Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
tüll bis tüllgewebe (Bd. 22, Sp. 1693 bis 1700) | ||||
| ![]() ![]() ahd. nicht bezeugt. tüll erscheint im 13. jh. in der bedeutung 'zaun' neben älter bezeugtem till 'balken' (ahd. dil aus *þeli(z), dillo aus *þeljen-, dille aus *þeljō(n) als glossierungen zu lat. *cinulus [lies scindulus], pluteus, planca, [ima pars navis], laterculus, area [planities tabularum] ; mhd. dil, dille 'brett, planke, bretterwand, verdeck' 1, 331a; 1, 432 f.), das nhd. noch mundartlich als dill, till, m. f. n., 'dickes brett, balken' lebendig ist, vgl. 1, 190; schwäb. 2, 206; bayr. 1, 500; siebenbürg.-sächs. wb. 2, 41. obwohl auch die andern germ. sprachen nur die e-stufe *þel- zeigen, wird man doch mit (teil 2, sp. 1101 s. diele 7) wegen der bedeutungsdifferenz tull und tüll als ablautsformen zu till ansehen müssen. tüll lediglich als rundung von till aufzufassen (womit vor allem in jüngerer zeit zu rechnen ist), ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil schon im 13. jh. umlautlose formen bayrisch und alemannisch belegt sind (s. u.). erst im 16. jh. erscheinen i-formen in der bedeutung 'zaun' und ü-formen in der bedeutung 'brett, balken'. vgl. ferner dul, m., 'diele' luxemburg. 75; tillhag, tollhag, tüllhag 'zaun' schweiz. id. 2, 1072; tilboum, tollbaum ... 'tragbalken für zimmerdecke, brücken usw.' ebda 4, 1247. einmaliges tall (Augsb. um 1530) städtechr. 23, 7 ist wohl fehler. — die ablautsform germ. *þul- kehrt sicher wieder im bslav. lit. tìlės, f. pl., 'bodenbretter im kahn', lett. tilaudas 'bretter, welche die diele eines bootes bilden', aksl. tla, n. pl., 'fuszboden', russ. tlo 'grund und boden' u. s. w., s. 1, 740; bsl. wb. 321. anlautendes d- bleibt selten: dülle flurnamenb. 46; dull vocab. theut. (1482) z 3a; die umlautbezeichnung fehlt öfter; vgl. auszer den unten angegebenen belegen (um 1280) Augsburger stadtb. 147, 9 Meyer; (1482) monum. Boica 6, 317; (1394) bei opusc. (1747) 322; (um 1400) reimchron. d. Appenzeller krieges 39 Arx; ferner gl. 606a; nov. gl. 376b. für die till- und dill-formen vgl. gl. 305b s. v. intervallum; 606a s. v. vallum; ferner die literarischen zeugnisse: (Augsburg 1510) städtechron. 23, 128; teil 4, 1, 1, sp. 2025; schwäb. 2, 207. in jüngerer mundart: dille steir. 154; dîl (aus dem Donau-Lechwinkel) Bayerns maa. 1, 307; dill schwäb. 126. — tüld mit angefügtem -d begegnet nur (1426) bei bayr. bergrecht 27. bedeutung und gebrauch. A. saepes, vallum. 1) der zu kriegerischer befestigung dienende palisadenzaun um stadt, schlosz oder burg: vallum tll (15. jh. obd.), tul (15. jh. obd.) nov. gloss. 376; tull aspar ... paries factus ex asseribus voc. inc. teut. (ca. 1485) g g 5b; voc. primo ponens (Straszburg 1515) d 1a; intervallum ain till (obd. voc. mit niederrhein. sprachzügen) b. gl. [Bd. 22, Sp. 1694] 305b; vallum ... till ebda 606a aus gleichem glossar; dill vel till, hodie muris et moenibus opponitur atque sepem notat, e fustibus, lignis aut asseribus compactum (1728) 3, 248. tüll, mauer und zaun werden als kennzeichen verschiedener befestigungsgrade einander gegenübergestellt: hât diu stat mûre, man sol sie ûf die erde brechen, unde hât si tülle, man sol ez nider brechen (1274/75) Deutschenspiegel 225, 9 Eckhard-Hübner; Schwabenspiegel § 207, 7 Gengler; also ward von in daselbst gemacht si wolten aller gernest 2) in jüngerer zeit bezeichnet tüll auch einen einfachen zaun um haus oder garten: herren Nicklas Muffel hat man vergunt auszen vor der stat underhalb des werderthurleins von seinem garten doselbst ein thüll überzwerch an den statgraben zu machen auf sein kost, dardurch die leut gehindert und nit mer also an das wasser an dem ent auf dem graben hinab kumen mugen Tucher [Bd. 22, Sp. 1695] baumeisterb. (1464/75) 265 lit. ver.; ain haus und tüld darumb nach notdurfft (1426) bei bair. bergrecht (1764) 27; es habe sich gefügt, das sinem brder und im der wind ettwas in irem gartten zerbrochen hab, das nun Wernly Kolb inen widermachen wolt, und da lge ane geverd ein stang dawider selbs, da er und der Kolb nit anders wisztend, won sy gehorte z dem thüll dokumente zur gesch. d. bürgerm. Hans Waldmann 1, 285; vormals ging ein schlecht tüll um den boumgarten (um 1500) dt. histor. schr. 2, 411 Götzinger; da erschrack das wild und lieff in den holen weg und der statt z und sprang über ain hoches till in des Weyers garten (Augsburg 1521) städtechron. 25, 157; bäum, till, heusslin muszten darnieder (Ulm 1549) bei schwäb. 2, 207; es sol auch kainer ... ohne erlaubtnus ... in die dörfer umb provant ... gehn, desgleichen der gärten, abbrechens der zein und thüll oder ops sich miessigen (Augsb. um 1565) städtechron. 33, 438; vgl. bei schwäb. 2, 207: pl. tiel gartenzäune (17. jh.); bey den gärten am till (Ulm um 1700); alles till sambt den garttenhäusslein eingerissen ebda. zaun im tiergarten: dill (1610) b. schwäb.-augsb. 126. noch in jüngerer ma.: gartenzaun dîl (aus dem Donau-Lechwinkel) Bayerns maa. 1, 307; dill bretterne einzäunung, z. b. gartendill schwäb. 126. 3) seltener von einer geschlossenen bretterwand: item vor des keissers kuchen im inneren hoff ein thül von pretteren aufgeslagen vor den kuchenleden herdann pei 7 schuhen weit und pei 10 schuhen hoch, als lang die kuch und das kemmerlein do pei was, dorein in der mit ein tür gestelt (1464/75) baumeisterbuch 297 Lexer; ain vast grosze stuben uff der erden und ist die stub mit aim thüll umbmachet gesein (Biberach 16. jh.) Alemannia 17, 109. barriere: anno des jars (1510) am afftermontag in pfingstfeiren da het der khaiser ain welsch stechen, er stach selbzehenndt ... man stach über ain till, es ward nicht wol gestochen städtechron. 23, 128; ward zu dem gestech ... ein lannges gethill aufgerichtet, über welches dill der könig und herren mer dann hundert spiesz zerbrochen haben (16. jh.) bei 1, 500. B. die bedeutung 'balken, brett, planke' ist erst frühnhd. bezeugt: faselus tulle (obd. anf. 15. jh.) gl. 226c, dazu vgl. aisl. þilja, f., 'brett im boden des bootes'. allgemein als 'balken, brett': bluteus tyle, bret, schribbret (15. jh.) nov. gl. 296a; bluteus dillpret (1468) ebda; dilipostes schrancken, tüll (1429 Inntal) ebda 135a; pluteale bole, prett oder tyl (1482) bei Österr. 3, 246; von ainem flosz von ainem ieden tülln (floszbalken) mauth pfenning (1469) österr. weist. 8, 104, 28; die schirmbrätter werden aus thülen gemacht, welche die knecht, so den sturm anlauffen, bedeckend, unnd vor den pfeilen beschirmend H, mitnächtische völckeren historien (1562) 1, 138; die hütden machten ... etliche ... von strow, grasz und hew ... andere aber von thüren, taflen, thülen und brädtern, so sie aller orten, insonders aber in dem gotzhausz in den gebewen abgebrochen schwed. krieg (1644) 164 Weech. vgl. ferner die belege bei schwäb. 2, 206. ![]() ![]() [Bd. 22, Sp. 1696] luxemb. ma. 445; elsäss. 2, 678 u. lothr. 111. — 'gazeartiges gewebe aus feinen baumwoll- oder seidenfäden' ( reallex. d. kunstgewerbes [1883] 413): ob das echt ist, was der tüll verräth, oder ob das falsch ist, was das bauschige seidenzeug vorprahlt s. w. 4 (1873) 264; die aus tüll und gaze gefertigten (blumen) auf d. höhe (1871) 2, 28; es (das kleid) ist reizend hellblauer tüll mit eingestickten tupfen Berliner range (1900) 1, 185; ein bischen tüll zum besatz (des kleides) kaufen familie Barchwitz (1902) 7; nymphen ... durchsichtig gekleidet, in tüll, gaze und glitzerwerk Faustus (1948) 226. vereinzelt findet sich der pl. im sinne von 'tüllarten' (wofür sonst tüllstoffe, s. d. spr. d. kaufmanns [1912] 104): besätze von borden, tüllen ästhetik (1846) 2, 260. — ![]() ![]() ![]() ![]() ahd. tulli, n., mhd. tülle, n., u. nhd. tülle, mnl. dulle, dul f. (dazu mnd. dulle 'beule') aus *dulja-, *duljō- gehört zur sippe idg. *dhel-, *dholo- 'wölbung', 'höhlung' 1, 684; 43, 204; wörter und sachen 6, 44; in: nachr. der ges. d. wissensch. zu Göttingen, phil.-hist. kl. 1940, 89 ff. wie die ablautenden nhd. tal (s. teil 11, 1, 1, sp. 296) und tüle (s. o.) von derselben ablautstufe wie tülle, nur mit anderer bildung mhd. tol(e), f., 'abzugsgraben' aus *dulō(n), s. DWB dole (dagegen hat ahd. dola fistula, fornaculum, cloaca germ. Þ im anlaut, s. PBB 20, 60; 117; unglaubhaft ist nd. entlehnung, die 1, 865 annimmt). im ablaut mit tülle steht mnl. dille 2, 460 (grundform *ðeljō-), nl. dil, dille, dilt 'het holle deel van zekere metalen gereedschappen, waarin de steel sluit' woordenb. 3, 2, 2626, vgl. a. a. o.; engl. till a socket in which something is fixed or through which a rod or spindle passes 10, 1, 28, erst seit 1611 als term. techn. spärlich belegt, also wahrscheinlich entlehnung aus dem deutschen oder holländischen. — frz. douille 'röhre, hülse' ist wahrscheinlich aus einem frk. *dullja entlehnt, s. Romania Germanica 1, 231; v. frz. etym. wb. 3, 77 f. mundartlich zeigt tülle insofern abweichende verhältnisse, als es auch auf nd. boden weithin im anlaut die schriftsprachliche tenuis zeigt, jedoch nur in der jüngeren bedeutung 'ausguszrohr an gefäszen' (s. u. 1 b); vgl. Barmen 161; Elberfeld 166; Fromme Hohenbostel (im Deistervorland) 86 Alpers; Göttingen 236; Waldeck 106; Eilsdorf 99; Nordharz 194; schlesw.-holst. 5, 202; altmärk. 229; neumärk. 241; Berliner wortschatz 184; mecklenb. 95; neue beitr. 51. t- neben d- zeigen westf. 62; Livland 3, 2, 25. umlautloses tulle verzeichnet steir. 182; dulle (neben dülle, dille) nordwestböhm. 32; dull, f., vorspringende büchse am spatenblatt schlesw.-holst. 1, 900; vgl. dazu die unten folgenden literarischen belege. -i-formen (tille, dille) sind ostmitteldeutsch u. nd. (Sachsen, Nordthüringen, Nordböhmen, Nordharz, Neumark, Liv- u. Estland) verbreitet, zum teil neben den tülle- / dülle- formen (Ostfriesland, Schleswig - Holstein, Sachsen, Thüringen), s. die literarischen belege unten. tele, telle steht neben tille, dülle, dille in Nordböhmen, s. 176. düll, döll, töll, dill, also apokopierte formen, gelten in Westfalen, Rheinland, Lüneburg, Schleswig-Holstein, Altmark, Mecklenburg, Preuszen. in Ostfriesland steht tilt neben tilte und tülte, s. 3, 411. dieser unorganische zweite dental findet sich auf nd. u. md. boden auch sonst: tilte Nordharz 194; tülte [Bd. 22, Sp. 1697] Halberstadt nach wortgeographie 541; dilden (neben dile, dylen) Thür. 249; dilten Nordthür. 31; wenn hierhergehörig, tolde, tlde schl. ma. i. Nordböhmen 180; einmalig, in quelle von 1728, mit unorgan. guttural tilge bei steir. 154. für den genuswechsel vom n. zum f. kommt ebenso alte (urspr. nl. nd.?) nebenform (vgl. ags. dell tal, höhle, vertiefung, m. n., gegenüber mnl. delle, mhd. telle schlucht, f.) wie einwirkung der als fem. empfundenen endung -e (vgl. 3, 2, 376; dt. gramm. 2, 116) in betracht. als neutrum begegnet tülle cgm. 4902 v. j. 1429 b. 1, 602; Nürnb. um 1434 in städtechron. 1, 392; mitteldt. weihnachtsspiel 482 Piderit. — als fem. zuerst 63, 186 Schatz; bündth-ertznei 64; liederb. d. 16. jhs. 120, 53 Tittmann; in den wörterbüchern (1691) 323; (1741) 1, 198a; 1, 1361; 1, 721, ebenso in den maa. in einigen nordwestdt. maa. begegnet das masc.: døll rhein. wb. 1, 1548; døl Cronenberg 21; vgl. auch tylle, m., nordfries. 646. dülle, f., steht neben düll, m., bei westfäl. 62. düll als fem. verzeichnet neben vereinzelten neutr. Lüneburg 387. in Schleswig-Holstein steht dil, f., 1, 735, tyl, f., 5, 203 neben dul, f. und m., ebda 1, 900. bedeutung und gebrauch. ahd. tulli, mhd. tülle bezeichnet die rinnen- oder röhrenförmige verlängerung von pfeil- und speerspitze, in die der schaft eingefügt wird. nhd. lebt das wort nur mehr in der umgangssprache oder als handwerklich-technischer ausdruck in landschaftlich verschiedenen sonderbedeutungen und ist selten literarisch oder lexikalisch bezeugt. 1) röhre, ring oder beschlag, meist als bestandteil von gerätschaften. a) schaftröhre von pfeil oder speer u. ä. geräten. im ältesten beleg steht tulli als pars pro toto für den pfeil selbst: gang uz, nesso, mit niun nessinchilinon, im was sîn edel kochervil guoter strâle vol, einen schaft, was lâsûrvar, b) in der ma. bezeichnet tülle die röhrenartige verlängerung des metallteiles, in die der stiel oder griff eines werkzeuges eingefügt wird, so bei der schaufel, gabel; in diesem sinne namentlich auf nd. boden verbreitet, vgl. DWB dölle, döll pr. 1, 142; dülle Nordwestböhmen 32; dille obersächs. 1, 219; dill schlesw.-holst. 1, 735 (hier auch als dull 1, 900); døl [Bd. 22, Sp. 1698] Cronenberg 21; døll rhein. wb. 1, 1548 (hier auch von einer vorrichtung am pflug und von einem röhrenartigen werkzeug des drechslers); obd. als tulle bei steir. 182 (daneben auch ein tilge gleichen sinnes aus einer quelle v. j. 1789, s. ebda 154). c) tülle als eine art angel (cardo), die einen beweglichen oder festen bolzen umschlieszt: die stäbe (beim vogelherd) macht man zwey ellen lang, unten mit eisernen tillen, und löcher darunter, dasz selbige an einem eisernen boltzen gehen und sich leichte drehen können jägerpraktika (1754) 2, 283; gurtungen ... die mittelst schmiedeeiserner oder guszeiserner tüllen ... aus einander gehalten werden und durch geschmiedete bolzen mit einander verbunden sind lex. d. ges. techn. (1894) 5, 334. d) röhrenartiges holzgefäsz zum aufbewahren des wetzsteins: dülle, tülle Thür. 85; 249; tille Stieger ma. 140; dilten nordthür. 31. vgl.tul ein köcher beitr. zu Adelungs wb. 101. e) in erweiterter bedeutung 'ring, öhr, öffnung': tell(e) und tülle 'eiserner ring an der wagenlechse, der die achse umschlieszt' schl. ma. i. Nordböhmen 176; 195; tele, tülle am vorderrade, die über das achsenende gestülpt wird eine dt. sprachinsel in Obschl. 205; dölle, döll das ohr, worin löszstock und löszwende des wagens passen pr. 1, 142, vgl. DWB öhr teil 7, 1251; düll öse, loch, tülle für einen stiel westfäl. 62; düll das loch der spindel zum durchführen des fadens Lüneburg 1, 387; hierher wohl auch, vom teil auf das ganze übertragen: tolde, tlde nadel mit groszem öhr ohne spitze zum einziehen von schnüren schl. ma. i. Nordböhmen 180 (von Knothe zu tôlen = 'nadeln der waldbäume' gestellt und mit mhd. tolde = 'apex' in verbindung gebracht). f) vereinzelt bezeichnet tülle den bloszen eisenbeschlag am ende eines hölzernen gerätes: 1 schuvestake (schiebstange) myt ener iszeren dillen Wismarer inventar von 1438 bei 6, 99; tülle eisernes, spitz zulaufendes beschläge am untern ende eines stockes, auch der mit eisen beschlagene sperrstock beim heuziehen selbst Kärnten 75; vgl. Tirol 775. — die von 1 (1774) 1361, 1, 721 und 2, 1085 angeführte bedeutung 'schloszbeschlag um das schlüsselloch' ist in den maa. nicht bezeugt. vergleichbar nur: beschlag, wovon die tille abgebrochen war (aus Riga 1808) bei spr. Livlands 3, 2, 25. g) metaphorisch. im vergleich: sinewel als ein tlle Würzburger hs. d. 14. jhs. in: zs. f. dt. altert. 5, 16; übertragen mundartlich töll vulva Gottschee 141. — unklar. ob mhd. sprachläufig oder, wie wahrscheinlich, ein bewuszt humoristisches bild ist tülle in der bedeutung 'kragen': Enzman ist sîn krage verspart er ist geheizen Grülle 2) im 15. und 16. jh. ist tülle in der bedeutung 'pfeife', 'flöte' bezeugt. vielleicht hierher (vom herausgeber dagegen als 'diele' gefaszt): ich hort zu Afflane (hirten zum Christkind:) und do der meister das morgenmal asz, [Bd. 22, Sp. 1699] 3) im östlichen mittel- und nddt. bezeichnet tülle seit dem 17. jh. speciell die kleine röhre an leuchter und laterne, in die licht oder docht gesteckt werden: dille eines leuchters, darin man das liecht stecket le tuyau d'un chandelier, myxus candelabri teutsch-franz.-lat. (1664) 102; myxus die dille alias lampenrörlein; calix candelabri leuchterdille (1691) 323; eine röhre an einem leuchter, worinnen der untere theil des lichts steckt, tubulus in candelabris cui inseritur candelae pars inferior (1741) 1, 198a; (1774) 1, 1361; 4, 909; mundartlich schl. 101; obersächs. 1, 219; Leipzig 102; Thür. 249; 85; Altenburg 121; altmärk. 229; Livland 3, 2, 25; leuchtertrichter zum aufsetzen der wachslichtchen am weihnachtsbaum neue beitr. z. estl. ma. 51; selten literarisch: (der drahtleuchter) hat eine eiserne tille, so man auf und nider schieben kan frauenzimmerlexikon (1715) 426; ich will zwar den übeln gebrauch nicht billigen, den manche leute haben, wenn sie ein licht auslöschen, dasz sie das licht umkehren und mit der schnuppe in der tillen stecken und also kalt werden lassen rockenphilosophie (1718) 1, 309; den tischgenossen, vor welchen das unschlittlicht in die tülle hinabbrennt manch hermäon (1788) 2, 48; das licht war bis in die tülle hinuntergebrannt Ewalds rosenmonde (1791) 259; dem pflock enthob er die leuchte tülle (der lampe) blechernes röhrchen, in welches der docht einer öllampe gezogen wird, auch der docht der öllampe selbst schl. ma. i. Nordböhmen 176: die ältesten lampen ... bestanden aus einem gefäsz, an welchem sich henkel und eine ... tülle ... für den docht ansetzen lex. d. ges. technik (1894) 6, 61; der obere boden des brennergehäuses bildet ... ein tellerchen zum aufsetzen einer ... kapsel, welche ... eine auf das dochtrohr zu schiebende tülle enthält techn. wb. (1876) 5, 257; im vergleich: seine augen glommen in ihren tiefen höhlen wie ein paar bis in die tüllen hinuntergebrannte, dem erlöschen nahe tochte Ewalds rosenmonde (1791) 309. 4) in jüngerem sprachgebrauch bezeichnet in Nord- und Mitteldeutschland tülle eine kurze röhre überhaupt, meist ein ausfluszrohr: rhein. wb. 1, 1548; Elberfeld 166; Barmen 161; Rhoden 203; Waldeck 106a; Liv- und Estland 238; ausfluszrohr an wasserleitungen Livland 3, 2, 24b; brunnen- oder pumpenröhre: die röhre an einer plumpe, woraus das wasser laufft (1741) 1, 198a; ich wurde auf befehl unter den brunnen geführt, unter die tülle gestellt, und so wurde mir, bis es voll schlug, wasser auf den kopf und in den rockkragen gepumpt ges. novellen u. briefe (1872) 3, 41. umgangssprachlich in Nordwestdeutschland am weitesten verbreitet für die ausguszmündung eines gefäszes, sowohl die röhrenförmige an tee- oder kaffeekanne als die rinnenförmige anderer kannen und töpfe (synonyme: schnauze, schnabel, schneppe u. a.), vgl. wortgeographie (1918) 541; Hohenbostel i. Deistervorland 86 Alpers; Göttingen 236; Eilsdorf 59; Nordharz 194; schlesw.-holst. 5, 203; altmärk. 229; neumärk. 241; Berlin 184; für Erfurt sprachwart 1 (1866) 378; volksw. d. prov. Sachsen 76. vgl. noch: auf den letzten blättern eines seiner tagebücher hat er (V. Hehn) ein »glossarium Minnense« angelegt, das die ihm auffallenden ausdrücke seiner Minna notiert und erläutert: ... tülle = nase, [Bd. 22, Sp. 1700] pfeife, schnauze an gefäszen und lampen V. Hehn bei Viktor Hehn 200. als ein ausschlieszlich der umgangssprache angehöriges wort ist tülle literarisch nur selten greifbar: wenn ... auch nur bei einer saucière die tülle abgestoszen würde Heinrich Schön jun. (1916) 79; vom röhrenförmigen ausgusz: einen ... alten teekessel, dessen deckel, trotzdem der wrasen auch vorn aus der tülle quoll ... klapperte ges. w. I 5 (1905) 118. in naheliegender verengung des begriffs 'die bewegliche oder hebbare klappe oder der deckel auf dem ausguszrohr eines teekessels' ostfries. 2, 411. vgl. übertragen: tylle maul, schnauze nordfries. 646. vereinzelt auch für das gefäsz selbst (s. unter tulte, tülte): dil gefäsz Wermelskirchen 78. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() und drin ein dörfchen mit sonntagsmienen, ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]()
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