Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
idealistisch bis ideenmasse (Bd. 10, Sp. 2039 bis 2041) | ||||
| ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() 1) gebrauch und begriffsentwickelung dieses von Plato zuerst in eigenthümlicher philosophischer bedeutung verwendeten wortes in deutschen philosophischen werken seit dem vorigen jahrhundert ist hier näher nicht zu berühren. Kant, der an den Platoschen sinn von idee anknüpfte: Plato bediente sich des ausdrucks idee so, dasz man wohl sieht, er habe darunter etwas verstanden, was nicht allein niemals von den sinnen entlehnt wird, sondern welches sogar die begriffe des verstandes, mit denen sich Aristoteles beschäftigte, weit übersteigt. die ideen sind ihm urbilder der dinge selbst, nicht blos schlüssel zu möglichen erfahrungen, wie die kategorien. 2, 290; die idee der tugend, in ansehung deren alle mögliche gegenstände der erfahrung zwar als beispiele, aber nicht als urbilder dienste thun. 291, gibt seine eigene definition des wortes: ich verstehe unter der idee einen nothwendigen vernunftbegriff, dem kein congruirender gegenstand in den sinnen gegeben werden kann. 298; der unterschied der ideen, d. i. der reinen vernunftbegriffe, [Bd. 10, Sp. 2040] von den kategorien oder reinen verstandesbegriffen. 3, 251; der absolute raum ist ein nothwendiger vernunftbegriff, mithin nichts weiter als eine blose idee. 8, 560. 2) früher hat namentlich der französische sprachgebrauch des 17. jahrh. das wort zu der bedeutung einer gedanklichen vorstellung, eines gedankens, eines begriffes von etwas verflüchtigt ( 2, 5c). in diesem sinne treffen wir dann idee auch bei deutschen schriftstellern der 1. hälfte des 18. jahrh., entschieden unter französischem einflusse, es wird sogar bisweilen mit französischem accent versehen: wie köstlich sind vor mir, o gott, deine gedanken, sagt David, deine speculationen, deine idéen die du gehabt (bei erschaffung der erde); ihrer ist eine summa, so grosz wie der sand am meer. in Wackern. leseb. 31, 1065 (Homilie von 1747); das ist so der erste gedanke, die erste hinreiszende gefühligste idée, die uns .. alle zugleich einnimmt. 1069; sasz etwas stille, dacht, und schien ging, mit sanften schritten, im ganzen zimmer auf und nieder, 3) idee der gedanke, sofern er verschiedene seiten eines ganzen zusammenfasst, einheitlich betrachtet und durchdringt: die idee ist ein selbständiger, in sich lebendiger und die materie belebender gedanke. grundzüge des gegenw. zeitalters 115; es sind nicht diese gegenstände (blume, quelle, bemooster stein, dichterisch dargestellt), es ist eine durch sie dargestellte idee, was wir in ihnen lieben. wir lieben in ihnen das stille schaffende leben, das ruhige wirken aus sich selbst, das dasein nach eignen gesetzen, die innere nothwendigkeit, die ewige einheit mit sich selbst. 9, 441 Kurz; derjenige welcher selbst nicht die allgemeine idee der wissenschaft hat, ist ohne zweifel am wenigsten fähig, sie in andern zu erwecken. vorles. über d. meth. des acad. stud. 9; ich erseh, nun wüst ich nicht, was dir besondres bliebe? 4) idee, das durch dichterische thätigkeit erzeugte bild, phantasiegebild: den helden sing, der lange die welt berg auf berg ab nicht fern vom thurme, worin der junge Amadis an einem solchen ort liesz oft ein schmeichelnder traum 5) idee, der dichterische, künstlerische vorwurf, stoff: wenn ich nicht immer neue ideen zu bearbeiten habe, werde ich wie krank. an frau v. Stein 2, 281; (das gedicht) ist so musterhaft schön und rund und vollendet, dasz ich recht dabei gefühlt habe, wie auch ein kleines ganze, eine einfache idee, durch die vollkommene darstellung einem den genusz des höchsten geben kann. an Göthe 1, 312; auch die skizze eines künstlerischen gedankens: sollten denn nicht wir beide unter ein paar freunden Lessings ein monument auf seinem grabe zu stande bringen können? ... ich bitte sie, machen sie doch eine idee, z. b. von einer ganz simplen pyramide mit einer ganz simplen aufschrift. an Eschenburg, in Heinemanns Lessing 166. [Bd. 10, Sp. 2041] 6) idee, gedanke, vorstellung überhaupt, zunächst in litterarischer beziehung: alle die schönen ideen, die er (Wieland) aus den alten Griechen will geschöpft haben. 6, 21; wie wunderbar hat der dichter (Sophokles im Philoctet) die idee des körperlichen schmerzes zu verstärken und zu erweitern gewuszt! 394; der poet will nicht blosz verständlich werden, seine vorstellungen sollen nicht blosz klar und deutlich sein; hiermit begnügt sich der prosaist. sondern er will die ideen, die er in uns erwecket, so lebhaft machen, dasz wir in der geschwindigkeit die wahren sinnlichen eindrücke ihrer gegenstände zu empfinden glauben. 471; welche gladiatorseele gehörte dazu, um ein stück auszuhalten, in welchem diese idee, dies gefühl des körperlichen schmerzes, hauptidee, hauptgefühl wäre? krit. wälder (1769) 1, 65; zu einem fruchtbaren umtausch der ideen. an Göthe 1, 2; dasz ich mich auf eine öftere auswechselung der ideen mit ihnen recht lebhaft freue. 5; er fand so viele spuren eines neuen urgenies darin (in einem aufsatz), so tiefe und doch so praktische ideen, dasz er es sich sechsmal hintereinander vorlesen liesz. 15, 172 (unterschieden von den praktischen ideen Herbarts: wie nun jeder kunstlehre ein theil der allgemeinen aesthetik entspricht, der zu ihr die vorbilder enthält: so auch stützt sich die tugendlehre auf die ursprünglichen bestimmungen des löblichen und schändlichen, oder auf die praktischen ideen. lehrb. zur einleit. in die philos. 1813 s. 5); — dann auch überhaupt: ich will aufhören, sie mit diesen traurigangenehmen ideen (gedanken über Mylius' tod) zu beschäftigen. 4, 446; nicht blos der wirkliche gestank, auch schon die idee des gestankes erregt eckel. 6, 524; es greift sie zu stark an, liebe Lotte! ich weisz, ihre seele hängt sehr nach diesen ideen (dasz die verstorbene mutter sie umschwebe). 16, 84; sogar dem gemeinsten realisten, dessen ideen und tage sich auf raupenfüszen und raupenringen fortwälzen, macht ein unnennbares etwas das breite leben zu enge. vorsch. d. ästh. 1, 75. eine fixe idee, eine vorstellung die die seele unaufhörlich und alle andere vorstellungen beherschend, einnimmt. 7) idee, begriff den man von etwas hat oder faszt, meinung: das ist auch wirklich die idee, welche die lehrbücher der mahlerei mit dem worte erfindung verbinden. 6, 448; der schwächere leser kann sich nicht entwehren, eine geringschätzige idee mit dem namen solcher männer zu verbinden, denen solche stümper solche armseligkeiten unausgepfiffen vordociren dürfen. 8, 206; ich würde kaum eine gute idee von dem jünglinge fassen, den .. diese bilder nicht rührten. krit. w. (1769) 1, 51. 8) heutzutage ist das allgemein gebrauchte wort überhaupt mit gedanke synonym, sowol in dessen eigentlicher bedeutung, als sofern man darunter vorstellung, meinung, begriff, absicht versteht: ich habe eine idee, man könnte das só machen; ich habe keine idee, was das geben soll; ich hatte anfänglich die idee, nach N. zu reisen, gab sie aber auf; die sachverständigen haben keine gute idee von der solidität dieses unternehmens; als bild für etwas geringfügiges, eine kleinigkeit: das getränk sollte um eine idee süszer sein; das kleid ist um eine idee zu kurz; mit keine idee! wird stark negiert, wie sonst kein gedanke! gebraucht wird. ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() und was für ein ideenheer in ihm (einem weisen) entstanden. ![]() ![]() ![]() ![]() mein prinz, bethört von seiner idee, 'du kommst nicht ins ideen-land!' ![]() ![]()
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