Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
zugeartet bis zugegen (Bd. 32, Sp. 399 bis 401) | ||||
| ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) in der älteren sprache wie zueignen einfach 'übergeben': so viel die mutter mag, sol sie ir kindt selber seugen, und nicht sonst einer andern frauwen zugeben hebammenb. 215; dieweil sie (die deutschen und franz. landleute) gemeinlich dasjenig, was er (Palladius) im jänner will gethan haben, sie dem hornung zugeben und haimschieben feldbau 50. dann 'zuertheilen': wir lesen ... dasz ... Noah die welt unter seine kinder und nachkommen auszgetheilet, und einem jeden das seine zugegeben thür. chron. 1; welcher blatz den pferden, lasztviehe und anderm blunder der underhauptleut wirt zugegeben (im lager) Polybius 337; einem lob und eer zugeben 611a (ähnlich 678b; 744a; 795b und öfter); aber die umbstende der rahtschläge und der rede, so den personen zugegeben werden, sind alle ... erdichtet froschmeuseler (1595) b 1b. endlich 'zurechnen, zuschreiben': eim etwas falschlich zgäben oder erdichtlich zlegen 59b; besunderen glidern oder teilen des leybs besundere kranckheiten zgeben 128b (ähnl. 121b; 264b; 288b u. ö.); er gibt ouch das nachlassen der sünd und heil nit dem öl z, sunder dem gebet d. schr. 1, 241. 2) erhalten hat sich die bedeutung 'hinzu': 29b; 30a u. ö.; zu der heiligen schrifft sol man nichts zugeben, noch auch nichts davon nehmen 28, 542 W.; sücht zum ersten das himelreich, so werden alle andere güter euch zugegeben 10, 2, 457 (ähnl. Marc. 4, 24); wann du etwas von thon machen wilt, so mustu im so viel zugeben, als der thon zu schwinden pflegt beschr. aller mineral. ertzt (1580) 6a; meine seele ... giebt der lampe reines öl zu, die deine stille halle erleuchtet die Günderode 1, 203; an weite, länge, an maschen zu- und abgeben; so hustete der weber und gab noch einiges zu, was wirkliches husten vorstellen sollte 2, 46. insbesondere beim kauf und messen, s. DWB zugabe 1: es musz offt einer zugeben, was er nicht kan verkauffen floril. 2, 893; die meile hat der fuchs gemessen und den schwanz zugegeben sprichw. 303. von der zeit: du unverschampter hast nit gng daz ich dir ein täglin z gib Terenz (Straszburg 1499) 28a; der freundliche wirth ... verlangte vielmehr, wir sollten den morgenden tag noch zugeben 33, 175 W. beim kartenspiel: spadilje sasz verzagt in schandewerther ruh, [Bd. 32, Sp. 400] das zugeben für auctarium und corollarium 141b; 336a. in der sprache der markscheider: zugeben ist die winckel, so in der gruben gezogen (s. DWB zug I 38), an tage wieder zugeben G. Junghans gräublein erz. f 3d; 4, 722b. mundartlich wie 'zunehmen': ihr besitz und eigenthum, das früher bedroht war, wenn die wasser des stromes 'zugaben' und 'gossen', steht auf sicherem grund und boden meine sonntage (1880) 164. 3) dem entsprechend von personen 'zur seite stellen' in mannigfacher anwendung: 224a; und gab im einen heubtman zu, mit namen Gorgias 2. Macc. 8, 9; das weib das du mir zugeben hast 28, 26 W. (vgl.zugesellen); der herr obriste von Dohna und andere zugegebene kommissarien acta publ. 7, 223 Palm; und da jemand dergleichen person (dirne) bey sich hätte, ... solte er sich solche ... ehrlich zugeben lassen vollk. t. sold. 98; höchstens spreche ich so, als ein zugegebener advocat für einen verbrecher spricht 13, 207 M.; drum geb' ich gern ihm den gesellen zu, 4) an 'hingeben', s. 1, hat sich die bedeutung 'gewähren, gestatten, dulden' geschlossen: und wenn die käyser Justinus und Justinianus nur einen finger zugaben, friede und ruhe zu erhalten ..., nahmen die päbste gleich die ganze hand kirchen- u. ketzer-hist. 259a; indulgere zugeben mit gnad und gunst 259b; si diei permittit apricitas ... wenns die tagschöne zgibt 108b (ähnl. 244b; 726a u. o.); wo ich hin geen wil, das wilt du nit dulden noch zgeben d. schr. 2, 69; denn du wirst ... nicht zugeben, das dein heilige verwese ps. 16, 10; das dritte stücke ist, das des Mahomeths Alkoran den ehestand nichts acht, sondern yderman zugibt weiber zu nemen wie viel er wil 30, 2, 126 W.; wie es die umstände zugeben wollen IV 42, 236 W.; ihre mutter würde ... diese verbindung mit diesem ... doctor .. niemals zugegeben haben hungerpastor 2, 333. dem steht nahe die wendung einem etwas zugeben 'zu gute halten', 'nachsehen': gott laszt allein die sünd nach ... welicher sölichs der creatur zgibt, zücht gott sin eer ab d. schr. 1, 156; den kindern gibt man das erste mal wol etwas zu 2, O o o iva; ir müssend meinen reimen etwas zgeben und mer dem sinn und meinung nachgedencken dann scharpffen reimen 4, 130 Bolte. mehr mundartlich (Henneberg, Thüringen, Erzgebirge, Schlesien), wie klein beigeben, ist klein zugeben: Siegemund muste nun klein zugeben Armin. 2, 165b, und sich zugeben (niederdeutsch) 'sich beruhigen': dat kind gift sik to 2, 31; wenn ich mich darin zugäbe an L. Schücking 348. über das verhältnis zu zugestehen s. bei 5. 5) ebenso alt ist die bedeutung 'eine meinung oder thatsache als wahr anerkennen', doch scheint sie nicht zu kennen, s. 436b bei do: zugeben vel deputare achten oder vermeinen voc. theut. (1482) f viib; gehylen oder volworten oder zugeben k via; wenn man noch heuttigs tags den Juden zugebe, das Christus eyn lauter mensch were 18, 63 W.; er gibt zu, weszwegen man ihn beschuldigt 657; ich läugne die folgerung, da ich die vordersätze nicht zugebe IV 20, 89 W.; was wäre damit gewonnen, dasz ich zugäbe, 'wie ein esel' gehandelt zu haben? ged. u. er. 1, 63 volksausg.; der graf in seiner antwort schwankte zwischen zugeben und bestreiten I 4, 61. seit [Bd. 32, Sp. 401] mitte 18. jh. üblich sind die wendungen zugegeben dasz, dies zugegeben, zugegeben! (als antwort), u. ä. der unterschied von zugestehen, einräumen u. a. liegt weniger in der bedeutung, als im tone; dasselbe gilt für 4. siehe 1, 76 Euler. 6) veraltet ist: coalescit vulnus die wunde gibt sich wieder zu (1646) 41. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) wie im mhd. entgegen, gegenüber, bis zum ende des 17. jh. belegt. räumlich: denn ich befinde, das auch der theamedes eisen hebt nach gelegenheit des magneten, welchen man im zugegen helt Sarepta 79b; den wind zugegen haben nomencl. lat.-germ. (Hamburg 1634) 564; wie ich dir hie zugegen eine (vierung) hab auffgerissen des cirkels underweisung (1563) 14b. mit übergang in die ruhebedeutung: den cometen, der jetzt zugegen steht op. (1616) 2, 637; wo zugegen wohnet er? 2, 1478a. von feindlichem oder begrifflichem gegensatz: so dann der feind kompt und nahet .., sol man ihm mit geschütz, schiessen und scharmützeln zugegen seyn kriegsb. 1, 132b; wer eynen under ihnen zgegen hat, der hat sie alle widerwertig Livius 254a; nachdem ich mich ... bedacht, wer sich doch diesem mann .. zum besten vergleichen möcht, oder welchen ich ime zugegen setzen solt Plutarch 1b; dem eiteln oder dem nichts .. wird das etwas zugegen gesetzt vermehrter Helikon (1656) 2, 9. auch als satzadverb: zegegen .. e contrario 1158b; zugegen, im gegentheil (1618) 2, 106a. zeitlich von dem, was unmittelbar bevorsteht: sy (die schiffer) ... erkennend dabey (aus den schwärmen der fische), das ungewitter zgängen sye Gesners fischbuch (1563) 18; ist dan das man das ampt (bei der messe) hat angefangen und das offertorium zgegen ist 41 ndr. 2) seit dem 18. jh. gilt es nur in der bedeutung von gegenwärtig, das es in der örtlichen anwendung zumeist abgelöst hat. wie das alte adj. gegenwart, s. th. 4 1, 2284 ff., hat es diese bedeutung im rechtsleben angenommen, zu einer zeit, wo es noch als verbindung von ze mit einem subst. gegen aufgefaszt wurde: ze des richters gagen beitr. 6, 118 und weitere belege bei gegen 3 a th. 4, 1, 2202. es bezeichnete also, dasz jemand dem richter oder zeugen gegenüber stand. daher [Bd. 32, Sp. 402] hat es, auch für die blosze räumliche gegenwart, etwas förmliches behalten und ist nicht in die umgangssprache und in die maa. eingedrungen. a) personen sind bei einer gerichtlichen oder anderen verhandlung, überhaupt von amts wegen zugegen: swer kampflich an sprichet sînen genôʒʒen, der sol bitten den richter daz er sich underwinde ains sins fridebrechers, den er vor im zegagen siht, ûf ain reht Schwabenspiegel 331 Wackernagel; und get er (der mann) dann (von dem gericht) und antwurtet nit (dem herrn), so rihtet der herre hinz im als ob er da zegagen si 209a Laszberg (lehenr. 119); und ich hab euch alle hie zugegensteende berueffen (als zeugen) landeshauptl. v. Tirol 44 (testam. v. 1319); disz hat er mir zugegen gelobt meth. discendi (1601) 103; des will ich mich zgegen diser herren und gten freunden übergeben und versprochen haben 2, 310 Bolte; do ward ain session und waren zegegen all geistlich und weltlich fürsten Constanzer conz. 73 lit. ver.; wenn die könige zu gerichte saszen, waren .. ihre hofbeamte ... zugegen gesch. d. Deutsch. 1, 311; ein pistolenduell, bei dem ich .. als arzt zugegen war 2, 54. früher formelhaft im anschlusz an die bezeichnung der person: alles das zu thun und zu lassen, so der gewaltgeber selber zugegen thun und lassen könnt proc. 92; fragt den Philander zugegen, was ihm wegen bloszen argwohns allhie begegnet seye ges. 2, 234. dazu auch die belege aus Ambach bei b und aus Fischart bei d. b) allgemeiner bei einem vorgang zugegen: da man .. sagt, man hab auff der hochzeit zu Cana getanzt, und Christus zugegen, habs nit verbotten vom tanzen (1543) d 1b; mich mancher hinterrück verspricht, das sprecht ihr so! das scheint euch sonnenklar, leibhaftig soll der herr an allen enden c) es bezeichnet die blosze anwesenheit an einem platze, ohne beziehung auf einen vorgang oder zustand: nun weil niemand mehr ist zugegen, d) nur selten wie b und c von dingen: als ob gott dise welt zugegen e) was zugegen ist, ist zur verwendung bereit, steht zur verfügung: da fand die gselschaft sechs rollwägen [Bd. 32, Sp. 403] ihren brief zugegen oder ganz im gedächtnisse hätte, so würde ich noch viel mehr schreiben 1, 145 Waitz. —
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