Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
gotisch bis gott(e) (Bd. 8, Sp. 1000 bis 1144) | ||||
| ![]() ![]() A. lehnübersetzung. im 16. jh. nach vorbild und unter einflusz des humanistisch-gelehrten gebrauchs des mittellat. gothicus vom volksnamen Gote zu rein sachlicher kennzeichnung der zugehörigkeit oder herkunft abgeleitet. doch setzt sich diese lehnübersetzung, an deren stelle in der 1. hälfte des 16. jhs. noch gern umschreibungen mit Gote begegnen, zunächst nur zögernd durch; vgl. gotthicus dasz den gotthis zuo gehört Dasypodius dict. (21536) 86 und die belege aus diesem zeitraum unter gote 1-3. die ältesten belege für gotisch: 1536 (unter 3); 1572 Hondorff (3); 1575 Fischart (2); 1591 Scherdiger (3). die bedeutung entwickelt sich entsprechend der des grundworts Gote 1-3. 1) allgemein: germanisch. so in der antiquarischen gelehrsamkeit des barock: gestalt (indem) die überwundenen der sieger wort, sprache und sitten annehmen, wie wir sehen, dasz die frantzösische sprache von der celtischen, griechischen und römischen oder lateinischen, die welsche von der lateinischen und gotthischen, die spanische von der gotthischen, arabischen und lateinischen gemenget sind schutzschr. f. d. teutsche spracharbeit (1644) 14; dasz aber die gotische sprache eben diese, welche man die teutsche nennet, im grunde gewesen sey, ist gar gewisz, wie solches aus den uhralten nahmen der gotischen männer und weiber, auch aus jhren alten reimen abzunehmen haubtspr. (1663) 54. diese verwendung hält sich bis in die romantik unabgeschwächt; zu beachten bleibt, wie die zeitliche vorstellung 'altertümlich, mittelalterlich' immer stärker hineinschwingt: so verschiedene geschöpfe ein alter griechischer und ein gothischer held der mittlern zeiten ... so verschieden auch die bilder ihrer tapferkeit (1769) 3, 400 S.; dem zeitgeschmacke ..., der sich, als eine vermischung des nordischgothischen, des spanisch-arabisch ritterlichen, des barbarisch-christlichen mönchsgeschmacks über Europa [Bd. 8, Sp. 1001] daherzog ebda; auf gothischen grund und boden alle vorzüge fremder nationen zu verpflanzen, sollte unser höchster stolz seyn. wenn also diejenigen provinzen Deutschlands, in denen sich noch die meisten überreste der gothischen sprache und denkart erhalten haben, (mit anderen zur festlegung des sprachgebrauchs) zusammenträten ..., unsere sprache ... würde ... nichts zu befürchten haben (1776) ges schr. 2, 322 Tieck; eine ursache von dem unterschiede der farben bei den menschen sucht F. auch in den wanderungen der völker, von welchen unsere heutigen nationen abstammen; die slavonischen haben eine bräunliche, die gothischen eine weisze farbe allg. dt. bibl. anh. z. bd. 25/36 (1778) 3, 1486; ein mildgemischtes blut flosz leicht doch langsam in den adern unserer gothischen vorfahren s. schr. (1843) 5, 176; nachdem auch die Burgunden und Vandalen, und einem theile nach selbst die Longobarden, gothische völker gewesen sind, ... so ist dieses der eigentliche welthistorische nahme für die gesamtheit der germanischen und deutschen volksstämme (1805) s. w. (1846) 6, 181; dieser charakterzug (phantasie) ist aus der germanischen wurzel gekommen und wird daher mit recht gothisch genannt ebda 6, 182; ein zweiter abschnitt zeigt dann die verwandtschaft des isländischen mit den übrigen von ihm (Rasmus Cristian Rask; 1818) sogenannten gotischen, d. h. germanischen sprachen in: grundrisz d. germ. philol. 1 (1891) 79. 2) gotische schrift, eine im 13. jh. aus der karolingischen minuskel sich entwickelnde schriftart, ist heute im allgemeinen sprachgebrauch gleichbedeutend mit deutscher schrift (auch fraktur im weiteren sinne), in der fachsprache des druckers jedoch eine bestimmte drucktype. in älterer sprache hat die verbindung noch keine festen begrifflichen umrisse. Fischart gibt 'il luy apprenoit a escripre gotticquement' bei (Gargantua XIV) wieder mit: hiezwischen solt jhr auch wissen, dasz er die gottische schrifft hat lehrnen schreiben, wie deren exempel etlich Lazius und Goropius zeigen Garg. 218 ndr. (kapitel 17). er bezieht also die worte seiner vorlage auf gotische textproben bei Lazius und Goropius und ihre gotischen schriftzeichen, der übertragene gebrauch von gotischer schrift ist ihm noch unbekannt, s. a. a. o. 134. Schottel, der in der gotischen sprache eine vorstufe des deutschen sah, konnte die gotischen buchstaben nur als die ältere stufe der deutschen schrift ansehen: die uhralten teutische oder celtische oder gotische buchstaben haubtspr. (1663) 56; so auch: die lettern haben fast die form der alten gottischen geschichtschule (1655) 156. der mönchsschrift gleichgesetzt (s. mönchenschrift t. 5, sp. 2492): in der bücherey heisset gothische schrifft eine alte art schrifft, die gegen der heutigen etwas gröber erscheinet, wird auch mönchschrifft genennet allg. lex. (1721) 255b. dagegen sehr viel schärfer gefaszt und mit kenntnis der entstehung: die erste und wahre mutter aller unserer heutigen europäischen buchstaben ist die alt-römische, welche man auch die quadrat-schrifft, und in buchdruckereyen die versal nennet. daraus seynd allerhand verdorbene grobe buchstaben entstanden, ... welche zusammen von Mabillon und den meisten gelehrten gemeiniglich, obschon nicht allerdings recht, die gotthischen genennet werden. ... wir laszen es aber diesesmahl bey den gemeinen begriffen und nennen iene mit dem groszen hauffen schlechthin die gotthischen, und alle kleinere schrifft mittlerer zeiten oder die so genannte alte mönchschrifft, auch mit vielen gelehrten, schlechthin die langobardischen buchstaben anzeige u. ausleg. d. monogrammatum (1747) 39. durch den geläufigen gegensatz zur lat. schrift, der heutigen antiqua, wird gothische schrift (buchstaben) gleichbedeutend mit deutscher schrift, auch fraktur (bruchschrift), so schon seit mitte des 18. jhs.: diejenigen werke mit lateinischen buchstaben drucken zu lassen, welche verdienten, von den ausländern gelesen zu werden. bey dem Jacob und Joseph hätte man die gothischen buchstaben also immer noch behalten können 4, 408 [Bd. 8, Sp. 1002] L.-M.; schick mir keine uhrbänder, sondern diesmal etwas zu lesen in gothischen buchstaben (1785) 1, 17 Waitz; mit den deutschen buchstaben hatte Louis Armand ... seine noth. diese kleinen gothischen buchstaben unserer schrift ... waren ihm peinlich ritter v. geiste 5 (1851) 263; als ich garnichts mehr anzubringen sah, schrieb ich ... unter den strausz mit gothischer schrift den namen der künftigen eigentümerin ges. w. (1889) 1, 243; das titelblatt war ganz einfach. in groszen schönen gothischen lettern stand dort 'blumenbuch' ges. schr. (1907) 2, 253; die anfangsbuchstaben prangten als inkunabeln in rot und gold. die gotische schrift herrschte durchaus. antiqua hatte ich nie leiden können Johannes (1922) 2, 157; ebda 2, 254; was den namenszug 'E. Krull' betraf, der, im gegensatz zu den spitzig-gotischen zeichen des textes, den lateinischen duktus aufwies hochstapler Krull (1948) 41. 3) verengt auf das Germanenvolk der Goten, parallel der gleichsinnigen bedeutungsentwicklung von deutsch. der gebrauch 1 stellt sicher, dasz bis zur romantik noch keine scharfe begriffsabgrenzung gegenüber allgemeinem germanisch wie deutsch bestand. die Goten werden als das geschichtlich bekannteste und in der antiken literatur am häufigsten genannte germanische volk beispielhaft für die Germanen überhaupt gefaszt (vgl. DWB Gote 1, sp. 987): die Gothi haben vorzeiten die heiligen bibel in jhre gothische zungen gewandelt annotat. (1536) d 3b; Roderich, der göttische deutsche könig in Hispanien prompt. (1572) 263b; der ... gotische bischof Ulphilas haubtspr. (1663) 57; gothisch oder die alte sprache des vermeinten Ulfilas 15, 231 L.-M. die jüngere scheidung bahnt sich in der zusammenstellung mit den namen anderer germanischer völker an: die Spanier so gottisches unnd vandalisches geblüts sind novae novi orbis hist. (1591) C 4b; durch die gothischen, vandalischen, langobardischen und andere völcker angerichtete allgemeine verwüstung allg. lex. (1721) 255b; man dringt von allen seiten auf die zukommlichsten werke ihrer befestigung ... mit einer hitze ein, die mehr einem gothisch-vandalischen sturm als einer überdachten belagerung ähnlich sieht (1778) verm. schr. (1844) 4, 18. erst seit dem aufkommen der germanistik und der jungen geschichtswissenschaft zuverlässig auf Ost- und Westgoten bezogen: gothisches glossar (1847) Ernst Schulze buchtitel; gothische grammatik (1880) W. Braune buchtitel; rief der voranschreitende fackelträger ... in gothischer sprache kampf um Rom (1901) 1, 4; das zelt, welches schon von gothischen heerführern erfüllt war ebda 3, 66; wie ich (Totila) nur gothisch denke, kann ich auch nur gothisch fühlen ebda 1, 365; (Läsö hat) im gegensatz zu allen übrigen dänischen inseln bewohner gotischer herkunft und dementsprechend einen eigenartigen wirtschaftsbetrieb in: ber. d. dt. botan. ges. 11 (1893) 309. substantiviert das gotische 'die gotische sprache': älter als unser deutsch gibt das gotische des Ulfilas aufschlüsse unser deutsch (1911) 19. 4) sonderentwicklung, entsprechend Gote 3, nur gelegentlich während der schwedischen herrschaft in Norddeutschland begegnend: die britannische (frau) hingegen hat keinen mangel an holdseeligkeit, und sie hat auch den nöthigen vorrath an feuer in sich. ... die gothische aber hat so viel schnee im hertzen, als auf ihrer haut. ... ihrer adern blut ist eben so starck gefroren, als die flüsse ihres vaterlandes; ... dasz die (liebe) in norden ausz seinem eisz-meere den ursprung habe Arminius 2 (1690) 1022b. B. lehnbedeutung. im 18. jh. auf eine ausgeprägte stilform künstlerischer wie alltäglicher gegenstände und der lebensweise bezogen. das vorbild des übereinstimmenden gebrauchs von französ. gothique ( dict. 1, 1896c) und engl. gothic ( 4, 313a-b) 'mittelalterlich verworren und dunkel; barbarisch, roh' prägt dem adjektiv infolge des [Bd. 8, Sp. 1003] starken literarischen einflusses erst des französischen, seit der jahrhundertwende auch des englischen mit beginn des jhs. eine lehnbedeutung auf, neben der freilich die ältere verwendung, wenngleich sich mannigfach damit verschlingend, weiterläuft. die it.-frz.-engl. wortbedeutung geht unmittelbar zurück auf die haszvoll verächtliche einschätzung der mittelalterlichen bauten Italiens durch das völlig andersartige formgefühl der italien. renaissance seit dem 15. jh. (vgl. DWB Gote 4). sie werden von ihr in bausch und bogen auf die Goten, d. h. also die Germanen (vgl. DWB A 1), zurückgeführt. in dieser bezeichnung spiegelt sich ihr aus einer verzerrten überlieferung erwachsener hasz gegen die fremden 'barbaren'. insbesondere ist diese auffassung durch die 'lebensbeschreibungen d. renaissance' von 1550 u. 1568 des italien. kunstgelehrten Vasari allgemein verbreitet, doch schon vorher von den deutschen humanisten übernommen worden: an non vides, quanto Gottorum manus olim fuerit operosior Romana op. omnia 1 (1703) 925; gotthicum ingenium ein grobe vnuerstendige art Dasypodius dict. (21536) 86; gotthicus das den Gothis zgehrt et pro barbaro accipitur ebda (31537) 88 a. diese ausländische umfärbung der bedeutung aber bleibt unserer sprache im ganzen noch zwei jahrhunderte hindurch fremd. nur vereinzelt wird sie in gelehrtem wissen um diese verwendung mit deutlich ironisch-überlegener distanzierung gebraucht (vgl. DWB Gote 4, sp. 988; tüdesk teil 11, 1, 2, 1543 f.): (die Italiener:) ja, die unsterblichkeit musz ein gothischer dichter entbehren, erst der volle einstrom französisch-englischen gedankenguts in der aufklärung schwemmt diese auffassung in die lebendige sprache; häufig verrät sich das wort als blosz äuszerlich deutsch gewandeter fremdling: man dächte, dasz Ronsard mit seinen haber-kielen in mancherley figur- und formen, (wie es die phantasie erteilt), auf dieser herkunft in der hauptsache beruht die für ein volles jahrhundert kennzeichnende inhaltliche verschwommenheit und vieldeutigkeit des neuartigen gebrauchs: die mitlere verfassung Europas, die wir meistens mit dem weitschweifigen, unbestimmten wort gothisch nennen 5, 515 S.; unter der rubrik gothisch, gleich dem artikel [Bd. 8, Sp. 1004] eines wörterbuchs, häufte ich alle synonymischen miszverständnisse, die mir von unbestimmtem, ungeordnetem, unnatürlichem, zusammengestoppeltem, aufgeflicktem, überladenem, jemals durch den kopf gezogen waren. nicht gescheidter als ein volk, das die ganze fremde welt barbarisch nennt, hiesz alles gothisch, was nicht in mein system paszte, von dem gedrechselten, bunten puppen- und bilderwerk an, womit unsere bürgerlichen edelleute ihre häuser schmücken, bis zu den ernsten resten der älteren deutschen baukunst, über die ich, auf anlasz einiger abenteuerlichen schnörkel, in den allgemeinen gesang stimmte: 'ganz von zierrath erdrückt!' und so graute mir's im gehen vorm anblick eines miszgeformten, krausborstigen ungeheuers (1772) I 37, 144 W.; gothisch man bedient sich dieses beyworts in den schönen künsten vielfältig, um dadurch einen barbarischen geschmak anzudeuten; wiewol der sinn des ausdrucks selten genau bestimmt wird theorie 2 (11771) 433; vgl. in: zs f. dt. wf. 4, 133 ff. die ältesten belege für die lehnbedeutung in freiem deutschen stil finden sich 1715 (2 b schluss), 1721 (2 b), 1722 (1 a γ) und dichtgestreut seit 1725. 1) in wertender stellungnahme. a) zum ausdruck der geringschätzung und verachtung, wobei in naiv-betontem selbstbewusztsein der eigene geschmack als der selbstverständliche wertmaszstab für die ausdrucks- und lebensformen aller zeiten gilt. daher kann sich das wort auf die verschiedensten verhaltensweisen und ausdrucksgestaltungen bis zu äuszerster gegensätzlichkeit beziehen und sein bedeutungsinhalt derart stark schillern, dasz die einzelnen gebrauchsweisen weithin ineinander verschwimmen und nicht sauber gegeneinander abgegrenzt werden können. die ablehnende wertung herrscht in der 1. hälfte des 18. jhs. unbestritten. α) 'mittelalterlich' im sinne von 'längst überwunden, höchst veraltet, zurückgeblieben, ausgesprochen unmodern'. in der aufklärung aus dem überlegenheitsbewusztsein verstandesmäsziger klarheit, rationaler erkenntnis erflieszend: andere (kunstfreunde) aber, welche mit groszen ideen, aus betrachtung der schönen sachen in Italien, denen Niederlanden oder Franckreich, eingenommen, und mit einem eckel gegen alles das, was von dem gothischen wesen bei sich führt, erfüllet worden, sehen alles, was Cranach gemacht, in gegeneinanderhaltung ihrer bessern ideen, gleich anfangs mit verächtlichen augen an leben Cranachs in: fränk. acta erud. 1 (1726) 342; uns nämlich kömmt St. Klopstocks weltchen als ein ungeheurer garten vor, ... den ... ein geiziger landjunker um ein bischen gras verwildern lassen. hier lieget ein zerbrochenes säulenwerk, ... dort verführet uns ein überbleibsel eines labyrinthes durch die unordentliche wendungen seiner gänge: allenthalben giebts gothische seltenheiten; und nirgends die geringste ordnung (1754) ästhetik i. e. nusz 334 lit. denkm.; so tritt Petrarch und Raphael herbey; [Bd. 8, Sp. 1005] Humbrecht kriegte ... von Grönigseck: gothische zeiten! gothische sitten! (1776) d. kindermörderin 11 lit.-denkm.; da sitz ich jezt in einem hause, in der klassik aus dem gegensatz zu der natürlichen harmonie und der heiteren anmut antiker lebensgestaltung und formengesinnung: bey einer gothischen moral kann keine andre als gothische kunst stattfinden. so lange nicht ein Sokrates mit seiner schule am hellen tag über die strasze zu einer neuen reizenden buhlerin ziehen darf, um ihre schönheit in augenschein zu nehmen: wird es nicht anders werden (1787) s. w. 4, 261 Sch.; in einer so schwankenden, unbiegsamen, breiten, gothischen, rauhklingenden sprache, als unsre liebe muttersprache ist, mit der feinen organisation und dem musikalischen flusz der lateinischen ohne nachteil zu ringen 6, 346 G.; (Wieland) liest mir Schillers Dionysius, der tyrann ... vor und zeigt das unpassende des metrums, das schielende der construction, das gothisch abenteuerliche in dieser schönen, aber einfach griechischen erzählung (1798) liter. zustände (1838) 1, 232; hier (auf Holbeins bild der madonna des bürgermeisters Meyer) offenbart es sich, dass die mit so viel selbständigkeit und liebe dargestellte einfalt der sitten nicht schön und natürlich, sondern eine gothische eingeschränktheit ist, die für diesen (weiblichen) theil der familie nothwendig in das klösterliche übergehen muss in: Athenäum (1798) 2, 72. im Jungen Deutschland aus der überzeugung, welchen entschiedenen fortschritt die gegenwart über das gerade von der romantik erneuerte und bewunderte mittelalter hinaus getan hat: erlöse uns nur besonders gern mit den begriffen dunkel und unwissend zusammengestellt: und seit mein Boberfeld (M. Opitz) die gothsche dunkelheit [Bd. 8, Sp. 1006] diese nachtigall (der sänger Gabirol), die zärtlich β) bei völligem verblassen der ausgangsbedeutung 'mittelalterlich' allgemein 'altmodisch, zopfig, überlebt': du, der stolz ihrer lieder, hast ihr dein lob nicht versaget, γ) mit genauerer inhaltsbestimmung, doch ohne feste beziehung zu einem bestimmten kunststil: 'überladen; verschnörkelt; verworren'; vereinzelt auch 'maszlos übersteigert'. von der vernünftigen natürlichkeit der aufklärung her: (von spitzen als weiblichem schmuck) diese unförmliche geburt einer gothischen fantasie, die allen regeln feind ist discourse der mahlern 2 (1722) 131; wer sein wesen einsehen will, kan seine sachen aus dem besondern fleisz in ... einfältigen weiblichen und verzogenen schäuszlichen männlichen, aber dabey allezeit der natur sehr gemäszen, harten und tief einschneidenden falten, auch überhaupt aus seinem gout, der um ein merckliches gothischer und kleiner als Dürers, gar leicht erkennen leben Cranachs in: fränk. acta erud. 1 (1726) 355; wir haben auch noch itzt in der musik solche gothische ausarbeitungen. ... wir sehen solche tonkünstler, die sich eine ehre daraus machen, unverständlich und unnatürlich zu setzen. sie häufen die figuren. sie machen ungewöhnliche auszierungen crit. musicus 4 (1737) 755; also ist eine münze von flachem relief nothwendig ohne [Bd. 8, Sp. 1007] geschmack und gothisch? (1767) 10, 261 L.-M.; alle unsere jetzigen moden haben blos das verdienst des wunderbaren, des ausschweifenden und des kostbaren. sie tragen nichts zur erhöhung deiner reizungen bei. diese werden vielmehr nur versteckt, beladen und auf eine recht gothische art verziert (1767) s. w. 1, 91 Abeken. als 'raffiniert': pudding, rostbeef und ein glas porter mit der freiheit zu sagen, was man denkt, sind besser als alle leckerei unsrer gothischen kochkunst ebda 2, 76. eigenartig ist ein gebrauch des wortes in ethisch wertendem sinne: die schlaue höflichkeit (im gegensatz zur bescheidenheit, d. h. sachlich wertenden kritik) gibt allen alles, um von allen alles wiederzuerhalten ... doch es sei, dasz jene gothische höflichkeit eine unentbehrliche tugend des heutigen umganges ist. soll sie darum unsere schriften eben so schaal und falsch machen als unsern umgang? (1768) 10, 232 L.-.M. (i. d. einl. zu den antiquarischen briefen). vom schönheitsideal der klassik aus: ein schöner antiquer rumpf; aber nun — welch ein gothischer kopf ist darauf geflickt! 8, 74 L.-M.; ein erstes werk, ein erstes buch, ein erstes system, ... geht immer bei mir in dies gothische grosse, und vieles von meinen planen ... ist ... noch nicht von dies m hohen zum schönen styl gekommen (1769) 4, 438 S.; sehen sie einmal, in welcher gekünstelten, überladnen, gothischen manier die neuern sogenannten philosophischen und pindarischen oden der Engländer sind, die ihnen als meisterstücke gelten! ebda 5, 203; die kunst wird wieder gothisch d. i. es werden da glieder angebracht, wo keine seyn dürfen, glieder verwickelt, wo der fortgang des auges eine gelinde succeszion foderte: auf eine oder die andre weise erliegt das ganze unter seinen theilen ebda 5, 359; zum vollkommnen park vom fortschrittlichen lebensgefühl des Jungen Deutschland her: er (Napoleon) hat seit dem Altenburger tage ... die überschwänglichsten dinge im kopfe und scheint mich für einen gothischen wunsch gewinnen zu wollen w. 16, 520 Boxb.; in äuszerungen gothischen sinns, in der schöpfung der ehrenlegion, in der gründung des erbkaisertums ... endlich in seiner kolossalen tat, in der dotirung der Napoleoniden durch reiche — spricht eigentlich seine ganze seele ebda 18, 209. δ) all diese gebrauchsweisen verfestigen sich in der aufs 18. jh. beschränkten modischen formel gotischer geschmack als gegensatzbildung zu guter (wahrer, erhabener) geschmack (Winckelmann) anstelle des zu erwartenden logischen gegensatzes schlechter geschmack. in entsprechender [Bd. 8, Sp. 1008] verwendung wie α »unzeitgemäsz, veraltet, unmodern«: ihr putz soll ihn nicht ärgern. nur im kirchenhabit musz er sie nicht sehn; denn darin hat man den gothischen geschmack gewissenhaft aufbehalten (1750) in: Klopstock u. s. freunde 1, 89 Schmidt; der gothische geschmack ist unter andern ursachen auch deswegen verwerflich, weil er die mannigfaltigkeit in einer allzu verwickelten ordnung anbringt ges. schr. (1843) 1, 123; wie γ: die Florentiner schlugen sich lange mit dem gespenste des gothischen geschmacks herum, und entfernten es nur mit mühe, bis sie sich auch zur edlen einfalt erhoben IV 12, 48 W. am häufigsten im sinne von β: 'schlechter, verdorbener, barbarischer, roher geschmack'; für gewöhnlich auf die leidenschaftlich abgelehnte künstlerische gestaltungsweise des voraufgegangenen barock bezogen: die spiele (der comödie) schlechter als im opera. doch das ist ein zeichen des gothischen geschmackes der Teutschen, die ein feines agrément nicht fühlen und anderst nicht als durch garderobe, zweydeutige wörter gerührt werden (1726) tageb. 86 Hirzel; die reime für ein notwendiges stück der deutschen dichtkunst halten, heiszt einen sehr gotischen geschmack verraten (1751) 4, 345 L.-M.; das leben der meisten menschen ... gleicht den haupt- und staats-actionen im alten gothischen geschmacke in so vielen punkten Agathon (1766) 2, 192; alle diese verse scheinen ein unglükklicher überrest des ehemaligen allgemeinen gothischen geschmakks zu sein, und geben der deutschen poesie ohne zweifel ein unendlich steifes ansehen fabeln (1770) 129; wieviele vorurteile drückten nicht Deutschland noch vor fünfzig jahren nieder. pedantische frostige gelehrsamkeit, gothischer geschmack, zum sprüchwort gewordene rohe lebensart, unverträgliche religions-secten, unweise gesetze! (1777) J. G. Forster reise um d. erde, widm. Andreä lebte in zeiten, die vom gothischen geschmack nicht frei waren, ja in denen sich dieser geschmack eben auf die verführendste art zeigte, ... der der geschmack des siebzehenten jahrhunderts heissen könnte und ihm allein eigen bleiben möge (1786) 16, 592 S.; eben dieser mangel des nachdenkens unterhält noch gegenwärtig den gothischen geschmack in den verzierungen, wenn man sie ohne alle rücksicht auf die natur des werkes, das verziert wird, anbringt theorie 2 (1786) 348. der wandel zur sachlichen stilbezeichnung (vgl. 2) verändert den charakter der formel zu ruhig-objektiver feststellung und verursacht ihr rasches absterben: der griechische, der gotische, der mohrische geschmack in baukunst und bildhauerei, in mythologie und dichtkunst 4, 41 S.; in Valenzia ... erhob sich ein altes, romantisches schloss, in arabisch-gothischem geschmacke, das Almansor ... erbaut hatte (1793) w. (1809) 4, 3; der gothische geschmack, die gothische bauart, welche sich durch lange dünne säulen, hohe spitzige gewölbe und bogen und übermäszige schnörkel und spitzen in den verzierungen auszeichnet wb. 2 (21808) 756 (dagegen nicht in: 11774!). ähnlich: die gothische bauart, die sich durch lange, dünne und meist gekünstelte säulen, durch spitz auslaufende gewölbe und fensterbogen, überhaupt meist durch unförmliche massen, steife und überladene schnörkel auszeichnet, dabei aber nicht selten erhabenheit zeigt wb. 2 (1808) 425a. b) der umschlag von entschiedener ablehnung zu ergriffenheit, bewunderung, begeisterter zustimmung bei der auffassung des gleichen sachinhalts bahnt sich in der empfindsamkeit an: erblickten sie Goslar mit seinen altvätrischen mauren und thürmen. je näher sie der stadt kamen, je mehr wurden sie von einem heiligen gothischen schauder eingenommen, der sie bei dem anblicke dieser finstern ehrwürdigen stadt überfiel poet. schr. (1763) 2, 189. im sturm und drang beginnt man die tiefe der geistig-seelischen gegründetheit der mittelalterlichen schöpfungen zu ahnen: weil der grund unsrer gesetze, unsrer sitten und fast unsrer ganzen lebensart gothisch ist und bleibet Hermin u. Gunilde (1766) 17. [Bd. 8, Sp. 1009] Herder und (vgl. R. Hallo Rud. Er. Raspe) werden die bahnbrecher der zunächst rein gefühlsmäszig bestimmten begeistert-ergriffenen würdigung mittelalterlicher kunst; setzt sie unwillentlich in der deutschen literatur mit seinem aufsatz vom november 1772 'von deutscher baukunst' durch (dazu v dt. baukunst [1943]): soll ich nicht ergrimmen, heiliger Erwin, wenn der deutsche kunstgelehrte, auf hörensagen neidischer nachbarn, seinen vorzug verkennt, dein werk mit dem unverstandenen worte gothisch verkleinert, da er gott danken sollte, laut verkündigen zu können, das ist deutsche baukunst, unsere baukunst, da der Italiäner sich keiner eigenen rühmen darf, viel weniger der Franzos I 37, 147 W. dabei hatte gerade er diese bezeichnung, wohl wegen ihrer belastung durch den gebrauch eines halben jahrhunderts, nachdrücklich abgelehnt: da ich nun an alter deutscher stätte dieses gebäude gegründet und in echter deutscher zeit so weit gediehen fand, ... so wagte ich, die bisher verrufene benennung gothische bauart, aufgefordert durch den werth dieses kunstwerks, abzuändern und sie als deutsche baukunst unserer nation zu vindiciren ebda 27, 275; sehr ungern bemerke: wie man uns vom Rhein her den wohlerworbenen ausdruck deutsche baukunst verkümmern und gothische wieder einführen will; dasz doch die menschen, da so gar viel in der welt zu thun ist, das einmal wohl und unschuldig begründete und folgereiche nicht wollen bestehen lassen! (1822) ebda IV 35, 253. doch hat sich die herkömmliche bezeichnung infolge polemischer verteidigung s. w. 6 (1846) 179 ff. und unterstützt durch den um die jahrhundertmitte erfolgenden nachweis der kunstgeschichte vom nordfranzös. ursprung der gotik im engeren sinn (B 2 c) behauptet. diese positive wertung flieszt verständnisweckend und -fördernd in die verwendung als ästhetische stilbezeichnung (2), rasch unscheidbar von ihr, ein. 2) ästhetische stil- und epochenbezeichnung. a) epochenbezeichnung: im 18. jh. für den ganzen umfang des mittelalters (vgl. Christ unter b): entwurf zur formierung und aufstellung eines gothischen oder altteutschen antiquitäten-cabinettes ... alle kunst-sachen, die in denen sogenanten mitlern oder gothischen zeiten von Carl dem Groszen an bis auf Albrecht Dürer und Rafael oder bis gegen die mitte des sechszehnten jahrhunderts in Teutschland sowohl als in denen übrigen theilen von Europa verfertigt worden sind (1768) R. E. Raspe bei Raspe 1; ein geist des gothischen ritterthums hatte sich über die meisten völker Europas ausgebreitet (1806) briefw. 1, 16; kaum deuten in der bögen düsternheit b) stilbezeichnung: von der aufklärung bis zur romantik der stil der bildenden kunst, mit besonderem nachdruck auf [Bd. 8, Sp. 1010] der architektur, während des gesamten mittelalters, zunächst ohne unterscheidung im einzelnen: gothisch, gothicus, gothique in der bau-kunst eine bau- und seulen-ordnung, die von der alten griechischen und römischen art weit entfernet und besondere proportiones hat. sie ist zu der zeit aufgekommen, da nach der ... allgemeinen verwüstung ... die länder sich wieder zu erholen und zu erbauen angefangen. sie ist beständig und prächtig, wie die davon allenthalben noch übrige ansehnliche gebäude zeugen, auch zierlich, wie wohl von einer andern art der zierlichkeit, darum sie den heutigen baumeistern nicht gefallen will allg. lex. d. künste u. wiss. (1721) 255b; so wird alles das gothisch genennet, was in diesen seculis vom einfall der Gothen bisz auf wiederherstellung der kunst (welche ... in Teutschland ... unter Dürern, unserm Luca und Holbeinen erfolget) an gemählden, statuen, gebäuden und dergleichen verfertiget zu finden leben Cranachs in: fränk. acta erud. 1 (1726) 342; neues kriegslex. (1757) 1, 1082; übrigens dürfte die benennung der gotischen baukunst, sobald man diesen groszen nationalnamen nur in seinem vollständig umfassenden sinne auffasst, für die altchristliche und romantische bauart des mittelalters, von Theodorich bis auf die moderne zeit, sehr angemessen und für immer beizubehalten sein (1805) s. w. 6 (1846) 180. dasz dieser kunstgeschichtliche terminus erst im anfang des 18. jhs. aufgekommen ist (gotisch fehlt t.-ital. 2 [1702]; t.-engl. [1716]; selbst [1774]; nur übersetzend gothisch gothicus wb. [1734] 1, 623; lexikalisch erst: gothisch in der baukunst; die gotische bauart ist nicht mehr im brauch [1741] 1, 361), zeigt der älteste beleg, in dem alt d n inhalt des offenbar noch nicht selbstverständlichen worts verdeutlichen musz: Buchhorn, ein kleines reichsstättlein ... neben der stifftfräulin kirch, die grosz altgottisch gebaut, ist die lutherische pfarkirch, dass ist ein altes schönes minster wiener. reiss-beschrb. (1715) in: beitr. z. vaterl. geschichtsforsch. (1895) 2, 2, 65. α) die verwendung als sachliche stilbezeichnung setzt sich rasch durch: also ist zum exempel in gothischen gemälden zu sehen, dasz darinnen weder proportion und eintheilung des menschlichen leibs noch die wahre bewegung und affect in gliedern und gesichtern ... noch die geringste richtigkeit in der bau-kunst, perspectiv, form und dergleichen ... anzutreffen leben Cranachs in: fränk. acta erud. 1 (1726) 345; so wenig schön, als ein altes gothisches gebäude durch einige darauf gegypste zierrathen oder vergoldete leisten schön wird anmuth. gelehrsamk. (1751) 2, 224; wenn bald mit seinen weissen wänden [Bd. 8, Sp. 1011] der christlichen kunst s. w. 6 (1846) 179; das auf gothische weise von stroh geflochtene raugraf Gockelsche erbhühnernest ges. schr. 5 (1852) 21. von der empfindsamkeit an spielen bauwerke im gotischen stil als stimmungsträger in der landschafts- und raumgestaltung eine bedeutsame rolle: mitternacht. sturm. ruin (!) einer verfallnen, mit schutt überwachsenen gothischen kirche (1776) w. (1811) 2, 9; als in einigen sommernächten ... aus den etwas entferntern trümmern eines sinkenden ritterlichen schlosses, und aus ihren wohnungen im alten gothischen kirchthurme die philosophische eule ihre hohle accente manchmal darunter sties 1, 484 S.; indes liegt doch die einheit da, wo ein gothischer thurm mit prächtigen römischen gebäuden ... glücklich zusammen stimmet (1781) üb. d. dt. sprache u. lit. 16 lit.-denkm.; schlummert sanft, ihr frohen dorfbewohner, β) die stilbezeichnung bleibt durch das ganze jahrhundert mit dem verständnislosen urteil von B 1 a verbunden; besonders in vergleichen: unser jetzige musikalische poesienbau — welch ein gothisches gebäude! wie fallen die massen aus einander 5, 206 S.; sie (Cowley's ode) ist und bleibt ein gothisches gebäude, unzusammenhängend und unübersehbar in ihren theilen ebda 18, 104; da die zehnten ... ein theil des gothischen feudalitätsgebäudes wären, so könnten sie freilich bei einer künftigen neuen ordnung der dinge nicht bestehen (1792) s. schr. (1843) 8, 257; dieses reich blüht in Deutschland, es ist in vollem wachsen, und mitten unter den gotischen ruinen einer alten barbarischen verfassung bildet sich das lebendige aus (1797) 11, 414 G.; das ganze gothische angstgebäude des europäischen staaten-system, hat seine form, verfassung, einrichtung, geseze, sitten und gebräuche, fast ganz von dem tongebenden muster des durch Karl gegründeten reichs erhalten europäische annalen (1805) 1, 7. der umbruch in der wertung kündigt sich an: hieraus läszt sich auch begreifen, warum die gothische baukunst an bürgerlichen wohnhäusern so inkonvenient ist und ein so gar schlechtes ansehen macht. in Lübeck stehen noch mehrere wohnhäuser aus dem 14. jahrhundert, die ein abscheuliches ansehen haben. hingegen sehen wir grosse gothische kirchen ... immer mit vergnügen, und es sind noch aus ältern zeiten gothische thürme da (in Regensburg), denen kein moderner thurm beykommt reise d. Deutschland u. d. Schweiz (1783) 2, 346. γ) die enthusiastische wertung im gegenschlag zu der überkommenen verachtung spiegelt sich in den beiwörtern: das weitläufige kloster Eisersthal, eine prächtige gothische ruine (1776) w. (1811) 1, 299; in Naumburg ... besahen wir den dom, ein sehr gutes gothisches gebäude, das mir schon bey einer vorigen durchreise gefallen hatte reise d. Deutschland u. d. Schweiz (1783) 1, 43; Allsouls college (in Oxford) ist beinahe das schönste, gothische gebäude an einfachheit und schlanker kühnheit seiner rund um das viereck aufsteigenden pfeiler (1790) s. schr. (1843) 3, 433; vgl. 3, 28. im bild: unsere sprache ist also jetzt gebildet und verschönert, aber nicht zu dem erhabenen gothischen gebäude, das sie zu Luthers zeiten war (1767) 1, 376 S.; kein vulkan wird sich unter dem ehrwürdigen gotischen denkmal unserer reichsverfassung entzünden, seine zierlich geschnörkelten türmchen, seine schlanken [Bd. 8, Sp. 1012] säulenbüschel und schaurigen spitzgewölbe in die luft sprengen (1790) s. schr. (1843) 6, 176. oder sie wird durch den context vermittelt: die kirche war ein altes gothisches gebäude mit dicken pfeilern, die das hohe gewölbe unterstützten, und ungeheuren langen bogigten fenstern, deren scheiben so bemahlt waren, dasz sie nur ein schwaches licht durchschimmern lieszen. ... es herrschte eine feierliche stille (1785) Anton Reiser 63 lit. denkm.; die gothische bauart, wie auffallend auch ihre miszverhältnisse sind, ergreift die phantasie auf eine unwiderstehliche weise. wie leicht schieszen diese schlanken säulen so himmelhoch hinan! durch welche zauberkraft begegnen sich ihre höher sprossenden äste und schlieszen den spitzen, kühnen bogen! romantische grösze, schauervolle stille, lichtscheue schwermuth und stolzes bewusztsein füllen die seele, die sich in diesen formen gefiel und in ihnen sich äuszerte; — denn diese formen wecken jene gefühle in einem sinne, der sie wieder auffaszt (1790) s. schr. (1843) 3, 433; an den werken der gothischen baukunst erblickt man überall genie, an den werken der neueren nur regeln (1793) in: allg. ztg. (1866) 3805b; nicht blosz unter italienischem himmel, unter majestätischen kuppeln und korinthischen säulen — auch unter spitzgewölben, krausverzierten gebäuden und gotischen türmen wächst wahre kunst hervor (1797) w. u. br. 1, 63 v. d. Leyen; ihr feines gerippe ist wie ein gothisch kunstwerk d. Günderode (1840) 2, 149. dasz die vorstellung dieser zeit dabei in der hauptsache von den charakteristischen stilelementen der gotischen gestaltung im engeren sinne (c) bestimmt wird, begreift sich aus der zahl der erhaltenen denkmäler. c) seit dem 2. viertel des 19. jhs. im engeren sinne der mittel- und westeuropäische kunststil des 13. bis 15. jhs.: zu der bauweise, welche unter dem nichtssagenden, aber nun einmal allgemein gebräuchlichen namen 'gotischer' stil verstanden wird hdb. d. kunstgesch. 2 (1895) 154; das historische wissen vom gotischen baustil hat sich durch viele und seltsame vorurteile hindurcharbeiten müssen, bis es auf festen grund zu stehen kam. solange die in der renaissance aufgekommene verachtung gegen ihn andauerte — bekanntlich bis ins 19. jh. hinein —, wollte keine nation mit ihm zu tun haben, und alle waren froh, die verantwortung für diese barbarische erfindung auf die alten Goten abwälzen zu können in: hist. zs. 86 (1901) 388; was wir gotische baukunst nennen, ist zunächst die ausschlieszlich nordfranzösische form des basilikalen gewölbebaues überhaupt kunst d. kaiserzeit (1935) 253. erst die romantik hat die zweiteilung der mittelalterlichen deutschen kunst, die die kunstwissenschaft schon in der 2. hälfte des 18. jhs. vorgenommen hat (vgl. unter 2 f), ins allgemeine bewusztsein eingeführt: von den beiden epochen der gothischen baukunst aber könnte die ältere, wegen der in diesem kirchenstyl vorwaltenden idee, am schicklichsten die altchristliche genannt werden. die neuere epoche, welche die Engländer den blühenden normannischen styl nennen, würden wir als romantische bauart bezeichnen (1805) s. w. (1846) 6, 182 (vgl. oben 2 b). die moderne terminologie, die das adjektiv auf den kunststil der gotik im engeren sinne einschränkt, setzt sich seit etwa 1830 durch: wie einst in solchen kleingebieten der romanische baustil noch gepflegt wurde, nachdem er in den offenen groszländern längst dem gothischen gewichen ges. w. (1889) 6, 28. in der zeit der romantik läszt sich bei fehlen entsprechender anhaltspunkte nicht sicher entscheiden, ob in der vorstellung der frühere weitere oder moderne engere gebrauch vorliegt: eine ... halle ... auf gothische art überwölbt dt. museum (1812) 4, 495; ein gotisches gebäude, dessen portal reich mit statuen verziert ist s. w. 2, 7 Gr.; die gassen verliesz ich, vom wächter bewacht, [Bd. 8, Sp. 1013] grosze altäre mit reicher draperie und gotisch verzierte kanzeln s. w. (1890) 1, 164; nachdem das dunkle, gothische thor durchfahren war w. 1, 199 Hempel. seitdem eindeutig und fest: da fand man dieselben formen in den himmelhohen hölzernen häusern wieder, über die wir in den gothischen baudenkmälern der vorzeit aus sandstein und marmor staunen Roland (1840) 1, 3; (der dom von Orleans) hat zum schlanken gothischen wuchse etwas südlich sattes durch seine thürme ges. schr. (1875) 4, 93; das schreibgerüste, vielfächrig, gothisch, mit einem kostbaren geländer, auf dem braune frösche paszten und gleiszten s. w. 2 (1908) 137; gleich dem werk eines gothischen baumeisters, der einen kreuzgang baut und für die hundert spitzbogen immer neues maszwerk erfindet ges. w. (1889) 5, 162; die gothische architektur des doms Jürg Jenatsch (1904) 115; in der gotischen türe (1859) s. w. I 3, 324; der zug wurde unter der gothischen thorwölbung sichtbar s. w. (1899) 2, 322; das schlosz (Petzow) ... zeigt eine mischung von italienischem kastell- und englischem tudorstil, denen beiden die gotische grundlage gemeinsam ist Fontane Havelland (21880) 426; Brunelleschi erwarb sich in Rom die anschauungen, mit denen er später den gothischen stil völlig besiegte Michelangelo (1890) 1, 32; da er sich jedoch durchaus nicht für irgend einen stil entscheiden konnte und fortwährend zwischen ... einer gotischen oder romanischen oder renaissancevilla hin und her schwankte Leberecht Hühnchen (1928) 237; Boppard, mit romanischer und gotischer sakralherrlichkeit wanderer auf gottes strom (1935) 8; Meyer von Knonau ... der im vortrag und in der gebärde eine schnörkelhaft gewundene linie hatte, die wir gotisch nannten Ric. Huch frühling i. d. Schweiz (31938) 28; die hände über der brust gekreuzt, wie eine gotische steinfigur auf ihrem katafalk Bernadette (1948) 324; die welt von Maulbronn. dasz über diesem vierzehnjährigen jungen humanisten diese romanischen und gotischen hallen sich aufgetan hatten rede auf H. Hesse (1946) 10. als hervorstechendes merkmal fallen die groszen spitzbogenfenster ins auge: diese (öffnung des steigbügels) sieht wie ein gothisches fenster aus, ist aber an der oberen fläche länger und spitzer zugerundet menschl. körper (1839) 5, 843; den kreuzgang des klosters, der ... durch die hohen gothischen fenster desselben sichtbar war bilderbuch (1849) 167; das nächste hohe spitzfenster des gotischen saales ges. schr. (1891) 2, 448; ich bekam ein prächtiges zimmer mit hohen gothischen fenstern und der aussicht auf den schloszgarten (1865) lebenserinn. (1925) 359; die kleine landkirche war aus findlingsblöcken und ziegeln von groszem format erbaut, und an den gothischen fenstern ihres chores nisteten hunderte von schwalben ges. schr. (1906) 13, 30; gerade hinter dem organisten sah Klaus ... in der gotischen glasfensterrose ein paar glühende farben funkeln Kortüm (1938) 412; man könnte fast meinen, diese pforte oder dieses gotische fenster seien in unbekannter zeit von primitiver menschenhand in den fels gehauen worden Bernadette (1948) 20. zur genaueren unterscheidung der einzelnen epochen des gotischen stils werden im 20. jh. mehrere zusammensetzungen entwickelt, s. unter f. auch mit dieser sauber umzirkten fachbezeichnung verbindet sich weiterhin die affektgeladene stellungnahme, die ihr seit ihrer entwicklung in der aufklärung eignet, nunmehr, die linie des sturms und drangs und der romantik fortführend, in auswirkung des wachsenden historischen verständnisses im 19. jh. fast ausschlieszlich zustimmend und begeistert: es sind hier (in Münster) wunderschöne uralte gothische kirchen, in denen der alte gottesdienst der römischen kirche mich wahrhaft erfreut (1842) lebenserinn. (1925) 17; das geschmackvolle, gothisch geformte, auseinandergenommene bett der mutter ritter v. geiste 2 (1850) 171; wieviel anheimelndes in dieser gotischen formenfülle, in diesem [Bd. 8, Sp. 1014] reichtum von details Fontane Havelland (21880) 354; überdiesz liegt die vermuthung nabe, dasz der pfarrer Penz auch einer von denen gewesen, welche die alten ehrwürdigen gothischen kirchlein, statt sie zu stützen und zu erhalten, niedergerissen drei sommer in Tirol (1895) 1, 286; hier liegt der ansatzpunkt für die im 20. jh. einsetzende umriszauflösung und begriffserweiterung (vgl.d). nur selten noch im sinne des 18. jhs. kritisch-abwertend: ich brauche wohl kaum zu erinnern, dasz ich ... allein den antiken baustil und nicht den sogenannten gothischen ... im auge gehabt habe ... wenn er unternimmt, sich jenem als ebenbürtig gegenüberzustellen, so ist dies eine barbarische vermessenheit, welche man durchaus nicht gelten lassen darf. wie wohltätig wirkt doch auf unsern geist, nach dem anschauen solcher gothischer herrlichkeiten, der anblick eines regelrechten, im antiken stil aufgeführten gebäudes. wir fühlen sogleich, dasz dies das allein rechte und wahre ist w. 2, 488 Gr.; nirgends düstern alte häuser, gotisch-barbarisch an finstere zeiten erinnernd d. grosze Alkahest (1926) 146. d) im 20. jh. unter dem entscheidenden einflusz W. Worringer s erweitert auf die dem gotischen stil zugrundeliegende menschlich-seelische haltung. damit wird gotisch zum ausdruck des lebensgefühls, das den künstlerischen schöpfungen des späten hoch- und des spätmittelalters zugrundeliegt und das sie selbst aussprechen. da alsbald die kunsthistoriker diese spezifische grundhaltung menschlichen weltverständnisses auch in anderen epochen aufdecken, verliert das wort abermals (wie 1 a β und gotik 2) jede zeitlichgeschichtliche begrenzung: im barock ist der gotische charakter ja trotz der ungotischen ausdrucksmittel noch ganz offenkundig formprobl. d. gotik (1911) 127; wir wiederholen also, dasz nach unserer anschauung die kunst des ganzen okzidents, soweit sie nicht unmittelbar anteil hatte an der antiken mittelmeerkultur, ihrem innersten charakter nach gotisch war und es bis zur renaissance, dieser groszen peripetie der nordischen entwicklung, blieb ebda 28; (der stilpsychologe) erkennt, dasz dieser gotische formwille nicht äuszerlich, aber innerlich die romanische kunst, die Merowingerkunst, die völkerwanderungskunst, kurz den ganzen nord- und mitteleuropäischen kunstverlauf beherrscht ebda 27; 'gotisch' ist hier nicht in der beschränkung auf die stilperiode zu verstehen, die wir in der kunstgeschichte 'gotik' nennen, sondern in dem weiten sinne, wie Worringer und Scheffler das wort gebrauchen, um eine weltanschauung zu bezeichnen, die der klassischen polar entgegengesetzt ist. der 'griechische geist' und der 'gotische geist' sind an keine bestimmte zeit gebunden, sondern wirken sich als gestaltende formkräfte durch die geschichte des menschlichen schaffens und strebens hin aus gotik und ruine (1924) 5; G. Weise das 'gotische' oder 'barocke' stilprinzip der deutschen und der nordischen kunst in: dt. viertelj. schr. 10 (1932) 206; ebenso steht es mit dem gotischen grundzug der deutschen romantik. es ist nordischer drang in die form und weite, der diesen gotischen grundzug bestimmt gesch. d. dt. seele 3. damit wird es immer stärker zum verschwommenen schlagwort für die geistig-seelische haltung und das weltgefühl sowohl des mittelalters wie anderer als entsprechend strukturiert angesehener zeiten schlechthin: jene ganz eigene verbindung idyllischer herzlichkeit mit aufsteigenden, übermächtigen unendlichkeitsempfindungen, jenes wunderlich-gotische ineinander von engem und weitem, wurzelhaftem und himmelstrebendem, heimatsliebe und weltbürgersinn nach d. revol. (1919) 70; gotisches streben nach entmaterialisierung ... von gotischer beseelung spricht auch ein freieres raumgefühl ... das gotische erlebnis des dichters wurzelt in der mystik in: zs. f. dt. altert. 60 (1923) 122; die auseinandersetzung des gotischen weltgefühls mit dem antiken bei ... Rilke in: dankesgabe für A. Leitzmann (1927) 104; vielmehr sind auch die deutschen renaissancekünste von dem gotischen fernblick erfüllt, den der Bamberger [Bd. 8, Sp. 1015] reiter veranschaulicht gesch. d. dt. seele 2; in diesem Faust gewinnt auch der sprachschöpfer Goethe seine letzte, fast ist man versucht zu sagen, seine gotische gestalt (1932) kl. schr. 267. diese entwicklung gipfelt sprachlich in der modischen prägung der gotische mensch: der dualimus des gotischen menschen steht nicht über dem erkennen wie beim orientalischen menschen, er steht noch vor dem erkennen formprobl. d. gotik (1911) 52; von dem ewigen zwiespalt zwischen dem gotischen und dem griechischen menschen verschollene kulturen (1930) 84. dazu vgl. G. Weise das schlagwort vom gotischen menschen in: neue jahrb. f. wissenschaft u. jugendbildung 7 (1931) 404 f. e) gleichzeitig unter dem einflusz der methode des literarhistorikers Oskar Walzel von der 'wechselseitigen erhellung d. künste' (1917) übertragen auf die hoch- und spätmittelalterlichen ausdrucksformen aller künste und wissenschaften, weil man sie als dem gleichen lebensgefühl und stilistischen gestaltungswillen entsprechend begreift (vgl. gotik 3): selbst der deutsche humanismus des 16. jhs. ist in diesem sinne gotisch geartet gesch. d. dt. seele 2. damit nähert sich diese verwendung der reinen zeitbestimmung des 18. jhs. (s. oben a) unter eingrenzung auf das späte hoch- und das spätmittelalter: andere züge dieser frühen ritterlichen, weltlichen dichtung: ... ihre ... haltung freizulegen ... von den umdeutungen in gotischer und moderner zeit d. frühe dt. minnesang (1939) 14; begegnete uns in dem vielen verstandesmäszigen der gotischen musik gewissermaszen die scholastik musik d. gotik (1946) 28. f) zusammensetzungen mit gotisch als grundwort. den kunsthistorikern des späten 18. jhs. geht die verschiedenheit der darstellungsformen in den bildenden künsten auf, die das 18. jh. unter gotisch zusammengefaszt hatte. sie lösen zunächst den erst seit etwa 1830 allgemein romanisch genannten stil der frühesten jahrhunderte als altgotisch heraus: was aber das gefällige der zierlichen gothischen bauart betrifft, so wird das wohl so leicht niemand läugnen. sie ist in vergleichung der altgothischen allemal für schön zu achten, aber nicht in vergleichung mit der griechischen und römischen bauart (recension von Goethes 'baukunst') in: neue bibl. d. schönen wissensch. u. künste 14 (1773) 290 (vgl. DWB B 2 c, sp. 1012; in anderer verwendung 1715, s. DWB B 2 b, sp. 1010); zweifelhaft bleibt: die altgothische freiheits-stände-eigenthumsform, das elende gebäude im schlechten geschmack 5, 534 S.; im 19. jh. ähnlich der ursprünglichen verwendung zur verstärkung der zeitlichen ferne: der berühmte hat ... eine dem einsturz drohende altgothische kirche unterstützt w. 7, 202; gehegt ist der hag ![]() ![]() [Bd. 8, Sp. 1016] wesens zu gestalten (1932) kl. schr. 267; spätgotische gewölbe, auch wenn sie nicht mehr die spannung der hochgotik besitzen, geben der phantasie doch immer noch das schauspiel wirkender kräfte gedanken z. kunstgesch. (1941) 113. gegenüber diesen festen kunstgeschichtlichen termini treten nur mehr gelegentlich freiere verbindungen auf: ein V und M halb-gotthisch in einander gezogen anzeige u. ausleg. d. monogramm. (1747) 375; die kirche hier mit ihren vorgotischen formen ges. w. (1905) I 3, 214; das rathaus ..., das mit tausend miszverstandenen türmchen und giebeln pseudogotisch gen himmel fratzte d. haus zum monde (1917) 132; die fassade (von Limburg a. d. Lahn) ... ist gänzlich ungotisch kunst d. dt. kaiserzeit (1937) 230; ihre schlankheit scheint gotisch und ihre form hat dennoch einen ungotischen sinn ders., kunst d. ersten bürgerzeit (1937) 311. ![]() ![]() 1) zu Gote 2: wie schon der chan Balamber eine amalische fürstin geheiratet hatte, so wurden mischehen mit der zeit häufiger; die hunnischen fürsten begannen gotische namen zu tragen, man kann geradezu sagen, die Hunnen fingen an sich zu gotisieren gesch. d. mittelalters 1 (1886) 173; wie unser niederdeutsch ein verdeutschtes ingwäonisch darzustellen schien, so wäre ähnlich unser deutsch ein gotisiertes westgermanisch! in: zs. f. dt. maa. 19 (1924) 282. 2) zu gotisch B 2 c. im engsten sinne: gothisirend werden solche spätromanische gebäude, gebäudetheile, gliederungen und ornamente genannt, an denen einzelne gothische elemente vorkommen archäol. wb. (1883) 90. für gewöhnlich allgemeiner 'in gotischem stil nachschaffen, andere stilformen gotisch umgestalten': hätten zu der zeit, wo die gothischen wälder überall in Europa aufsproszten, in Rom päpste gesessen, denen das geld ... der späteren zu gebote stand, auch hier wäre alles gothisirt worden Michelangelo (1890) 2, 323; romantisch ist es, ... wenn Philipp Otto Runge in gotisierendem naturalismus ein grabdenkmal entwirft, das über einem kapellenartigen unterbau einen blumenhaft schlanken pfeiler trägt, auf dem ein betender engel kniet kunst d. klassizism. (1925) 64; die grauen mauern der romanischen, später gotisierten Jakobikirche im alten reich (1927) 307; Weigert (spricht) bei der architektur ebenso von einer neuklassizistischen wie von einer gotisierenden phase in: zs. f. dt. bildung 11 (1935) 483; das gegenstück hierzu bildet die haarflechterin 'vor dem spiegel' ..., die er in späteren jahren unter dem einflusz der neuen gotisierenden richtung zum Gretchen abwandelte G. Fr. Kersting (1939) 18. — ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) für den männl. (sehr selten) und weibl. paten sowie für den täufling beiderlei geschlechts (bei den älteren lexikographen ist es nicht immer sicher, ob das dim. oder die mask. bzw. fem. personalbildung s. v. götel, m. und götel, f. gemeint ist.): matrina godele (obd./nd. 13./14. jh.) gl. 351c; admater, paterna gttele (obd. 15. jh.) n. gl. 9a; 283a; matrina göttlin, filiolus gottel, filiola götli Ulmer voc. A 3; götlein Zehner [Bd. 8, Sp. 1017] nomencl. (1645) 304; göttlein stammbaum (1691) 686; göttlein, gottlin filiolus, got(t)la (-ö-) filiola hist. bei bair. 1, 962; götile für den männl., goutile für den weibl. paten und täufling Kärnten 119; götteli (-e-) nur für den täufling schweiz. id. 2, 527; göttele weibl. pate, täufling elsäss. 1, 247; göttle(in), gedle weibl. pate, täufling beiderlei geschlechts schwäb. 3, 764. — eine diminutivbildung mit einfachem în-suffix für das patenkind kennt das schweizer.: goti, n. ma. v. Mutten 167. literarisch vor allem für den täufling: ein knäblein das was sein götlin schimpf u. ernst 1, 342 Bolte; seind allgemach so hin gezettelt (getrottet) md. tritt -chen-suffix ein: götche, gät(t)che, getche, gôdche, vgl. oberhess. 430; Nassau 169; rhein. wb. 2, 1311; meist für den weibl. paten und täufling. vgl. auch göttchen s. v. göttlein stammb. (1691) 686; gödchen nouv. dict. 1 (1783) 774b s. v. gode: des herrn gevattern von Rothleben 2 kinder zur mesz verehret, als beiden gettichen ... fl. 3 (1643) bei studien 2, 108; ich bin beinah alle awend bei meiner fra geetche bürgercapitain (1821) 32. 2) gelegentlich in anderer bedeutung. überhaupt ein mädchen: mein göttel, da wär viel zu sagen nixnutzig volk (1906) 175; gott(c)li 'betschwester' schweiz. id. 2, 525; gottele(in) 'patengeschenk' schwäb. 3, 765. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ahd. cot, got, mhd. got, mnd. got, mnl., nl. god, as. god, ags. god, engl. god, afries. god, an. goð, guð, dän., schwed., norw. gud, got. guþ. das wort kann man geradezu als kennzeichen der germ. sprachen ansehen, wie es schon 1599 tat ( gesch. d. sprachwissenschaft [1927] 33). die zahlreichen versuche, das germ. neutr. *guða- mit parallelen bildungen anderer idg. sprachen in verbindung zu bringen bzw. es auf seine idg. wurzel zurückzuführen, haben ein formal zwingendes und bedeutungsmäszig voll befriedigendes ergebnis bis heute nicht gezeitigt. einen überblick über die bisherigen bemühungen gibt in: zs. f. kath. theol. 41, 625 ff., vgl. auch et. wb. d. got. spr. 3227 f. zu den heute noch ernsthaft diskutierten deutungsversuchen gehören namentlich jene, die das wort als eine idg. partizipialbildung (mit -tó-) auffassen. am ersten scheint hier rückführung auf die idg. wurzel *ĝhau-'rufen', part. *ĝhu-to- 'angerufen' möglich, so dasz idg. *ĝhu-tó-m als 'das (durch zauberwort) angerufene oder berufene wesen' [Bd. 8, Sp. 1018] (so zuerst morphol. unters. 4, 84; Bezzenberger beitr. 24, 191 ff.) zu interpretieren wäre, vgl. ai. part. hūtá- 'geladen, angerufen' und puru-hūtá-h 'viel angerufen' als beiname Indras in den Veden. auf den zusammenhang magischer sphäre und zauberischer berufung deuten u. a. lit. žavéti 'zaubern', lett. zavēt 'zaubern', dazu gall. gutuater für eine bestimmte klasse von priestern aus *ghutupətēr 'vater (meister) des anrufs (an gott)', vgl. 1, 529 f.; idg. etym. wb. 413; 5275b. — erwähnung verdient noch die verknüpfung von *guða- als 'das, dem geopfert wird' mit der idg. wurzel *ĝheu- 'gieszen' in der — im germ. allerdings nicht belegten — anwendung auf das trankopfer ( in: Bezzenb. beitr. 7, 99); dagegen ist es nicht angängig, mit in: Bezzenb. beitr. 20, 256 * guða- als 'gegossenes bild' zu fassen. aus der umfangreichen literatur über die german. gottesbezeichnungen und über die einschmelzung von germ. *guða- in den christlichen gebrauch vgl. an jüngeren darlegungen namentlich M. Cahen le mot Dieu en vieux-scandinave (Paris 1921); d. frühchristl. gottesbezeichn. im german.-altdtsch. in: neue forschung nr. 25 (Berlin 1935); d. dt. kirchensprache (1936), wiss. beilage z. 80. programm der St.-Gallischen kantonsschule für 1936/37; altgerman. religionsgesch. 2 (1937) § 137-142; W. Baetke 'guð' in altnord. eidesformeln in: PBB 70, 351-371. im rückgriff auf das neutr. germ. *guða- (neutr. wie das wort für 'mensch' und 'tier', weil es masculina und feminina zusammenfaszt, s. kl. schr. 221) als bezeichnung des christengottes treffen sich alle germanischen stämme. mit dieser in den dienst der mission tretenden wahl wurde für den religiösen hauptbegriff die bis auf den heutigen tag gültige einheitlichkeit des germanischen sprachgebrauchs begründet. während die einzelphasen der aneignung von *guða- für den christlichen gebrauch im ost- und westgerm. nur in spuren oder gar nicht mehr greifbar sind, erlaubt die relativ junge, über zwei jahrhunderte ausgedehnte bekehrungsgeschichte im anord. sprachraum Skandinaviens beobachtungen, die wohl auch für die anderen germanischen dialekte bedingte gültigkeit besitzen. danach empfahl sich an. goð (guð), n., durch seine unspezifische bedeutung, deren ursprünglicher sinn kaum noch gefühlt wurde, durch seine feste verwurzelung im allgemeinen sprachgebrauch gegenüber seinen nur poetisch verwendeten synonymen und namentlich durch seine fähigkeit, trotz seines vorwiegend pluralischen gebrauchs als singularisches appellativum der bezeichnung einer einzelnen gottheit zu dienen. diese fähigkeit besasz unter den zahlreichen vorchristlich-anord. gottesbezeichnungen, wie den pluralia tantum regin, hopt, bǫnd, fjǫrg, véar u. a. als umschreibungen für die unpersönlich gedachten schicksalsmächte, allenfalls noch der an. pl. tívar 'götter', dessen idg. wurzel *deios sich in ai. dēváḥ, lat. deus namentlich auszergermanisch fortsetzt. er begegnet singularisch als eigenname des höchsten himmelsgottes, später des kriegsgottes an. Týr (vgl. ags. Tīw, ahd. Ziu) und daneben, wie goð, auch als singular. appellativ, jedoch nur in poetischer sprache. eine zu deutlich heidnische färbung mochte seiner aufnahme in den christlichen wortschatz im wege stehen, wie sich weiterhin etwa der göttername der Asen (an. áss, pl. æsir) wohl durch seine bindung an bestimmte kultformen in nordischer spätzeit für den christlichen gebrauch als ungeeignet erwies und die älteren ost- und westgerman. spuren des namens in niedere religiöse sphäre weisen. um das heidnische germ. *guða- in den einzelnen dialekten den christlichen missionszwecken gefügig zu machen, war der gebrauch des wortes als eines maskulinen singulars unerläszlich: nur so vermochte es den einen christlichen gott (in der art eines eigennamens, vgl. den ahd. acc. sg. gotan entsprechend der flexion der eigennamen) zu bezeichnen, und nur so grenzte es ihn von den zunächst weiterhin neutral und vorwiegend pluralisch gebrauchten formen des wortes zur bezeichnung der alten gottheiten eindeutig ab. das ausbleiben der maskulinen nominativendung in got. guþ, m., gen. gudis (geschrieben gþ, gþs, [Bd. 8, Sp. 1019] s. PBB 21, 562 ff.; Bezzenb. beitr. 24, 199; dagegen nomina sacra 274), an. god (guð) läszt das ursprünglich neutrale genus ebenso erkennen wie die pluralformen got. guda, ags. godu (neben jüngerem maskul. pl. godas), an. goð, guð. nur in ahd. got, m., pl. gota, selbst der frühesten literarischen zeugnisse, sind die sicher auch hier vorauszusetzenden vorstufen infolge der stürmischen und gegen das heidnisch-religiöse vokabular unduldsamen missionierung nicht mehr erkennbar. erst nach seiner endgültigen christianisierung gibt auch der norden das alte neutrale geschlecht des wortes in den meisten gebieten auf und bildet in aschwed.-anorw. guðir einen maskul. pl. für die heidnischen götter, doch bewahrt das isländ., unter zusätzlicher inanspruchnahme eines wechsels im stammvokal, in goð, n., für den heidnischen gott neben guð, m., für den christlichen das alte neutrum z. t. noch heute. zur lautform: dem ahd. lautstand entsprechend in den obd. quellen des 8.-10. jhs. vorwiegend mit anlautender tenuis, zunächst cot (Pa, K , Ra) ahd. gl. 1, 98, 2 St.-S.; cot (K) 1, 198, 36; cutum (Pa), cotum (K), cotom (Ra), coto (R) 1, 102, 2 u. ö., dann auf grund orthographischer neuerung kot (9. jh.) kl. ahd. sprachdenkm. 310, 22; 26 Steinm. u. o., nach gr. 21, 149 anm. nur zögernd angesichts der heiligkeit des namens. got daneben seit dem 9. jh., jüngeres kot statt got noch bei Notker im rahmen seines anlautgesetzes. mnd. anlautendes gh- für g- in ghod nicht selten, vgl. die nachweise aus mnd. urkunden des 13. und 14. jhs. bei mnd. gr. § 341, dazu ghodes (15. jh.) Theophilus 44 Petsch. der stammvokal bewahrt qualitativ und quantitativ durchgehende festigkeit. die in obd. hss. des 12. jhs. nicht ganz seltene schreibung gôt (z. b. Benediktbeur. gl. u. beichte III 43; 104; 137 Steinmeyer; dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 138, 27 Diemer) deutet nicht auf dehnung des stammsilbenvokals, für die sonst keinerlei anzeichen vorliegen, sondern auf betonte kürze, vgl. d. accente in ahd. u. as. hss. 39; 126. — die ahd. für abgot bezeugten -u-formen des plurals scheinen got nicht berührt zu haben; ein vereinzeltes cutum diuum (Pa) ahd. gl. 1, 103, 2 St.-S. ist wohl schreibfehler für cotum, s. PBB 67, 432. dagegen begegnet jünger im fränk. -u- statt -o- im stammvokal trotz altfränk. gr. § 21, 5 gelegentlich auch bei got, vgl. DWB gut 19, 3 var. der Trierer hs. nach PBB 67, 432, guth (: geboth) Rother 516 Frings (gut v. Bahder; guth de Vries). — der mnd. übergang von o zu a erscheint bei got, in den flektierten formen des wortes, vereinzelt schon im späten 14. jh., häufig seit dem 15. jh., vgl. die nachweise bei mnd. gr. § 89 und PBB 7, 50 f.; für spätere zeit gade (1544) bei gl. 734; gadesz (Hamburg 1553) bei kaufmannsspr. 118; gades restitution 82 ndr. u. ö., s. auch unten jüngere nd. formen. zur lautform und schreibung des dentals: über das verhältnis der westmd.-fränk. formen mit d statt t in ahd. zeit s. ahd. gr. § 163 anm. 1, dazu noch godes heilegon (rhfrk. 10. jh.) kl. ahd. sprachdenkm. 329, 1 Steinmeyer. das gleiche gebiet hält bis tief ins mhd. inlautend weithin an den -d-formen fest, vgl. z. b. godis sun Annolied 52b Roediger; 583; 852 u. ö.; godes gewalt Upsalaer sündenkl. 9 Waag; godes Arnsteiner Marienleich 7 Waag u. o.; godes frunt hl. Elisabeth 2838 Rieger; 5600; di engele godis parad. anime 11, 11 Strauch; ferner godes licham (14. jh.) bei volksl. 639; vgl. 638; godis lichnam (md. 15. jh.) gl. 212a; vereinzelt in einer unsicherheit verratenden schreibung: mit gotdes craft mittelfränk. bruchstücke 20 Kraus; daneben auch die sonst im auslaut (s. u.) begegnende schreibung -th-: zo gothe Rother 378 Frings; gothis 1201. auslautend herrscht, auch im westl. md., -t vor, doch zeigt sich, wie im ahd. (s. a. a. o.), so auch später noch vereinzelt -d: god (westmd. 13. jh.) ahd. gl. 3, 379, 50 St.-S.; god grusz dich (md. 15. jh.) gl. 509b. häufiger begegnet mhd., vornehmlich westmd., aber auch sonst -th statt -t im auslaut: goth dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 380, 22 Diemer (hs. österr. [Bd. 8, Sp. 1020] 12. jh.) neben sonstigem got der gleichen quelle; goth 19, 3 Seem., var. d. Ebersberger hs.; goth Rother 285 Frings; 360; guth 516 neben häufigerem got 1002; 1061; 1236 u. ö.; goth mittelfränk. legendar H 178 Kraus; goth (westmd. 13. jh.) ahd. gl. 3, 390, 1 St.-S.; jünger goth (schles. ? 1420) gl. 323a. in noch späterer zeit steht die schreibung vereinzelt bei Luther: unsern goth 9, 127 W.; gothe (dat. sg.) ebda. — im mnd. gilt inlautend -d- statt hd. -t- fast ausnahmslos, einfach (godes, gode) oder geminiert, vgl. gotdes (Halberstadt 1377) bei mnd. gr. § 306, goddis (Hildesheim 1394; Quedlinburg 1403) in: PBB 7, 66 und jüngeres leider goddes friedenssieg 45 ndr., während ein gotes (Anhalt) bei a. a. o. § 313, gottes (Dortmund 1459) in: PBB 7, 73 isoliert stehen. im auslaut herrscht -t vor, auch -dt geschrieben: godt (Homb. 1314) in: PBB 7, 73; adag. (1545) a 4b (im unterschied zu mnl. nl. god, das bei diesem wort die sonst auch hier geltende auslautsverhärtung nicht durchführt, wozu gr. 21, 412 anm.). die gelegentliche mnd. schreibung god (11. jh. Werden) ahd. gl. 1, 789, 58 St.-S.; (Braunschw. 1345) bei a. a. o. § 305; (1412) bei coll. de lois marit. 2, 458 u. ö. hat als etymologische zu gelten. die schreibung des wortes mit einfacher konsonanz (-t statt heutigem -tt) gilt ahd. fast ausnahmslos, nur singulär cotto deorum (K) neben coto (Pa, Ra) ahd. gl. 1, 103, 3 St.-S. und neben cotum diuum (K) ebda 2, ferner (10. jh.) be gotta ebda 5, 518, 16, be gott 520, 6. auch im mhd. gilt einfacher dental, wie ihn die normalisierten texte durchgehend setzen. die vom 13.-16. jh. herrschenden übergangsverhältnisse scheinen folgendes bild zu bieten, wobei freilich das berücksichtigte material angesichts der uferlosen häufigkeit des wortgebrauchs kaum mehr als den wert einer stichprobe beanspruchen kann: gelegentlich bringen schon hss. des 13., verstärkt solche des 14. jhs., schreibungen mit -tt-, in den flektierten formen sehr viel häufiger als in den unflektierten oder apokopierten, immer aber neben der alten schreibung mit einfachem dental, die vorherrschend bleibt; vgl. etwa an frühen beispielen osterspiel von Muri (hs. anfang des 13. jhs.) in: Germ. 8, 289: gottes; 297: gotte (acc. pl.) neben got 287; 293; in der Wernigeroder hs. der weltchronik des (um 1300): gotte (dat. sg.) 11 659 Ehrism.; 11 666; gotte (n. pl.) 3241 neben gotis 11 661; 11 667 u. ö.; göte 3209; 3224 u. ö. unterschiedliche behandlung flektierter und unflektierter formen scheint in manchen hss. des späten 13. und des 14. jhs. bereits konsequent durchgeführt zu sein, so im Wasserburgischen kodex des Willehalm von (ende des 13. jhs.): gotte (dat. sg.) 608 Ehrism.; gottes 985; 2137; 2141; 3450 u. o. neben got 196; 354; 585 u. o., vgl. in engster nachbarschaft: got und gottes gebot 11 882; ähnlich liegen die dinge in der hs. A (1387) des St. Georgener pred., vgl.: ze gotte und in got 287 R.; in gotte und got in aller creature 185 sowie in den hss. der predigten des 14. jhs., vgl. die Vettersche ausgabe, doppelkonsonanz im wortauslaut darf für das 14. jh. wohl noch als ungewöhnlich gelten, doch vgl. Hartmann v. Aue armer Heinr. nach d. Straszburger hs. (14. jh.): gott 145 Gierach; 914; 925; 1317 neben got 254; 352; 384; 458; 608 u. ö.; Heinrich v. Neustadt Apollonius (hs. 14. jh.) sammer gott 10 254 Singer; gott 10 353 neben got 10 317; 10 350; 10 277 u. ö. im 15. jh. wird die vorherrschaft der schreibung mit einfachem -t, auch in den flektierten formen, noch nicht gebrochen. erst im 16. jh. kehrt sich das verhältnis eindeutig um. Luther schreibt in seiner bibel nur gott und gottes, gotte, götter, läszt aber sonst gelegentlich die alte schreibung gelten, vgl. etwa got 14, 443 W.; got geb 10, 3, 403; zu gote 1, 200; gotes volck 34, 1, 431; ähnliches gilt für H. Sachs, Murner u. a. innerhalb der für die doppelschreibung anfälligeren flektierten formen bewahrt einfaches -t- zähere dauer in den genitivischen kurzformen gots und gotz, vgl. z. b. gots urtayl 10, 3, 187 W.; gotz fluch Zimmer. chron. 23, 123 B.; gotz itinerar. (1600) c 1a. die alte schreibung begegnet noch im 17. jh.: hinter got prov. copia (1601) 2, 225; in gots furcht d. Teutschen weiszh. (1605) [Bd. 8, Sp. 1021] g 8a. Weckherlin hat zwar durchgehend gottes, götter, aber stets got, auch in den späten drucken von 1641 u. 1648, vgl.got 1, 390 Fischer neben gottes seegen ebda; mein got 2, 33 neben gottes lob ebda. Rachel satyr. ged. setzt, vielleicht unter mundartlich nd. einflusz, got 50; 63; 75; 78; 82 u. ö. und gott 50; 119; 123 u. ö. in ständigem wechsel. spätere fälle wie um goteswillen br. an Fredersdorf 199 Richter; du got der donner oden 1, 10 M.-P. (fassung v. j. 1747; dafür 1767: gott) haben als regelwidrige verstösze zu gelten. lautformen des wortes in der flexion: im mnd. gelegentlich formen mit angehängtem -e im nom. (und acc., s. u.) sg., vgl. DWB gode, godde s. v. got 2, 135. vielleicht von hier aus ein ganz vereinzeltes min gote (: gebote) väterbuch 9680 R. in angrenzendem md. gebiet. der gen. sg. lautet spätahd., auch obd., gelegentlich gotis: gotis mageden (11.-12. jh.) kl. ahd. sprachdenkm. 336, 7 Steinm.; (12. jh.) 358, 45; 46; 47 u. o., dazu ahd. gr. § 60. später, und noch bis ins ältere nhd., ist er als gotis, godis im md. reich bezeugt, oft noch in den früheren schriften Luthers, s. Lutherwb. 149a. sporadisch dringen diese formen auch in die grenzgebiete des mnd. ein, s. die nachweise in PBB 7, 65 f. — die zumal in der abhängigkeit von einem substantiv älternhd. äuszerst verbreitete synkopierte kurzform des genitivs scheint mhd. (obd.) um die wende vom 13. zum 14. jh. aufzukommen, zunächst wohl als metrisch bedingte form der gebundenen rede, z. b.: gots heilikeit uf allen wegen swa du gotis heilikeit ebda 15 258; vgl. 15 261. schon im 14. jh. auch in ungebundener rede, vgl. gotz werk 213, 8; barmherzkeit gotz 219, 27 u. o. ganz überwiegend neben fällen wie den wunden gottes pred. 173, 9 Vetter (Engelberger hs., mitte d. 14. jhs.; in den Straszburger hss. [2. hälfte d. 14. jhs.] scheint das häufigkeitsverhältnis umgekehrt). im 15. und 16. jh. häufen sich die fälle auszerordentlich, zumal in den festen genitivverbindungen der fluch- und beteuerungsformeln (s. u. I J 5), in der schreibung gotz, auch gocz ([15. jh.] bei Bayerns maa. 2, 384; 439; [15. jh. obd.] n. gl. 127b; 300b; gocz marter [aus obd. gefärbter vorlage] bei 34, 2, 90 W.) neben gots, gotts. Luther bedient sich der kurzform nicht selten, vgl. (bis 1528) Lutherwb. 149a. auch das mnd. hat gelegentlich gods, gots mnd. gr. § 363 anm. 1; in der leefte godz 9, 18 Jostes. im jüngeren nhd. beschränkt sich die im ganzen seltene anwendung der genitivischen kurzform auf die auch in älterem gebrauch (und in der mundart, s. schwäb. 3, 763; bair. 1, 959) bevorzugte stellung vor dem beziehungswort: ein gotts lohn Wieland bei 1, 83; gotts lohn! ges. schr. (1878) 2, 306; gotts wunder! s. w. (1864) 1, 249; 4, 484; gotts tannenbaum! könig d. Bernina (1904) 11.ein ahd. dat. sg. auf -a bei got nur vereinzelt: goda endi mi de Heinrico 13 Steinmeyer. über die möglichkeit eines ahd. dat. sg. goto vgl. MSD 2, 449 und gkoto liebosta Georgslied 4 Steinm. (text d. hs.); demo almahtigen goto Benediktbeur. gl. u. beichte II 19 Steinmeyer; 24; 34. — schwund des -e der dativendung, sofern es sich nicht um blosze elision handelt (wie schon an Ludw. 32; II 12, 10), ist bei got obd. bereits gegen ende des 11. jhs. und im 12. jh. nicht selten: demo almahtigen got Benediktbeur. gl. u. beichte II 21 Steinmeyer neben gote ebda 1; 11; 16 und goto 19; 24; got (dat. sg.) Wessobr. gl. u. beichte II 31 Steinm. neben uone gote ebda 53; got (dat. sg.) Benediktbeur. gl. u. beichte III 43; 58; 61; 65; 69; 74 Steinm. neben gote ebda 54; ähnlich die hochzeit 52; 345; 412; 515; 519; 707; 805 Waag neben einmal gote ebda 364 usw., doch hat die volle form gote im mhd. noch als die normale zu gelten. [Bd. 8, Sp. 1022] im frühnhd. setzt sich die endungslose form mehr und mehr durch, bei Luther hat sie in der bibel und auch sonst bereits das übergewicht. gotte bleibt aber auch in jüngerem gebrauch noch möglich, und zwar nicht nur aus metrischen rücksichten in gebundener rede oder (so dt. gramm. 2, 8) in auszermonotheistischer anwendung, vgl. z. b.: dem grundgütigen gotte philos. colus (1662) 21; stünde es darum gotte minder frey 13, 420 L.-M.; der groszen urquelle ... nämlich gotte schr. f. u. an s. lb. Deutschen (1845) 2, 346; (auch die mundart kennt gelegentlich noch die vollform des dativs, vgl. pa gotte, kighen gotte cimbr. 125; med gode! westfäl. 82a). ein ahd. acc. sg. cotan deum (8. jh.) ahd. gl. 1, 732, 53 St.-S.; vgl. 731, 60; 734, 27; Benediktinerregel in: kl. ahd. sprachdenkm. 200, 4; 211, 1; 205, 13 Steinm. u. ö. bezeugt, dasz das wort als eigenname behandelt wurde, vgl. le mot Dieu 37. in dem mnl. acc. gode (neben god) lebt diese form weiter, s. mnl. gr. § 178, 5; 2, 2005; sie findet sich auch im mnd., vgl. die nachweise gode, godde, gadde s. v. got bei 2, 135b und: de gode vorlevet (d. i. 'wer Christus überlebt') sprichw. nr. 351. von da aus scheint sie vereinzelt ins md. zu dringen: durch gote väterbuch 23 310 Reiss.; 25 303; ich bite gote ebda 23 272. euphemistische verhüllungen und entstellungen des wortes gott im singular wie gocks, potz, kotz, goll, göll u. ä. s. u. I J 1 b β; 4 b und bes. 5. der heute allein gültige plural götter steht am ende einer langen, mehrsträngigen entwicklung. wie das wort in der gesamten ahd. überlieferung von seinem ursprünglich neutralen geschlecht nichts bewahrt hat, so steht hier von vornherein den alten neutralen pluralformen got. guda, an. goð, ags. godu nur ein maskuliner plural gota gegenüber. zunächst lediglich in den fränkischen quellen des Isidor (13, 20; 21, 8 H.), des Weissenb. katechism. (72; 77 Steinmeyer), des Otfrid (III 22, 49) und des Tatian (134, 8) und nur in der bezeichnung der drei personen der trinität oder im anschlusz an Joh. 10, 34 f. (ps. 82, 6), erst seit Notker auch im obd., und in der anwendung auf heidnische gottheiten, z. b. gota 1, 190, 13 P.; 247, 27; 248, 2; 697, 13; 714, 24; 2, 569, 11 u. ö. die beschränkung auf maskul. pluralbildung gilt auch für die ahd. komposita mit -got als zweitem kompositionsglied bis auf die von der bedeutung her nur bedingt als ausnahmen gültigen beiden glossen helligot für manes: (11. jh.) ahd. gl. 2, 653, 74 St.-S.; (11.-12. jh.) 4, 205, 10, s. PBB 67, 420 f., während die auffassung des irmingot Hildebrandsl. 30 Steinm. als neutr. n. pl. nur eine der vielen verschiedenen möglichkeiten bleibt, s. a. a. o. 423 f. das mhd. hält an diesem alten, unerweiterten plural als normaler und vorwiegend gebrauchter bildung fest, wobei sich freilich neben den n., acc. pl. gote, später auch gotte der maskul. a-klasse nach der mitte des 13. jhs. als göte, später auch götte ein plural der i-klasse stellt, vgl. z. b. göte Silvester 322; 349; 1407; 2122; 2125 u. ö. Gereke (hs. 13. jh.); troj. krieg 17 632; 20 442 u. ö.; weltchron. 3209; 3224 (:gebote) Ehrism. (hs. um 1300). er scheint (bes. apokopiert, s. u.) im 15. jh. sogar die häufigste form zu sein und ist noch im 16. jh. unter den verschiedenen möglichkeiten die stärkste konkurrenzform. md. gelegentlich sind formen mit -d-, mnd. regelgerecht solche mit -d- oder -dd-: gode parad. anime 16, 25 Strauch; (nd. 14. jh.) städtechron. 1, 119; goden (d. pl.) (Köln 1499) ebda 13, 455; godde (nd. 1417) n. gl. 83b; gödde (nd. 1417) ebda 153a. neben gote wie göte stehen die apokopierten formen got und göt, gött, vgl. schon: vrmde got dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 158, 12 Diemer; ferner z. b. drî got Willehalm 291, 21. weit häufiger göt, gött, besonders im 15. jh. und in der ersten hälfte des 16. jhs. im bildungsbereich all dieser formen zeigt der gen. pl. frühnhd. vereinzelt apokope: unser gött gefallen decameron 629 lit. ver.; der irdischen gött in: schweiz. id. 2, 507, und, dies schon mhd. (vgl. mhd. gr. § 449), gelegentlichen übertritt in die schw. deklination: der götten edelstein [Bd. 8, Sp. 1023] 22, 21 Pf.; translat. 19; 28; 32; 226 K.; preusz. chron. 1, 3 Perlbach, der vereinzelt sogar auf den acc. pl. überzugreifen scheint: die weisen götten w. 1, 359 Hauffen. noch in der zweiten hälfte des 16. jhs. fehlt es nicht an bezeugungen der alten pluralformen, bes. im schweizer. und in literarischen quellen des ostnd. raumes: gött (acc. pl.) (1560) in: schweiz. id. 2, 507; gött (n. pl.) (1587) ebda; jre götte beschreibg. d. landes zu Preussen (1584) 6a; die götte derselbe, preusz. landtaffel (1595) 14b; preusz. chron. 1, 91. im übrigen tritt mit dem 17. jh. der jüngere plural götter die alleinherrschaft an. seine früheste bezeugung fällt in die erste hälfte des 12. jhs.: unsir gotir Milst. gen. 120, 11 Diemer (Wiener hs. dafür gote 86, 21); in den goteren Egipti ebda 153, 22. diese im 12. jh. noch ganz isolierten, im 13. jh. etwas zahlreicheren formen bezeugen den einflusz des ahd. neutr. abgot, das neben seinem im 9. jh. und vielfach später bezeugten neutr. a-plural abgot gleichzeitig (und auch später noch) in abgutir (Ja) ahd. gl. 2, 340, 8 St.-S. einen neutr. -er-plural aufweist. ein maskul. pl. abgota ist relativ jung (11. jh.) und nur durch unmittelbare gegenüberstellung zu gota hervorgerufen, vgl. im einzelnen hierzu und zum folgenden E. Karg-Gasterstädt got und abgot in: PBB 76, 420-433; dazu Gürtler z. gesch. d. dt. -er-plurale in: PBB 37, 412 ff.; 38, 67 ff.: für gott bes. 38, 132 f. sowenig das ahd. neutr. abgot als wahrscheinliche entlehnung aus dem got. adj. afgups seiner bildung nach zum substantiv got zu gehören scheint, so konnte es in jüngerer zeit den übertritt des maskul. pl. gote in den bildungsmäszig neutralen -er-plural immerhin vermitteln, zumal für abgot ein nebeneinander beider genera bis tief ins mhd. und ein mischgebrauch der alten -er-plurale und der für got ursprünglichen a- und i-plurale bei abgot bis in das frühe 16. jh. hinein (so bei Zwingli, Nazarei und vereinzelt bei Luther) möglich blieb, vgl. die nachweise in PBB 38, 132. gleichwohl bleibt im ganzen mhd. und noch im 15. jh. der neue pl. götter (und oft ohne umlautbezeichnung gotter) hinter den alten formen zurück, übrigens ohne dasz von der bedeutung her, etwa in einer unterscheidung götter = 'götzenbilder, abgötter' und göte = 'götter allgemein' die wahl der formen bestimmt zu sein scheint. nur ein spätfall deutet in diese richtung: die heiden an iren göttern, die doch nit gött sind (1587) in: schweiz. id. 2, 507. bemerkenswert aber, und wohl nur aus der analogie zu mhd. daz abgot, pl. diu abgot erklärbar, sind einige mhd. fälle, in denen der seiner bildung nach neutrale pl. göter auch grammatisch neutrales geschlecht anzunehmen scheint, vgl.: die (Apollo und Mahmet) sint diu göter mîn Ortnit 271, 3 Amelung (freilich neben al dîn göter 273, 4); al diu göter br. Marienleben 3403 Rückert. übertritt in schw. deklinationsform n ist beim pl götter nur vereinzelt und spät bezeugt: der grossen göttern 2, 323 Fischer. im d. pl. gelegentlicher abwurf der endung: von diesen götter (St. Gallen 1324) in: PBB 37, 541. jünger erscheint manchmal pleonastisches -e- in der dativendung: götteren schimpf u. ernst (1522) nr. 288; Ilias (1610) 69; 74. für die vielfalt der pluralformen, hinsichtlich der bildung wie der lautform, ist im mhd. häufiger promiscue-gebrauch bezeichnend. so im nebeneinander umgelauteter und unumgelauteter formen: göte weltchron. 3209; 3224 Ehrism. neben gotte 3241, gote 3203; in zs. f. dt. alt. 1, 129 goter neben göter ebda; götter d. gr. Alexander 389; 454 Guth, göter 1429 u. o. neben gotern 1199; goter 2167, gottern 4318 (hs. v. j. 1397 mit einer für got sonst noch seltenen beschränkung auf den -er-plural). aber auch im nebeneinander der alten und der jüngeren pluralbildungen: goten (d. pl.) österr. reimchron. 46 992; 47 885 u. ö. neben gotern 46 648, goter (n. pl.) 19 309; gote br. Marienleben 3383; 3459 u. ö. neben göter 3340; 3344; 3403. gleiches, wenn auch schon seltener, begegnet im 15. und 16. jh.: göt Äsop 41 lit. ver., götten (d. pl.) 40 neben götter 75; gött v. alten u. neuen gott 6 ndr., götten (d. pl.) 4 neben götter 4; 6; 7 u. ö., götten (d. pl.) Pauli schimpf u. ernst [Bd. 8, Sp. 1024] (1522) nr. 288 neben götteren ebda. noch schwankt, zumindest bis etwa 1530, stark zwischen alter und jüngerer bildung, auch zwischen umgelauteten und umlautlosen formen. die bibel von 1545 hat nur noch götter, in früheren ausgaben begegnet daneben der n. pl. gotte: richter 10, 16 (Zerbst r hs. 1523) in: bibel 1, 8 W.; häufiger der d. pl. gotten: richter 10, 6 ebda 7; 10, 8 ebda 8; 2. Mose 12, 12 (varr. 1523-24) Bindseil; götten 2. Mose 12, 12 (varr. 1525-26) Bindseil; der n. pl. gotter: richter 10, 14 (Zerbster hs. 1523) in: bibel 1, 8 W.; s. auch schriftspr. Luthers 2, 227. auszerhalb der bibel findet sich vereinzelt der n. pl. gotte: (1522) 10, 1, 1, 100 W. (jüngere varr.: gotter [1525]; götter [1530 ff.]); etwas häufiger gotter: (1530) 30, 2, 607; (1531) 34, 1, 499 W. in den mundarten neigt der anlaut des wortes in teilen des westobd. zur tenuis, vgl. DWB kot elsäss. 1, 244a; Rappenau 75b; Handschuhsh. 28, in mittleren gebieten des md. und nd. zur halbvokalis: jott Mansfeld 44a; Berlin 26. der stammvokal ist vorwiegend das hochsprachliche offene kurze -o-, zeigt aber daneben beträchtliche schwankungen, besonders im omd. und im nd.: dehnung in gôt schles. 28; (Gradlitz) Nordböhm. 261, vokalsenkung zu -u- in gutt (Erzgebirge) obersächs. 1, 431a; gud Vogtland 91 und vereinzelt nd. gud (in ausrufen) schlesw.-holst. 2, 440, diphthongierung in gout (Gabersdorf) Nordböhm. 261; gaut (schles. Niederland) in: zs. f. dt. phil. 3, 347, nd. in guot Waldeck 42 und nordfries. guad (1749) in: PBB 45, 45, gûod (neben got als hd. lehnwort) nordfries. 167. den mnd. übergang von o zu a zeigen auch jüngere nd. formen: gatt Osnabrück (1756) 75; um gades willen plattdt. wb. 156b. der auslautende dental erscheint md. oft, nd. fast immer als -d. vom plural des wortes macht die mundart begreiflicherweise nur spärlichen gebrauch. reste der alten pluralbildung: saint da mearar gott? hundart gotte cimbr. 125; wiə vil sán' god? bair. 1, 959. im übrigen hat das obd. wie das md. götter: schwäb. 2, 763; gettar Davos 4, 56; geder rhein. wb. 2, 1313; gätter obersächs. 1, 431a. das nd. verzeichnet, soweit überhaupt, den plural goden (wie nl. goden) ostfries. 1, 654; nordfries. godden 52b. bedeutung und gebrauch. der hauptanwendungsbereich des wortes gott ist der christliche (I). in seiner allgemeinen gültigkeit ist das wort hier, auszer in der frühzeit (s. u.), von keiner der sonst möglichen benennungen und umschreibungen ernsthaft angetastet worden. so festgelegt es aber gerade hier in den grundlinien seiner bedeutung ist und bleibt, so einzigartig ist die kraft, mit der sein begriffliches gewicht sich in der sprache niederschlägt. spürbar wird die kraft dieses wortes nicht nur in der fast unvergleichbaren häufigkeit seiner anwendung, der auch ein rückgang in jüngerer zeit (s. PBB 67, 420) keinen fühlbaren eintrag zu tun vermag, sondern eindrücklicher noch in der unübersehbaren fülle seiner sprachlichen bindungen, verknüpfungen und beziehungen sowie in der gewalt, mit der es den ganzen raum der sp ache auf allen stufen und in allen schichten jederzeit durchdringt. dabei hat der kaum übersehbare bestand geprägten formelgutes, besonders in älterer zeit, weithin als christlichabendländischer gemeinbesitz zu gelten, dem kirchliche sprachpraxis und ihre ausstrahlung in den literarischen raum die allgemeine verbreitung sichern. erst in der lösung aus dem festen gefüge seiner christlich-dogmatischen voraussetzungen und in der begrifflichen verflüchtigung (II) erlahmt die kraft des wortes hinsichtlich der vielfalt seiner sprachlichen beziehungen. aber noch in der anwendung auf gottheiten anderer religionen und im vergleichenden oder vermenschlichenden gebrauch (III) tritt neben das eigenständige dieses bereichs vielfach das geprägte gut christlichen sprachbrauchs. [Bd. 8, Sp. 1025] zur frühgeschichte des wortes im ahd., seiner reichweite und seiner begrenzung durch synonyme vgl. K. Guntermann herrschaftl. u. genossenschaftl. termini i. d. geistl. epik d. Westgermanen (diss. Kiel 1910); G. Ehrismann d. wörter für 'herr' im ahd. in: zs. f. dt. wortf. 7, 173-202; E. Luginbühl stud. zu Notkers übersetz.-kunst (diss. Zürich 1933) 15 ff.; 111 ff.; a. a. o., s. ob. sp. 1018; antike u. christent. a. d. wiege d. dt. spr. (1949) 22 ff.: bereits im ältesten deutschen schrifttum ist got die genaue entsprechung des gr. (ὁ) θεό, lat. Deus im biblisch-monotheistischen sinne. feste beiwörter wie waltant, alwaltant, almahtîg, die schon durch das omnipotens des apostolikums nahegelegt waren, und komposita wie irmingot (Hild. 30) und as. thiodgod (Heliand 285; 789 u. ö.) suchten nicht nur einer verwechslung mit den alten gottheiten vorzubeugen, sondern unterstrichen gleichzeitig den umfassenden, jenseitig überweltlichen charakter des begriffs, gleichsam seine objektive seite. für die intimeren, unmittelbar persönlichen beziehungen zwischen mensch und gott jedoch blieb innerhalb der verwendung des ahd. wortes got ein raum ausgespart, der in der wiedergabe des lat. dominus (deus) die ganze frühzeit hindurch weniger von got (so aber z. t. im Tatian, vgl. 2, 3; 3, 9; 6, 1; 7, 2 u. ö.) als von der wörtergruppe frô, truhtîn und hêrro ausgefüllt wurde, die zugleich der benennung Christi diente (got in prägnanter verwendung für Christus blieb ausnahme, s. u. I B 3). frô 'herr' freilich, das in got. frauja, ags. fréa, as. frôho, frao, frô den dominus deus als den religiösen herrn bezeichnete, begegnet im ahd. nur noch für den weltlichen herrn und verrät lediglich in der verwendung der adj. frôno, frônisg den alten geistlichen gebrauch. um so entschiedener tritt das gemeinwestgerm. wort für den herrn der gefolgschaft, ahd. truhtîn (wie ags. dryhten), in den religiösen bezirk hinüber, wo es bis zur wende des 10. und 11. jhs. neben got seinen selbständigen anwendungsbereich als gottesbezeichnung behauptet, vor allem auch in der anrede gilt und epitheta wie guot, liob an sich zieht, die neben got ungebräuchlich sind. nur zögernd dringt anfangs ahd. hêrro aus der weltlichen in die religiöse sphäre ein, im unterschied übrigens zum as., das in Heliand und genesis mit frô, drohtin und hêrro gleichermaszen die göttlichen personen benennt; erst Notker setzt es in steigendem masze als bezeichnung gottes, indem er gleichzeitig das alte truhtîn zurückdrängt, das in seiner nachfolge mehr und mehr auf den individuellen gebrauch als eines göttlichen eigennamens eingeschränkt wird und sich in dieser verwendung noch bis ins höfische zu halten vermag. in der verdrängung des truhtîn durch hêrro, das von da ab mit gott als der jetzt den ganzen vorstellungsbereich beherrschenden und die fülle möglicher beziehungen umfassenden gottes- bezeichnung im gemeinschafts- und wechselverhältnis bleibt (s. u. I A 6 a), spiegelt sich der übergang aus dem germanischen gefolgschaftswesen in den mittelalterlichen lehnsstaat wider. I. gott als der biblische gott der jüdischen bzw. der christlich gedeuteten alttestamentlichen und der christlich-neutestamentlichen offenbarungsreligion, für hebr. und im sinne eines appellativs wie für die als eigenname gebrauchte bezeichnung , für gr. (ὁ) θεός (z. gebrauch bzw. nichtgebrauch des artikels im neuen testament und bereits in der klass, gräcität vgl. theol. wb. z. n. t. 3, 93), für lat. Deus der vu gata. gott ist name des höchsten, allmächtigen, personhaft gedachten wesens, das die welt geschaffen hat, regiert, erhält und erlöst. in der prägnanten verwendung entspricht dabei gott durchweg der ersten person der trinität, doch kann von den voraussetzungen des trinitarischen und christologischen dogmas aus die prägnante benennung gott auch Christus zukommen (s. u. DWB B). dem charakter seiner einzigkeit entsprechend und gemäsz seiner verwendung in der art eines eigennamens steht gott hier seit je artikellos, vgl. schon got. guþ auch gegenüber gr. ὁ θεός, und so auch in den übrigen german. sprachen. nur einige besondere gebrauchsweisen ziehen den bestimmten oder unbestimmten artikel an sich (s. u. DWB A 4; 9; C 1 b; 2; 4). [Bd. 8, Sp. 1026] A. in personaler benennung; ohne jeden zusatz, häufiger aber mit und neben anderen personhaften bezeichnungen, die als benennungen gottes dienen, oder mit sonstigen, meist nominalen erweiterungen. gerade die früheste bezeugungsschicht des wortes ist weithin durch dogmatisch begründete feste prägungen gekennzeichnet, die in frühkirchlicher praxis (apostolikum) vorgebildet und in ahd. katechismen, tauf- und glaubensformeln, beichten u. ä. für den missionarisch-katechetischen gebrauch der kirche bestimmt waren, vgl. etwa: truhtin got, cuning himilisger, got fater almahtiger (domine deus, rex coelestis, deus pater omnipotens) Weissenb. katech. 113 Steinm.; cot almahtico, du himil enti erda gauuorahtos Wessobrunner gebet 10 Steinm.; gilaubistu in got fater almahtigan? ih gilaubu frk. taufgelöbn. 6 Steinm.; ih gihu gote alamahtigen fater inti allen sinen sanctin ... allero minero sunteno Lorscher beichte 1 Steinm. die meisten hierher gehörigen prägungen bleiben dauernder bestand der religiös-christlichen sprache, nicht nur innerhalb der eigentlich dogmatischen und kirchlichen terminologie, sondern auch in vielfacher ausstrahlung auf den allgemeinen dem worte gott zugeordneten sprachgebrauch. 1) ohne weiteren zusatz oder mit bloszer interjektion (formelhaft ungewichtigere anwendung dieser art s. u. J 3). a) nicht selten in der anrede und anrufung, wenn hier auch alte und junge sprache erweiterte gebrauchsweisen bevorzugen und im gebrauch der frühzeit truht în (s. ob. sp. 1025) vorherrs ht: got, thir eigenhaf ist, thaz io genathih bist rheinfränk. gebet 1 Steinm.; hore got mein geschrey, vnd merck auff mein gebet ps. 61, 2; an gott. höre mich! erhöre mich, gott! b) in der von festen nominal- oder verbalverbindungen freien verwendung bleibt im übrigen die zusatzlose benennung gott beschränkt: ich diende eim der heizet got 2) in trinitarischer sicht und von da her bestimmtem terminologischem gebrauch. a) als umfassende bezeichnung der dreieinigkeit: gilaubistu einan got almahtigan in thrinisse inti in einisse? fränk. taufgelöbnis 9 Steinm.; wir sun gelouben daz ein got drie genemide sint, unde daz die genemede ein war got ist Lucidarius 2, 4 Heidlauf; vgl. 33, 11; 13; drivaltig got, bhuet mich vor ewig sterben daz diser segen werde vollebraht [Bd. 8, Sp. 1027] gebot leidets nicht, da es sagt: 'du solt nicht ander götter neben mir haben' 54, 41 W. b) in der getrennten benennung der drei göttlichen personen als gott vater, gott sohn, gott (heiliger) geist: so sama got fater, got sun, got heilago geist Weissenb. katech. 71 Steinm.; got vater, got sun, got geist mit gott dem vater such' ich dich. 3) mit betonung des monotheistischen gesichtspunktes, besonders in der verbindung ein oder (ein) einiger gott, wobei gott aus der funktion des eigennamens in die des gattungsnamens hinüberwechselt: chihori dhu Israhel, druhtin got dhin ist eino got (audi Israhel, dominus deus tuus deus unus est) Isidor 13, 16 H.; diu liute mit ainem ougen, 4) alttestamentlichen ursprungs ist die zwischen eigenname und gattungsbegriff stehende verbindung (ein, der) gott der götter, aller götter gott u. ä., die innerhalb polytheistischer grundvorstellungen den unbedingten vorrang des biblisch-jüdischen gottes umschreibt, in der übernahme in den allgemein-christlichen sprachgebrauch aber eher monotheistisch zu verstehen ist. zur verbindung vgl. biblische wendungen wie herr aller herren, könig aller könige u. ä., auszerbiblisches buch der bücher u. ä.: cum apparuerit deus deorum in Syon so uffen uuarto got allero goto irscine 2, 348, 22 P. (ps. 83, 9); der engel furste Sabaoth wie ist so grosz und schwer die last, liebe schwingt den seraphsflügel 5) der gen. gottes begegnet in stehenden bezeichnungen Christi, die den charakter des wortes gott als eines eigennamens (vgl. dazu ags. goding für filius dei in: zs. f. dt. alt. 70, 38) besonders fühlbar machen. vor allem gottes sohn, sohn gottes, neutestamentlichen ursprungs: anastodeins aiwaggeljons Jesuis Christaus sunaus gudis got. bibel Mark. 1, 1; gelobistu in Crist, godes suno? sächs. taufgelöbnis 7 Steinm.; [Bd. 8, Sp. 1028] dô gotes sun hien erde gie, well heut anhebt zu erlegen und (sie) ouch begnade daz gotes kint, o mensch, beweyne deine sünd, o lam godes vnschüldich 6) gott in appositionellen verbindungen, denen auch solche fälle zuzurechnen sind, in denen, wie bei herr gott, das bestimmende wort voransteht; seltener in kopulativer bindung. a) am häufigsten in der verbindung mit herr und seinen nur älteren synonymen, wie ja, besonders unter bibelsprachlichem einflusz, herr bis heute auch die geläufigste selbständige entsprechung des wortes gott ist und das kompositum (der) herrgott (s. d.) den gebrauch des simplex gott, freilich nur in den tieferen sprachschichten, zumal in der mundart, überflügelt, vgl. die einschlägigen groszen mundartwbb. (den zur formel verflachten gebrauch im erstaunten oder ärgerlichen vokativischen ausruf herr gott! s. u. DWB J 3 d). über frô, truhtîn und hêrro als selbständige bezeichnungen gottes in der frühen sprache, ihr verhältnis, ihre zeitliche folge s. ob. sp. 1025. mhd. steht herr in der verbindung mit got nur in der vollform herre, nicht her, s. gramm. 21, 150 anm. α) zufrühest in der wortfolge truhtîn oder (seit dem 11. jh.) herre got, die sich in der form herr gott neben dem schon mhd. (s. 1, 1259) bezeugten und stetig vordringenden kompositum herrgott bis in die neuzeit behauptet: domini dei truhtines cotes (Pa); druhtines kotes (K) ahd. gl. 1, 172, 29 St.-S.; I 10, 3 u. o.; herro got almahtiger (11. jh.) kl. ahd. sprachdenkm. 139, 23 Steinmeyer; vgl. 348; 349; 360 u. ö.; herre got, nû lêre mich (Gretchen:) mein bruder! gott! was soll mir das! [Bd. 8, Sp. 1029] selten und nur älternhd. mit dem bestimmten artikel: dorum der herre got bildet einen menschen von lietiger erd erste dt. bibel 3, 49 Kurr. u. o. β) seit dem späteren ahd. und vereinzelt noch bis ins frühnhd. in der umgekehrten wortfolge got herre, die aber nicht kompositionsfähig ist und unter dem einflusz der Lutherbibel durch die appositionelle verbindung gott der herr abgelöst wird: got hêrro altostniederfrk. psalmenfragm. 67, 27 van Helten; got herre, wie wol dû weist, fallt gott dem herren wol in die ruht, γ) gelegentlich kopulativ gott und herr: du sage in als ez ist: b) in der durch apostolikum und paternoster gewichtig festgelegten verbindung mit vater drückt sich, soweit es sich nicht um die benennung der ersten person der trinität im strengen sinne handelt (s. ob. 1 b), die vorstellung der vaterschaft gottes über Christus oder die der fürsorge gottes für die menschen aus. in älterem gebrauch gern in der dreigliedrigen reihung herr gott vater: dominus pars hereditatis meę ... truhten got fater ist teil mines erbes 2, 41, 19 P. (ps. 15, 5); got herre vater in himel vnd in erde jüng. Titurel 65, 2 Hahn; wie gott der vater uns vergibt br. 8, 44 W.; ich erinnere mich der groszen lieb gottes des vatters Corinna 53 ndr.; der glaubt, er sei mit gott vater per du schwäb. 3, 762.c) gott (der) schöpfer, vgl. auch den prägnanten gebrauch des wortes schöpfer für gott teil 9, 1550: gilaubiu in got fater almahtigon, scepphion himiles enti erda Weissenb. katech. 47 Steinm.; gott der schepffer ist etwas höhers, denn orth, zeit vnd creatur d. Teutschen weiszh. (1605) C 6a; wie entzückst du, anschauung d) anderes gelegentlich: frew ih mih in muate gote heilante wenn sie (die seele) zu gott, zu dem unendlichen 7) gott in kennzeichnend benennender verbindung mit himmel, erde, höhe u. ä. durch genitivisches oder präpositionales attribut. [Bd. 8, Sp. 1030] a) (der) gott des himmels (und der erde): der got tes himilis, gott des himmels vnd der erden, b) älter got von, vom, jünger gott im himmel: da flegeter got uone himele daz des got von himele ruochen wolde Nibelungenlied 2132, 1 L.; vgl. 2114, 1 u. ö.; liedersaal 1, 25, 78 Laszberg. noch in der Lutherbibel, mit und ohne artikel, doch setzen die neueren revidierten ausgaben dafür der gott des himmels (s.α): dancket dem gott von himel, denn seine güte weret ewiglich ps. 126, 26; Esra 7, 23; Dan. 2, 37. gott im himmel bis in jungen gebrauch: die priester ... rieffen gott im himel an 2. Makk. 3, 15; vgl. 15, 34; gedult, die rache wacht vor euch, o gib mir, gott im himmel! dasz ich mich c) ähnlich in anderen, meist älteren verbindungen: durch got dort in dem höchsten graud ach gott ins himmels throne (1607) bei 8) mit einem gott beigegebenen eigennamen strenggenommen nur in der alttestamentlich Lutherbiblischen verbindung gott Zebaoth, die in ihren älteren entsprechungen gemäsz dem deus exercituum und deus virtutum der vulgata noch nicht als eigenname gefaszt ist, vgl. Isidor 10, 18 H.; Murbacher hymnen 7, 8, 2; 26, 3, 2 Sievers; erste dt. bibel 7, 325; 9, 23 Kurr.: gott Zebaoth tröste vns, las leuchten dein andlitz, so genesen wir ps. 80, 8 u. ö.; meist als (der) herr (der) gott Zebaoth: vnd Dauid gieng vnd nam zu vnd der herr der gott Zebaoth war mit jm 2. Sam. 5, 10 u. o. 9) gott, mit und ohne bestimmten artikel, durch den genitiv eines personen- oder völkernamens im sinne der zugehörigkeit bestimmt, nach alttestamentlichem vorbild und mit anspielung auf die patriarchalische epoche der alttestamentlichen religion, in der auch andere götter als existent gedacht werden (s. u. III A 1): ih bim got Abrahâmes, got Isâkes, deus Jacob (ego sum deus Abraham deus Isaac deus Jacob) Tatian 127, 4; kelobot si truhten got Israhelis 2, 152, 28 P. (ps. 40, 14); vgl. 458, 25 u. ö. das (der) gott Israel, (der) gott Jacob u. ä. in den frühdrucken der Lutherbibel ist in den revidierten ausgaben sinngemäsz durch (der) gott Israels, Jacobs ersetzt: und richtet daselbs einen alter zu, vnd rieff an den namen des starcken gottes Israel 1. Mos. 33, 20 u. o.; ich bin der gott Abraham, vnd der gott Isaac, vnd der gott Jacob Matth. 22, 32. gelegentlich auszerbiblisch: dasz er ... zum glauben an den einen gott Abrahams bekehrt sei Mozart (1856) 1, 326. in formaler angleichung, aber religionsgeschichtlicher einschränkung: (da) der gott Abrahams nach wie vor den sinnen freundlich erscheint, wenn uns [Bd. 8, Sp. 1031] der gott Mosis eine zeitlang mit grauen und abscheu erfüllt hat I 7, 180 W. auch sonst mit abhängigem persönlichem genitiv, ebenfalts biblischen ursprungs und von da her weiterlebend: gelobet sey der herr vnser veter gott, der solchs hat dem könige eingegeben, das er das haus gottes zu Jerusalem zieret Esra 7, 27; herr, meiner väter gott, du bist mein lobgesang gott unsrer väter und ihr ruhm B. gott in der anwendung auf Christus. 1) zu der durch das trinitarische dogma festgelegten bezeichnung Christi als gott (s. ob. A 2 b) tritt, weniger als person - denn als gattungsbegriff, von anfang an die göttliche benennung Christi im sinne der christologischen zweinaturenlehre. älter vor allem in der verbindung wahrer gott (und wahrer mensch): ih glouba daz der gotes sun inphangen uuart fone demo heiligen keisti ... uuarer got unde warer mennisco (11. jh.) Wessobr. gl. u. b. in: kl. ahd. denkm. 135, 26 Steinm.; der wârer got unde wârer mensche ist und uns allen ze trôste unde ze heile geborn wart von mîner frouwen sant Marîen 1, 206, 24 Pf.; Christus Jesus, wahrer gott Endinger judenspiel 19 ndr.; o wahrer mensch, o wahrer gott, (Christus im grab) der vater war in ihm, er war sein bild und wesen, verlassen von der welt vnd wegen ihr von gott. 2) in einer reihe z. t. fester oder formelhafter anwendungen erreicht das wort gott als bezeichnung Christi nur scheinbare prägnanz, jedenfalls darf es hier nicht ohne weiteres als mit dem namen Christus oder Jesus auswechselbar genommen werden. a) so namentlich dort, wo unter heilsgeschichtlichem aspekt die erscheinung Christi als menschwerdung gottes gesehen wird, wie dies für das neue testament (Joh. 1, 14) und die christliche dogmatik grundlegend ist: ich bin komen an die stat aller gtte got ist komen har sie (die beine des Jesuskindes) tragen gott der alle welt, [Bd. 8, Sp. 1032] daz was got selbe, dô sprach der rîter grâ gevar (Maria) die gott gebohren hat was für freude ward erwecket, wâ wart ie hôher triwe schîn, o schmertz! das leben stirbt! o wunder! gott musz leiden! der uns gesagen chunde gott, der nach und vor b) der anwendungsbereich a findet seinen niederschlag in einer reihe fester formeln, die die vokabeln gott und Christus leichter noch als unter a als auswechselbar erscheinen lassen. im schutze der formel hält sich dieser gebrauch z. t. bis in die moderne sprache. α) gottes geburt: Matheus buplicanus β) gottes mutter für Maria als mutter Christi, seit dem spätahd. und lange nur in dieser wortfolge, die im 17. jh. zum kompositum zusammenwächst (s. u.gottesmutter): do daz suert durhfuor dei heiligen innobeli (eingeweide) dere gotes muoter 3, 44, 2 P.; kl. ahd. sprachdenkm. 358, 44 Steinm.; (wir wollen) mit blôzen vüezen und in haerin hemden stân ... steht und hört für allen dingen [Bd. 8, Sp. 1033] über die grosze zukünftige ausdehnung des ordens dt. studien (1879) 8. volkssprachlich auch für ein Marienbild, s. teil 6, 2808. zu der hierher gehörigen vornhd. verbindung gotes brût als bezeichnung der Maria, einer heiligen, einer nonne oder auch der seele s. u. gottesbraut. γ) in bezeichnungen des abendmahlssakraments und seiner elemente, namentlich der hostie, s. dazu noch unt. E 3 b γ; vor dem in der reformation aufkommenden abend- bzw. nachtmahl, in katholischem gebrauch auch jünger noch. vor allem gottes leichnam (und blut): ih neeroti ... den gotes lichinamen, sin heilic pluot, die toufa (11. jh.) Wessobrunner gl. u. b. in: kl. ahd. denkm. 143, 11 Steinm.; so ge wir dar beide sampt, drauf als der priester fromm sich neigt δ) nur älter in verbindungen, die auf Christi leben und leiden anspielen, vgl. dazu vor allem unter J 5: (der priester) der an dem gotes galgen (dem kreuz) nû suln wir fliehen hin ze gotes grabe wir süllen gottes liden c) im gleichen dogmatischen zusammenhange der menschwerdung gottes eignet Christus das prädikat gott besonders in der anrede und gern mit den sonst zu A gehörigen erweiterungen und appositionellen verbindungen (s. ob. A 4; 6): truhtin suno einboraner heilanto Christ, truhtin got ... (domine fili unigenite Jesu Christe, domine deus) Weissenb. katech. 114 Steinm.; do erschein in (den jüngern) unser herre got dat merkede men bi den falschen Jodden (Jesu) mein artzt, heil, theil, licht und hort, mein gott über alle götter Jesu, du mein herr und gott, mein erlöser, mein erretter in die wunde deiner seite [Bd. 8, Sp. 1034] 3) die voll prägnante verwendung des wortes gott als benennung für die irdische erscheinung des historischen Jesus Christus bleibt in der deutschen überlieferung beschränkt. auszer betracht zu bleiben hat hier der sprachgebrauch der mystik, insbesondere der mhd., in dem die vokabel gott, zumal im bereich der trinitarischen spekulation und der unio mystica, vielfach prägnant auf den präexistenten bzw. den erhöhten Christus, nicht aber eigentlich auf die historische gestalt Jesu Christi zielt, vgl. etwa: die ewige worheit unsers herren Jhesu Cristi het gesprochen: 'min joch daz ist ssse und min búrde ist lihte.' dis widersprechent alle natúrliche menschen ... und sprechent daz gottes joch bitter si pr. 25, 14 V. die eigentliche prägnanz greift das älteste deutsche schrifttum nur zaghaft auf (im gegensatz zur altnordischen überlieferung, in der goð, guð in missionarisch-kirchlicher verwendung vorwiegend Christus bezeichnet, vgl. le mot Dieu en vieux - scandinave 4; 7; 37). unter den wenigen in frage kommenden Heliandstellen mit einiger sicherheit nur: gehôrdun mahtiges godes erquam (erschrak) er ana baga (fürwahr) thera thikun gotes fraga sô lang och der (Petrus) gotis drî stunt virlouginôti summa theologiae v. 271 Waag; got hiez si sitzzen (die jünger bei der fuszwaschung) die hochzeit v. 918 Waag; vgl. 716; die he(i)ligen zwelf poten, si spuwen got under daz antlit sîn, und gott, des vaters lust, ist bis in tod betrübt (Christus am kreuz) er (Friedrich V.), der könig und christ, wählt dich zur führerin, es musz offenbleiben, wieweit hier und auch schon unter 2 über die oben angedeuteten bibeldogmatischen voraussetzungen hinaus eine neigung sich auswirkt, wie sie etwa der französischen chansondichtung eigentümlich ist, in der zur stützung des trinitätsdogmas die attribute gottes und Christi gern bewuszt vertauscht werden; vgl. dazu und zur gelegentlichen übernahme dieses verfahrens in deutsche übersetzung Elisabeth v. Nassau-Saarbrücken (1920) 252 f. [Bd. 8, Sp. 1035] C. ein erheblicher teil des zum worte gott gehörigen sprachlebens entfaltet sich in verbindungen und fügungen, die in meist anthropomorpher grundvorstellung das wesen und die eigenschaften gottes, sein verhältnis und sein verhalten zur welt und zum menschen, bestimmte weisen seines wirkens u. ä. umschreiben. bei vielen, wenn auch keineswegs bei allen dieser festgewordenen verbindungen handelt es sich um biblische, insbesondere Lutherbiblische lehnübersetzungen. 1) in substantivischen verbindungen sachlich-begrifflicher art. a) gott vornehmlich als genitivus subjectivus oder possessivus in der abhängigkeit von substantiven, seit alters in einer groszen zahl fester, nhd. vielfach kompositionsfähiger fügungen. in der wortfolge steht gottes schon ahd. meist, mhd. immer voran, s. auch PBB 23, 240 ff. erst im älteren nhd., vor allem in der Lutherbibel, wird die umgekehrte folge gleichberechtigt, während für die überkommene ältere wortstellung oft nicht sicher zu entscheiden ist, ob noch die eigentliche genitivverbindung oder bereits das aus ihr hervorgegangene kompositum vorliegt. die im druckbild der texte vorherrschende willkür bietet weder nach der einen noch nach der andern seite sicheren anhalt. man wird vom inhaltlichen her echtes kompositum in solchen fällen schon annehmen dürfen, in denen es sich um engbegrenzte, irgendwie spezialisierte bedeutung handelt, vom formalen aus oft dort, wo die genitivverbindung durch den artikel oder durch ein adjektivattribut bestimmt ist. in jüngerem gebrauch sind schreibungen wie ein gottes urthel 12, 228 G., ein gottes werk ges. schr. (1852) 2, 4 durchaus ungewöhnlich, s. umst. lehrgeb. d. dt. spr. (1782) 2, 252. α) in der bezeichnung geistiger und sittlicher eigenschaften, die der vorstellung gottes im sinne seiner vollkommenheit unveräuszerlich zugehören: denn sie sahen, das die weisheit gottes in jm war, gericht zu halten 1. kön. 3, 28; Eph. 3, 10 u. ö. personifizierend: selb diu gotes wîshait, si rachen gotes êre. [Bd. 8, Sp. 1036] zum hochhöfischen sprachgebrauch gehören mhd. verbindungen wie gotes kunst (Parzival 123, 13), gotes vlîz (ebda 88, 16; 140, 5), (gotes) meisterschaft (Iwein 1688), gotes hövescheit (Erec 3461) u. ä. zur umschreibung göttlicher schöpfervollkommenheit, die am vollkommenen menschen der höfischen welt sichtbar wird. β) andere verbindungen zielen in mehr dynamischem sinne auf göttlichen willen, göttliche kraft und ihre äuszerungen. αα) gottes wille. allgemein als element göttlicher wirksamkeit: unti (als) der godis willo was irgangin, so wer so wolle thenken, then gotes willon wirken (si quis voluerit voluntatem ejus facere) ββ) gottes kraft: erda bibinota, thiu gotes kraft sies notta er sprach 'ist gotes kraft sô fier wie gottes kraft der nachtentstammten hyder γγ) gottes macht: mikil is thîn gilôbo an thea maht godes Heliand 3025 B. u. ö.; euch, die jr aus gottes macht, durch den glauben bewaret werdet zur seligkeit 1. Petr. 1, 5.δδ) gottes gewalt gliedert sich stärker aus, besonders in älterer sprache, vgl. s. v. gewalt, teil 4, 1, 3, 4922 f.; 4924; 4936; 5003 f.; 5005 f.; 5006 f. 'göttliche machtvollkommenheit' im sinne der potestas: vuanda in gotes keuualte (in manu domini) ist lex data Judeis diu uetus testamentum heizet 2, 302, 12 P. (ps. 74, 12); die erde habet (= hält) nith wen der gotes gewalt, wen sie suebet in dem singewege (weltmeer) Lucidarius 8, 24 Heidlauf; göttliche gewalt, gottes gewalt potenza divina (1711) 381a. formelhaft in gottes gewalt stehen, liegen: mein leib und auch mein leben [Bd. 8, Sp. 1037] ich wil mich alsus reine da ich jetz lag in gotts gewalt (d. h. im himmel war), εε) in ähnlichen verbindungen: neuuas danne gotes rat (consilium dei) bezzera danne mannis 2, 355, 12 gl. P. (ps. 85, 5): es ist bestimmt in gottes rath, γ) gottes tat, werk, wunder, ordnung u. ä. als stärker verdinglichte fügungen, die den verbindungen unter E 3 nahestehen, indem sie nicht nur das göttliche wirken selbst, sondern auch das ergebnis solchen wirkens bezeichnen, im bereich der schöpfung wie der heilsgeschichte: (dasz wir) irkennen, so iz giscriban stat, thia wuntarlichun gotes dat [Bd. 8, Sp. 1038] seim thun vnter den menschen kindern ps. 66, 5; Joh. 9, 3 u. ö.; siv (Maria) ist der ellenden trost, δ) der christlichen gottesvorstellung entsprechend vor allem in solchen prägungen, die wesen und wirken gottes im blick auf die welt und den menschen als hilfreich, freundlich, gnädig kennzeichnen. der für die frühe deutsche wortgeschichte wichtigen entwicklung des zum sinnbereich der göttlichen gnade gehörenden wortschatzes kann hier (in den verbindungen gotes anst, ginâda, huldi, geba, gunst, guoti, armiherzida u. ä.) im einzelnen nicht nachgegangen werden, s. dazu Germania Romana (1932), bes. 17-25; derselbe, antike u. christent. a. d. wiege d. dt. spr. (1949) 12 f. und namentlich s. v. gnade, teil 4, 1, 5, 508 ff. mit sonstiger dort verzeichneter spezialliteratur. αα) gottes hilfe: sino uuar der man ist der gotes helfa nesuohta (ecce homo qui non posuit deum adiutorem suum) 2, 200, 31 P. (ps. 51, 9); si truogenn künec sunder twâl das als durch gottes hilff geschach ββ) gottes liebe, ahd. mhd. gotes minna, minne als gen. subj. in älterer sprache hinter der gleichen verbindung im gen. obj. (s. u. DWB D 1 c) weit zurückstehend, während sich nhd. das verhältnis mehr und mehr umkehrt. nicht völlig eindeutig in sehr früher bezeugung: gotes minnî ist gagozan in unsere moutuuillun durah heilagan geist, der uns gageban uuarth (Römer 5, 5) Monsee-Wiener fragm. 29, 8 H.; vgl. 12; 17; so ist fore allen dingen daz zebedenchenne uuieo ferro unsih praht habet diu gotes minna unde uuieo hoho si reichet 2, 434, 8 P. (ps. 103, 3); vgl. 3, 251, 1; und getwungen mein fumf synn [Bd. 8, Sp. 1039] gottes liebe vergiszt kein stäubchen w. 1, 4 R.-M. γγ) gottes gnade in den differenzierten, wenn auch oft schwer abgrenzbaren bedeutungen des beziehungswortes (und seiner frühen synonyma), die hier nur vergröbernd angedeutet werden können; s. im übrigen s. v. gnade, teil 4, 1, 5, 505 ff., bes. 511—529, zur frage des plurals gottes gnaden ebda 506 f. am breitesten in der anwendung auf gottes huld, geneigtheit, liebe und gütige fürsorge, ihre wirkungen und gaben im natürlichen und geistlichen bereich: (das haus) thar ther liut io betota, ginada gotes thigita und (ich) wil iemer varnde sîn, von gotes genaden do vant er weil wir sind brechlich allesammen, on allen verdienst gar umb sunst δδ) zur formel von gottes gnaden in der verbindung mit herrschertiteln s. s. v. gnade II C 4, teil 4, 1, 5, 523 ff.; dt. rechtswb. 4, 1007. εε) gottes güte vorwiegend in allgemeinem sinn von der liebenden fürsorge gottes für seine schöpfung und seine geschöpfe, s. DWB güte 3 a γ, teil 4, 1, 6, 1401: wanta manag man in war giloubta thuruh inan thar, [Bd. 8, Sp. 1040] er. a. d. tod 1008 H.-K.; ich aber werde bleiben, wie ein grüner olebawm, im hause gottes, verlasse mich auff gottes güte jmer vnd ewiglich ps. 52, 10; so find ich (in der natur) gleich ζζ) gottes huld, gottes gunst. vornehmlich ahd. anst (wie auch miltida: Tatian 4, 18) hat den vollsinn der eigentlichen gratia, s. auch s. v. gunst B 2, teil 4, 1, 6, 1109: gratia kepandi anst anti huldi kotes (K) ahd. gl. 1, 200, 8 St.-S.; kl. ahd. denkm. 195, 8 Steinm.; on allen verdienst gar umb sunst wie sol ich gotes hulde daz dritte ist gotes hulde, das ist allein die gottes huld ηη) gottes erbarmen, barmherzigkeit nur in der engeren anwendung auf die befreiung des menschen aus not und sünde: fona cotes armiherzidv neonaldre farvvannan (de dei misericordia numquam disperare) Benediktinerregel 206, 10 Steinm.; die alten federn zeuht der sünder niht ab, denne er naig sich gegen mittem tag, dâ der sunnen hitz allermaist ist, daz ist gotes parmherzichait, wan got ist diu wâr sunne buch d. nat. 205, 1 Pf.; so liegt es nu nicht an jemands wollen oder lauffen, sondern an gottes erbarmen Römer 9, 16; da mein vorrath (für das kind) auf war, macht' ichs wie Hagar, nahm das kind auf die schulter und ging auf gottes barmherzigkeit ges. schr. 1, 60 Tieck. θθ) weniger gefestigt in anderen verbindungen, die im sinne der gütigen, freundlichen zuneigung eigenschaften und äuszerungen gottes umschreiben: edo nivveist danta kidult cotes ze hrivvvn dih zualeitit (an nescis quia pacientia dei ad poenitentiam te adducit) Benediktinerregel 195, 28 Steinm.; unde (wir) biten unzubrochen Parzivâl sprach 'hêrre, und sölt ich leben nun ain jar, [Bd. 8, Sp. 1041] dei mei salus cotes mines haili (Pa), kotes mines heli (K) ahd. gl. 1, 172, 31 St.-S.; wer danck opffert, der preiset mich, vnd da ist der weg, das ich jm zeige das heil gottes ps. 50, 23; apostelg. 28, 28 u. ö. ιι) gottes segen, vgl. s. v. segen 7, teil 10, 105 f., segen 12, teil 10, 109 (in der Lutherbibel nur segen des herrn). mit noch leicht magischem charakter im älteren, bes. mhd. gebrauch, wo göttliche hilf und göttlicher schutz als unmittelbar wirkende kraft gedacht sind: wan daz mich der gotes segen guote naht geb iu der gotes segn nun fart hyn haim in gottes segn pfarrer v. Kalenberg 24, 470 ndr.; gute nacht — gottes segen über mein mütterchen br. (1893) 18. sonst allgemeiner umschreibend für gottes fördernde hilfe, meist im natürlichen bereich: gottes segen nehrt, vnd nicht die arbeit floril. polit. (1662) 1, 48. sprichwörtlich: an gottes segen ist alles angelegen (1710) bei hausinschr. d. st. Wiedenbrück 24. in verdinglichender anwendung auf bestimmte gaben und lebensgüter, die gott schenkt: de fruw hefft ein kind gekregen, κκ) gottes lohn: retributio dei lon cotes (Pa), lon kotes (K) ahd. gl. 166, 12 St.-S.; erbarmet er sich über sî λλ) gottes gabe. zufrühest im sinne der eigentlich religiösen gratia und misericordia und als konkurrenzwort neben ahd. ginâda: inti gotes geba uuas in imo (dem Jesuskind) (et gratia dei erat in illo) Tatian 12, 1. so noch in der Lutherbibel: denn so an eines sünde viel gestorben sind, so ist viel mehr gottes gnade vnd gabe vielen reichlich widerfaren, durch Jhesum Christ, der der einige mensch, in gnaden war Römer 5, 15; vgl. Eph. 2, 8. speziell vom heiligen geist: do Symon der zouberrer die gotis gabe wolte kfen Lucidarius 34, 26 Heidlauf; das du verdampt werdest mit deinem gelde, das du meinest, gottes gabe (der heil. geist) werde durch geld erlangt apostelg. 8, 20. von bestimmten gnadengaben: oh in imu ist elliu folnissa gotes ghebono ioh gheistes (plenitudo diuinitatis et gratiarum) Isidor 40, 14 H. meist, und namentlich jünger, von göttlichen wohltaten, freundlichkeiten und geschenken im bereich des natürlichen lebens, oft gegenständlich und verdinglicht: die Sodomite unde Gomorrei cherton die gotis geba (den wein) in ubilen nuz (5. Mose 32, 32) 3, 373, 32 P.; das bergwerck auch ein gnediger segen und gute gabe gottes ist Sarepta (1571) inhaltsang. 1a; allein, das Davids (dichterische begabung) war eine sonderbahre gabe gottes Corinna 13 ndr.; es thäte noth, dasz man solchem verfluchten volk die [Bd. 8, Sp. 1042] gaben gottes (gaben der kunst) in spiritus aufhübe Göthe IV 27, 149 W. in der speziellen bedeutung 'kirchliche stiftung' in früher komposition, s. u. gottesgabe 1. ε) δ gegenüber in verbindungen gegenteiligen sinnes, die aber, als zur vorstellung eines zürnenden, strafenden gottes gehörig, auch in ihrem frühen gebrauch nicht durchaus heidnischen ursprungs zu sein brauchen (so mythol. 41, 15; 3, 12). gerade die meisten der hier geläufigen verbindungen dürften vielmehr in biblischen, namentlich alttestamentlichen vorstellungen und wendungen eine stärkere wurzel haben. αα) gottes zorn, vgl. s. v. zorn II, teil 16, 99ff. im gegensinn zur göttlichen gnade und barmherzigkeit innerhalb der biblisch-christlichen grundbegriffe: denn gottes zorn vom himel wird offenbart vber alles gottloses wesen vnd vngerechtigkeit der menschen, die die warheit in vngerechtigkeit auffhalten Römer 1, 18; vgl. Joh. 3, 36; aber die welt achtet nichts, weder gottes zorn noch barmherzigkeit tischr. 3, 4 W.; vergeblich wehrst du mir gebohrn, der sînem scolen nieht vergibet, ... schwerdt, das ducaten prägt, mich hât mit unminne ββ) gottes urteil, gericht, strafe. gottes urteil sowohl als göttliche gerichtsgewalt wie enger als verdammungsspruch und strafvollzug: 'wer ougta iu', quad, 'fillorane, fon nataron giborane, denn aller ausgang (eines doppeldeutigen unterfangens) ist ein gottes urthel wazzer unde fiur sint zuei starchiu gotes gerihte, der erzspion verfolgt mich überall [Bd. 8, Sp. 1043] auch ordal (s. u. gottesgericht): gottes gericht ... ist vor alters der vermeinte wunderbare beweiszthum durchs feuer oder wasser gewesen theatr. poen. (1693) 73; von den sogenannten gerichten gottes kömmt in den salischen gesetzen nur die probe des siedenden wassers (aenei) vor gesch. d. Deutschen (1778) 1, 311. gottes strafe: und ist hie kain wegerung die an der gotis straff vnd gesetz wolte eintrag thun christenl. unterricht (1523) a 2b; der abgehärmte, alternde, kranke könig, der sein unglück als strafe gottes fühlet 12, 224 S. älter noch in anderen verbindungen: mit Jûdâ, dem verflûchtem manne (gott) macht ein end seiner (Israels) schinterey nach mitter naht iwer prîs, sînhalp der gotes slac, ζ) in abstrakten verbindungen ganz allgemeiner art wie gottes natur, sache u. ä.: dis sey gottes art und natur, das er denen helffen wolle, die an seinen son Jhesum Christum glauben 16, 350 W.; vgl. 17, 2, 152; die snd erlan nach gottes art η) gott, allgemein als wirkende person gedacht, begegnet in einer besonderen gruppe anschaulich-bildhafter verbindungen, in denen das anthropomorphe element gesteigert erscheint. αα) gottes rechte eine durch bibel und apostolikum gestützte verbindung, vgl. ahd. gotes zeswa: (Christus) sizit az zesuun cotes fateres almahtikin (8. jh.) kl. ahd. sprachdenkm. 27, 13 Steinm.; vgl. 30, 52; 33, 103; als er aber vol heiliges geistes war, sahe er auff gen himel, vnd sahe die herrligkeit gottes, vnd Jhesum stehen zur rechten gottes apostelg. 7, 55; Römer 8, 34; ihr werdet ihn sehen ββ) gottes hand in vielfacher beziehung und spezialisierung. namentlich umschreibend für die macht gottes in der schöpfung und in der hilfreichen oder strafenden lenkung der menschlichen geschicke: duo diu vrône godis hant verkennt nicht gottes hand, [Bd. 8, Sp. 1044] in verschiedenen konkretisierungen spezialisiert. besonders für den schlagflusz wie gottes gewalt (s. ob. C 1 a β δδ): den tropff, schlag, gottes gewalt oder gottes hand artzneyb. (1588) 148b; tropf pro schlag, hand gottes apoplexia dt. wb. (1734) 2, 869. anders: epfich, der zum gries und stein so fürtrefflich ist, das er die hand gottes genant wird (1568) bei schwäb. 3, 1106. mundartlich: 'de hand gottəs wurde früher der wacholderstrauch genannt, der an häusern herausstak, wo getränke verzapft wurden' rhein. wb. 2, 1321. γγ) gottes finger. älter meist als umschreibung für göttliche machteinwirkung: so ich aber durch gottes finger die teufel austreibe, so kompt je das reich gottes zu euch Lukas 11, 20; es (das unglück) ist als gschehen durch gottes finger. der hat all dieng in seinem gwalt dramen 719 Keller. jünger als bildrede im sinne von 'weisung, mahnung gottes': denn nur im elend erkennt man gottes hand und finger, der gute menschen zum guten leitet I 50, 200 W.; Rudolph Wagner ist ein haupt-glaubensmann und sieht den finger gottes in seinem rufe nach Göttingen in: briefw. zw. J. u. W. Grimm (1885) 1, 464. δδ) gottes auge, auch gottes ohr, mund u. ä., von mehreren ansatzpunkten aus: thanna thu scalt lôn nemen wer gott-gesalbte rührt, rührt gottes augen an sîn gebet wirt verunrûchet, und (dasz ich) auf einem sterne mit dir lebe, als die welt im tiefsten grunde εε) gottes antlitz, angesicht in bildhafter umschreibung für gott selbst, aus biblischer wurzel: ir (der seligen im himmel) allermäiste wunne ζζ) gottes stimme umschreibend für eine selbstbekundung gottes, eine göttliche weisung, einen besonderen göttlichen auftrag: gotes stimna hluda in Sinaberge quhedhenda Isidor 13, 14 H.; diu gotes stimme sprach in zuo [Bd. 8, Sp. 1045] 211 W.; freunds rath ist offt gottes stimm floril. polit. (1662) 2, 618; das herz ist gottes stimme, menschenwerk b) seltener im umgekehrten syntaktischen verhältnis, wobei der abhängige genitiv als attribut einen grundzug im wesen oder wirken gottes umfassend bezeichnet, bibelsprachlichem gebrauch entnommen. oft steht hier neben gott der bestimmte oder unbestimmte artikel: deus pacis got des frides (9.-10 jh.) ahd. gl. 2, 319, 53 St.-S.; so wird gott der liebe und des friedens (rev.: der gott der ...) mit euch sein 2. Kor. 13, 11; Römer 15, 5 u. ö.; wann du bist ein gott der wahrheit. o gott der macht und herrlichkeit 2) in der bestimmung durch adjektiva, meist attributiv, seltener prädikativ oder appositionell mit nachgestelltem substantiviertem adjektiv. in dem 1 entsprechenden anwendungsbereich, aber doch mit fühlbar anderer verteilung der akzente. einen erheblichen teil der festen verbindungen steuert auch hier die sprache der bibel bei. auszerhalb der anrede und des prädikativen gebrauchs begegnet gott hier durchweg mit dem bestimmten artikel. die nicht seltene verbindung mit dem unbestimmten artikel wurzelt (wie ob. A 3) in der verwendung des wortes als gattungsbegriff und (wie unt. 4) in scheinbar polytheistischer grundvorstellung, bleibt aber im biblisch-christlichen rahmen, vgl. etwa: wan er ist ein almehtic got a) das schwergewicht adjektivischer bestimmung liegt im ahd., fühlbarer noch im as. (Heliand), auf der kennzeichnung göttlicher machtfülle und hoheit (s. ob. sp. 1025), verlagert sich aber schon in mhd. höfischer zeit; doch reichen manche verbindungen bis in jungen gebrauch. α) der allmächtige gott als geläufigste, durch die bibel und das omnipotens des apostolikums gleichermaszen gestützte formel, vgl. auch die verselbständigte substantivierung der allmächtige als christliche gottesbezeichnung: enti do uuas der eino almahtico cot Wessobr. geb. 7 Steinm.; vgl. 10 u. ö.; Heliand 476 B.; und ein durchliuhtic himelbote, (das vieh) ... bleibt in seim berff, β) andere epitheta gleicher bedeutung bleiben auf älteren gebrauch beschränkt: der waltende, allwaltende gott, namentlich als uualdand, alouualdo god im Heliand, vgl. 20; 98; 645; 861; 3937 u. o.: welaga nu, waltant got, (quad Hiltibrant) wewurt skihit Hildebrandsl. 49 Steinm.; o vader alweldiger got [Bd. 8, Sp. 1046] der rîche got der mächtige: 'ni scal that rîki god', quad he, 'rîcher got der guote, der ie nâch sælden warp. ach reicher gott vom himmel, γ) in der verbindung mit mächtig, gewaltig, stark, grosz von längerer lebensdauer: mehtiger got, dû bist sô lanc und bist sô breit was kan vns kommen an für noth, groszer gott, wir loben dich anfang e. kirchenliedes a. d. 18. jh., s. δ) in einer A 7 entsprechenden attributiven kennzeichnung vor allem der höchste gott (deus altissimus), bibelsprachlichen ursprungs und unter polytheistischer voraussetzung, aber vorwiegend als absolute rangbezeichnung empfunden: ih haren ze demo hohesten gote (clamabo ad deum altissimum) 2, 215, 13 P. (ps. 56, 3); der hohesto got (deus excelsus) 317, 5 (ps. 77, 35); dem hosten gote bevilh' ich dich: wer gott dem allerhöchsten traut, diu vorhte des oberisten gotes niist in kihuctin himiliskin gote muspilli 29 Steinm.; b) andere adjektivverbindungen kennzeichnen gott im sinne der echtheit, tatsächlichkeit und unwandelbarkeit seiner existenz. α) der rechte, wahre gott in ausdrücklichem oder unausgesprochenem gegensatz zu falschen oder nicht existenten göttern (s. u. III A): das, welcher sich segnen [Bd. 8, Sp. 1047] wird auff erden, der wird sich in dem rechten gott segenen Jesaia 65, 16; der rechte gott deus verus teutschlat. wb. 2 (1741) 96b; wâre got, ih lobin dih Ezzos gesang in: sîn flîz der wart groz daher man alles klar und helle β) der ewige, der alte, der lebendige gott: der herr der ewige gott der die ende der erden geschaffen hat Jesaia 40, 28; Römer 16, 26 u. ö.; o almechtiger, ewiger, gutiger gott, jch bitte dich, du wollest mir vergeben alle meine sunde schöne Magelone 42 Bolte. der alte gott ohne biblisches vorbild: er (Adam) nicht uermiden ne wolde, und auch vom vaterland kunde gib: wann er sich gar verlassen thet c) in ethischer wertung verbindet sich gott vor allem mit heilig, gerecht, treu, wahrhaftig und fromm: enti cot heilac Wessobrunner gebet 9 Steinm.; ahd. sonst nicht, doch vgl. Heliand 161; 240; 1513 u. ö.; darumb du heiliger gott, dem allein gehöret alles was heilig ist, beware fort an dein haus 2. Makk. 14, 36; quoniam iustus dominus iustitias dilexit vuanda got rehter minnot dero menniscon reht 2, 33, 5 P. (ps. 10, 8); las der gottlosen bosheit ein ende werden, vnd fördere die gerechten, denn du gerechter gott prüfest hertzen vnd nieren ps. 7, 10; gott der gerechte hat ursach genug Corinna 55 ndr. der treue gott in bibli chem und biblisch beeinflusztem gebrauch: also Paulus chit: ketriuuue ist got der unsih nilazzet ferror irsuochit uuerden danne uuir uirtragin mugin 2, 107, 15 gl. (ps. 32, 4) P.; in deine hende befelh ich meinen geist, du hast mich erlöset herr du trewer gott ps. 31, 6; 1. Kor. 1, 9 u. ö.; der treue gott dies jahr vermehre [Bd. 8, Sp. 1048] lieszest 3, 159 G. im kirchenlied der fromme gott 'der heilige, gnädige': o gott, du frommer gott, d) in der kennzeichnung der auf die welt und den menschen gerichteten gesinnung und wirksamkeit gottes. α) der liebe gott als heute geläufigste verbindung (vgl. s. v. lieb 8 a, teil 6, 899) ist biblischem sprachgebrauch durchaus ungemäsz und auch der Lutherbibel fremd. ahd. (s. ob. sp. 1025) steht liobi nur neben truhtîn, nicht neben got (vgl. z. b. L. 35; III 1, 31); erst das mhd., dann namentlich das ältere volkslied kennt die verbindung der liebe gott. im eigentlichen vollsinn des epithetons als 'gütig, gnädig, freundlich' nur selten: das der bete vor sy den libin got das her sy irloste Marco Polo 6, 29 Tscharner; Printzel soll mit euch varen. sie liebet mir vor allen, liebster gott, wie wunderbahr β) in anderen, mehr oder weniger synonymen verbindungen. der gnädige gott im doppelsinne des freundlichgütigen wie des verzeihend-barmherzigen: in doufe, the unsih reinot ther ginadigo got barmherziger gott, erkenn die not! [Bd. 8, Sp. 1049] gern in verbindung mit dem vorigen: denn der herr ewr gott ist gnedig vnd barmhertzig, vnd wird sein angesicht nicht von euch wenden, so jr euch zu jm bekeret 2. chron. 30, 9; der gnädige erbarmende gott hat auch der hohen häupter sinn und hertzen ... gelenkket friedenssieg 6 ndr. der gute gott, im älteren ahd., sofern im sinne von 'hilfreich, freundlich', nur neben truhtîn ( L. 43; III 7, 1; V 23, 11; 79; 95 u. ö.), s ob. sp. 1025), neben got seit Notker und sehr geläufig im mhd. als got der guote: quam bonus Israhel deus der Israhelis got uuieo guot der ist. uuemo? his qui recto sunt corde dien die rehte sint in iro herzen 2, 287, 14 P. (ps. 71, 1); nû hilf mir, got der guote die hochzeit v. 1031 Waag; vgl. 994; eiâ herre got der guote, gewisse verbindungen bleiben älterem gebrauch vorbehalten. namentlich der süsze gott (vgl. s. v. süsz II C 1 a, teil 10, 4, 1315 u. II D 1 sp. 1320), als 'der gnädige' oder 'der geliebte', besonders hochhöfischer sprache zugehörig, vgl. d. gottesbild i. höf. dicht. (1933) 5; 22: nû sî got der süeze süezer got, du enscheide o wär ich da! o stünd ich schon, vil edeler, süezer, zarter got γ) gegensinnige verbindungen sind kaum fest geworden mit ausnahme der nur biblisch-alttestamentlichen formel ein eifriger gott 'ein eifersüchtiger': deus est emulator cot ist ellinari (8 jh.) ahd. gl. 1, 336, 75 St.-S.; denn der herr dein gott ist ein verzehrend fewr, vnd ein eiueriger gott 5. Mose 4, 24; 6, 15; 2. Mose 20, 5 u. ö. gelegentlich: gott ist wol barmhertzig, er ist aber auch zornig d. Teutschen weiszh. (1605) C 8a; der folgende sommer gab eine nähere gelegenheit, den zornigen gott, von dem das alte testament so viel überliefert, unmittelbar kennen zu lernen I 26, 43 W. 3) aus der nicht annähernd auszuschöpfenden fülle verbaler verbindungen, in denen sich das dasein und wirken gottes ausdrückt, ist vieles sprachlich fest geworden. das meiste freilich drängt schon früh in die verwendung als kurze wunsch- oder beteuerungsformel, um sich dort unter modifizierung, spezialisierung oder entleerung des sinngehaltes schnell abzunutzen, s. u. J 1 a. a) im hinblick auf gott als ein geistig und innerlich tätiges, fühlendes und empfindendes wesen: α) gott weisz auf das umfassende, überlegene, dem menschen verborgene wissen gottes anspielend: alles des ubilis, daz got hie zi mir waiz ahd. sprachdenkm. 356, 50 Steinm.; es wird mir doch auf erden, [Bd. 8, Sp. 1050] Gaddo: bin ich dein geliebter Gaddo? ich frage nicht umsonst. Francesco: ja! gott weisz es! Ugolino 251 H.; gott mott et wete ... we wess, wat gott wess! wenn die ansichten geteilt sind rhein. wb. 2, 1318. früh zur parenthetischen kurzformel weisz gott oder gott weisz erstarrt und entleert, s. u. J 2 a. β) gott will, gott tut: div menege gesigete, was gott will, das wird geschehn was gott thut, das ist wohlgethan, γ) in unpersönlichen verbalverbindungen, die ein gefallen oder miszfallen ausdrücken, steht gott im dativ: so iz gote liche (11. jh.) ahd. sprachdenkm. 168, 19 Steinm.; ich wæn daz allez sîn (Walthers) gesanc, b) die frage der existenz gottes berührend: uuannan chad er chumet taz ubel, ube got ist? unde ube er neist, uuannan daz kuot? 1, 32, 21 P.; vgl. 47, 6; es sei kain got, tt er tukkisch gedenken aber ich sucht', und ich fand entschuldigung ich (ein verdammter in der hölle) wolt, dasz gott im himmel stürb, wann (denn) gott lebt noch ... [Bd. 8, Sp. 1051] durch den französischen konvent; vgl. schon: he is so glüklich as gott in Frankrich holst. id. (1800) 2, 56; aber sehen sie sich mal um hier, wie leben sie? wie gott in Frankreich ges. w. (1905) I 5, 137; ostfries. 1, 654. c) in umschreibungen für die göttliche schöpfermacht mit bezug auf die welt und den menschen: 'in dhemu eristin chiteda got himil endi aerdha' Isidor 16, 1 H.; Otfrid II 1, 36; got ez allez geshf, got worhte ûz der erden gott hat den menschen gemacht got was an einer süezen zuht, d) die mehrzahl verbaler verbindungen umschreibt die verschiedenen formen der aktiven und unmittelbaren beziehung gottes zu den menschen, meist im sinne der göttlichen freundlichkeit, güte und hilfe. α) sofern gott im ganzen und im einzelnen das menschliche leben und geschick bestimmt. gott verhängt in der doppelbedeutung des 'zulassens' oder des 'anordnens', s. teil 12, 1, 524ff.: odo imo (dem seligen) tod so gienge, thaz got io thaz gihenge, o söllich ubel das hat gott uil wole frote si got. hera santa mih godjoh mir selbo gibod, bist du's? dich sendet gott! [Bd. 8, Sp. 1052] β) gott als der gebende. die verbindung mit geben ist in ihrer anwendung seit alters unbegrenzt (s. auch teil 4, 1 4, 1707 f.), wie auch die wunschformel gebe gott, gott gebe sich vielfach verzweigt, s. u. J 1 a ζ: so fram so mir got geuuizci indi mahd furgibit, so haldih thesan minan bruodher, soso man mit rehtu sinan bruodher scal (842) Straszb. eide 20 Steinm. 82; nû gap im got der guote, ... ich pin mit dir hie und dort, bisz dasz im got würt geben gott der herr nahm wieder, was er gab unde welle uns got die gnade geben, des uns got gerne wil geweren dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 277, 25 Diemer; gott beschert uber nacht proverb. copia (1601) 2, 680; wann uns gott gesundheit und frieden verleyhen wird polit. maulaffe (1679) vorr. bis ins 16. jh. häufig (s. u. DWB J 1 a ε und teil 1, 1487): got hât dich, sun, berâten fünf werder kinde γ) gott als der helfende und behütende: cote helfantemv (deo auxiliante) (um 810) kl. ahd. denkm. 196, 23 Steinm.; V 25, 7; so vil dir gott hilfft dict. (1556) 923b; gott hilfft dem fleisz vnd nicht Hansz Vnfleisz floril. polit. (1662) 1, 220; dominus custodiet te ... got pehuotet dih 2, 549, 21 P. (ps. 120, 5); wöll mir in got behüten, sie (die boten) bat diu marcgrâvinne got von himele bewarn Nibelungenlied 1366, 4 L.; beware mich gott, denn ich traw auff dich ps. 16, 1; wer nur den lieben gott läst walten die rosse rucken sich, wande got mit ir ware dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 171, 17 Diemer; wist ir nit, das got mit uns ist? ist gott für mich, so trete δ) von einer besonderen hinwendung gottes zum menschen. vor allem in der verbindung mit segnen, s. ob. gottes segen 1 a διι und teil 10, 123 f.: benedixit te deus in eternum ... segenota dih got in euua 2, 168, 20 P.; der herr dein gott wird dich segenen in alle deinem einkomen, und in allen wercken deiner hende 5. Mose 16, 15 u. ö.; dasz wieder streit und zweifel entstehen kann über die entscheidung, gehört zu den wohlthaten, womit [Bd. 8, Sp. 1053] uns gott jetzt gesegnet hat v. beruf uns. zeit (1814) 3. des weiteren: uuio sie avur got thar drosta in herzen si iz (das gebet) scono, thaz iu es got gilono gott liebt dich ser on alle masz gott will ich lassen sorgen, daz sich got durch sie gerhte zerbarmen gott tet sich ir erbarmen du bist ein frommer gott, (Valentin:) und wenn dir denn auch gott verzeiht, ε) gegenteilig von der gebietenden, richtenden, strafenden oder sonst feindlichen funktion gottes: iuan fiant minnot, so gibiutit druhtin got dâ rihtit got rehte du, mein gott, wirst gnädig richten doch straffet gott sein übelthat [Bd. 8, Sp. 1054] sihe, selig ist der mensch, den gott straffet, darumb weger dich der züchtigung des allmechtigen nicht Hiob 5, 17; dafür wird gott mich nicht strafen 1, 55 G.; das land murret, gott zürnet 5, 366 S. aus der Lutherbibel gott sucht heim 'straft' (anders s. ob. δ): ein eiveriger gott, der da heimsucht der veter missethat an den kindern 2. Mose 50, 5; ich sterbe, und vergeb es der hand, durch die mich gott heimsucht in: teil 4, 2, 858. biblisch auch gott versucht 'stellt auf die probe': nach diesen geschichten, versuchte gott Abraham (durch Isaaks opferung) 1. Mose 22, 1; gott ... vielleicht sie hiermit versucht und ihren festen glauben ... probirte 2, 622 Keller. die vorstellung, dasz gott einen menschen vergiszt, dient im mhd. als stehende wendung zur bezeichnung eines unglücklichen: wie gar iuwer got vergaz, e) zu einer besonderen, C 1 a ζ entsprechenden gruppe schlieszen sich stärker anthropomorphe verbindungen zusammen, in denen gott hört, sieht, spricht u. ä., s. dazu mythol. 41, 15; 3, 14, der hier heidnische vorstellungen zugrundelegt; doch dürfte biblisches vorbild mindestens gleich starken einflusz ausüben: in herzen betot harto kurzero worto got möhte in (den harfengesang) gerne hœren hie huop sich ein strîten alsus trôstens mînen muot, [Bd. 8, Sp. 1055] fest verankert; sie umschreibt eine form der göttlichen offenbarung oder eine kundgebung des göttlichen willens: got sprah ze Moyse: f) prädikative wendungen mit substantivischem prädikatsnomen umschreiben in hervorhebendem sinne eine bestimmte wesentliche eigenschaft gottes oder einen bezeichnenden zug seines wirkens: uuanda ... got saligheit ist, ter kot kuuinnet, ter ist salig (... beatitudo uero ipsa est diuinitas ...) 1, 190, 4 P.; vgl. 212, 26; 213, 7; sît getriwe ân allez wenken, 4) gott mit bestimmten oder unbestimmtem artikel und folgendem relativsatz, der über wesen oder wirken gottes etwas bestimmtes aussagt. der bei dieser aussageform vorauszusetzende vergleich mit anderen göttern bleibt eine blosze fiktion: ze demo gote, der siu uuerden hiez, ter iro allero causa ist (lli causę, quę dedit esse) 1, 293, 1 P.; der got der nie deheine lügen getete 1, 234, 28 Pf.; vgl. 1, 53, 7. nicht selten auch biblisch: vnd (er) hat den gott faren lassen, der jn gemacht hat 5. Mose 32, 15; ps. 25, 5; apostelg. 4, 24 u. ö.; der gott, der eisen wachsen liesz, D. ein anderer kreis fester verbindungen substantivischer oder verbaler art umschreibt, in umgekehrter blickrichtung wie unter C, die stellung des menschen zu gott oder die äuszerungen des menschlichen verhaltens gott gegenüber. 1) neben substantiven erscheint das wort gott hier vorwiegend als abhängiger gen. objectivus, daneben auch in präpositionalem anschlusz (s. u.g). für die wortfolge in den genitivischen verbindungen und für den typus mit gottes an erster stelle als den sproszbezirk einiger der gewichtigsten gott-komposita, der im nhd. die eigentlichen genitivverbindungen mehr und mehr zurückdrängt, gilt das unter C 1 a bemerkte. a) gottes dienst 'erfüllung des göttlichen willens, gott wohlgefälliges werk oder leben', dem meist kultisch-sakralen und mehr dinglichen sinn der gleichen verbindung gegenüber (s. u. DWB E 3 b α) allgemeiner, umfassender und innerlicher (s. auch gott dienen unten 2 a α u. gottesdienst): nu birun wir gihursgte zi gotes thionoste, [Bd. 8, Sp. 1056] 229 W.; aller gottes dienst stehet in gehorsam d. Teutschen weiszh. (1605) h 7a. b) gottes furcht (s. u. DWB gottesfurcht). im eigentlichen sinne der furcht vor gottes zorn und gericht: non est timor dei ante oculos eorum gotes forhta nist in fore ougen 2, 37, 30 P. (ps. 13, 3); vnd es kam die furcht gottes vber die stedte die vmb sie her lagen, das sie den sönen Jacob nicht nachiageten 1. Mose 35, 5; 2. chron. 20, 29. jünger nach biblischem vorbild meist für die grundhaltung rechter frömmigkeit, neben der furcht die ehrfurcht und die erfüllung des göttlichen willens einschlieszend: lasset vns ... fort faren mit der heiligung, in der furcht gottes 2. Kor. 7, 1; Eph. 5, 21; die zehen gebot, dadurch die leute zu gottes forcht vermanet werden 26, 230 W.; ein wacker hertz vnd ernster muth, c) gottes liebe, älter gotes minne 'liebe zu gott'. im jüngeren nhd. kaum noch so, in früher sprache aber weit häufiger als die gleiche verbindung im gen. subj. mit der umgekehrten beziehung (s. ob. C 1 a δ ββ): zi gotes minniu endi zi rehtnissa uuerchum (ad amorem dei et operationem iustitię) Isidor 29, 15 H.; V 12, 72; 25, 8; sîn swert und rîterlîchez lebn ein vil groz vater was Pastor, entschlafen sind nun wilde triebe, d) gottes lob: in laudem dei in lope cotes (Pa), in lop kotes (K) ahd. gl. 1, 168, 38 St.-S.; das si an dem gotes lob auf zum dank, e) gottes ehre 'verherrlichung', von der gleichen verbindung unter C 1 a α nicht immer sicher zu trennen: sô wuohs diu gotes êre daz gotes êren töhte swâ kirchen ode münster stuont, selbe vert er dar ûz (gibt seinen besitz auf) [Bd. 8, Sp. 1057] die krankheit ist nicht zum tode, sondern zur ehre gottes Joh. 11, 4 u. ö.; eben so sehr und auf gleiche weise hinderte (die anatomische forschung, akk.) die fromme denkart, da man jedes einzelne zur ehre gottes unmittelbar verbrauchen wollte II 8, 9 W. formelhaft: zu gottes lob und ehre br. 8, 114 W.; wie ich immer bereit bin, zu lob und ehre gottes, auch zu nutz und vortheil meines nächsten mich thätig finden zu lassen Göthe I 43, 58 W. älter auch speziell, in umschreibungen für kirchliche stiftungen: acht acker holtzes etc. zugebrauchen vnd an gottes dienste vnd ehre zu wenden (1390) bei gl. 739; soll kain haab, die einmal zu der eer gottes gemacht und geordnet ist, zu pfanndt gelegt werden (1573) in: dt. rechtswb. 4, 1009. f) in mehr gelegentlichen verbindungen, älter auch in solchen, die später nur mit präpositionalem anschlusz (s. u.g) möglich sind: thô anuurtita ther heilant, quad in: habêt gotes giloubon (habete fidem dei) Tatian 121, 3; pe diu habet er hina geuuorfen den skilt, daz chit tes muotes festi unde gotes zuuersihte (i. robur dominicę protectionis) 1, 22, 31 P.; der mac in die einikeit gotes niht enpfangen werden in: dt. mystiker 2, 525, 30 Pf.; wie reine gottfurchtige und christliche gewissen haben sie da; die zuvor nach keynem mord noch gotts gehorsam gefragt hetten 19, 220 W.; denn ich habe lust an der liebe, vnd nicht am opffer, vnd am erkentnis gottes, vnd nicht am brandopffer Hosea 6, 6; 2. Kor. 10, 5 u. ö.; der baum des erkenntnisses gottes g) präpositionale verbindungen mit den gleichen oder auch anderen substantiven sind im ganzen länger lebensfähig als die genitivischen, auf komposition dringenden: petitio mea deus petungā in kot (K) ahd. gl. 1, 245, 31 St.-S. besonders: vnd hettind nit so ein starcken glouben in got, das sy allein jm vertruwten v. freih. d. speisen 16 ndr.; nicht abermal grund legen von busse der todten wercke, vom glauben an gott Ebr. 6, 1; so (vorurteil) ... nennt der atheist den glauben an gott ges. schr. (1893) 4, 23; denn das ist die liebe zu gotte, das wir seine gebot halten, vnd seine gebot sind nicht schwer 1. Joh. 5, 3; thue es (das gute) darum, weil es gottes wille ist, aus liebe zu gott aphorismen 5, 44 lit.-denkm.; di sêle hât danne di einunge mit gote, di di sêle mit dem lîbe habet dt. myst. 1, 179 Pf.; ich habe wahres festes vertrauen auf gott (1778) 1, 3 Waitz; ich habe noch keinen gekannt, der über die furcht vor gott erhaben zu seyn vorgab in: teil 4, 1, 4, 691. 2) gott als dativ-, akkusativ- oder präpositionalobjekt in der bindung an verben; der kreis der beziehungen ist gröszer als unter 1. a) zur umschreibung einer positiven grundhaltung des menschen zu gott. α) gott dienen u. ä. 'den göttlichen willen erfüllen, sich im leben, denken und handeln gott ergeben': thaz sie sint guate thegana, [Bd. 8, Sp. 1058] geistlichen übungen (s.gottes dienst unten E 3 b α), alttestamentlich auch in der abgrenzung gegen den götzendienst: joh thionota iogilicho thar gote driulicho dô man dô gote gediende (nach der messe) Nibelungenlied 1806, 1 L.; vgl. Kudrun 1671, 4; vnd stelleten die priester in jre ordnung, vnd die leviten in jre hut, zu dienen gott der in Israel ist, wie es geschrieben stehet im buch Mose Esra 6, 18. ähnlich gott gehorsam sein, gehorchen: uone deme wart geborn Abraham. ein mensch, der gott gehorcht, erwählt das beste theil β) gott fürchten. seltener im eigentlichen sinne des angst habens vor dem gericht gottes: 'wazamo manno (verstoszener) thu nu bist, thaz thu thoh got ni forahtist' das syg üch äben gseit kurtzumb, γ) gott lieben, älter minnen: thaz sie sculun thuruh notminnon got, so er gibot minne got, sô maht dû frô belîben δ) gott glauben, in, an, zu gott glauben, s. auch s. v. glauben I A 1, teil 4, 1, 4, 7822 ff. als umfassende bezeichnung für die christliche grundhaltung zuversichtlichen vertrauens und gottesfürchtigen lebens, das fürwahrhalten der existenz des christlichen gottes einschlieszend. gott (dat.) glauben, vornehmlich älternhd., früher und später nur vereinzelt: thoh ni sprachun sie in war, thaz sie giloubtin gote sar [Bd. 8, Sp. 1059] vgl.: sunder die enpfohent diser edelre fruht allermeist, die ... uf z gotte gont ... und lossent nút abe und truwent und geloubent ime in habende und in darbende pred. 129, 12 V.; gott gläub ich was ich gläub; ich gläub es menschen nicht der sprach 'ir sult gelouben, (Marg.:) glaubst du an gott? ε) (auf) gott trauen, vertrauen u. ä.: undi suli wir goti vili wol gitrûwin summa theologiae v. 266 Waag; sey from vnd beth, vertrau gott, zu schiffen in dem wüthgen see! das heiszt der auff gott vertrawet, der wol bawet ζ) gott vor augen, (und) im herzen haben 'gottes eingedenk sein': swelch man sich alle tage als du noch voll unschuld [Bd. 8, Sp. 1060] rhein. wb. 2, 1322, 20. ohne religiösen bezug: 'do hoste gott im herze' heiszt soviel wie: da tust du nicht mehr wie recht, da hast du einen vernünftigen gedanken Höchst 19. b) in verbindungen, die eine besondere hinwendung des menschen zu gott zum ausdruck bringen. wie unter C 3, so erstarrt auch hier ein teil der verbindungen zu festen formeln und redensarten, die sich vom ernsthaft religiösen gebrauch bis zur ironisierung oder sinnentleerung hin nuancieren, s. diese unten J 1 b. α) gott loben u. ä.: thô sliumo uuard thâr mit themo engile menigî himilisches heres got lobôntiu Tatian 6, 3; vgl. 7, 5; sî sprach 'daz ich iuch alsô bî und wahrt das feuer und das licht, β) gott ehren: des sî got iemer gêret ehr gott für allen dingen, γ) gott danken: thes scal er gote thankon ergehts euch wohl, so denkt an mich, δ) von beschränkter geltung in der verbindung gott grüszen 'ihm freundlich entgegenkommen', umgekehrt wie ob. C 3 d δ ende und wie dort bei und im sprichwort des 16.-18. jhs., mundartlich noch bei 2, 441: hie adagium verum est 'got begegnet uns, wen wir in khunden grusen' 14, 443 W.; weitere nachweise s. teil 4, 1, 6, 1014. ε) gott anbeten, zu gott beten. ahd. got betôn, dafür später gott anbeten adorare, venerari: uuir iahen an einen got unde beteton einen got 2, 208, 29 P.; 407, 9; kl. ahd. denkm. 173, 1 Steinm.; es stehet geschrieben, du solt anbeten gott deinen herrn, vnd jm allein dienen Matth. 4, 10 u. ö. zu gott beten orare, rogare, die verschiedenen formen des gebets umfassend, seit dem spätahd.: si bedditin ci gote in crûcestal [Bd. 8, Sp. 1061] ζ) in mehrfachen wendungen zur umschreibung des bittenden betens: thes sculun uuir got simbles bitten, thaz sin uuilleo uuerdhe samalih in erdhu in mannom, soso her ist in himile in engilom Weissenb. katech. 14 Steinm.; gott hab ich viel gebeten, er möge nicht ansehen meine schuld d. erwählte (1951) 216; grosze gedanken und ein reines herz, das ists was wir uns von gott erbitten sollten I 24, 180 W.; biginnent thanne wuafanjoh zi gote ruafan da rüfft das gantze Israel der wec wart vinster unde tief, und würgt den schwarzen blau und grün, η) etwas gott klagen als dem höchsten richter und lenker, mit früher neigung zu formelhaftem gebrauch: do Moyses der gte man nû clag ich gote mîn ungemach, θ) jmd. oder etwas gott befehlen, ergeben seinem schutz anheimgeben: do grzte in dev gte alle dein anfang und end, got und sant Michêle morgen dô ez tac wart ... ι) (sich) zu gott kehren, bekehren als durchaus biblische wendung: sih kerta er zi gote ana wank [Bd. 8, Sp. 1062] wenn er sie erwűrget, suchten sie jn, vnd kereten sich früe zu gott ps. 78, 34; Hosea 5, 4; das jr euch bekeren solt, von diesen falschen (göttern), zu dem lebendigen gott apostelg. 14, 15 u. o. ähnlich: bald mit gebet, bald mit gespräch, wendete ich mich zu gott I 43, 359 W. die nur ältere verbindung (sich) zu gott richten scheint auf die situation eines zum tode verurteilten eingeschränkt: rihte dich z gotte: du wurst am dirten tage erhenket (Straszburg 1400) städtechron. 8, 257; schicket man nach den briestern, saget den (zum tode verurteilten) pauren, sy söllten beichten und zu got richten qu. z. gesch. d. bauernkrieges in Oberschwaben 1, 107 Baumann. κ) speziell in der verbindung mit schwören, einen eid tun u. ä., in der gott als höchster zeuge und richter angerufen wird. zur anrufung der götter in der heidnisch germanischen schwurpraxis s. rechtsaltert. 894 f., vgl. auch die schwur- und beteuerungsformeln unter J 1 a δ ζζ; ηη; 2 b; 4 b; 5. die christlich geläufigste verbindung bei gott schwören ist biblischen ursprungs: 'duo dhina hant undar miin dheoh, endi suueri bi himilischin gote' (iura per deum celi) (1. Mos. 24, 3) Isidor 33, 7 H.; (10. jh.) ahd. gl. 1, 710, 16 St.-S. zu Matth. 5, 33; des swuor ouch bî got c) andere verbindungen umschreiben allgemein die möglichkeit einer persönlichen, geistigen oder seelischen beziehung zu gott. α) gott suchen, finden, haben u. ä.: ibu ist farstantanti edo suahhanti cotan (si est intellegens aut requirens deum) (9. jh.) kl. ahd. denkm. 212, 32 Steinm.; die elenden stehen vnd frewen sich, vnd die gott suchen, den wird das hertz leben ps. 69, 33; Esra 4, 2; Ebr. 11, 6 u. ö.; ich kam nie leer zurück, wenn ich unter druck und noth gott gesucht hatte I 22, 305 W. jünger daneben weniger im streng christlichen, eher in dem nach II weisenden sinne (s. auch gottsucher): gefühle, welche allen edel gearteten und gott suchenden menschen gemein sind s. w. (1846) 1, 6; ube er ze gote, fone demo er cham, uuidere funden chan 1, 139, 21 P.; denn auch sie wol jrren können, wenn sie gott suchen vnd gerne funden weish. Salom. 13, 6; uuelih kuot nehabent, die got habent, der al guot kibet? 2, 114, 5 P.; 93, 27; 138, 4; gott haben ist alles haben, was man gut nennen kan d. Teutschen weiszh. (1605) C 6b; ob Abraham 'gott hat'? nein niemals, aber gott hat ihn Karl Barth Römerbrief (51926) 99. keinen gott haben soviel wie 'gott nicht haben': wer sagt, das er ohn sünden sey, [Bd. 8, Sp. 1063] aber in christlichem sprachgebrauch selten: also sol ein christ geschaffen sein ... innerlich gottes vol, ausserhalb nicht anders dan andere menschen s. schr. 2, 49 ndr. β) gott erkennen, schauen u. ä., aber nicht in der eigentlich spekulativen anwendung von gott II: wir warun umbitherbejoh harto filu dumbe, wie möcht in immer wirs geschehen uns, die wir voll höchster freuden gott den brunn der wollust sehn (im paradies) d) aus der vielzahl solcher verbalverbindungen, die eine ungebührliche, widerstrebende, feindliche oder gleichgültige haltung des menschen zu gott umschreiben, ist folgendes, z. t. nach biblischem vorbild, mehr oder minder fest geworden: gott versuchen seine geduld und güte ungebührlich auf die probe stellen: ziu (weshalb) scal ih iowannegotes koron thanne frouwe Ênîte zurnte vaste an got geduld! geduld! wenns herz auch bricht, Marforius fand allen sachen mängel, niht verzwîvelt an gote und (damit) wir nicht, als die gott vergessn, suer gotes so uerlaugenot, [Bd. 8, Sp. 1064] späten 18. jh. belegbare redensart (den lieben, frommen) gott einen guten mann sein lassen, nicht nur zur umschreibung religiöser indifferenz, sondern auch unbekümmerter gleichgültigkeit überhaupt, s. nouv. dict. (1783) 1, 778b; in etwas anderer form schon früher: wie mancher ist ein narr ... E. in einer groszen gruppe fester, meist schon sehr früh bezeugter prägungen drückt sich ein personen oder dinge betreffendes verhältnis besonderer zugehörigkeit und beziehung zu gott aus. über die wortfolge der meist genitivischen verbindungen und ihre durchgehende neigung zu fester kompositionsbildung vgl. das unter C 1 a gesagte. 1) neben personen, deren verhältnis zu gott als ein besonders enges und nahes gedacht ist, in der syntaktischen form des possessiven genitivs. im frühen gebrauch zumal der geistlichen texte äuszerst vielfältig, in einigen verbindungen, besonders unter biblischem einflusz, bis in die neuere zeit, wenn auch mit gelegentlicher neigung zur abschwächung oder ironisierung. der kreis so bezeichneter und ausgezeichneter personen umfaszt in engerem sinne bestimmte, durch frömmigkeit oder göttlichen auftrag herausgehobene, Maria, die patriarchen, propheten und apostel, die heiligen, die priester u. ä., daneben aber auch die frommen und gläubigen überhaupt, wobei sich die einzelnen verbindungen in ihrer anwendung weithin überschneiden. a) neben an sich eindeutigen bezeichnungen in lediglich verstärkendem sinne, vgl. in alten beichtformeln reihungen wie: so gi ich dem almahtigen gote unde minere urouun sante Mariin, minemo herren s. Michaele unde allen gotes engelen, minemo herren s. Johanne unde allen gotes wissagen, minemo herren s. Petre unde allen gotes boton, minemo herren s. Georien unde allen gotes martereren, minemo herren s. Martin ... unde allen gotis bihteren, minere urouun s. Margareten unde allen gotis mageden unde disin heiligon unde allen gotes heiligon (11.-12. jh.) kl. ahd. denkm. 336 Steinm.; vgl. 347 u. ö. besonders: am häufigsten in der (wie engel des herrn) biblischen verbindung gottes engel: dher angil gotes (lat. vorlage nur angelus) Isidor 25, 19 H.; vnd der engel gottes sprach zu mir im traum, Jacob, und ich antwortet, hie bin ich 1. Mose 31, 11; Joh. 1, 51 u. o.; lebt wohl, ihr edles frauenbild, und heil gottes heilige: ich gloubo ... gemeinsami aller gotis heiligon (11. jh.) kl. ahd. denkm. 139, 11 Steinm.; mijn man is al inder kerken, ther gotes ewarto (Zacharias) der gotes prister lobesam [Bd. 8, Sp. 1065] b) die mehrzahl derartiger verbindungen empfängt dagegen durch den genitiv gottes erst nähere bestimmung und abgrenzung. α) gottes bote in schwankender anwendung den engel, den priester, den apostel oder allgemein jeden in besonderem auftrag gottes handelnden menschen bezeichnend, s. auch unt. gottesbote: thar gisah er stantan gotes boton sconan (den engel) durch daz schreib der gotes bote (Johannes) β) gottes knecht in ähnlicher anwendungsbreite: ente di (dir) gotes scalche (dem priester) (9. jh.) kl. ahd. denkm. 316, 2 Steinm.; vgl. 15. jünger wohl spontan: ohne heilige fürbitten ... der knechte gottes (der priester) Ugolino 259 H.; s. w. 66a Bohtz; gotes scalch (papst Gregorius) kaiserchron. 6051 Schr.; daz trugenliche unheil alsô ma ger (der reuige mensch) werden gotes chneht vom rechte 66 Waag; den edelen gottes knechten, durch jhn (gott) setzen urtheil vnd recht γ) ebenso gottes diener: und (wer) gotis diner obil gedenkit nu stunt ouch bi der wende ich will jetzt in ein kloster gehn, schaid ich mich mit dem leibe, δ) die mhd., z. t. schon ahd. äuszerst häufigen verbindungen gotes degen, helt, riter, kempfe, wîgant u. ä. (s. die nachweise der wbb.) leben nhd. nur als komposita weiter, im älternhd. und mit archaisierendem oder romantisierendem unterton besonders im 19. jh. (s. u. DWB gottesheld, -ritter, -streiter u. komp. typ I D 1). sie bezeichnen nicht nur den in eigentlichem sinne christlichen kämpfer namentlich [Bd. 8, Sp. 1066] des kreuzzugszeitalters, sondern darüber hinaus biblische gestalten, die märtyrer, heiligen, geistlichen und überhaupt die gläubigen als die in der militia Christi stehenden. ε) ähnliches gilt von der vornehmlich zu ob. B 2 b β gehörenden verbindung gotes brût als bezeichnung der Maria, einer heiligen, einer nonne oder auch der seele (s. u. gottesbraut). ζ) die wendung gottes freund hält sich als einzige aus einer geschlossenen gruppe ahd. mhd. synonymer verbindungen meist mit substantiviertem adj. wie der gotes trût, der gotes werde, holde, liebe u. a., die ahd. und frühmhd. auch in der form dativischer verbindung auftreten, vgl. die nachweise der vornhd. wbb. einzelnes klingt in nhd. komposition nach: tretet her, ihr gottes-lieben, nun will ich (könig Ludwig), dasz mir folgen ein held war Josaphat der neund, η) gottes mann in vielfacher anwendung. ahd. gotes man im 9.-11. jh. als bezeichnung des priesters in md. und nd. quellen, s. teuthonista 8, 39: elliu in luttero bigihti trohtine gote almahtige ente sinen heilegun ente di (dir) gotes man biiah (9. jh.) kl. ahd. denkm. 317, 33 Steinm.; 318, 2; 323, 2 u. ö. in beichttexten. sonst in spezieller benennung von heiligen, märtyrern, geistlichen und kirchlichen führern: thie gotes man (heilige u. märtyrer) Antonius, der gotes man, so zimit gotes manne (dem frommen) θ) neben gottes mann ist gottes mensch wenig entwickelt, doch vgl.: dô quam ên cristen ûp den kerkhof [Bd. 8, Sp. 1067] gânde, den rêp dô de jode unde sprak: ô minsche godes, hale mî den kerkheren van dosser kerken (15. jh.) in: Germania 10, 286, 17. vereinzelt neutestamentlich für den gläubigen: aber du gottes mensch fleuch solches, jage aber nach der gerechtigkeit, der gottseligkeit 1. Timoth. 4, 11; 3, 17. durch weitere belege nicht zu stützen: gottes mensch aber pfleget man zu nennen, der blödes sinnes und ohn verstand ist haubtspr. (1663) 289. ι) gottes kind, meist pluralisch gottes kinder, gemäsz der von Christus verkündeten anschauung von gott als dem vater ganz aus biblisch-christlichem sprachgebrauch erwachsen, aber in vielfach getönter anwendung. die genuin neutestamentliche lehre von der gotteskindschaft des menschen klingt schon in der sprache des alten testamentes vor: ir seid kinder des herrn ewres gottes, ir solt euch nicht mal stechen, noch kalh scheren vber den augen, vber einem todten 5. Mose 14, 1; Hosea 2, 1; weish. Salom. 5, 5; 12, 7. neutestamentlich für die im glauben an Christus und in seiner nachfolge stehenden, aus den kindern der welt herausgehobenen gläubigen: selig sind die friedfertigen, denn sie werden gottes kinder heissen Matth. 5, 9; auff das jr seid on taddel, vnd lauter, vnd gottes kinder, vnstrefflich, mitten vnter dem vnschlachtigem vnd verkereten geschlecht, vnter welchem jr scheinet als liechter in der welt Phil. 2, 15; Joh. 1, 12; Gal. 3, 26; Römer 8, 16 u. ö. von da her seit alters im allgemein christlichen sprachgebrauch: giereta er (Christus) se in then sind (in der weise), thaz sie (die gläubigen) warin gotes kind (Joh. 1, 12) sît die wîsen alle heizent gotes kint ... diesz wird euch kindern gottes taugen, uz den gotes kinden gebartet unde geharet, kind gottes, wie soll kenntlich mir du bist vil wol geschaffen [Bd. 8, Sp. 1068] in der anwendung auf menschen: daz ander (der früchte des geistes) ist: er (der gläubige) wirt gotes sun von gnâden in: dt. mystiker 2, 482, 1 Pf.; da die vorsteher des krankenhauses, auf die frage des güterhändlers: ob es dem jungen (einem findling) wohl erlaubt wäre, einzusteigen? lächelten und versicherten, dasz er gottes sohn wäre und niemand ihn vermissen würde w. 3, 359 E. Schmidt. κ) gottes volk, älter auch gotes liut nach biblischer, besonders alttestamentlicher auffassung prägnant für das jüdische volk als das auserwählte: den flch uirbot er ime uber lt λ) gottes (aus)erwählte die in ausgezeichnetem sinne gläubigen: die wandelunge die zu get μ) mehr gelegentliche verbindungen, auch solche bildhafter art, umschreiben das verhältnis zwischen gott und mensch in ähnlichem sinne wie oben, biblisch und bibelsprachlich: sind wir denn kinder, so sind wir auch erben, nemlich, gottes erben, vnd miterben Christi Röm. 8, 17; denn wir sind gottes gehülffen, ir seid gottes ackerwerck, vnd gottes gebew 1. Kor. 3, 9; 17, 2, 192 W.; wer Mosen ... verachtet, der da gottes wort füret und gottes zeuge ist, der verachtet gott selbs derselbe 16, 61 W.; das weyb ist auch gottis rusttzeug odder wercktzeug ... solche werck (kindergebären, hauswartung) soll das weyb thun. darumb ist es gottis zeug und gefesz derselbe 12, 346 W. c) weitergefaszt in der allgemeinen benennung und kennzeichnung des menschen als gottes geschöpf, kreatur, bild, ebenbild u. ä.: gotes chiscaftim (creaturis) Isidor 29, 1 H. auch auf geschaffenes überhaupt ausgedehnt: es sint die warmen bad, ich sprich, erzürnt den schöpfer nicht als gottes creatur (nach Manes und Marcion wäre bei weibern nicht) die mindste spur [Bd. 8, Sp. 1069] vgl. 6, 196, 51; wirst du doch immer aufs neue hervorgebracht, herrlich ebenbild gottes! rief er aus I 25, 1, 298 W. d) gottes armer, mit eigener entwicklung, s. u. H 2. 2) gott mit vorgesetztem possessivpronomen drückt innerhalb des christlichen sprachgebrauchs, nach biblischem vorbild, das verhältnis enger zugehörigkeit, persönlicher bindung und besonderen vertrauens aus: ich habe mich müde geschrien, mein halsz ist heisch, das gesicht vergehet mir, das ich so lange mus harren auff meinen gott ps. 69, 4; 1. Kön. 17, 20 u. ö.; mein gott, gedencke nicht der sünden meiner noth sein (Jehovas) wort ist ewig, wie sein nahmen ... 3) eine grosze zahl unpersönlicher substantiva wird, teils durch den attributiven, teils durch den possessiven genitiv, als von gott stammend oder zu gott gehörig gekennzeichnet. a) so in biblisch-christlicher terminologie von bestimmten erscheinungsformen der göttlichen offenbarung, kundgebungen des göttlichen willens und gegebenheiten der christlichen lehre. α) gottes geist, |