Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||
goszlinger bis gotenturm (Bd. 8, Sp. 984 bis 990) | ||||
| ![]() ![]() [Bd. 8, Sp. 985] ![]() ![]() ![]() ![]() der brummer zupfte die flieg' am bein ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() die antike überlieferung ( wörterbuch d. agerm. personen- und völkernamen [1911] 120) zeigt zunächst die form Gutones Pytheas bei nat. hist. 37, 35; [Bd. 8, Sp. 986] Γούτωνες 7, 1, 3 (ci. für Βούτωνες, Βούτονες); Gutones 4, 99; Γύθωες 3, 5, 8; Gotones annal. 2, 62; Gothones Germania 43; sodann *Γοῦθθοι im gen. pl. Γούθθωι, parthisch Gut inschrift um 270 bei Persepolis, s. PBB 74 (1952) 297; Goti, Gothi bzw. Γόθοι, Gotthi bzw. Γότθοι, selten Gotti bzw. Γόττοι seit dem 3. jh.; in einheimischer überlieferung findet sich nach Krause der name in Gutani gen. pl. auf dem goldring von Pietroassa (wahrscheinlich 4. jh.) runeninschriften im älteren Futhark (1937) 172; Arntz u. d. einheim. runendenkmäler d. festlandes (1939) 52—97 und in ana Gutþiudai 'im Gotenland' (wörtlich 'im Gotenvolk', vgl. an. Suípióð für Schweden und dergl.) im bruchstück eines kalenders bei d. got. bibel 472 (die richtige übersetzung gab zuerst zs. f. dt. altert. 59 [1922] 248f.). danach ist der name der Goten gotisch als Gutans und Gutos anzusetzen. lautlich identisch damit ist agutnisch Gutar (gen. Gutna und Guta), der name der bewohner der insel Gotland. gegen die an sich nicht unwahrscheinliche annahme, dasz aus Gutaz 'Gote' lit. gudas 'Weiszrusse, Kleinrusse, Pole oder russ. Litauer', lett. guds 'weiszrussischer flösser' entlehnt sei, spricht das d des baltischen wortes; diese schwierigkeit sucht nachr. d. Göttinger akademie d. wissensch. phil. hist. kl. (1941) 244 durch die annahme volksetymologischen anschlusses (etwa an lit. gudrus 'klug, schlau'), Goten, Nordgermanen, Angelsachsen (1951) 32 f. durch die sehr kühne vermutung zu beheben, dasz der name schon vor der lautverschiebung im 5. jh. v. Chr. von Goten von der insel Gotland entlehnt sei. auch dafür, dasz Danzig und Gdingen auf den namen der Goten zurückzuführen sei, treten beide forscher, wiewohl mit bedenken, ein. im anord. und westgerm. ist das u der wurzelsilbe regelrecht zu o geworden: an. gotar (gen. gotna, wonach auch der nom. gotnar) 'helden' (nach anderer auffassung 'Goten'), goti 'rosz', ags. Gotan 'Goten'. die westgerm. vocalisierung ist von Tacitus an für die lat. u. griech. form maszgebend geworden, selbst bei dem Goten Jordanes. danach dann auch Gothiscandza, wie nach cap. 4 die aus der insel Scandza auswandernden Goten die küste des festlandes nach sich selbst benannten, was von dt altertumskunde 2 (1906) 396 als erfindung bezeichnet wurde, meist als 'gotisches ende' (*in gutisk andja 'am gotischen ende, sc. küste'), von Svensk hist. tidskr. 25, 19 und zs. f. deutschkunde (1931) 155 jedoch wahrscheinlicher als gutisk-Skandia 'gotisches Scandia' gedeutet wird. *Gutans, gotar, Goten steht im ablaut zu an. Gautar, schwed. götar, ags. géatas 'Gauten, bewohner von Väster- und Östergötland' (von wo die Goten ausgewandert sind, s. Goten, Nordgermanen, Angelsachsen [1951] 18; 150). weitere anknüpfung ist unsicher, am wahrscheinlichsten ist eine urspr. bedeutung 'männer' (vgl. norw. gut 'junge, junger mann, mann') zu giutan 'gieszen' als 'semen emittere', vgl. gr. ἄρσην 'männlich' zur wurzel ers 'flieszen' und 3325, wo parallelen für die selbstbenennung von völkern als 'männer, menschen' gegeben werden. im dt. tegegnet der name zuerst im frühnhd.; ob schreibungen mit tt(h) auf die urspr. kürze des vokals weisen, läszt sich nicht entscheiden: neben die gotthen dict. (1586) 526a; thes. (1587) 367b; thes. (1608) 567; lex. lat.-belg. (1726) 660; die gotther Cuspinian (1541) 140; gotten (s. u.) auch gothen thes. (1668) 2, 2889; dt. wb. 1 (1734) 623; für die unsicherheit kennzeichnend: die Gothoner sind eben die Guttoner, von welchen wir droben aus dem Pythia gehöret, das bey jhnen der bernstein gefunden und verkaufft worden: vnd dieselben werden mit andern nahmen auch Gothen, Geten und Gotten geheiszen Pommerland 1 (1639) 15. seitdem wohl zweifellos mit langem wurzelvokal. bedeutung und gebrauch. erst die besinnung der deutschen humanisten auf die vergangenheit des eigenen volkes führt zur wiederentdeckung [Bd. 8, Sp. 987] der Germanen. weil von den in der völkerwanderungszeit hervortretenden Germanenstämmen die Goten dem schicksal der Mittelmeervölker, die damals allein eine literarische kultur besaszen, die stärksten spuren eingegraben haben, finden sie zunächst von allen die gröszte beachtung. das wort wird fast ausschlieszlich pluralisch verwendet. 1) im weiteren sinne: Germanen schlechthin ohne scharfe stammes- und volksmäszige scheidung. aufs frühnhd. beschränkt; von den Cimbern: ich acht vnd halt es mit Johan Carion vnd Procopio, das die Cimbri oder Cimmerij die Gothi seien ausz Gothland der insel, ein teutsch volck, ... haben aber durch so vil krieg vnd fäll den namen Cimbri verlorn und werden itz Gete oder Gothi genent, ausz der insel Getica oder Gothica Germ. chron. (1538) 8b; bisz dise greulichkeyt vnnd hitzige brunst in den barbarischen Gothen veraltet ebda 9a; dasz die Gothen aus der insul Scanzia ... alles mit ihrer cimbrischen Gothenmacht ihnen unterthänig gemachet d. alt u. neu teutsche Dacia (1666) 14; von den Alemannen: es hat auch Gratianus ein mercklich schlacht mitt den Gothiern gethan bey Straszburg Germ. chron. (1538) 45b. 2) im engeren sinne: das germanische volk der Goten. im 16. jh. ohne scharfe trennung von anderen germanischen völkern, so dasz die entscheidung der bedeutungszugehörigkeit zu 1) oder 2) weithin offenbleiben musz: also sties er (gott) ... das königreich ynn Kriechen durch die Römer, die Römer durch die Gotten und Türcken (ab) (1526) 19, 360 W.; demnach thet er ein plütige schlacht mit den teutschen Gotthis bey Constantinopel ... die Gotthi eylten hinach Germ. chron. (1538) 44b; z diser zeyt begerten die Gother (sic!) in Thracia christen z werden; da ward jhn Arrius gepredigt ebda 45a; eine (tochter) gab er (Dietrich von Bern) Alarico der Gotthen künig; dann es hetten die Gotti in Hispania ein künig ebda 51b; (Aurelian) der hat auch die Göther gar strengklich überwunden chron. (1543) 141. die bedeutungsverschärfung entwickelt sich an der fast formelhaften verbindung mit den Wenden (vgl. 3), d. h. Vandalen: wie er (Christus) denn wol kan seine feinde durch andere feinde straffen, die Juden durch die Rmer, die Romer durch Gotthen und Wenden (1535) 41, 114 W.; (gott) lies die stad Rom durch die Gotten und Wenden jnn kurtzen jaren vier mal erobern, endlich verbrennen und schleiffen ebda 51, 290; in eruptionibus deren Hungern, Gothen, Wenden, Abern und anderer mechtiger völker und nationen Zimmer. chron. (21881) 1, 21 Bar. sogar noch: die wissenschaften wandern, wie die Gothen und Wenden, und auch der geschmack wandert von ost zum west (1767) in: br. dt. gelehrter an Klotz (1773) 112. das encyclopädisch-antiquarische interesse des barock verfestigt diese einschränkung des gebrauchs: ... wohin der Scyten pferd der Scyth hat erstlich dich (Siebenbürgen), indem sie es bey ihm mit den gelehrten sachen, [Bd. 8, Sp. 988] was die Goten angefangen hatten ged. (1743) 240; die kriege der barbaren und das feuer der Gothen haben den künsten geschadet beytr. z. gesch. d. geschmacks (1767) 159; (spottvers auf Goethes namen) und den flusz hinauf, hinunter ziehn die schatten tapfrer Goten, gebt raum, ihr völker, unserm schritt, 3) in speziellerer bedeutung. im formelhaften titel der Schwedenkönige: an doctor Martin Luther x Gustaff von gots gnaden zu Schweden, der Gotten vnd Whenden ... konig (1541) Gustav v. Schweden bei br. 9, 430 W. durch die züge Gustav Adolfs und die schwedische herrschaft in Norddeutschland (bis 1815) bekannt: auf ihrer durchläuchtigsten frauen, ... der Schweden, Gothen und Wenden königin usw. ankunft in Leipzig (1631) dt. ged. 326 Lapp.; geschichte Gustafs III., königs der Schweden und Gothen (1793) titel. ohne diese verbindung später historisierend: (Frankreich) sah sich schon damals, als er (Gustav Adolf) den Lechstrom passierte, nach fremden bündnissen um, den sieghaften lauf des Gothen zu hemmen 8, 301 G. 4) nur selten verbindet sich mit Gote die abfällige wertung der italienischen renaissance des 15. jhs., von der die bauwerke aus der zeit der Germanen- und der mittelalterlichen deutschen herrschaft gegenüber der klassischen kunst der antike als roh, verworren, barbarisch geringschätzig verachtet (näheres s. gotisch B) und die Germanen für die zerstörungen an den heimischen bauten verantwortlich gemacht wurden, wobei die Goten wie unter 1) als die repräsentanten der Germanen mit unklarem einschlusz der mittelalterlichen Deutschen erscheinen. diese auffassung übernehmen die deutschen humanisten aus dem ursprungsland: quam foede disciplinas omnis confuderint isti Gothi, quanto supercilio suam inscitiam perdoceant, quam stolida peruicacia et propriam tueantur ignorantiam et alienam eruditionem aspernentur (1505) op. epist. 1, 409 Allen; quo tandem jure, ô vos Gothi, è vestris egressi limitibus, non modo Latinorum provincias occupatis (disciplinas loquor liberales), verum etiam ipsam urbem rerum dominam, Latinitatem audetis incessere? ders., op. omnia 10 (1706) 1706. vgl. frz. ostrogot 'ungeschliffener mensch' etym. wb. (1928) 655. im deutschsprachigen schrifttum zunächst nur gebraucht, um mit überlegener ironie die einstellung des Italieners zum Deutschtum zu charakterisieren: (vgl. gotisch B, sp. 1002 f.): (der papst:) und förcht, die jungen Gothen (die deutschen bestien) fast [Bd. 8, Sp. 989] (Winckelmann) ist in der zahl der wenigen, die den deutschen namen auch in gegenden (Italien) schätzbar gemacht haben, wo man ihn sonst unter dem namen der Gothen zu begreifen gewohnt ist (1777) 8, 439 S.; der nächste abschnitt (von Lloyd Georges kriegserinnerungen) befaszt sich mit der italienischen front, wo der teutonische schlag, wie ihn L. G. nennt, im october 1917 mit der 12. Isonzoschlacht ... geführt wurde und den 'Goten' die möglichkeit erstand, einen triumphmarsch auf Rom anzutreten dt. allg. ztg. v. 25. 7. 1934 nr. 341. vereinzelt steht ein gotisch B entsprechender ernsthafter gebrauch zu abschätziger wertung des eigenen volks: die Gothen in der tonkunst haben sich noch nicht verloren, ob schon die vernunft und die natur die stücke unserer besten meister beleben. wir sehen solche tonkünstler, die sich eine ehre daraus machen, unverständlich und unnatürlich zu setzen. sie häufen die figuren. sie machen ungewöhnliche auszierungen. sie werden dabey so künstlich, dass sie sich selbst nicht verstehen. folglich entfernen sie sich beständig von der natur und von den absichten ihrer stücke. sind dieses nicht wahre Gothen in der tonkunst? critischer musicus 4 (1737) 755; morgen reise ich von hier (Hannover) nach dem Münsterlande, wo Gothen und Vandalen wohnen, und wo die leute gar keine liebhaber der schönen wissenschaften sind (1770) in: br. dt. gelehrter an Klotz (1773) 179. hierher wohl mundartl. im sinne von 'aufsässiger kerl, krakeeler, unruhstifter': ich wer mich in obacht nehmen und wer mich zu solchen Gothen setzen die weber (1892) 60. vom dichter 10. 3. 1944 brieflich als in Bad Salzbrunn 'oft gebrauchtes mildes schimpfwort' für 'einen nicht bösartigen, aber plumpen und unbeweglichen menschen' erläutert. 5) zusammensetzungen, erst seit ausgang des 18. jhs. üblich werdend. a) zu rein sachlicher feststellung im sinne von 2: gotenapostel: der Gotenapostel Ulfilas unser deutsch (1919) 19; -banner: kampf um Rom (1901) 3, 302; -bischof: Ulfilas, des Gothenbischofs übersetzung öcon. encycl. 228 (1855) 136; -blut: sie ist von echtem, altem Gotenblut! ja, so müssen die altdeutschen heldenweiber gewesen sein ausgew. w. 6, 102 Kappstein; einen tropfen Gothenblut vergossen kampf um Rom (1901) 1, 307; -brauch: w. (1856) 5, 200; -einfall: erdkde (1822) 1, 664; -frau: a. a. o. 2, 185; -freundlich: die gothenfreundlichen Römer ebda 4, 67; -fürst: Bojardo (1835) 1, 245; a. a. o. 4, 95 u. 207; -haufe: dass die Meraner bauern eigentlich ein alter Gothenhaufe sind drei sommer in Tirol (1895) 2, 267; barocke gelegenheitsbildung: -haus: du edles land! ... (Dacien, d. i. Siebenbürgen) und mit begeisternder kunst ... b) gelegentlich wird in dichterisch-erhöhtem ausdruck die übliche verbindung von gotisch als ästhetisch-kunstwissenschaftlichem [Bd. 8, Sp. 990] terminus (gotisch B) mit dem dazugehörigen substantiv zusammengezogen: gotenbau: ach, raub und trug hat deine felsenwand, doch kommen zu gutem glück ich seh' die berge, die mein thal umsäumen,
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