Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
fürsehenlich bis fürsenden (Bd. 4, Sp. 808 bis 811) | ||||
| ![]() ![]() ![]() ![]() 1) einer der sich in acht nimmt, ein behuthamer. fürseher, der sich fürsiehet, cautor. (1723) 2, 125b. (1761) 2, 161a. 2) einer der vorsorgt, einer der sorgt dasz genug da ist, ein versorger. wes seind ir denn sorgsam, das ir sprechend: was wellent wir essen, oder wz wellen wir trincken, oder womitt wend wir uns bekleiden? wenn disze sorg hond die heiden, die do nit ein vertruwen habent z gott, dz er ein fürseher sey seiner diener. postill 3, 82b. furseher, provisor. voc. theut. v. j. 1482 i 7a. voc. gemma-gemmar. v. j. 1505 v iija. vgl. auch 498c. ital. provisore, fürseher, vorsorger. 2, 227a. 3) ein behüter, beschützer. Gabriel ist ain verkünder gotlicher kraft, Michael ain fürseher oder behueetter grosser tugent. deutsche theol. s. 161 (cap. 23, 8); und also uberkame der risen könig gunst bei dem soldan, dasz er der jungfrauwen furseher warde, denn er war jr von hertzen holdt. buch d. liebe 12, 1, oft aber findet sich in dem buche auch verseher. 4) ein rathgeber. fürsäher (der), consultor. 149c. Frisius hat das wort bei dem lat. nicht. 5) ein verweser, vicarius. so in dem ehedem gebrauchten reichsfürseher statt reichsverweser. vgl. antibarb. 1, 436. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() [Bd. 4, Sp. 809] sp. 805). im 18. jahrh. haben Wilhelmi, Rädlein, Dentzler, Weismann, Kirsch fürsehung wie vorsehung nach der alphabetischen ordnung, die beiden ersten jedoch das letzte wort mit hinweisung auf fürsehung, das ihnen demnach vorzuwiegen scheint. Matthiä folgt in der ersten ausgabe seines lexicons ganz seinem vorbilde setzt dagegen in der dritten ausgabe (1761) 2, 161a bei fürsehung gleich vorsehung bei und dann s. 435b wieder, wie in jener ausgabe, dieses für sich, ein zeichen, dasz jenes als schwindend angesehen wurde, was noch stärker hervortritt, wenn in deutschlat. universalwb. (1770) vorsehung, das ebenfalls an seiner stelle im alphabete steht, s. 319a bei fürsehung in klammern beigefügt ist. Frisch, Hederich und dessen nachtreter Nieremberger nehmen auch bereits fürsehung gar nicht mehr auf, eben so wenig Haas in seinem deutschen u. franz. wb. (Leipz. 1786), ferner Scheller, während Adelung kurzweg auf vorsehung verweist und hier anmerkt, pro in dem lat. providentia habe vermuthlich die irre geführt, welche fürsehung geschrieben und gesprochen wissen wollten, indem doch der begrif des vorhersehens sehr merklich hervorsteche. er, der die geschichte des wortes nicht kannte, hatte hier offenbar nur die unten unter 6) angegebene bedeutung im auge, aber von dieser gieng das wort nicht zunächst aus, sondern findet sich am frühsten in der unter 3) angegebenen, indem es, wie die bei dieser angeführte stelle aus dem vocabular. theut. von 1482 zeigt, das lat. provisio ausdrückt, für das es auch zuerst gebildet scheint. seine berechtigung kann aber fürsehung nicht abgesprochen werden, wenn es auch heute durch das jüngere vorsehung verdrängt ist. ähnlicher ansicht, wie Adelung, ist Campe, der unter vorsehung, auf welches er ebenfalls bei fürsehung kurz verweist, dieses verwirft, nicht allein weil der begrif des vorhersehens und des anordnens im voraus hier besonders hervorsteche, sondern auch weil das sehen und sorgen für uns oder für unser bestes nur ein damit verbundener nebenbegrif sei. aber gerade diese bezeichnung tritt in der entstehung des wortes eben so stark hervor, wie das vorhersehen. dasz übrigens, wie antibarb. 1, 436 angibt, fürsehung gleich fürsehen gegen ende des 18. jh. trotz dem verdrängtwerden durch vorsehung noch seine vertheidiger gefunden, zeigt deutschlat. lex. (1798), wo sp. 1082 fürsehung und sp. 2824 vorsehung verzeichnet ist und zwar das letzte mit dem beisatz in klammern besser fürsehung. es ist auch hier die unter 6) gegebene bedeutung gemeint, bei der noch der spätere 2, 1733 unter vorsehung bemerkt: oberd. auch fürsehung u. versehung. eine völlig irrige ansicht Heinrich Brauns wird unten erwähnt werden. Nun zu den bedeutungen, welche sich, da fürsehung von fürsehen abgeleitet ist, nach denen dieses verbums in folgender weise ordnen: 1) die handlung des vorhersehens oder des voraussehens, die voraussicht. für die fürsehung, dasz er nicht komm, soll mans also salben. 1, 693a. 2) die aus voraussicht und vorausbedenken hervorgehende vorkehrung, die aus voraussicht hervorgehende anordnung zu einem zwecke. fürsähung, fürsorg, provisio, cautio. 149d, nach (1556) 1085a. zeigten jm jren rahtschlag, so sie uber sein handel entschlossen, an, welcher, nach gantz undertheniger beschehener dancksagung unnd zu fürsehung und verrichtung seines geschäffts also bald auff dasselbig urlaub von jnen name. Amadis 56, 108. fürsehung thun, in voraussicht vorkehrung treffen, wie auch das einfache fürsehen steht. s. DWB fürsehen I 4). derhalben und auff dasz er dem unraht unnd nachtheil, so sich zutragen unnd entspringen möcht, fürsehung that, stelt er sein volck in ein schlachtordnung. 372, 795; Polybius sagt, das von künftigen dingen, als wann sie schon geschehen weren, beständige fürsehung nicht zu tuhn, nemlich in den jenigen, welche sich von natur anders zutragen können, sondern es müsten teils derselben dem unvorsehenen ausgange gelassen werden. kanzlei 499. bei 1, 740b prospicere, vorsehen, vorsehung thun, aber 2, 118b mit dat. der person einem fürsehung thun, prospectum velle alicui. übrigens fällt der ausdruck hier und unter 3) so wie hier und unter 4) nicht selten zusammen. 3) die von voraussicht und vorausbedenken ausgehende bestrebung, dasz das erforderliche da oder vorhanden sei. fursehung, provisio. voc. theut. 1482 i 7b. providentia, prospicientia, provisio, cura, fürsehung, versorgung, sorg. dictionar. T 4b. copia, fürsehung und fürsorg, mit speysz. 332a und danach 149a; annona salaria, fürsehung des saltzes. 99b und danach a. a. o., es ist hier der salzvorrath gemeint und der lat. ausdruck aus Livius 29, 37, 2; conditivus [Bd. 4, Sp. 810] cibus, fursehung der speysz die man hindersich legt oder gehalt, fürsorg, vorradt. 286b; penus, vorraat, oder fürsähung, unnd das järlich eynkauffen für das hausgesind. 970a und danach a. a. o. auch hier erscheint fürsehung thun, natürlich in der engern bedeutung: aus voraussicht das erforderliche beschaffen, wie das verbum fürsehen gesetzt wird. s. DWB fürsehen I 4) u. II 5). der bey einer gemeine ein amt hat, sol jhme angewönen, güttig zu seyn, damit er, wo ein mangel erscheinet, fürsehung tuh. kanzlei 295. 4) die in voraussicht gegründete wahrung oder bewahrung, das in voraussicht gegründete behüten. dann überhaupt so viel als obhut, obsorge: die kinder, die noch in gwalt und fürsehung jrer eltern steen. Nürnberger reformation 171b. auch hier wird der ausdruck fürsehung thun gleich dem verbum fursehen gebraucht. vgl. fürsehen II 7). provideo, ich fürsihe, vermeyde, verware, thn fürsähung. 260b und danach bei Serranus cc 3a, der fürsehung schreibt, die infinitive. 5) aus voraussicht hervorgehende vorsicht, ein sich vorsehen vor bevorstehendem. auch czewissen thn wie eyn münch von sant Antoni orden mit eyner schnellen fürsehung flohe eyn grosses ungelücke und schand, das im von zweien jungen gesellen bereyt und zgericht was. Boccaccio 2, 196 ( decam., ausg. v. Keller, s. 400, 8), im ital. texte steht con subito riparo. Alle diese bedeutungen erlöschen in der ersten hälfte des 18. jh. schriftdeutsch und es bleibt nur die folgende: 6) das vorhersehen und die damit verbundene bestimmung und leitung des zukünftigen, providentia. von gott gebraucht. diese bedeutung, welche von der unter 2) angegebenen ausgeht, taucht erst im 16. jh. auf, aus welchem wol ältester beleg die folgende stelle aus dem zu Wittemberg 1523 gedruckten sendbrief Luthers über die frage »ob auch yemant, on glauben verstorben, selig werden muge« A iiija: und ob der spruche mer wurden auffbracht, müssen alle der massen verstanden werden, sonst were dye gotliche fursehung und erwelung von ewickeyt nichts, darauff doch s. Paulus harrte dringt. es ist dies aber auch das einzigemal, dasz, nach der sorgfältigen forschung von Ph. Dietz wb. zu Luthers deutschen schriften (Leipzig 1870) 1, 755b, das wort gebraucht, denn in seiner bibelübersetzung apostelgesch. 2, 23 und 1 Petr. 1, 2, wo fürsehung stehn konnte, setzt er das in gleichem sinne gebrauchte versehung, das auch in der eben angeführten stelle die Jenaer ausgabe der werke 2, 268a hat. trotzdem aber und dasz Alberus in seinem dictionar. fürsehung in der bedeutung hier nicht anführt, sondern in der vorhin unter 3) angegebenen, scheint es in jener mehr im gebrauch gewesen zu sein, denn bei 423a lesen wir »die göttlich fürsehung, oder gott, mens mundi, providentia«. später wurde es in diesem sinne geläufiger: heist das nicht grob gelestert gott sie (Lenore) fuhr mit gottes fürsehung fischer. ists möglich? aber Ihr? wie seid Ihr hier? [Bd. 4, Sp. 811] aber das wort wird im 18. jh. auch ohne den beisatz gottes, göttliche und dergleichen gesetzt, blosz für sich, und hat dann die bedeutung: die voraussicht, bestimmung und leitung gottes in ansehung der veränderungen im laufe der dinge. es ist dies so viel als gott selbst in dieser voraussicht, bestimmung und leitung. auch in dieser übergetragenen bedeutung erscheint fürsehung nur vereinzelt: die fürsehung hat dich der welt geschenkt und hat dich mir geschenkt, denn ach! was wäre ich ohne dich! neue ged. (1758) s. 82, wo man später ohne berechtigung vorsehung besserte, wahrscheinlich weil der dichter allerdings sonst dieses setzt: die vorsehung wird schon die rechte der tugend behaupten. s. 95; wenn wirst du deine rechte schützen, o vorsehung! 124; die vorsehung, Eine unterscheidung, wie die von in seinem deutsch-orthographischen wb. s. 105b fürsehung, wenn gott für jemanden fürsieht und 247a vorsehung, in gott, wodurch er alles vorhinein sieht, ist sprachkünstelei, weder dem ursprunge noch der geschichte des wortes gemäsz und somit verwerflich. ![]() ![]() 1) vornhin sein. daher 2) vor jemand, d. h. vor dem angesichte jemandes, sich eingestellt haben, in die gegenwart jemandes sich begeben haben auf befehl, nach ladung, zur besprechung, zur vernehmung u. s. w. noch wetterauisch z. b. er ist alleweil (eben) für, zur verhandlung in einer klage vor dem richter oder zur vernehmung vor diesem. 3) gegenstand der besprechung oder verhandlung sein, besprochen werden, verhandelt werden. was weltlich hendel allda (bei der groszen versammlung der protestierenden zu Schmalkalden) fürgewesen, des cammergerichtes, geystlicher lehen, ... auch vom krieg des herren keysers wider den Frantzosen, ist die theologen nichts angangen. Luther (1566) 128a. 4) sich begeben, geschehen. so noch wetterauisch, wenn man z. b. bei einem zusammenlaufe von menschen, über den man nichts weisz, fragt was ist für? 5) hervor sein, aus etwas heraus sein. 6) voran sein. 7) voraussein. 8) vorstehn, insbesondere zu aufsicht und obsorge. mit dat.: (der vormund schwört, dasz er) personen und güter getreulich und ehrbarlich wolle fürseyn. Mainzer landrecht 1755 tit. 5 a. e. 9) vorüber sein, vorbei sein. so wol dem orte als auch der zeit nach gesetzt. s. DWB für II 4) sp. 650. in beziehung auf die zeit s. an dem eben angeführten orte die stelle aus dem Ambraser liederbuche. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() an dëm næhsten morgendô wart vür gesant, ich gesach dën walt und al die heide ir wartliute si vür sanden, dën marschalc man vür senden sol. 209, 26. nhd. fursenden oder furlasen, premittere. voc. theut. 1482 i 7aS. vorsenden.
|
| ||
Digitale Publikationsumgebung / Wörterbuchnetz © 2008 by Trier Center for Digital Humanities, Universität Trier Home | Impressum | Kontakt | ![]() |