Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm ![]() | ![]() ![]() ![]() | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
fürchte bis furchtergriffen (Bd. 4, Sp. 695 bis 705) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ausfall des ch zeigt sich schon, wenn auch vereinzelt, im 11. jh., aus welchem ein in altd. leseb. 1861 sp. 139, 17 abgedrucktes sprichwort furtin für furhten hat, wozu im 12. jh. noch im pl. praet. vorten (Rother 2006) für vorhten so wie der auf worhte, würkte = baute, reimende sg. praet. vorte im Annolied 488 kommt. mhd. fürten = fürhten, vürhten, lesen wir in dem von herausgegebenen Eggenlied str. 109, 3. 159, 5. 160, 8. eben so findet sich in diesem str. 219, 3 das praet. fort = forhte. noch dauert mundartlich, z. b. fränkisch-henneberg. förten ( 2, 496. 3, 543, 21. 4, 238, 2), farten (2, 496), färten (4, 238, 2), fichtelgebirgisch ferten (2, 556, 10) fort. ausfall des r dagegen ergibt sich in mittelrhein. fuchten, pertimescere. voc. ex quo vom j. 1469. dazu gehört das praet. focht, wie es in urkunden und schriften des westlichen Mitteldeutschlands ebenfalls aus dem 14. und 15. jh. vorkommt: dës focht sich das kindelîn. das zwölfjährige mönchlein, Frankfurter hs. s. 223, ër fochte daʒ im untrouwe wan sie vochten, in solde mislingen daʒ er (ihrer) keiner die gemeine fochte. s. 7 (345); glich alse sold die gemein fochten sich. ebenda. ich focht, das (dasz) Ungernland in dësem jâr obel wirt stên. brief v. j. 1439 in Frankfurts reichscorrespondenz 1, 484; ich focht, das (dasz) sîn gnâd sye zûsammen wirt knoppen, das nit vil gûtes dâraus kome. ebenda. niederrheinisch etwa um 1200 nit in vohte dit ungemach sô fochten ich michel sêre dâ fochte ich dën zorne dîn. 1283; ër fochte daʒ mortgrimme wîp. 1393; nû fochten ich daʒ ich dir schade gar. 2314. noch sagt man z. b. wetterauisch mit e für ü fêchde, praet. fôchd, auch fêchd, part. praet. gefôchd, auch gefêchd. ausfall des t erscheint in sonnebergisch färchen ( volksth. aus Sonneberg[Bd. 4, Sp. 696] 7), koburgisch ferchen ( 3, 177, 62), das auch zu und um Lauterbach bei Fulda gehört wird. man conjugierte ahd. praes. furhtu, forhtu, praet. forahta, forhta, part. praet. kaforaht (Diut. 1, 522b), kifurhtit, mhd. praes. vürhte, praet. vorhte, auch vurhte ( 3,386a), part. praet. gevorht, auch gevürhtet (Gregor. 467) und, wie Jacob Grimm zum wb. aufgezeichnet hat, blosz vorht MS. 2, 144b, wofür aber an derselben stelle MSH. 2, 194b, 98 gevorht steht. nhd. praes. fürchte, förchte, praet. forchte, bei Luther und andern furchte, daneben auch vereinzelt förchte ( 156, 1b), forchtete ( alt. Pommern 1, 113), part. praet. geforcht, gefurcht (so z. b. habe mich gefurcht. edelmann 371). noch 587 führt an inf. fürchten, auch förchten, praet. forchte, förchte und förchtete, part. geforcht und gefurcht. Steinbach dagegen hat im praes. blosz fürchte, im part. praet. gefürchtet; das praet. ist nicht ersichtlich, er wird aber, da er kein furchte verzeichnet, fürchtete annehmen, wie denn in seiner grundlegung 1748 s. 261b = sprachk. 1762 s. 323a fürchten unter den einfachen richtigen zeitwörtern aufführt, also entschieden im praet. fürchtete, im part. praet. gefürchtet will. so auch Adelung und Heynatz. dennoch erhielt sich furchte bei Schnabel in der insel Felsenburg, bei Rost, Lessing, Ramler u. s. w., selbst noch bei (s. sp. 699), (s. sp. 704) und in einer unten (sp. 699) angeführten stelle von Göthe in seinen briefen an frau von Stein. später kommt furchte wie forchte nur noch alterthümlich vor. aber mhd. taucht im part. praet. neben gevorht ein unorganisches starkes gevorhten auf, das, auch mit un- zusammengesetzt, in einem ungevorhten, ohne sich zu fürchten, ohne furcht, sich zeigt: Ërnst gîng ungeforhten wider Das wort steht I. transitiv oder vielmehr gleichsam transitiv in den bedeutungen: 1) im bewustsein der schwäche in der seele bewegt meiden oder besorgen, bei wirklich oder möglicher weise oder blosz nach einer einbildung bevorstehendem oder übel bringendem die gedanken mit besorgnis oder vielmehr fern haltender seelenregung richten auf —. a) mit acc., wofür gramm. 4, 671 belege aus dem ahd. gegeben und aus dem mhd. nachgewiesen sind. zahlreichere bietet für jenes 3, 690 f.; für dieses, nemlich das mhd., aber s. auch 3, 386b. für das goth. würden, wenn uns mehr an schriftlichen denkmälern erhalten wäre, keine belege mangeln, denn in hva faúrhteiþ, leitil galáubjandans! (Matth. 8, 26) in dem sinne: was fürchtet ihr, kleingläubige? blickt der acc. durch mit vollem rechte wird deshalb in der gramm. a. a. o. bemerkt, dasz goth. faúrhtjan und das ahd. forhtan eben so wie das gleichbedeutende goth. ôgan den acc. regiere. es steht aber bei dem worte α) bloszer acc. der person: mhd. daʒ swërt leg ûʒ dër hant, hersch ich gleich streng zum theil unbillig, wenn du sie gleich straffst hertiglich, [Bd. 4, Sp. 697] diebe und schatzgräber. (1788) volksm. 2, 130; man fürchtet ein bekanntes oder unbekanntes mächtiges wesen, der starke sucht es zu bekämpfen, der schwache zu vermeiden. 22, 10; es fürchte die götter der fürchte sie doppelt nicht eine welt in waffen fürchten wir wen fürcht ich mit dem schwerte meines gottes? 473a (3, 9); ist das (Johanna) die mächtige, gefürchtete, was kümmerts mich noch, ob die götter sich die alte Zürich selbst schlosz ihre thore, β) bloszer acc. der sache: mhd. si vorchten all dës löwen zorn. wer fürchtet mehr, als ich, der weiber klätschereyn. und man ist stolz und mit sich eins, bis in den schosz der mutter fürchtet ihr fürchte des unglücks tückische nähe. 510b; ihr könige und herrscher! etwas fürchten und hoffen und sorgen holde schönheit, fürchte nichts! 499a. die form förchten kommt vor in als unser vater Abraham bisz er (Jacob) erwarb, als ich erzel γ) acc. der sache und dat. der person: süsze labung der menschlichen sorgen, freundliche liebe, b) mit einem abhängigen satze, der als object erscheint, also die stelle eines acc. einnimmt. dieser satz aber kann α) mit das oder was beginnen: ahd. siê forhton daʒ ze furhtenne në was. ps. 13, 5. nhd. er fürchtete, was [Bd. 4, Sp. 698] er zu fürchten gar nicht nöthig hatte. er fürchtet, was ihm irgend schaden bringen könnte. β) dasz zu anfange haben: ahd. (der mensch) gisihit thaʒ suaʒâ liabaʒ sîn,thoh forahtit, theiʒ ni megi sîn. ich vürchte sêredaʒ sî spræche »in wil« (ich will nicht). MS. 2, 195a. weitere belege s. 386b. aus dem 15. jahrh. s. oben sp. 695 die beiden stellen aus Janssen Frankfurts reichscorrespondenz. nhd. trüb ist und bang in ihren verborgensten tiefen die seele, ach! ich bäte dich auch um deinen segen, allein ich im 16., 17. und selbst noch im 18. jh. läszt man nach dasz gerne die verneinung folgen, ohne dasz dies im sinne des satzes etwas änderte, doch scheint jene demselben etwas unbestimmteres mitzutheilen: ich fürchte aber, das (dasz) nicht wie die schlange Heva verfürete mit jrer schalckheit, also auch ewre sinne verrücket werden von der einfeltigkeit in Christo. 2 Cor. 11, 3; ich fürcht das mich nit ein unglück angange. 147a; fürchten dz (dasz) einer uns nit etwas bösz thye. 146d. unterweilen werden sie eifersichtig und fürchten dasz nicht etwan der götz Jupiter ein schwan werde. 406; noch mehr, ich fürcht, Achat, dasz meine schwäche nicht, γ) mit auslassung von dasz ein abhängiger satz mit dem verbum im conjunctiv sein: mhd. ich vürhte, man bevinde ich vürht ëʒ mir niht wol ergê. 2160; ungërne wolt ich im versagn, ich fürht diu habestu lâʒen dort. 254, 16; ich vörcht, du wërdest ligen tôt. aber dieser conjunctiv wird auch häufig genug mit dem indicativ vertauscht, so dasz aus dem von fürchten abhängigen satze ein, freilich nur scheinbar unabhängiger wird: ich fürchte, ich fürchte, er ist auch ein wenig von der freygeisterey angesteckt. 1, 256; ich fürcht immer, Du bist noch gar nicht aus ihren schlingen. K. v. Burgheim 1, 27; ich fürchte, mein gesandter und ich halten es zusammen nicht lange mehr aus. 16, 101; ich fürchte, wir sind alle betrogen und werden so betrogen, um nie ins klare zu kommen. 20, 193; [Bd. 4, Sp. 699] sieh du nach deinen rechnungen — ich fürchte, sie stehen übel. 212b (kab. u. liebe 5, 7); unsre sachen stehen gut, aber ich fürchte, die rache des himmels wird mich für dieses verwegene gaukelspiel strafen, und diesem thörichten haufen meine schwache sterbliche menschheit früh genug offenbaren. 962a = hist. kal. 1793 s. 593; ich fürchte, oberst Buttler, o weh! ich fürchte, sie sind aufgewacht o weh, o weh! ich fürcht, er ist geliefert. 592 (Tur. 2, 4). δ) statt des beginnenden dasz mit seinem verbum durch einen inf. gebildet werden, indem dieses verbum mit wegfall des dasz in den inf. sich verwandelt, wobei das die person anzeigende pronomen, falls es sich auf das subject bei fürchten bezieht, gleich dasz wegfällt. ahd. bei Notker: siê forhton ferliesen divitias (rîhtuom). ps. 52, 6; ube ër dën scaz në habêti, dën ër furhtet ferliesen. Boeth. 121 ( s. 110, 119). mhd. si begunde trûrenumb ir liebeʒ kint: Isôt diu vorhte sêre borgtens âne gëlten, ich vürhte laster ode dën tôt schon ahd. aber bietet sich auch, von fürchten abhängig, der inf. mit zu dar: Jôsêph, Dâvîdes sun, ni curi thû forhtan zi nëmanne Marîûn thîna gimahhûn. Tat. 5, 8 (Matth. 1, 20); siê forhton terrenum regnum (ërde rîche) ze ferliesenne unde ferluren caeleste (himilrîche). N. ps. 13, 5. sehr häufig und gewöhnlich nhd. und Mose verhüllet sein angesicht, denn er furchte sich gott an zu schawen. 2 Mos. 3, 6; sie hielt den anblick erst für einen leeren traum. (Aias) furchte, von den tapfern schaaren der kriegrischen Troer ... wie verloren erscheint im 16. jh. ein acc. mit inf. bei fürchten: das (dasz) ich kainn mangel frcht einfallen. Sprichwörter und sprichwörtliche redensarten sind: der die blätter fürchtet, gehe nicht inn den wald. 1295, 11, womit stimmt der alle hecken fürchtet, soll nicht in den wald fahren jagen. 2932. die das schieszen förchten, gehören nicht inn krieg. 1294, 44. wer alles nicht fürcht, den beiszt der teuffel auch wol. 1297, 46. wer wasser und fewer nicht fürcht, der ist nicht weisz (weise). 52. ein gebranntes kind fürchtet das feuer, bei 1175, 3 gebrants kind fürcht das fewer, aber 1297, 40 verbrennts kind. er fürchtet seinen schatten, bei 1174, 45 der förcht sich vor jhm selbst, er förcht seinen schatten und 1294, 48 er fürcht sein aigen schatten, omnia tuta timet. gehet dirs wol, so fürcht den fall. 1297, 23. desz glaubigen vatter unser und haisse thränen sind wol zu fürchten. 1296, 9. den tod fürchten ist oft sterben. 6. jederman hasset, den jederman fürchten musz. 1297, 30. wen vil fürchten, der musz vil fürchten. 41. fürchte, die dich fürchten. 2937. besser verachtet, denn gefürchtet, wie man tyrannen fürchtet. 1295, 46. wol zu fürchten ist der mann, [Bd. 4, Sp. 700] 2) eine aus dem bewustsein des geringerseins hervorgehende seelenregung der pflicht und rücksicht empfinden oder kund geben gegen —. der hier stehende acc. drückt das höhere wesen oder überhaupt das höhere aus, dem gegenüber jenes bewustsein wie die aus ihm hervorgehende seelenregung stattfinden. dasz die oben unter 1) angegebene bedeutung hier mehr oder minder verbunden sein kann, liegt nahe. vgl. DWB furcht 2). vor allem häufig ist gott fürchten, den herrn fürchten. ahd. noh thû ni forhtis got. Tat. 205, 5 (170) = Luc. 23, 40. nhd. denn nu weis ich, das du gott fürchtest. 1 Mos. 22, 12; aber die wehmütter furchten gott und theten nicht, wie der könig zu Egypten jnen gesagt hatte, sondern liessen die kinder leben. 2 Mos. 1, 17; darum müssen jn (den allmächtigen) fürchten die leute, und er fürcht sich fur keinem, wie weise sie sind. Hiob 37, 24; sondern in allerley volck, wer jn (gott) fürchtet und recht thut, der ist jm angeneme. apostelg. 10, 35; wer ist der, der den herrn fürchtet? er wird jn unterweisen den besten weg. ps. 25, 12; das werden viel sehen und den herrn fürchten und auff jn hoffen. 40, 4; denn du, gott, hörest meine gelübde, du belohnest die wol, die deinen namen fürchten. 61, 6; das (dasz) der name des herrn gefürchtet werde vom niedergange und seine herrligkeit vom auffgang der sonnen. Jes. 59, 19. nach diesen biblischen ausdrücken wird fürchten später häufig gesetzt: gott umb etwas fürchten, in hinsicht auf etwas. 146d. wol zefurchten und in eeren zehalten. 147a. der tugendhafte fürchtet gott, ohne sich vor ihm zu fürchten. 7, 112. Sprichwörter und sprichwörtliche redensarten: die zeit gehet hin, herkompt der todt, fürcht gott und thu wasz er dich haiszt, kein könig hat so grosz gewalt, II. intransitiv, in der bedeutung: furcht empfinden, furcht haben in beziehung auf etwas. drum fürchten wir mit grund, fügungen des wortes sind 1) mit dem genitiv. dieser drückt das aus, a) für das man furcht empfindet oder besorgt ist. im ahd. zeigt er sich erst bei Notker, s. 3, 691. mhd. dër vuchs vil sêre vorchte [Bd. 4, Sp. 701] mhd. ër sach dî gaʒin um dën rinc b) wegen dessen man furcht oder besorgnis hat: (Abraham) musste seines weibs auch fürchten. 4, 76a, es zu verlieren; Herodes tobte sehr, er furchte seiner krohne, c) in beziehung auf dessen gegenwart, dasein, entstehen, zukommen, gegenübersein, entgegensein, einwirken oder wirken man furcht oder besorgnis hat. s. DWB für I B 3) b), aber auch vor. wird müssen fürchten grosser fahr. 2) mit einer praep., und zwar kann diese sein a) für mit accusativ. vgl. vorhin 1) a) und s. die bei für I A 4) e) angegebene bedeutung so wie sp. 633 auch zwei hierher gehörige stellen. andere mögen hier folgen: doch fürchte nimmer ich fürchte nicht für dich, darf ich es wagen, Ihre majestät ... auch mit hier tadelhaftem vor, das entweder durch mundartliche einwirkung oder durch verwechselung mit für sich da und dort einschleicht. vgl. DWB für I A 4) e). man fürchtete vor eine entzündung im gehirn. in Göthes briefen an Friedr. v. Stein s. 165. b) halb, halben, wegen. vgl. vorhin 1) b). ich fürcht meines läbens halb oder das ich stärbe. 147a. jetzt entfliehe! nicht dem tod entgingst du, c) von: destwegen Petrus gefragt: herr, bin ichs? Johannes gefragt: herr bin ichs? Jacobus im gleichem: herr, bin ichs? einer nach dem anderen ehender geforchten von seiner aignen persohn als von Juda Iscarioth. Judas 1, 300; jede partei fürchtet von der andern, jeder sieht in seinem nachbar seinen feind. 844a. III. reflexiv: sich fürchten, furcht haben, aber auch so viel als furcht und besorgnis haben, mit furcht besorgt sein. organisch ist reflexiver dativ. goth. ni faúrhteiþ izvis! fürchtet euch nicht! Marc. 16, 6, hier ist also izvis nicht als acc., sondern als dat. zu nehmen, wie denn auch das gleichbedeutende ôgan reflexiven dat. hat (vgl. Luc. 1, 13. 30. Joh. 12, 15) und gleiches sinnes mit jenem zurufe ni ôgeiþ izvis! Matth. 10, 26 und Joh. 6, 20 gesetzt wird. vgl. gramm. 4, 29. ahd. ni forhtî thû thir! Tat. 2, 5; ni forhtî thir. 3, 4; [Bd. 4, Sp. 702] sprah thô druhtin innan thiu,quad: wiht ni forahtet ir iu! si begunden in vurhten sêre. Judith 176, 25; diu vrouwe vorhte ir sêre. Mai 53, 33. wie aber mhd., so dauert auch noch nhd. der reflexive dat. fort: gelt du fürchst dir? furchst du dir, so far an galgen! 77; fürcht dir nitt! Cal. (1520) A 8a, vgl. DWB E 5b und M iijb; wer jm furcht der leg pantzer an. David 22a; fürchte dir nit, du kleine herd. Jerus. 1, 97b, = Luc. 12, 32, wo bei Luther furchte dich nicht du kleine herd; ich fürcht mir. 147a. du fürchst dir, ehe dich jemand angreifft. 1174, 3. mit der form förchten: vor zeitten sprach man: förcht dir nitt, die frowe sprach: ich förcht mir nitt. dieser reflexive dativ dauerte, wie die stellen aus zeigen, in der schriftsprache bis in das 17. jahrhundert und wurde in diesem, in welchem er nur noch sehr spärlich sich findet, dann völlig von dem, wie bereits vorhin die stelle Luc. 12, 32 zeigte, bei Luther gesetzten acc. verdrängt, und dieses aufgeben des organischen dat. überhaupt beim reflexiv scheint, nach der vermuthung gramm. 4, 36, dadurch herbeigeführt, dasz der acc. sich auch als dat. geltend wurde. allein verblieben ist er im volksmunde z. b. in Schwaben, woher noch bei volksmärchen s. 245: da saits mannle: noi, du muszt zerste (zuerst) nüber! »ach, i fürcht mir!« saits weible. mit reflexivem acc.: er (Adam) sprach (zu gott): ich hörete deine stimme im garten und furchte mich, denn ich bin nacket, darumb verstecket ich mich. 1 Mos. 3, 10; nacht und tag wirstu dich fürchten und deines lebens nicht sicher sein. 5 Mos. 28, 66; nun furchte sich zwar Floramene. polit. stockf. 341; aber sie furchte sich, darum kehrte sie um. dec. 31; weil ich mich vor den spottreden der schneider- und leinweberjungen, am meisten aber vor den leichtfertigen schülern furchte. Felsenburg 2, 443; nicht so der Grieche! er fühlte und furchte sich, er äuszerte seine schmerzen und seinen kummer. 6, 378 = Laokoon 1766 s. 6, vgl. auch z. sch. lit. u. k. 4, 49; Röschen. ach! thut nur nicht, als ob Ihr Euch auch fürchtetet, sonst fürcht ich mich zehnmal mehr. Marthe. je ja, mein kind, ich will thun, als ob ich mich nicht fürchtete. kom. opern 3, 98. alterthümlich auch noch im 19. jh. im praet. forchte sich: der wackre Schwabe forcht sich nit. Das reflexive fürchten nun hat bei sich 1) gleich dem intransitiven fürchten einen gen., der das ausdrückt, was wir jetzt durch vor mit dat., auch durch wegen, in beziehung, in hinsicht, in betref mit gen. bezeichnen. s. nachher 2) und vgl. vorhin II 1). ahd. në furhte ih mir dës leides, non timebo mala. N. ps. 22, 4. mhd. ër vorhte im grôʒer swære dachte keiner ander herden, [Bd. 4, Sp. 703] in einer redensart hat sich jene alte fügung mit dem gen. erhalten: sich der sünde fürchten, sich fürchten vor sünde, sich fürchten eine sünde zu begehn und darum etwas beabsichtigtes unterlassen, und diese gieng aus von stellen, die den eben angeführten gleich gebildet sind, wie weil aber die calender und almanach unser bibel worden sind, und die leute leyder mehr auff dieselbige, als auff gottes wort achtung geben, und sich derhalben keiner sünden fürchten. 614, = vor keinen sünden fürchten, sie zu begehen; fürchte dich deiner sünden nicht, so lange du noch lebest, damit du dich am tage des gerichts vor niemand zu fürchten habest. pers. baumg. 9, 19, = deiner sünden wegen, in betreff deiner sünden. für die redensart selbst lassen sich beibringen: allein der recensent hat diesen mann (Lavater ist gemeint) seit einiger zeit genauer studiert und würde sich nun der sünde fürchten, dieses urtheil über ihn zu fällen. 33, 96; ich fühlte mich so glücklich in meiner lage, — liebe Henriette, so weit über alle meine hoffnung glücklich, dasz ich mich der sünde fürchtete, noch glücklicher werden zu wollen. — noch glücklicher? — sage, liebe Henriette, wäre es nicht frewel? — Woldemar 1, 80, dafür in den werken 5, 232 matter dasz ich mich vor der sünde fürchtete. aber schon mhd. findet sie sich, natürlich mit reflexivem dativ, ohne artikel, wobei der pl. keinen unterschied machen kann: die (eine jungfrau ist gemeint) swëbete in dën unden: 2) einen dat., der dasselbe ausdrückt, was für in dem sinne von »in beziehung auf, in hinsicht auf« mit dem accusativ. vgl. DWB für I A 4) e): ich furchte mich nicht mir: dem du den krieg so mehrst 3) eine praep., und zwar a) statt des eben unter 1) angegebenen gen. zunächst die praep. vor mit dat. in dem sinne: in beziehung auf die gegenwart, das dasein, das entstehn, das zukommen, das gegenübersein, das entgegensein, das einwirken, das wirken von dem was der dat. ausdrückt. man saget sonst im gemeinen sprüchwort: er fürchtet oder ärgert sich vor seinem eigenen schatten selbst. Simplicissimus 1, 3, 2 (s. 256 = Keller 1 s. 385); habt ihr euch vor dem dinge nicht gefurcht? freim. redner 462; der tod fürchtt sich vor mir. theater 2, 315, s. gleich nachher die stelle; ist ein rechter bursch, fürcht sich vor hexen. 8, 21; er fleht den schiffer um die überfahrt, meint ihr, wenn ich die kraft gebrauchen wollte, wir haben mit dem see gefochten, freund, und hat gefurcht wol eigentlich sie furchte sich vornehmlich für der opferzeit, [Bd. 4, Sp. 704] fürchtest du dich fürm tod? theater 2, 315, einige zeilen weiter aber steht die vorhin angeführte stelle. besonders zu erwähnen ist für mit nichts: wir fürchten uns für nichts. lebensläufe 4, 244. Auch die form förchten begegnet hier, in folgender stelle mit reflexivem dat.: förcht dir nicht für desz feuwers glut. buch der liebe 217, 1. Auffallend erscheint bei sich fürchten der acc. nach der praep., er beruht aber auf verwechselung mit dem dat., der dem acc. im nd. gleich lautet: mache dasz sich dein kind vor dich fürchte, wann du ihm das gute lehrest und das böse abgewehnest. pers. baumgarten 7, 24. b) andere praepositionen, als vor und für, zum theil auch statt des vorhin unter 1) angegebenen genitivs: fürchst dir ab dem donner? mir ist nüts drumb. 2 nr. 364, = wegen des donners. vgl. wb. 1, 7. die fahrt über die Apenninen, auf die ich mich so sehr fürchtete, ging auf das beste und bei dem besten wetter von der welt von statten. (1852) 7, 148. er fürchtet sich wegen seines ungehorsams. o mensch was förchst du dir 4) einen abhängigen satz. mit dasz: ach guter mann, nit förchte dir, mit andern conjunctionen, als dasz: darumb vorchten wir uns nit, so die erde wirdt bewegt und die wasser (es sollte »berge« stehn) werden übertragen in das herz des meeres. bibel von 1483 273b (ps. 45, 3); und (Gideon) sprach zu seinem erstgebornen son Jether: stehe auff und erwürge sie. aber der knabe zoch sein schwert nicht aus, denn er furchte sich, weil er noch ein knabe war. richt. 8, 20. Seltsam erscheint ein impersonales mich fürchtet = ich fürchte, für welches antibarb. 1, 453 mit der mit recht beigefügten bemerkung, dasz es nicht gut sei, einen beleg beibringt: mich fürchtet, der gott Israel schlägt das ganze heer der Midianiter. volkslehrer 1784 st. 8 s. 462. 5) eine besondere nähere bestimmung. dies z. b. in sich zu tode fürchten: wir müssen uns nicht zu tode fürchten für eim lebendigen teufel, viel weniger für sterblichen armen menschen. 8, 42b. sich in etwas fürchten, in einer sache furcht haben: wenn sich einer in etwas nicht fürchten sol, der mus sich zuvor darinnen üben. denn alles bedünket einem swer zu seyn, ehe man es versucht. kanzl. 426. Sprichwörter und sprichwörtliche redensarten: wer sich fürchtet, den beiszen die hunde = ein furchtloser oder herzhafter erreicht ohne hemmnis seine absicht, kommt bald zum ziel, oder um bald seine absicht zu erreichen, darf man keine furcht zeigen. ähnlich wer sich fürcht, den beiszt der teuffel. 1297, 51. fürchst du dich für den pintzen (binsen) im hanf, so friszt er dich, förchst du dich nicht, so thut er dich (lies dir) nichts. 1296, 45. ein jeder fürcht sich, wenn der todt für der thür ist. 25. wer sich nicht fürchtet, dem ist keine übelthat zu grosz. nr. 2936. die dieb fürchten sich, wann sie ein stimm hören, oder, ein dieb fürcht sich vor einem rauschenden blat. 1295, 13. von einem allzu furchtsamen, der gleich zum gebete seine zuflucht nimmt, sagt man wer sich fürcht, der lauff inn die kirch. 25, vgl. nr. 2930. dann heiszt es von einem furchtsamen auch im spott ich fürcht mich für zehen nicht, wenn ich allein bin. 9, vgl. nr. 2933. wer sich vor funken fürchtet, der gibt keinen schmied ab. nr. 2926. ein metzger fürcht sich nicht für vil schaafen. 1296, 15. wilt du dich nicht fürchten für der obrigkeit, so thu guts. 1298, 3. Zusammensetzungen, in welchen fürchten letztes wort ist, sind: abfürchten (reflexiv sich abfürchten = von furcht erschöpft werden, durch furcht sich erschöpfen, metu confici, debilitari, [Bd. 4, Sp. 705] exanimari. bey belägerungen fürchten sich vil leute ab, dasz sie nimmer wieder fro werden. 588), ausfürchten (Stieler ebenda), befürchten, fortfürchten, zerfürchten. ![]() ![]() stehen nicht Amors tempel offen? Sprichwörtlich hüet sich wer sich hüeten kan, vgl. DWB fürchtung. ![]() ![]() ![]() ![]() herr vom unverschämten gericht ![]() ![]() der blosze anblick bleicht schon alle wangen ![]() ![]() ![]() ![]() diesz gesehn erschraken alle ![]() ![]() ![]() ![]() (ein schatte) schreitet drei mal
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