sein 'wesensmäszig einer — durch besondere (typische) eigenschaften gekennzeichneten — art angehören': Kraus gehörte zu dem in Deutschland nicht seltenen typus von professoren, denen ... v. Boyen (1896) 1, 26; sozial betrachtet gehörte sie einem verbreiteten typus an, artistin mit bürgerlichen ambitionen Etzel Andergast (1931) 294; in diesem so merkwürdigen freunde hat Knecht den vertreter eines typus erspürt ... eines typus, der noch nicht vorhanden war auszer in dieser einzigen vorläufergestalt, den typus des Kastaliers nämlich glasperlenspiel (1943) 1, 385; vereinzelt auch zu einem typus werden 'die (typischen) wesenszüge einer bestimmten menschlichen art annehmen': dieser (erziehungs-)plan (der oberin des klosters und der novizenmeisterin) will, dasz die persönlichkeit zu einem bestimmten typus wird, zum typus aller damen von Nevers, der eine benediktinische frömmigkeit mit groszer aktivität in den werken der nächstenliebe verbindet Bernadette (1948) 438. β) als terminus der anthropologie, psychologie, soziologie u. ä. disziplinen, die damit typische (s. d. 1) — durch strukturvergleich bzw. durch das idealtypische verfahren der isolierung und idealisierung (s. lebensformen [1925] XIII, sowie den untenstehenden beleg) ermittelte — grundformen menschlichen wesens bezeichnen: (die forschung) erkennt ferner in den körperbautypen nicht nur anatomische merkmalskombinationen, sondern auch träger bestimmter psychischer besonderheiten; sie unterscheidet drei typen; ... der früher unterschiedene zerebrale typ fällt vielfach mit dem leptosomen zusammen; ... merkmale des leptosomen typus sind ... Brockhaus 10 (1931) 417; die hinsichtlich des seelenlebens gleichgearteten individuen werden (durch die psychologie) ... zu 'typen' zusammengeordnet, wobei sich die gleichartigkeit sowohl auf bestimmte einzelne angeborene oder erworbene fähigkeiten beziehen kann (z. b. gedächtnis, intelligenz usw.) wie auch auf das zusammenspiel der einzelnen fähigkeiten (z. b. charakter) und schlieszlich auf das seelisch-körperliche gesamtgepräge einer individualität d. i. auf die 'persönlichkeit' ebda 19 (1934) 220; ich sehe voraus, dasz man auch den hier entwickelten typen (des theoret., ökonom., ästhet., sozialen, religiösen u. d. macht-menschen) gegenüber, die durch ein verfahren der isolierung und idealisierung entworfen werden muszten, mit dem einwand kommen wird: das leben enthalte solche einseitigkeiten nicht a. a. o. XI; indem wir zu den differenzierten formen übergehen, die der typus des theoretikers annehmen kann, berühren wir zugleich die grade, in denen sich die theoretische geistesart verwirklicht ebda 138; Muschg ist weit entfernt, seine teils psychologischen, teils soziologischen typen hermetisch voneinander abzuschlieszen (denn) ... gerade die gröszten dichtergestalten zeichnen sich dadurch aus, dasz sie an mehr als einem typus teilhaben in: zfda. 82 (1948/50) 4. c) von erscheinungen des geistigen (α), technischen (β) und gesellschaftlichen (γ) bereiches. α) der teleologische typus (der religion erscheint) am meisten im christentum ausgeprägt s. w. (1834) I 3, 56; es zeigt sich ... sogleich, dass der typus der sprache bei diesen schöpfungen thätig eingriff; sprachen also, die ein grammatisches geschlecht unterscheiden ..., enthalten grosse verlockungen zur mythenbildung völkerkunde (1874) 266; Müllenhoff hat ... richtig erkannt, dasz der typus des neuhochdeutschen zuerst in den deutschen urkunden der böhmischen kanzlei ... erscheint ... aus Böhmen zieht dieser neue kompromisztypus mit seinem halb bayerisch-österreichischen, halb mitteldeutschen vokalismus in die sprache der schlesischen, der meisznischen kanzlei vorspiel [Bd. 22, Sp. 1964] 1, 2 (1925) 136; typen der religion sind charakteristische grundformen der frömmigkeit, die in der religionsgeschichte mit einer gewissen regelmäszigkeit wiederkehren; indem man typen aufstellt, faszt man also das gleichmäszige in der mannigfaltigkeit religionsgeschichtlicher vorgänge zusammen zu einer verhältnismäszig kleinen gruppe religiöser grundrichtungen d. religion i. gesch. u. gegenw. 5 (1913) 1401 Schiele-Zscharnack; die typen der weltanschauung ges. schr. 8 (1931) titel; der letzte (schrift-)typ war in Corbie neben einer anderen form hergegangen und hatte sie schlieszlich abgelöst, die als Maurdramnus-typ bezeichnet wird einf. i. d. handschriftenkde (1929) 97. auch in bezug auf die — durch charakteristische (typische) züge gekennzeichnete — struktur künstlerischer gebilde: das bildnisz Christi nach Hemling ... ist ganz nach dem von alten zeiten her als bildnisz Christi überlieferten typus Göthe I 49, 1, 429 W.; Herakles als drachentödter ...: häufiger typus römischer medaglioni ges. akad.-abhandl. 1 (1866) 53; zu beiden seiten je ein greif ... sitzend im typus der olympischen bronzegreife beschr. d. vasenslg. d. Berl. mus. (1885) 36; typologie, typik (heiszt) system der typen, d. h. in ähnlicher form wiederkehrender künstlerischer prägungen auf den verschiedenen gebieten (z. b. madonna-typus, heroentypus, turm-typus, palast-typus usw.) kunstgesch. wb. (1928) 250; übereinstimmung (der von der poetik bestimmten unterscheidungskennzeichen läszt) eine bestimmte dichtart als grundform erkennen ...; der typus der dichtart, etwa der ode, elegie, des romans, der novelle oder der arten des dramas blickt durch gehalt und gestimmtheit, bauform und gliederung ... des künstlerischen gebildes hindurch in: dt. philol. i. aufrisz 1 (1952) sp. 248 Stammler. in freierer abstrakterer anwendung auch auf die grundform einer bewegung bzw. eines vorgangs im geistigen bereich bezogen: typen sprachlicher bewegungen in: zs. f. ma.-forschg. 18 (1942) 59; sowie einer tätigkeit: die typen des sprechens und ihr wert für die sprecherziehung (1940) titel. β) mir fehlt noch ein Hottentotten kraal um die typen — das ist ja ein modewort — von menschenwohnungen durchgegangen zu sein bemerk. üb. Holland (1811) 254; die gegenständlichen schöpfungen des volkes, die sachgüter, sind in allen ihren wesentlichen typen aufgesucht wb. d. dt. volkskde (1936) V. besonders geläufig wurde die kurzform typ als wort der modernen technik, die besondere bauart (modellform) serienmäszig hergestellter fabrikate aller art bezeichnend: auf der fahrt ... nach Langendreer sieht der ... reisende unter den vielen fördergerüsten mehrere besonders eigentümliche bauarten, die von den neuzeitlichen typen unserer fördergerüste erheblich abweichen d. dt. bergmannsspr. (1930) 50; ein neuer typ (eine neue bauart, form) eines flugzeugs, autos d. gr. Duden, stilwb. d. dt. spr. (1934) 552 Basler; zum ersten male wurde ein düsenjäger neuer bauart eingesetzt; auch am montag haben flugzeuge des gleichen typs in die kämpfe eingegriffen Berliner zeitungen v. j. 1951; der typ '300', dessen dreiliter-motor bei 115 ps eine spitzengeschwindigkeit von 155 km/st ermöglicht, ist der erste deutsche nachkriegswagen in dieser leistungsklasse und kann sich ohne weiteres mit den ausländischen typen dieser stärke vergleichen ebda; auf der Leipziger messe wurden zwei typen von fernsehempfangsapparaten gezeigt ebda; vgl. auch DWB typenmuster. γ) die gemeinde als gesellschaftliche grundgestalt ... durchwaltet ... den wandel der geschichte; sie selbst, als soziologischer typus, ist unwandelbar Augustinus (1948) 57 (ebda 56 auch: der reine typus der gemeinde); die partei neuen typus Duden, rechtschreibg. (1951) 415. 2) den charakter einer art am vollkommensten darstellender vertreter, vgl. prototyp dt. fremdwb. 2, 710 f. sowie DWB typisch 2. [Bd. 22, Sp. 1965] a) als theologischer terminus im sinne von 'symbol, vorbild' (s. teil 12, 2, sp. 909 sowie unter typisch 2a; vgl. auch typos, die typologische deutung d. alten testaments i. neuen [1939]): weil nun so viel am typo und frbildt gelegen, so kmpt S. Paulus hie, und wil ... sich selbst zum exempel darneben frstellen erkl. d. ep. a. d. Corinther (1591) 1, 39b; o wie ein feiner typus unnd vorbild ist das (speisopfer) der nudipedum studiosorum Martins gansz (1609) 37; typus vorbild, z. e. wie im alten testamente gewesen, so auff Christum gezielet manual (1703) 315; und so ist unser ganzes verhältnisz zu ihm fortwährend dasselbe, welches uns in Christus zum typus aufgestellt ist nachgel. schr. u. briefw. (1826) 1, 603 Tieck-Raumer; typus 'eine das neutestamentliche voraus darstellende person oder ein das neutestamentliche vorbedeutendes geschehen im alten testament' d. religion i. gesch. u. gegenw. 5 (1913) 1419 Schiele-Zscharnack; mit der allegorischen auslegung (der bibel) artverwandt, aber wohl von ihr zu unterscheiden ist die typologische auslegung, die in den alttestamentlichen personen, institutionen und vorgängen ... vorbilder oder typen künftiger erscheinungen sieht, die gewissermaszen ihre schatten vorausgeworfen haben ebda 1 (1909) 364. b) charakteristischer, idealer, klassischer vertreter eines bestimmten menschen-'schlages', vgl. typisch 2 b α: während die jüngere schwester als typus einer germanischen ... blondine gelten konnte ges. w. (1905) I 5, 11; er ist der ausgesprochene typ eines Sachsen d. grosze Duden, stilwb. d. dt. spr. (1934) 552 Basler; Jonathan Leverkühn war ein mann besten deutschen schlages, ein typ, wie er in unseren städten kaum noch begegnet Faustus (1948) 22; insbesondere eines standes bzw. einer berufsklasse: er (Jenny Laszbergs stiefsohn) ist ... der wahre typus eines österreichischen offiziers (18. 11. 1843) br. 2, 236 Schulte - K.; (Semper) ist ... persönlich ein wahrer typus der einfachen und gediegenen künstlernatur (21. 2. 1856) br. u. tageb. 2, 399 Erm.; der stubengeneräle ... ausgeprägtester typ A. einsetzung e. königs (1950) 40; einer zeitrichtung: diese letzteren (polemiker gegen den materialismus) haben den vorzug ... als typen ganze ... zeitrichtungen zu vertreten gesch. d. materialismus (1866) IX; Steinhöwel (tritt) uns in diesem gewande (seiner satir. dichtung) als typus seiner zeit entgegen ...; die ganze art seiner moralsatire ... ist ja durchaus charakteristikum für die bürgerliche literatur jener tage d. übers.-technik H. Steinhöwels (1914) 129; (Heinrich Manns 'untertan',) ein zeitbild aus dem kaiserreich, abgehandelt an einer einzigen person, die zum typus wird, zum repräsentanten einer ganzen epoche deutscher geschichte schutzumschlag zu d. blaue engel (1950); oder einer bestimmten menschlichen art: endlich kamen doch ein paar annehmbare typen des weges drei sommer i. Tirol (1895) 2, 84; e flotte typ Basler studentenspr. (1910) 18; vereinzelt auch menschlicher art schlechthin: aber nicht jeder mensch ist ... eine vollendete ausprägung der idee 'mensch'; ich würde nicht zögern, Göthe in diesem sinne als typus zu verstehen zu suchen a. a. o. 20. in besonderer anwendung der modernen umgangsspr. findet sich typ mit zusatz eines possessivums: er (August von Göthe) liebte in ihr (Ottilie) den typ seines vaters (die ideale verkörperung der art, die seinem vater zusagte) Lotte i. Weimar (1946) 238; vielleicht paszt ihm (leutn. Pardow) deine nase nicht; wirst nicht sein typ sein jungen, d. übrig blieben (1950) 69. c) stilisierte figur mit generellen, nicht individuellen zügen, vgl. DWB typisch 2 b β. α) in literaturwissenschaftlicher fachsprache; 'durch wenige charakteristische eigenschaften als vertreter einer bestimmten art gekennzeichnete literarische gestalt' (s. auch Ludwig unter d): ihre (der fabel) charaktere sind lebendigfortwährende ewige typen, die vor uns stehen und uns [Bd. 22, Sp. 1966] lehren (ä. redaktion: sie sind dargestellte grosze naturexemplare) 23, 253 S.; die zahl seiner (Lessings) dramatischen grundformen ist nicht grosz; um das zärtliche, edle, entschlossene mädchen ... stellen sich die dienenden vertrauten, der würdige vater ... und doch gerade in diesen typen ist die mannigfaltigkeit der abwandelungen bewunderungswürdig ges. w. 14 (1887) 226; sie (die poesie des 16. jhs.) ist nicht ohne productives vermögen in bezug auf die erfindung, sie verbraucht massenhaften stoff und schafft einzelne moralische typen, meist resultate des hasses oder scherzes, oft von groszartigem wurfe lit. gesch. 719; (wir erkennen,) dasz der dichter bewuszt den charakter seines teufelsspiels auf die standessatire einstellt, dasz er dazu allgemeine typen und keinerlei bestimmt gezeichnete individuen vorführen will gesch. d. dt. lustspiels (1923) 32; in dieser volkstümlichen literatur hält man sich vor allem an feste typen und stehende figuren ... wir sehen die festen typen des 'treuen freundes', des 'schlimmen ratgebers' ... in: kultur- u. universalgesch., festschr. f. W. Goetz (1927) 125; der regimentskaplan dagegen spielt in der handlung des romans (Grimmelshausens 'Simplicissimus') kaum eine rolle, wird aber als typus in einigen worten charakterisiert in: zfda. 82 (1948/50) 276. in freierer anwendung: infolge von alledem (seiner berufstätigkeit) wird der schneider in der regel eine schmächtige, bläszliche, reizbare, nette und putzige figur mit einer überwiegenden tendenz zur vornehmheit ... so ist der schneider als solcher für den humor im leben und in der kunst ein typus geworden erz. a. d. Ries (1868) 2, 262. β) als terminus der bildenden kunst (entsprechend wie α): die ältere florentinische und sanesische schule entfernten sich von den trockenen typen der byzantinischen kunst dadurch, dasz sie überall in ihren bildern porträte anbrachten I 49, 1, 245 W.; bei der ersten (preis-) aufgabe ... verlangte man von den concurrierenden künstlern keineswegs die darstellung dieser figuren (Aphrodite, Paris und Helena) in ihrer ganzen herrlichkeit, wie etwa die idealischen typen der antike sie uns zeigen ebda I 48, 66; alles ist einfach ... (in Holbeins bildern des todes); immer gibt Holbein den höhepunkt einer situation, ... und seine menschen, obwohl typen ihrer gattung, sind so natürlich ..., dasz sie lebendig wirken in: Hans Holbein, bilder d. todes (1950) geleitwort, insel. d) sachbezogen, im sinne von 'beispielhafter vertreter, muster', vgl. typisch 2 b γ: wie folgende drei beispiele belegen, die man als typen oder repräsentanten dreier arten von irrthümern ansehen mag w. 1, 127 Grisebach; diese repräsentanten der classencharaktere (der organ. verbindungen) wurden typen genannt und einerseits in mechanische ... typen, andererseits in chemische typen unterschieden, wobei man den mechanischen typus einfach durch die anzahl der atome in einem molekül, den chemischen typus durch den chemischen charakter bestimmte; ... (die neuere typenlehre) ging von 3 haupttypen aus ... und fasste die einzelnen verbindungen aus diesen grundformen, durch theilweise oder vollständige vertretung der typischen atome durch andere gleichwerthige ... gebildet auf (s. folgenden beleg) techn. wb. 9 (1888) 743f.; typen ... (heiszen) in der chemie gewisse einfache verbindungen, die als vorbilder zahlreicher andrer verbindungen betrachtet werden können; ... ein körper ist nach dem typus wasser ... konstituiert, wenn seine atome in analoger weise miteinander verbunden sind Meyers konv.-lex. 19 (1908) 847; die acht sprachen, die in diesem buche (die haupttypen des sprachbaus) geschildert werden, kommen nicht um ihrer selbst willen zur darstellung, sondern als typische vertreterinnen von acht gruppen, auf die sich nach meiner überzeugung sämtliche idiome der erde ... verteilen lassen .. (zu beachten ist), dasz die anordnung nach sprachstämmen ... nur zum teil mit der gruppierung um die geschilderten acht typen zusammenfällt [Bd. 22, Sp. 1967] d. haupttypen d. sprachbaus (1910) V; neugebildete wörter müssen in der regel derselben wortklasse angehören wie ihre muster ...: der typus schneider< schneiden liefert nur substantiva dt. wortbildg. (1947) 115. als philosophischer terminus bei (s. wb. z. Kant [1798] 532 u. a. a. o. 7): Kant (bezeichnet) ... das naturgesetz als den typus (etwa gleichbedeutend mit 'versinnlichendes schema, repräsentant in der sinnenwelt') des sittengesetzes in demselben sinne ..., wie in der kritik der reinen vernunft die zeit als schema für die subsumtion der erscheinungen unter kategorien figurierte Windelband gesch. d. neuer. philos. (41907) 2, 119 anm.; gelegentlich auch im sinne von 'stilisierte idealform' (vgl. 2 c α): soll nun die (dramatische) handlung ein typus sein, soll sie ... zu ihrem eigenen ideale simplifiziert werden ..., so müssen auch die charaktere typen sein ges. schr. (1891) 5, 68. ![]() ![]() die ursprüngliche, neutrale bedeutung '(allein-)herrscher' (A) findet sich gelegentlich als ausdruck der antike in historischer darstellung. üblich wird tyrann im dt. jedoch allein in der schon im lat. vorherrschenden pejorativen bedeutung 'gewaltherrscher, despot' (über den begriffswandel der tyrannis im denken der antike s. a. a. o.; über tyrann als literarische figur, insbesondere des altertums, des lat. mittelalters und der italien. renaissance, s. d. gestalt des tragischen u. d. komischen tyrannen in mittelalter und renaissance in: kultur- u. universalgesch., festschr. f. W. Goetz [1927] 125 -144), anfangs vor allem auf despotische herrscher des altertums, insbesondere der bibel bezogen, deren gestalten im zeitalter des humanismus und religiöser auseinandersetzungen deutlicher in den gesichtskreis traten und begriff und bezeichnung des 'tyrannen' in die literatur des frühen nhd. (zunächst in die übersetzungslit.) trugen. beflügelt wird dieser gebrauch (B 1) durch die haupt- und staatsaktionen, sowie das literarische trauerspiel des barock (s. d. bild d. herrschers i. d. dt. tragödie v. barock bis z. zt. d. irrationalismus, diss. München 1931, 21 ff); durch das freiheitsstreben der aufklärung, des sturm und drang (s. a. a. o. 54 ff. u. 84ff.), [Bd. 22, Sp. 1968] der dichter der befreiungskriege (s. u. DWB B 1 b), sowie des jungen Deutschland (zur geschichte von 'tyrann' als literarisches motiv vgl. auch gesch. d. dt. dichtg. [1922] 126, 128, 155, 189 u. 243) erlebt er einen letzten groszen auftrieb und tritt — nach dem untergang der absoluten dynastien endgültig auf histor. erzählung beschränkt — immer mehr gegenüber der anwendung im weiteren sinne für einen despotisch auftretenden schlechthin (B 2) sowie dem metaphorischen gebrauch (B 4) zurück. neuere ornithologische fachsprache verwendet tyrann in anschlusz an lat. tyrannus als bezeichnung für eine würgerartige vogelart (C). A. '(allein-)herrscher': tyrann war vor zeyten ein ehrlicher nam, heyst ein könig, fürst, regent Simon Rot teutscher dict. (Augsb. 1571) Q 4b; ehmals bedeutete das wort tyrann auch nur lediglich einen einzelherren und man zhlte darunter auch sehr weise und gerechte mnner staatswiss. (1816) 1, 484; die gröszeren städte Syriens ... versuchten sich bald als freie gemeinden, bald unter sogenannten tyrannen auf eigene hand zu behaupten röm. gesch. 3 (41866) 46. gelegentlich — mit betonung der illegitimität — im sinne von 'usurpator': der letzte knig, oder vielemehr der tyrann Gilimer, der wider recht das wandalische reich in Africa knig Hilderichen entzogen vnd auff sich gebracht htte altes Pommerland (1639) 1, 63; nach einer reihe von so genannten tyrannen, das ist, von beherrschern, welche sich der einzelnen und willkührlichen gewalt über den staat bemächtigt hatten, ohne auf einen beruf von den bürgern zu warten Agathon (1766) 2, 85; tyrann hiesz bei den alten derjenige, der sich in einem freyen oder republikanischen staat eigenmchtig zum oberherrn aufwarf, wenn er gleich übrigens nachher noch so glimpflich und gelind regierte frauenz.-lex. 2 (1773) 3674; ähnlich in historischer erzählung bei W. Bergengruen der großtyrann und das gericht (1935) titel. B. 'gewaltherrscher'. 1) im eigentlichen sinne. a) 'despotischer landesfürst': aber wer da scht nun sein nutz und nit den gemainen, der hayszt von recht nit ein küng, aber ein tyrann und ain wthrich. das ander da die gemain regnierend ... und schend den gemainen nutz, das hayszt aristocratia (1432) gold. spiel 6 Edw. Schröder; hat diser Cicero an andern enden kaiser Julium nit allain nit gelobet, sunder sine werck geschulten vnd jnn nit gütig, sunder ainen tyrannen genennet transl. 341 Keller; könig Antiochus, der zwölfft tyrann (überschrift) als er (Herodes) inne wird ... blutdürstigster tyrann! hat wohl die grosze welt tyrannen haben wohl oft vlker aufgerieben: du (Frischlin) sprachst den stolzen purpurnen tyrannen [Bd. 22, Sp. 1969] Macaulay ein harter, perfider tyrann, bei Carlyle ein heros (6. 9. 1890) br. a. s. gattin 543 Strakosch-Freytag u. Walter-v. d. Bleek. schon früh in sprichwörtlichen wendungen, die wesen und geschick des tyrannen charakterisieren: dem tyrannen ist die zal seyner iar verborgen Hiob 15, 20; wenn gott ein landt straffen vnd plagen will, so gibt er ihm einen tyrannen vnd wuettrich, der es alles on raht mit der faust wil auszrichten sprichw. (1532) 229; muthwil ist der tyrannen rath vnd lehr d. Teutschen weiszh. (1605) Pp 5b; ein freye statt vnd freyen mann gar wenig man tyrannen findt, in epigrammatischer wendung der neueren literatursprache: der macht sich zum gespötte, der einen tyrannen durch beredsamkeit zu gewinnen gedenkt 8, 57 L.-M.; sklaven weinen nicht, wenn sie einen tyrannen verlieren verm. w. 2 (1770) 44; heute ist ein land frei und morgen liegt's einem tyrannen zu füszen s. w. 1 (1827) 9; unter tyrannen denkt der brger nur an sich neues theater (1790) 1, 8 (Aristodymos, 1. akt); pfaff samt tyrann die welt erträgt weit eher den tyrannen b) 'gewalttätiger, despotisch unterjochender eroberer': wo denn ausz frevel und hochmut ja, eroberer, ja, — du wirst unsterblich seyn. ihr (der preusz. jäger) bestes wild ist ein tyrann, 2) in erweiterung des anwendungsbereichs als bezeichnung für jeden — in kleinerem oder gröszerem kreise — despotisch auftretenden machthaber. [Bd. 22, Sp. 1970] a) für geistliche würdenträger, die ihre gewalt miszbrauchen; dieser gebrauch lebt in der sprache der reformation auf: lass uns frey, Emsser, und gib nach, wie dich deynn gewissenn dringt, das der bapst eyn tyrann sey, keynn recht habe gesetz zu machen 7, 669 W. (vgl. auch ebda 8, 502 u. 26, 577 sowie die komposita beicht-tyrannen u. seel - tyrannen unter D 2); wie wol die geystlichen tyrannen ein weltlich uberkeyt aus der Christenheit gemacht haben ebda 11, 410 (ebenso 12, 35); ebenderselbige bischof und tyrann ist darnach von groszen mäusen gefressen worden ders., tischr. 3, 644 W.; aber die tyrannen, pebst ... vervolgen die selbigen (die rechte lehre) (1539) Melanchthon in: br. 8, 529 W.; ich sehe schon den Tyberstrom (der pöbel) nennt seine landsleut' affen, b) für alle, welche im gesellschaftlichen leben ihre durch soziale stellung bzw. besitz oder amt erlangte macht willkürlich und miszbräuchlich ausüben: die rîchen und tyrannen sint gerecht den armen selden ... leute, die das volk geplagter bürger flieht, ... [Bd. 22, Sp. 1971] vom pöfel unrecht leyden 19, 635 W. (s. auch 17, 88 -91 S.); ... wer beschützte die menge c) für autoritäten, die in despotischer weise einem kleineren kreise vorstehen; insbesondere für den vater und ehemann, vgl. haus-tyrann unter D 2, tyrannelein und tyrannin 2 a: wenn n eyn vater seyn kind zur ehe dringet, da das kind nicht lust noch liebe hyn hat, da tritt er uber und ubergehet seyne gewallt und wird aus vater eyn tyrann, der seyner gewallt braucht nicht zur besserung, ... sondern zum verderben 15, 164 W.; mancher tyrann hielte sein ehrlich weib ärger als einen hund Simpl. 71 Scholte; der tyrann entzog seinem weibe alles, was zur leibes nahrung und nothdurft gehrt s. w. 3 (1828) 79; 'hast du nicht ärger genug mit dem haushalt, den tollheiten der kinder und zuweilen mit deinem tyrannen, dasz du dir mehr ersehnst?' (sagte der freiherr zu seiner gattin.) 'du lieber tyrann!' rief die baronin ges. w. 4 (1887) 28; natürlich, nun bin ich wieder der tyrann, der ewige griesgram, der allen die freude verdirbt! fam. Barchwitz (1899) 9; nach dem tode ihres mannes, der ein böser tyrann und hypochonder gewesen war, hatte sie begonnen zu leben fall Maurizius (1928) 44; ebenso vom lehrer: wie manch edles ingenium wird durch scholastische tyrannen von den studiis abgeschreckt! schr. (1663) 50; der lehrer soll nicht beherrscher und tyrann, sondern freund der gemeinde seyn pred. fürs landvolk (1776) 2, 34; so saszen wir einst, während unsre tyrannen (lehrherrn) uns im schweisze unsers angesichts glaubten, ganz gemütlich beisammen ges. schr. (1891) 2, 426; an der thüre dieses verschlages befand sich ein rundes fensterchen, durch welches der tyrann (oberschulmeister) öfters den kopf zu stecken pflegte, wenn drauszen ein geräusch entstand ges. w. (1889) 1, 37; ein schüler war ein mausgraues, unterworfenes und heimtückisches wesen, ohne anderes leben als das der klasse und immer im unterirdischen krieg gegen den tyrannen d. blaue engel (1950) 26. d) für diktatorisch das geistige leben bestimmende persönlichkeiten: sie werfen sich keineswegs zu eigenmchtigen tyrannen der litterarischen welt auf deutscher Merkur (1773) 1, 19; ein tyrann des geschmacks ist ... die albernste figur, die je die sonne beschienen 22, 105 S.; vgl. auch: ein sprach tyranne überfl. ged. 171 ndr. e) in scherzhafter anwendung für ein seine umwelt in launischer willkür beherrschendes kind, s. auch unter tyrannin 2 c: wie die wärterin dem schreienden kinde alle möglichen spiele ... für den künftigen tag zusagt, damit es nur endlich die augen schliesze und ihr gestattet sei, ihre augen von dem lästigen kleinen tyrannen ... ab- und eigener häuslicher beschäftigung zuwenden zu dürfen; so lullte und sang er sein groszes kind ... mit süszen weisen erlogener liebe ein erz. schr. 3 (1861) 128; Heinrich (kind von Annettes bruder Werner) ist jetzt sehr hübsch und, wenn man ihn allein hat, allerliebst, zwischen den andern kindern aber ein kleiner tyrann (9. 2. 1838) br. 1, 267 Schulte-K.; in der mitte seiner tyrannen (der straszenjugend) stand Moses Freudenstein hungerpastor (1864) 1, 62; die (verwöhnten kinder) lernen schon in jungen jahren die leiden der tyrannen kennen ges. schr. (1893) 1, 32; vereinzelt für einen so auftretenden schauspieler gebraucht: in diesem augenblick erhalte ich (als theaterdirektor) das verruchte billet des unseligen tyrannen! s. w. 4, 27 Grisebach. f) gelegentlich auch für ein tier, das durch seine physische überlegenheit den ganzen umkreis beherrschend in bann hält: die hechte ... seind aber eyn schdlicher fisch vnd [Bd. 22, Sp. 1972] nicht anders dann eyn tyrann inn den süssen flüsswassern feldbau (1579) 465; der tyrann des Nils, das satte krokodill, lag mit offenem rachen am ufer s. w. (1784) 6, 189; ein jäger ..., 3) für einen rohen, gewalttätig seinen willen durchsetzenden menschen schlechthin, 'wüterich', vgl. tyrannei B 3, C 4 u. D 1 sowie tyrannisch unter 2 a α: die bemelten beiden burger ausz der Altenstadt (haben) sie (Katharina Plugken) mit frevel ausz dem kloster zu schleppen understanden, und do ihr die ander jungfrawen zu hulfe gekummen, haben die beide tyrannen mit ihren feusten die armen kinder vor ihre bruste gelaufen und also unmenschlich von sich gestossen (1524/25 Magdeburg) städtechron. 27, 147; der riesz Kuperan, der ein ungläubiger heyd, Epicurer, tyrann vnd todschlger ist, antwort ... er sey darumb ein ritter vnnd kriegsmann, dasz er die leut erschlagen wöll hist. process. juris (1600) 362; (Zettel:) eigentlich habe ich noch das beste genie zu einem tyrannen; ich könnte einen Herkles kostbarlich spielen, oder eine rolle, wo man alles kurz und klein schlagen musz Shakespeare (1797) 1, 189; so noch in der mundartlichen komposition erztyrann 'wer auf ganz brutale weise seinen willen durchsetzt' bad. wb. 1, 712; vereinzelt auch abgeschwächt für einen gegen seine umwelt rücksichtslos auftretenden menschen: ... dasz kein polizeidiener es wage, bei nachtzeit, wenn müde leute schlafen wollen und sie (die im bierhaus nach freiheit schreienden) brüllend durch die gassen ziehen, ihnen den rachen zu stopfen, mit einem worte, dasz niemand sie in der freiheit beschränke, tyrannen anderer zu sein erz. schr. 20 (1862) 19. 4) metaphorisch in verschiedener, an B 1 bzw. 2 anschlieszender anwendung. a) im vergleich, wobei besonders die eigenschaften der willkür, grausamkeit, härte und unduldsamkeit als tertium comparationis dienen: er (gott) thutt nit wie tirannen: ich bin wie ein tyrann auf menschenjagd der winter folgt ihm (dem herbst) bald, scheint hart, als ein tyrann der winter stand, ein eiserner tyrann, [Bd. 22, Sp. 1973] gelegentlich wird tyrann auch in der neutralen bedeutung 'herrscher (A 1)' zum vergleich herangezogen: der berg S. Oreste oder Sorakte ist das herrlichste auf der ganzen reise; er steht da wie der tyran der weiten gegend und beherrscht alles, ewig fest auf sich selbst gegründet s. w. 7, 90 Schüddekopf. b) bildlich; dieser gebrauch war besonders in der sprache der barockdichtung lebendig, auf den allmächtigen, willkürlich-launisch waltenden liebesgott bezogen: Cupido der tyrann hebe dich weg Cupido, du tyranne! denn des barometers walten c) übertragen, in mannigfaltiger anwendung, vgl. DWB tyrannin 3 b, tyrannei B 4 b und tyrannisch 2 a δ. α) von überindividuellen, geistigen wesenheiten, denen der mensch unterworfen ist: und nicht mit uns umbgehe wie mit Moses volck, wilchs als ein knechtisch volck nicht ynn kindlicher liebe, sondern ynn knechtlicher furcht mit drewen, schlegen, straffen und wurgen gehalten wird unter dem tyrannen, dem gesetz, als unter dem hencker und stockmeister 19, 160 W.; die ehre ist unser tyrann, wir folgten ihrem winke s. dram. w. (1727) 1, 211; eine solche sclavische hingebung in die launen des tyrannen schicksaal ist nun freilich eines freien, denkenden menschen höchst unwürdig w. 5, 41 E. Schmidt; jeder (sittliche) wert hat — wenn er einmal macht gewonnen hat über eine person — die tendenz, sich zum alleinigen tyrannen des ganzen menschlichen ethos aufzuwerfen Nic. Hartmann ethik (21935) 524. β) von menschlichen schwächen, trieben und affekten, deren willkür die individuen beherrscht: item dasz die sünde der aller gewaltigste und grausamste, schädlichste tyrann sei uber alle menschen dieser ganzen welt tischr. 6, 103 W.; zu frnen der blinden lieb; sie ist ja ein tyrann Octavia (1677) 1, 110; sey deiner neigungen herr, so wirst du das unglück beherrschen; o zorn! du abgrund des verderben, C. ornithologische bezeichnung für einen würgerartigen, wagemutig sein nest auch gegen raubvögel und kleinere säugetiere verteidigenden vogel (s. auch unter tyrannchen): wesen [Bd. 22, Sp. 1974] und eigenart der würger und fliegenfänger vereinigen in sich die tyrannen oder königswürger (tyrannidae) tierl. 4, 545 P.-L.; der königsvogel oder tyr ann (tyrannus carolinensis ...) zählt zu den mittelgroszen arten seiner gattung (der königswürger, tyrannidae) ebda 547; tyrann (königswürger, königstyrann, tyrannus carolinensis ...) sperlingsvogel aus der artenreichen, nur in Amerika vertretenen familie der königswürger (tyrannidae), ... nährt sich von kerbtieren und verfolgt mit dem gröszten mut raubvögel, krähen und katzen ... zum schutz des eigenen nestes Meyers konv. lex. 19 (1908) 852. D. in der komposition. das als simplex dem dt. geläufige tyrann gewaltherrscher (B) bestimmt auch in der komposition fast ausschlieszlich das bild des sprachgebrauchs. 1) als erstes kompositionsglied. a) vor adjektiven. vereinzelt als gelegenheitsbildung bei Fischart: tyrannodisciplinisch Garg. 192 ndr.; auch aus neuerem sprachgebrauch wenig bezeugt, wobei wie bei b genitivkomposition (tyrannen-) vorliegt. — tyrannenartig, adj. , 'wie ein tyrann geartet': der mann, wenn er, in sich selbst so schlecht verwaltet, dasz du ihn schon als einen solchen tyrannenartigen für den unseligsten erklärtest Platon 3, 1 (1828) 460. — -mörderisch, adj. , zu tyrannenmörder (s. u.b) gebildet: zunächst noch fesselten ihn (Schiller) ... Höltys bald wehmutsvolle, bald harmlos heitere freundschafts- ... lyrik, die tyrannenmörderische freiheitsdichtung des gräflichen brüderpares Stolberg Schiller 1 (1905) 91. b) vor substantiven. seit dem 16. jh. erscheint tyrann als determinativum vor abstrakten und konkreten, die dem begriffsbereich tyrann im verhältnis der zugehörigkeit (var. dieses typus sind: tyrannen-blut, -herrschaft, -knecht), wesensgleichheit (typus tyrannen-fürst, -teufel, -verhängnis, -volk) oder objektbezogenheit (typus tyrannen-feind, -hasz, -mord, -mörder) zugeordnet werden. diese zusammensetzungen folgen unten an alphabetischer stelle, s. sp. 1981ff. 2) als zweites kompositionsglied. seit dem 16. jh. findet sich tyrann gelegentlich auch als grundwort mit vorausgehendem, die art bzw. den wirkungsbereich des tyrannen verdeutlichendem bestimmungsglied: beicht- tyrannen bücher u. schr. 1 (Jena 1567) 550a; blut-tyrannen d. fahrende poet (1838) 208; dorf-tyrannen ges. w. (1889) 1, 72; haus-tyrann wb. 3 (1856) 857; ober-tyrannen Johanna Kinkel bei 2, 2 (1865) 1405b; schul-tyrann w. 3, 267 Streckfusz; seel-tyrannen 12, 158 W.; sprachtyranne überfl. ged. 171 ndr.; universaltyrann I 29, 90 W.; unter-tyrannen F. Gentz bei 2, 2 (1865) 1405b; volks-tyrann ebda; welttyrannen catech. (1657) 5, 1269; w. 3, 607 Bl.; vereinzelt mit verstärkendem präfix: erz-tyrann bad. wb. 1, 712.
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